Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.04.2019, Az.: 1 KN 128/17

Abwägung; Grenzbebauung; Grundstücksmindestgröße; Grundzüge der Planung; Mindestgrundstücksgröße

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
18.04.2019
Aktenzeichen
1 KN 128/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69982
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ob die Streichung einer festgesetzten Mindestgröße für Baugrundstücke die Grundzüge der Planung i.S.d. § 13 Abs. 1 BauGB berührt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.
2. Zu den Auswirkungen der durch die Streichung einer Grundstücksmindestgröße geschaffenen Möglichkeit einer mehrfachen Grenzbebauung.

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Antragsteller begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit der Änderung eines Bebauungsplanes, mit der die Festsetzung einer Grundstücksmindestgröße für Baugrundstücke von 1.000 m² aufgehoben wird. Er sieht dadurch die gerade ihn belastende Möglichkeit eröffnet, sein westliches Nachbargrundstück in drei Parzellen zu bebauen.

Er ist Eigentümer des Grundstücks B-Straße 9 im Ortsteil G. im Gebiet des Antragsgegners. Der Ortsteil wird von Südosten nach Nordwesten von einer Bahnlinie durchschnitten. Das im Bereich nördlich der Bahnlinie gelegene, etwa 20 m breite und 80 m tiefe, mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück des Antragstellers grenzt im Süden an die parallel zur Bahnlinie verlaufende Straße B-Straße. Auf seiner Ostseite wird es zu ungefähr gleichen Teilen durch zwei mit (unter anderem) Wohngebäuden bebaute Grundstücke, im Norden durch einen zu dem nördlichen der beiden vorgenannten Grundstücke (A-Straße 10) führenden Stichweg und im Westen durch eine bis zur Planänderung unbebaute Fläche begrenzt, die in ihrem Zuschnitt dem Grundstück des Antragstellers gleicht und im Westen an die von der Straße B-Straße abzweigende Straße A-Straße stößt. Nördlich des genannten Stichweges befinden sich zwei weitere mit Wohnhäusern bebaute Grundstücke (A-Straße 14a und 6). Die Flächen im Westen und Nordosten des Grundstücks des Antragstellers stehen im Eigentum des Beigeladenen.

Der gesamte Ortsteil G. liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 15 „G.“ vom 26. Juli 1980. Der Bereich nördlich der Bahnlinie ist überwiegend als Kleinsiedlungsgebiet, teils als Dorfgebiet festgesetzt, der Bereich südlich der Bahnlinie teils als Misch-, teils als Gewerbegebiet sowie zu einem geringen Anteil ebenfalls als Dorfgebiet. Zulässig sind höchstens zwei Vollgeschosse, im Kleinsiedlungsgebiet nur eines. Die Grundflächenzahlen reichen von 0,1 bis 0,3, die Geschossflächenzahlen von 0,2 bis 0,4; lediglich für das Gewerbegebiet wurden wesentlich höhere Werte von 0,8 bzw. 1,0 festgesetzt. Der Plan enthält unter anderem folgende textliche Festsetzung:

„Mindestgröße der Baugrundstücke 1000 qm.“

Die ganz überwiegende Mehrzahl der Grundstücke im Plangebiet weist eine Größe von mehr als 1.000 m² auf, unterschritten wird diese Grenze lediglich in etwa zehn Fällen, die genaue Anzahl ist zwischen den Beteiligten umstritten.

Auf Anregung des Beigeladenen beschloss der Rat des Antragsgegners am 20. September 2016 die Aufstellung der Änderung des Bebauungsplans Nr. 15 „G.“ im vereinfachten Verfahren dahingehend, dass die textliche Festsetzung zur Grundstücksmindestgröße ersatzlos gestrichen werde. Auf Beschluss des Rates des Antragsgegners vom 30. März 2017 wurde der Entwurf der Änderung des Bebauungsplans vom 18. April bis zum 18. Mai 2017 öffentlich ausgelegt. Zugleich fand die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange statt. Der Aufstellungsbeschluss sowie die Auslegung waren zuvor im Amtsblatt des Landkreises D-Stadt vom 7. April 2017 öffentlich bekannt gemacht worden. Der Antragsteller trug fristgerecht Einwendungen vor (Bl. 61-63R BA 001). Über die eingegangenen Stellungnahmen entschied der Rat des Antragsgegners in seiner Sitzung vom 20. Juni 2017 und beschloss die Änderung des Bebauungsplans als Satzung. Diese wurde im Amtsblatt des Landkreises D-Stadt vom 14. Juli 2017 öffentlich bekannt gemacht. Der Bebauungsplan enthält unter anderem folgenden Hinweis:

„(1) Dieser Bebauungsplanänderung liegt die Baunutzungsverordnung (BauNVO) in der Fassung vom 23.01.1990, zuletzt geändert am 11.06.2013, zugrunde.“

Im Sommer 2017 teilte der Beigeladene das westlich des Grundstücks des Antragstellers gelegene Grundstück in drei etwa gleich große Grundstücke, für die der Landkreis D-Stadt ebenfalls im Sommer 2017 Baugenehmigungen für die Errichtung jeweils eines Wohnhauses erteilte, in zwei Fällen einschließlich einer Errichtung von Garagen auf der Grenze zum Grundstück des Antragstellers.

Am 1. September 2017 hat der Antragsteller den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt.

Er begründet diesen im Wesentlichen wie folgt:

Er sei antragsbefugt; sein Interesse, von einer Mehrfachbebauung seiner westlichen Grundstücksgrenze verschont zu bleiben, sei abwägungsrelevant und in der Abwägung nicht zutreffend behandelt worden. Zudem weise die Planänderung unter anderem die folgenden Fehler auf: Sie hätte nicht im vereinfachten Verfahren bewerkstelligt werden dürfen. Sie berücksichtige nicht, dass die das Gebiet durchschneidende Bahnlinie in absehbarer Zeit verstärkt befahren werde. Sie lasse das Problem ungelöst, das die Gerüche der Gewerbeabwässer ihn belästigen. Der Gebietscharakter werde hin zum Wohngebiet verändert.

Der Antragsteller beantragt,

den vom Rat des Antragsgegners am 20. Juni 2017 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan Nr. 15 „G.“, 1. vereinfachte Änderung für unwirksam zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Er erwidert:

Der Antragsteller sei nicht antragsbefugt. Ihm fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Der Plan sei formell und materiell ordnungsgemäß zustande gekommen.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Er hält den Plan für wirksam.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg, er ist zulässig, aber unbegründet.

I. Der Antrag ist zulässig, insbesondere hat der Antragsteller die nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erforderliche Antragsbefugnis inne. Für die Antragsbefugnis erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem subjektiven Recht verletzt wird (st. Rspr., vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.7.2012 - 4 BN 16.12 -, juris, Rn. 2; Urt. v. 30.4.2004 - 4 CN 1.03 -, juris, Rn. 9; Urt. v. 17.5.2000 - 6 CN 3.99 -, juris, Rn. 23). An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung sind grundsätzlich auch dann keine höheren Anforderungen zu stellen, wenn der Antragsteller sich – wie hier – auf eine Verletzung des Rechts auf gerechte Abwägung beruft. Auch insoweit reicht es aus, dass der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die eine fehlerhafte Behandlung seiner Belange in der Abwägung als möglich erscheinen lassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.9.1998 - 4 CN 2.98 -, juris, Rn. 8). Antragsbefugt ist hiernach, wer sich auf einen abwägungserheblichen Belang, d.h. ein mehr als nur geringfügig schutzwürdiges Interesse (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.1.2015 - 4 BN 19.14 -, juris, Rn. 12; Beschl. v. 2.12.2013 - 4 BN 44.13 -, juris, Rn. 2; Senat, Beschl. v. 22.11.2016 - 1 MN 101/16 -, juris, Rn. 12), berufen kann. Im Zuge der Änderung eines Bebauungsplanes ist jedes mehr als geringfügige private Interesse am Fortbestehen des Bebauungsplanes in seiner früheren Fassung abwägungsrelevant, auch wenn es lediglich auf einer einen Nachbarn nur tatsächlich begünstigenden Festsetzung beruht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.8.1992 - 4 NB 3/92 -, juris, Rn. 12). Der Antragsteller wendet sich hier unter anderem dagegen, dass das Entfallen der Grundstücksmindestgröße die Möglichkeit mit sich bringe, an seiner westlichen Grundstücksgrenze in höherem Maße Grenzbebauung zu errichten als zuvor. Damit wirft er in der Sache die Frage auf, ob seine Interessen im Rahmen der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB ausreichende Berücksichtigung gefunden haben.

Unter diesem Gesichtspunkt lässt sich dem Antragsteller auch ein Rechtsschutzbedürfnis nicht absprechen. Mindestens eine der für die westliche Nachbarfläche erteilten Baugenehmigungen hat der Antragsteller vor dem Verwaltungsgericht Stade angefochten (3 A 3303/17) und sich so die für ein Rechtsschutzbedürfnis notwendige Aussicht darauf erhalten, durch den Normenkontrollantrag seine Rechtsstellung zu verbessern (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.4.1999 - 4 CN 5/99 -, juris, Rn. 15).

II. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Der angegriffene Änderungsbebauungsplan ist rechtmäßig.

1. Formelle Mängel bestehen nicht.

a. Die Durchführung der Änderung des Bebauungsplans im vereinfachten Verfahren gemäß § 13 BauGB begegnet keinen Bedenken. Möglich ist die Durchführung des vereinfachten Verfahrens hier gemäß § 13 Abs. 1, 1. Alt. BauGB, d. h. wenn die Änderung oder Ergänzung eines Bauleitplans die Grundzüge der Planung nicht berührt. Zwar kann die Festsetzung einer Grundstücksmindestgröße zu den Grundzügen der Planung zählen (vgl. Senat, Beschl. v. 06.06.2005 - 1 LA 220/04 -, juris, Rn. 9). So verhält es sich vorliegend allerdings nicht: Ausweislich der Planbegründung wurde „die Aufstellung dieses Bebauungsplanes [des Bebauungsplans 15 „G.“ im Jahr 1980] […] erforderlich, um die baulichen Gegebenheiten im gesamten Ortsteil G. zu erfassen und die weitere bauliche Entwicklung zwar eingeengt, aber geordnet erfolgen zu lassen sowie klare Abgrenzungen zwischen Innen- und Außenbereich zu treffen“ (S. 1 der Planbegründung, Bl. 186 BA 001). Diese Zielsetzung hätte die Festsetzung der Grundstücksmindestgröße nicht notwendig gemacht. Soweit der Antragsgegner für das Gebiet eine aufgelockerte Bebauung angestrebt haben mag, dienen diesem eher die festgesetzten Grundflächenzahlen und Baugrenzen. Eingang in den ursprünglichen Bebauungsplan gefunden hat die Grundstücksmindestgröße auf eine entsprechende, nicht mit einer Begründung versehene Forderung des Landkreises D-Stadt im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange (Schreiben vom 5. April 1978, Bl. 150 BA 001). In der Planbegründung wird hierauf nicht eingegangen; die Grundstücksgröße findet dort nur in völlig anderem Zusammenhang, nämlich der Entbehrlichkeit der Errichtung eines Kinderspielplatzes aufgrund (unter anderem) der Größe der Grundstücke, Erwähnung (S. 2 der Planbegründung, Bl. 186 BA 001). Abgestellt wird dort zudem auf die damalige tatsächliche Größe der Grundstücke, nicht auf die Grundstücksmindestgröße. Vor diesem Hintergrund kann der Grundstücksmindestgröße nicht attestiert werden, eine wesentliche Säule des planerischen Konzepts des Antragsgegners zu sein; ihr kommt vielmehr nur geringfügige Bedeutung zu.

b. Der Antragsgegner hat nicht gegen die Ermittlungspflicht aus § 2 Abs. 3 BauGB verstoßen.

aa. Dies gilt zunächst für die – vom Antragsteller so nicht aufgeworfene – Frage, ob der Antragsgegner erkannt hat, dass durch das Entfallen der Grundstücksmindestgröße nicht nur Grundstücke in Einheiten von weniger als 1.000 m² geteilt und bebaut werden dürfen, sondern hierdurch auch die Möglichkeit geschaffen wird, dass ein ungeteiltes „Altgrundstück“ sich einer mehrfachen Grenzbebauung in einer Länge von jeweils bis zu 9 m (§ 5 Abs. 8 Satz 3 NBauO) ausgesetzt sieht. Erwähnung findet eine durch die Streichung der Grundstücksmindestgröße ermöglichte „Mehrfachgrenzbebauung“ zwar nirgends; vielmehr formuliert der Antragsgegner wiederholt: „Durch die vorliegende Änderung werden die Baurechte im Plangebiet allerdings de facto nicht erweitert, da auch ohne eine Teilung der Grundstücke eine Nachverdichtung unter Ausnutzung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung erfolgen könnte“ (S. 8, 13, 14 der Planbegründung, Bl. 8R, 11, 11R BA 001).

Ein Abwägungsdefizit ist hierin allerdings nicht zu sehen: Zum einen gehen Nachverdichtungen durch Grundstücksteilungen, die der Antragsgegner durch das Streichen der Grundstücksmindestgröße gerade ermöglichen wollte, unausweichlich mit der Vervielfältigung der Möglichkeiten zur Grenzbebauung einher.

Die zitierte Formulierung, nach der es zu einer Ausweitung der Baurechte nicht komme, zwingt darüber hinaus auch deshalb nicht zu der Annahme, es liege ein Ermittlungs-/Abwägungsdefizit vor, weil sie nicht so absolut zu verstehen sein dürfte, wie sie klingt. Vielmehr ist anzunehmen, dass ihr ein Blick auf die Möglichkeiten zur Errichtung allein von Wohnbebauung – nicht aber von Nebenanlagen – zugrunde lag. Dies wird deutlich aus einer Passage, in der die zitierte Formulierung um den Zusatz ergänzt wird „denn auch auf ungeteilten Grundstücken können sehr wohl mehrere Häuser entstehen“ (S. 14 der Planbegründung, Bl. 11R BA 001).

Selbst wenn man entgegen dem Vorstehenden davon ausgeht, der Antragsgegner habe die durch ein Entfallen der Grundstücksmindestgröße erweiterte Möglichkeit der Mehrfachgrenzbebauung nicht erkannt, begründet dies keinen Mangel. Denn die planende Gemeinde kann die vorzunehmende Abwägung auf solche Belange beschränken, die entweder im Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung vorgetragen sind oder sich ihr aufdrängen mussten (BVerwG, Beschl. v. 7.1.2010 - 4 BN 36/09 -, juris, Rn. 9; Urt. v. 30.4.2004 - 4 CN 1/03 -, juris, Rn. 9; Beschl. v. 9.11.1979 - 4 N 1.78 -, juris Rn. 52; Senat, Beschl. v. 12.10.2016 - 1 MN 73/16 -, juris, Rn. 80). Auf sein Interesse, von einer mehrfachen Bebauung der Flächen an der westlichen Grenze seines Grundstücks verschont zu bleiben, hatte der Antragsteller im Zuge der Öffentlichkeitsbeteiligung nicht aufmerksam gemacht. Dieses Interesse musste sich dem Antragsgegner auch nicht aufdrängen. Durch seine Einwendungen hat der Antragsteller vielmehr hervorgehoben, dass er sich durch eine Wohnbebauung der westlichen Nachbarfläche und die hierdurch entstehenden zusätzlichen Möglichkeiten der Einsichtnahme in sein Grundstück gestört sehe. Von der nun entstandenen Grenzbebauung gehen, wie sich auf den von dem Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Lichtbildern erkennen ließ, solche zusätzlichen Einsichtmöglichkeiten nicht aus; vielmehr schafft diese sogar einen Sichtschutz.

Sollte man auch diese Auffassung nicht teilen und von einem Abwägungsdefizit ausgehen, wäre der Mangel nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB unbeachtlich, weil er nicht von Einfluss auf das Ergebnis gewesen ist. Die anderenfalls erforderlichen (vgl. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand Okt. 2018, § 214, Rn. 39, 144) konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Rat des Antragsgegners sich ohne das Abwägungsdefizit im Ergebnis anders entschieden hätte, sind nicht einmal im Ansatz ersichtlich. Ziel des Rates war gerade, im Interesse einer Vereinfachung der Nachverdichtung eine Realteilung der Grundstücke unter Beibehaltung der Bebaubarkeit und damit unausweichlich eine Mehrfachgrenzbebauung zuzulassen. Schließlich wäre ein entsprechender Abwägungsmangel nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB unbeachtlich geworden, da die Frage der mehrfachen Grenzbebauung erst im Antragstellerschriftsatz vom 18. März 2019 und damit lange nach Ablauf der Jahresfrist aufgeworfen wurde.

bb. Ein Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB liegt auch nicht mit Blick auf den Hinweis des Antragstellers auf (vermeintliche) Missstände bei der Abwasserentsorgung und die hierzu von dem Antragsgegner eingenommene Position, „die technische Ausgestaltung der Kanalschächte ist nicht Gegenstand der Bauleitplanung“ vor. Zwar hat der Antragsgegner im Rahmen der Aufstellung des Bebauungsplans auch den sachgerechten Umgang mit Abwässern zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 6 Nr. 7 lit. e BauGB). Der Planung muss deshalb eine Erschließungskonzeption zugrunde liegen, nach der das im Plangebiet anfallende Abwasser so beseitigt werden kann, dass Gesundheit und Eigentum der Planbetroffenen keinen Schaden nehmen (so zum Niederschlagswasser BVerwG, Urt. v. 21.3.2002 - 4 CN 14/00 -, juris, Rn. 15; OVG Bremen, Urt. v. 16.5.2017 - 1 D 87/15 -, juris, Rn. 89). Vor diesem Hintergrund überzeugt auch die Antragserwiderung nicht, nach der eine etwaige Überlastung des Kanalsystems ausschließlich im Baugenehmigungsverfahren und dort bei der Prüfung des Vorliegens einer ausreichenden Erschließung zu betrachten sei. Allerdings legt der Antragsteller mit seiner Einwendung keinen konzeptionellen Mangel der Abwasserentsorgung dar. Er äußert zwar, der Kanal sei „des Öfteren nicht dazu in der Lage, die anfallenden Mengen auch abzuleiten.“ Im Weiteren beschreibt er für den Fall des Eintritts einer starken Beanspruchung des Kanalsystems dann allerdings keinerlei Fehlfunktionen oder Versagen, sondern berichtet, das (zusätzliche) Abwasser nehme einen Überlaufkanal in Anspruch. Ein solcher Vorgang stellt aber eine bestimmungsgemäße Nutzung der vorhandenen Einrichtungen dar und steht im Einklang mit der Konzeption der Abwasserentsorgung. Die Begründung der Planänderung führt aus, das Gebiet sei mit allen Leitungen zur Ver- und Entsorgung erschlossen, weitergehende Anforderungen an die Ver- und Entsorgung ergäben sich durch die Änderung des Bebauungsplans nicht (S. 11 der Planbegründung, Bl. 10 BA 001). Dies stellt der Antragsteller nicht in Abrede.

2. Auch materiell bestehen keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Änderungsplanes.

a. Abwägungsfehler sind dem Antragsgegner nicht unterlaufen. Das in § 1 Abs. 7 BauGB verankerte Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine (sachgerechte) Abwägung vollständig unterbleibt, wenn in die Abwägung Belange nicht eingestellt werden, die nach Lage der Dinge hätten eingestellt werden müssen, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt wird oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb dieses Rahmens ist das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 - IV C 105.66 -, juris, Rn. 29; Beschl. v. 28.12.2005 - 4 BN 40/05 -, juris, Rn. 4; Beschl. v. 7.5.2018 - 4 BN 23/17 -, juris, Rn. 15).

aa. Ein Abwägungsmangel besteht nicht darin, dass der Antragsgegner das Interesse des Antragstellers an der Beibehaltung der Grundstücksmindestgröße nicht ordnungsgemäß berücksichtigt hätte. Zwar stellt das Interesse eines Planbetroffenen an der Beibehaltung der bisherigen Zustände einen in die Abwägung einzubeziehenden Belang dar (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.8.1992 - 4 NB 3/92 -, juris, Rn. 15). Hintergrund des Interesses des Antragstellers ist dessen Wunsch nach einem Schutz des rückwärtigen Bereiches seines Wohngrundstückes als Ruhe- und Erholungszone. Ein solcher Schutz bestand jedoch auch schon vor Streichung der Grundstücksmindestgröße entweder gar nicht oder in allenfalls geringem Maße. Die von dem Antragsteller befürchtete Möglichkeit der Einsichtnahme in den hinteren Bereich seines Grundstückes war bereits vorhanden, als die Grundstücksmindestgröße noch galt: Zumindest für die Bewohner der Grundstücke A-Straße 14a, 6 und 10 war der hintere Grundstücksbereich einsehbar.

Soweit der Antragsteller die Möglichkeit der Einsichtnahme in den rückwärtigen Bereich seines Grundstücks von einer Bebauung des nördlichen Bereiches der westlich von seinem Grundstück gelegenen Fläche befürchtet, ist festzuhalten, dass eine solche Einsichtnahmemöglichkeit nicht auf die Streichung der Grundstücksmindestgröße zurückgeht. Auch vor der Planänderung war die Bebauung des westlichen Nachbargrundstücks zulässig. Mit Ausnahme schmaler Bereiche entlang der Straßen sind die westlichen Nachbargrundstücke auf ihrer gesamten Fläche bebaubar und waren sie dies als ungeteiltes Grundstück schon vor der Planänderung. Auch als die Festsetzung der Grundstücksmindestgröße noch galt, wäre ein Bauherr, der ein Wohnhaus auf dem Grundstück hätte errichten wollen, in der Wahl seines konkreten Standortes auf dem Grundstück im Wesentlichen frei gewesen. Die in der Vergangenheit zu wahrende Grundstücksmindestgröße hätte der vom Antragsteller befürchteten Errichtung mehrerer Gebäude nicht entgegengestanden. Der Bebauungsplan nimmt insbesondere keine Begrenzung der auf einem Grundstück zulässigen Anzahl an Wohnungen vor. Die im Bebauungsplan festgesetzten Grund- und Geschossflächenzahlen von 0,3 bzw. 0,4 haben – weder grundsätzlich noch aufgrund ihrer konkreten Bemessung – die Eignung, die Errichtung von mehr als einem Gebäude auf der Nachbarfläche zu verhindern.

Die Grundstücksmindestgröße hätte auch keine Gewähr dafür geboten, dass auf dem Nachbargrundstück nur eine – gegebenenfalls in mehreren Gebäuden lebende – Partei wohnt. Neben einer Vermietung mehrerer Gebäude an verschiedene Parteien hätte sich eine Verkehrsfähigkeit einzelner Gebäude auch etwa – wie der Antragsgegner zu Recht anführt – durch eine Aufteilung des Grundstücks nach dem Wohnungseigentumsgesetz erreichen lassen.

Das nach dem Vorstehenden allenfalls in geringem Maße schutzwürdige Interesse des Antragstellers, vor (weiteren) Einsichtnahmemöglichkeiten bewahrt zu bleiben, hat der Antragsgegner in nicht zu beanstandender Weise dem Interesse an einer weiteren Entwicklung der Wohnbebauung im Wege der Nachverdichtung untergeordnet. Tatsächlich wäre weitere Wohnbebauung ohne eine Ausdehnung des Ortsteils G. in den Außenbereich unter Beibehaltung der Grundstücksmindestgröße praktisch fast ausschließlich im Wege der Aufteilung von Grundstücken nach dem Wohnungseigentumsgesetz möglich. Baulücken mit einer Größe von mindestens 1.000 m² in Bereichen, in denen eine Wohnbebauung zulässig ist, existieren mit Ausnahme der Fläche westlich des Antragstellergrundstückes – soweit ersichtlich – nur noch im äußersten Südosten des Plangebietes; auch diese Flächen sind nicht ungenutzt, sondern werden offenbar als Containerstellplatz in Anspruch genommen. Dem von dem Antragsgegner in der Planbegründung ausdrücklich angeführten Gebot des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden (§ 1a Abs. 2 BauGB) gegenüber dem nur geringfügig schutzwürdigen Interesse des Antragstellers den Vorzug zu geben, begegnet nicht nur keinen Bedenken; vielmehr dürfte eine umgekehrte Entscheidung für eine Ausdehnung in den Außenbereich unter Beibehaltung der Grundstücksmindestgröße abwägungsfehlerfrei mindestens schwierig sein.

bb. Abwägungsfehlerhaft ist die Planänderung auch nicht deshalb, weil der Nachbar eines geteilten Grundstückes sich nunmehr der dargestellten Gefahr einer Grenzbebauung durch jeden seiner Nachbarn – nicht mehr durch nur einen Nachbarn – ausgesetzt sieht. Mit Blick auf das hohe Gewicht des Belangs, mit Grund und Boden schonend umzugehen, begegnet es keinen Bedenken, das Interesse der Eigentümer von die Grundstücksmindestgröße (noch) aufweisenden „Altgrundstücken“ daran, von einer Mehrfachgrenzbebauung verschont zu bleiben, hintenanzustellen. Dies gilt umso mehr, als die betroffenen Eigentümer der „Altgrundstücke“ zum einen einer drohenden „Mehrfachgrenzbebauung“ nicht vollkommen schutzlos, sondern lediglich in den Grenzen des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ausgesetzt sind, und zum anderen auch ihnen die Möglichkeit offensteht, ihr Grundstück zu teilen und das Privileg aus § 5 Abs. 8 NBauO – freilich nicht über die Grenze zum Rechtsmissbrauch hinaus (vgl. hierzu Senat, Urt. v. 7.3.2005 - 1 LB 174/04 -, juris, Rn. 34; Beschl. v. 26.2.2004 - 1 LA 210/03 -, juris, Rn. 9 f., jeweils zu § 12 NBauO 2003) – mehrfach in Anspruch zu nehmen.

c. Ob der Bebauungsplan an einem Inkonsistenzfehler leidet, mithin die rechtlich bindenden Festsetzungen einerseits und die den Regelungswillen des Rates widerspiegelnde Planbegründung andererseits nicht in Einklang zu bringen sind (vgl. Senat, Urt. v. 30.4.2014 - 1 KN 110/12 -, juris, Rn. 34), kann dahinstehen. Zumindest denkbar wäre das Vorliegen eines solchen Mangels mit Blick auf den „Hinweis (1)“ einerseits und die Ausführungen auf Seite 10 unten der Planbegründung (Bl. 9R BA 001) andererseits. Zwar deckt sich der Inhalt des Hinweises, nach dem aufgrund der Änderung des Bebauungsplans die BauNVO 1990 anwendbar sei, mit den genannten Ausführungen in der Planbegründung, die ebenfalls von der Anwendbarkeit der BauNVO 1990 ausgehen. Allerdings ist die Annahme, es sei mit dem Inkrafttreten der Änderung des Bebauungsplans nicht mehr die BauNVO 1977, sondern insgesamt die BauNVO 1990 anwendbar, unzutreffend. Eine gesetzliche Regelung des Inhalts, dass im Falle der punktuellen Änderung eines Bebauungsplans die BauNVO in ihrer im Zeitpunkt der Änderung jeweils aktuellen Fassung auf den gesamten Bebauungsplan Anwendung findet, existiert nicht. Herbeiführen ließe sich die Anwendbarkeit der BauNVO 1990 auf den gesamten Inhalt des Bebauungsplans nur durch eine entsprechende Festsetzung im Änderungsbebauungsplan. Eine solche Festsetzung hat der Antragsgegner indes nicht getroffen. Findet auf den Bebauungsplan demnach weiterhin die BauNVO 1977 Anwendung, obwohl die Planbegründung von einer Anwendbarkeit der BauNVO 1990 ausgeht und der Bauamtsleiter des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage ausdrücklich bekräftigt hat, die Anwendbarkeit der BauNVO 1990 sei eines der Ziele des Rates des Antragsgegners gewesen, steht zumindest die Möglichkeit im Raum, dass sich Planungsabsicht und -umsetzung nicht decken.

Ob ein solcher Inkonsistenzmangel im Abwägungsvorgang allerdings tatsächlich vorliegt, kann – wie ausgeführt – offen bleiben. Denn selbst wenn dies der Fall und der Mangel zudem nach § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB beachtlich wäre, so wäre er doch deshalb unbeachtlich geworden, weil er nicht binnen eines Jahres seit Bekanntmachung des Änderungsbebauungsplanes gerügt worden ist (§ 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB). Der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers hatte in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich eingeräumt, auf die Möglichkeit des Mangels erst durch den Senat aufmerksam gemacht worden zu sein.

d. Mit seinen weiteren Einwendungen dringt der Antragsteller ebenfalls nicht durch.

Der Antragsgegner ist nicht verpflichtet, mit der Änderung des Bebauungsplans jeden (etwaigen) Missstand im Plangebiet auszuräumen. Es steht ihm offen, ein begrenztes Planungsziel zu verfolgen und umzusetzen; dabei ist er lediglich gehalten, die durch die jeweils aktuell betriebene Planung ausgelösten Folgen zu berücksichtigen und abzuwägen.

Vor diesem Hintergrund stellen die Einwendungen,

- die Ertüchtigung der das Plangebiet durchquerenden Bahnlinie werde zu Immissionen führen, die über den Grenzwerten für gesunde Wohnverhältnisse liegen,

- es werde zu einer Änderung des Gebietscharakters hin zu einer hochgradig verdichteten Wohnbebauung kommen und

- der Antragsgegner schaffe faktisch ein reines/allgemeines Wohngebiet und habe eine entsprechende Festsetzung treffen müssen,

keine geeigneten Mittel zum Angriff auf den Änderungsbebauungsplan dar. Die jeweils (befürchteten) Entwicklungen stehen in keinem ursächlichem Zusammenhang mit der Änderung des Bebauungsplans; sie waren auch vor der Änderung möglich.

Soweit der Antragsteller meint, bei der Planänderung sei der zukünftige Bedarf an privaten und öffentlichen Stellplätzen nicht ermittelt und berücksichtigt worden, zeigt er hiermit ebenfalls keinen Abwägungsmangel auf. Woher ein erhöhter Bedarf an öffentlichen Stellplätzen rühren könnte, ist nicht ersichtlich und wird auch vom Antragsteller nicht aufgezeigt. Tritt durch eine Nachverdichtung ein erhöhter Bedarf an privaten (notwendigen) Stellplätzen auf, ist dieser grundsätzlich auch auf privaten Flächen zu decken (§ 47 Abs. 4 Satz 1 NBauO). Allein in das Vorhabenzulassungsverfahren gehört die Frage, ob die nördlichste Grenzgarage den Antragsteller hindert, sein Grundstück mit dem PKW gefahrlos zu verlassen.

Die genaue Anzahl der Grundstücke, die die (ehemalige) Grundstücksmindestgröße unterschreiten, ist ohne Bedeutung. Selbst wenn kein einziges Grundstück kleiner als 1.000 m² gewesen wäre, hätte dies den Antragsgegner nicht daran gehindert, die Grundstücksmindestgröße zu streichen. Die plangebende Gemeinde ist nicht darauf beschränkt, tatsächlich bereits vorhandene Gegebenheiten planerisch nachzuzeichnen, sondern sie ist befugt und es entspricht gerade dem Wesenskern ihrer Planungshoheit, im Wege der Planung bisher ausgeschlossenen städtebaulichen Änderungen Tür und Tor zu öffnen.

Der vom Antragsteller angeprangerte Umstand, dass Erschließungsbeiträge im Falle der Errichtung von Neubauten auf geteilten Grundstücken nicht erhoben werden können, ist kein in die Abwägung einzustellender Belang. Der Antragsteller hat hierauf auch keinen Einfluss: Maßgeblich für die Entstehung des Entschließungsbeitrages ist die Fertigstellung der beitragsfähigen Maßnahme (§ 6 Abs. 6 NKAG), nicht etwa der Eintritt der Bebaubarkeit eines Grundstücks.

Dass die Planänderung auf Initiative des Beigeladenen und auch bemerkenswert zügig durchgeführt wurde, trifft zwar zu, bringt aber für sich betrachtet keine irgendwie gearteten Mängel mit sich; welche Anregungen der Rat einer Gemeinde aufnimmt und inwieweit er diese umsetzt, ist ihm überlassen. Anhaltspunkte für sachwidrige Motive oder Erwägungen, gar für eine Absicht des Rates Antragsgegners, den Antragsteller hintergehen zu wollen, sind nicht im Ansatz dargelegt oder ersichtlich. Der Antragsteller wurde in der gebotenen Weise – nicht mehr, aber auch nicht weniger – beteiligt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da wegen § 47 Abs. 2 Satz 4 VwGO dieser nicht gemäß § 65 Abs. 2 VwGO notwendig beigeladenen ist und sich nicht durch das Stellen eines Antrages einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1, 2 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.