Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.04.2019, Az.: 10 PA 350/18
Bestattung; Bestattungspflicht, vorrangig, primär, subsidiär; Billigkeitserwägungen; Ermessen; Erstattung; Gemeinde; Heranziehung; Verhältnismäßigkeit; Voraussetzungen
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 05.04.2019
- Aktenzeichen
- 10 PA 350/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2019, 70084
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 08.08.2018 - AZ: 1 A 2338/18
Rechtsgrundlagen
Tenor:
Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt, soweit die Antragstellerin ihre Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - Einzelrichterin der 1. Kammer - vom 8. August 2018 hinsichtlich der von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 22. Februar 2018 geltend gemachten Kosten der Bestattung ihres verstorbenen Ehemannes in Höhe von 697,73 EUR zurückgenommen hat.
Im Übrigen, soweit die Antragstellerin ihre Beschwerde hinsichtlich der mit dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. Februar 2018 ferner geltend gemachten Verwaltungsgebühr in Höhe von 132,90 EUR aufrechterhalten hat, wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
Der Senat hat analog § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO das Beschwerdeverfahren eingestellt und gemäß § 155 Abs. 2 VwGO der Antragstellerin die Kosten auferlegt, soweit sie ihre Beschwerde im oben bezeichneten Umfang nach Übernahme der Bestattungskosten durch das Sozialamt zurückgenommen hat.
Im Übrigen, soweit die Antragstellerin ihre Beschwerde im oben genannten Umfang aufrechterhalten hat, hat diese keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. Februar 2018 insgesamt und damit auch in dem hier noch streitigen Umfang der Verwaltungsgebühr in Höhe von 132,90 EUR abgelehnt. Denn der beabsichtigten Rechtsverfolgung fehlt die gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht in dem für deren Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (vgl. hierzu BVerfG, Beschlüsse vom 14.06.2006 - 2 BvR 626/06 und 2 BvR 656/06 -, juris, und vom 04.10.2017 - 2 BvR 496/17 -, juris; Senatsbeschluss vom 21.11.2018 - 10 PA 356/18 -, juris 1. Leitsatz und Rn. 5).
Soweit die Antragstellerin lediglich noch Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage gegen die Verwaltungsgebührenfestsetzung in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. Februar 2018 begehrt und sich insoweit gegen eine Abgabenfestsetzung nach niedersächsischem Landesrecht wenden will, ist Streitgegenstand die Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des Abgabentatbestands, hier also der §§ 1, 5 und 13 NVwKostG i.V.m. Nr. 56.8 der Anlage zur Allgemeinen Gebührenordnung, auf die die Antragsgegnerin die Festsetzung der Verwaltungsgebühr gestützt hat. Zu diesem Streitgegenstand gehört dagegen nicht ein etwaiger Anspruch der Antragstellerin auf ein Absehen von der Erhebung der Gebühr aus Billigkeitsgründen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 NVwKostG. Dieser von der - hier im Bescheid vom 22. Februar 2018 lediglich getroffenen - Gebührenfestsetzung zu unterscheidende und rechtliche getrennte Anspruch ist vielmehr gesondert bei der Behörde geltend zu machen und bei Ablehnung ggf. mit der Verpflichtungsklage gerichtlich weiter zu verfolgen (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 26.01.2012 - 11 LB 226/11 -, juris Rn. 19 m.w.N.).
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 NVwKostG werden für Amtshandlungen in Angelegenheiten der Landesverwaltung und im übertragenen Wirkungskreis der Gebietskörperschaften nach diesem Gesetz Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben, wenn die Beteiligten zu der Amtshandlung Anlass gegeben haben. Hier ist die “Amtshandlung“ im Sinne dieser Vorschrift das Tätigwerden der Antragsgegnerin anlässlich der Bestattung des am 23. Dezember 2017 verstorbenen Ehemannes der Antragstellerin und die Geltendmachung der Kosten hierfür gegenüber der Antragstellerin. Es bedarf hier keines Eingehens auf die Frage, inwieweit die Rechtmäßigkeit der Amtshandlung überhaupt Voraussetzung für die Gebührenfestsetzung ist, was regelmäßig zu verneinen ist (vgl. hierzu etwa Thüringisches OVG, Urteil vom 26.11.2009 - 3 KO 749/07 -, juris Rn. 47), da die Rechtmäßigkeit der Durchführung der Bestattung des verstorbenen Ehemannes der Antragstellerin durch die Antragsgegnerin und die Heranziehung der Antragstellerin zu deren Kosten nach § 8 Abs. 4 Sätze 2 und 3 NBestattG jedenfalls zu bejahen ist.
Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 NBestattG hat die für den Sterbe- oder Auffindungsort zuständige Gemeinde die Bestattung zu veranlassen, wenn niemand für die Bestattung sorgt, d. h., wenn für die Gemeinde nach eigener Prüfung feststeht, dass die gesetzlichen Bestattungspflichten durch einen primär Bestattungspflichtigen zu den im § 9 NBestattG genannten Zeitpunkten voraussichtlich nicht erfüllt werden (Niedersächsisches OVG, Urteil vom 10.11.2011 - 8 LB 238/10 -, juris 2. Leitzsatz und Rn. 36). Diese Voraussetzungen sind hier nach den von der Antragstellerin mit der Beschwerdebegründung nicht in Abrede gestellten Feststellungen des Verwaltungsgerichts erfüllt.
Hat die Gemeinde - wie hier die Antragsgegnerin - diese sich aus § 8 Abs. 4 Satz 1 NBestattG ergebende subsidiäre Bestattungspflicht erfüllt, hat sie gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 NBestattG einen Anspruch gegenüber dem nach § 8 Abs. 3 NBestattG vorrangig Bestattungspflichtigen auf Erstattung der Bestattungskosten, die nach § 8 Abs. 4 Satz 3 NBestattG durch Leistungsbescheid festgesetzt werden. Weitere Voraussetzungen für die Geltendmachung dieses Anspruchs bestehen nicht (Niedersächsisches OVG, Urteil vom 10.11.2011 - 8 LB 238/10 -, juris Rn. 33 und 35).
Eine Ermessensbetätigung der Gemeinde in Form einer Auswahlentscheidung ist dann erforderlich, wenn mehrere im gleichen Rang Bestattungspflichtige der Gemeinde gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 NBestattG als Gesamtschuldner für die Bestattungskosten haften (Niedersächsisches OVG, Urteil vom 10.11.2011 - 8 LB 238/10 -, juris Rn. 42). Entgegen der Meinung der Antragstellerin besteht hier eine solche Situation jedoch nicht, da die Antragstellerin als Ehefrau des Verstorbenen gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 NBestattG allein vorrangig Bestattungspflichtige ist. Ihre Kinder, die nach der Reihenfolge des § 8 Abs. 3 NBestattG erst nach der Antragstellerin für die Bestattung ihres Vaters zu sorgen gehabt hätten, haften gemäß § 8 Abs. 4 Satz 4 NBestattG erst dann, wenn die Bestattungskosten von ihr nicht zu erlangen sind.
Weitergehende allgemeine Billigkeitserwägungen sind bei der Heranziehung zu den Bestattungskosten auf der Grundlage des § 8 Abs. 4 NBestattG grundsätzlich (Ausnahme: Es liegen - hier nicht ersichtliche - besondere Gründe wie etwa schwere körperliche Misshandlungen durch den Verstorbenen vor, die die Kostentragung als eine schlechthin unerträgliche und unverhältnismäßige Verpflichtung erscheinen lassen und eine Kostenverlagerung auf die Allgemeinheit rechtfertigen können) nicht anzustellen (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 09.07.2013 - 8 ME 86/13 -, juris Rn. 11 f.). Entgegen der Auffassung der Antragstellerin bestehen insofern auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere auch nicht im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zumal es sich bei der Heranziehung gemäß § 8 Abs. 4 Sätze 2 und 3 NBestattG um keine abschließende Entscheidung über die tatsächliche Kostenbelastung des Bestattungspflichtigen handelt, da er entweder Rückgriff bei einem Erben nach § 1968 BGB oder einem anderen gleichrangig Bestattungspflichtigen nach §§ 426 BGB, 8 Abs. 4 Satz 2 NBestattG nehmen kann und zudem bei einer Unzumutbarkeit der Kostentragung die Möglichkeit der Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger nach § 74 SGB XII eröffnet ist (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 09.07.2013 - 8 ME 86/13 -, juris Rn. 12 m.w.N.), wovon hier die Antragstellerin erfolgreich Gebrauch gemacht hat.
Die Antragsgegnerin ist daher entgegen der Meinung der Antragstellerin auch unter keinem Gesichtspunkt verpflichtet gewesen, zunächst die Klärung der Frage, ob das Sozialamt gemäß § 74 SGB XII verpflichtet ist, die Bestattungskosten zu übernehmen, abzuwarten. Der diesbezügliche Einwand der Antragstellerin geht zudem deshalb ins Leere, weil die Antragsgegnerin aufgrund ihrer eigenen Verpflichtung nach § 8 Abs. 4 Satz 1 NBestattG die Bestattung veranlasst und die Antragstellerin durch den Leistungsbescheid vom 22. Februar 2018 hinsichtlich der Kostenerstattung in Anspruch genommen hat, was die Antragstellerin sodann erst in die Lage versetzt hat, diese Kosten gegenüber dem Sozialamt gemäß § 74 SGB XII geltend zu machen.
Einwände gegen die Berechnung der mit dem Bescheid vom 22. Februar 2018 festgesetzten Verwaltungsgebühr hat die Antragstellerin nicht erhoben. Dahingehende rechtliche Bedenken bestehen auch nicht.
Soweit die Beschwerde zurückgewiesen worden ist, folgt die Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die fehlende Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).