Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.04.2019, Az.: 8 LB 12/17
Anspruchsausschluss; Berufsunfähigkeit; Berufsunfähigkeitsrente; Depression; Mitwirkung; Mitwirkungspflicht; Rechtsanwaltsversorgung; Rechtsanwaltsversorgungswerk; Restleistungsvermögen; Sachverständigengutachten; Schriftsatznachlass
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 26.04.2019
- Aktenzeichen
- 8 LB 12/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2019, 70107
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 21.06.2016 - AZ: 7 A 3393/15
Rechtsgrundlagen
- § 13 Abs 1 S 1 RVS
- § 13 Abs 4 S 2 RVS
- § 13 Abs 4 S 3 RVS
- § 13 Abs 7 RVS
- § 14 Abs 1 S 1 RVS
- § 14 Abs 4 S 2 RVS
- § 14 Abs 4 S 2 RVS
- § 14 Abs 7 RVS
- § 42a VwVfG
- § 283 ZPO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Wird entgegen der Satzung des Rechtsanwaltsversorgungswerks dem Antrag auf Weitergewährung einer Berufsunfähigkeitsrente kein ärztliches Gutachten beigefügt, so ist die Behauptung, berufsunfähig zu sein, in aller Regel unsubstantiiert. Das Unterlassen der Gutachtenvorlage im Verwaltungsverfahren hat aber keine materielle Ausschlusswirkung.
2. Unfähigkeit zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs liegt vor, wenn der Betroffene nicht mehr über ein Restleistungsvermögen verfügt, mit dem eine Tätigkeit ausgeübt werden kann, die dem anwaltlichen Berufsbild entspricht, eine noch leistbare Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt nicht vorhanden ist oder diese Tätigkeit von dem Betroffenen nicht in dem erforderlichen Mindestumfang ausgeübt werden kann.
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 7. Kammer (Einzelrichter) - vom 21. Juni 2016 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in der Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt eine Berufsunfähigkeitsrente des Rechtsanwaltsversorgungswerks für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis 30. November 2015.
Die 1969 geborene Klägerin wurde 1998 Mitglied des Beklagten. Im März 2012 wurde ihre Zulassung als Rechtsanwältin aufgrund ihres Verzichts widerrufen. Auf Nachfrage des Beklagten erklärte die Klägerin nicht die Fortsetzung der Mitgliedschaft als freiwilliges Mitglied.
Im Dezember 2011 hatte sie Berufsunfähigkeitsrente beantragt. Die Allgemeinmedizinerin Frau G. gab dazu am 5. März 2012 an, es bestünden ein Zustand nach Mamma-Karzinom, ein Zustand nach Chemotherapie und Hormontherapie und chronisch rezidivierende Lymphödeme am rechten Arm. In der Folge habe sich ein schweres Burn-Out-Syndrom auf dem Boden einer bestehenden latenten Depression und Angststörung entwickelt. Das von dem Beklagten eingeholte fachpsychiatrische Gutachten des Nervenarztes H. vom 18. August 2012 kam zu dem Ergebnis, es bestehe eine mittelgradig ausgeprägte Depression ohne psychotische Symptome mit jedoch schwerer Arbeitsstörung. Belastbarkeit zur Bewältigung der beruflichen Anforderungen sei für drei bis sechs Stunden täglich gegeben. Dabei seien Arbeiten unter Zeitdruck oder mit enger Fristsetzung zu vermeiden.
Durch Bescheid vom 29. November 2012 gewährte der Beklagte befristet auf die Dauer von drei Jahren bis einschließlich Juni 2014 Berufsunfähigkeitsrente.
Am 19. Juni 2014 beantragte die Klägerin die Bewilligung von Berufsunfähigkeitsrente über Juni 2014 hinaus. Der Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass sie ein ärztliches Gutachten einzureichen habe, und verlängerte die Frist zur Einreichung mehrfach, zuletzt bis zum 30. April 2015. Nachdem die Klägerin kein Gutachten eingereicht hatte, lehnte der Beklagte den Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente ab dem 1. Juli 2014 durch Bescheid vom 27. Juli 2015, zugestellt am 31. Juli 2015, ab, da keine Berufsunfähigkeit nachgewiesen worden sei.
Die Klägerin hat am 31. August 2015 Klage erhoben.
Am 30. Dezember 2015 hat sie gegenüber dem Beklagten Berufsunfähigkeitsrente ab dem 1. November 2015 beantragt.
Die Klägerin hat vorgetragen, es stehe der Rentengewährung nicht entgegen, dass sie im Verwaltungsverfahren kein Gutachten vorgelegt habe. Sie sei berufsunfähig. Sie hat ein Attest des Internisten Herrn I. vom 6. Oktober 2015, ein Gutachten des Herrn I. vom 10. Februar 2016 und ein nervenärztliches Gutachten des Nervenarztes J. vom 7. Juni 2016 vorgelegt; auf Bl. 153 bis 161 der Gerichtsakte wird verwiesen.
Sie hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 27. Juli 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis 30. November 2015 eine Berufsunfähigkeitsrente zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, die ablehnende Entscheidung sei rechtmäßig, weil die Klägerin im Verwaltungsverfahren kein Gutachten vorgelegt habe.
Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten durch Urteil vom 21. Juni 2016 verpflichtet, der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis 30. November 2015 eine Berufsunfähigkeitsrente zu gewähren. Zwar sei nach der Satzung des Beklagten grundsätzlich auch für die Weitergewährung der Berufsunfähigkeitsrente die Vorlage eines Gutachtens nötig. Dessen Nichtvorlage bis zur Entscheidung des Beklagten führe aber nicht zu einem materiellen Ausschluss des Anspruchs. Hierfür gebe es keine hinreichend eindeutige satzungsrechtliche Grundlage. Es handle sich um eine Mitwirkungsobliegenheit. Bei deren Verletzung könne der Rechtsanwalt Nachweisschwierigkeiten insbesondere hinsichtlich des Beginns der Berufsunfähigkeit haben. Die Klägerin sei im streitigen Zeitraum berufsunfähig gewesen. Das ergebe sich aus den Gutachten von H., J. und Herrn I.. Da die Depressionen chronifiziert seien, bestünden trotz der späten Vorlage der Gutachten keine Zweifel, dass die Berufsunfähigkeit während des gesamten zu beurteilenden Zeitraums bestanden habe. Dass die Klägerin in der Hausverwaltung ihres Ehemanns und bei einer Schuldnerberatung tätig werde, stehe wegen des insoweit bestehenden zeitlichen Spielraums einer Berufsunfähigkeit nicht entgegen.
Mit der vom Oberverwaltungsgericht durch Beschluss vom 25. Januar 2017 (8 LA 114/16) zugelassenen Berufung macht der Beklagte geltend, das Erfordernis der Vorlage eines Gutachtens gelte auch für den Antrag auf Weitergewährung einer befristet bewilligten Berufsunfähigkeitsrente. Werde das Gutachten nicht vorgelegt, sei der Rentenantrag abzulehnen. Dafür bedürfe es keiner ausdrücklichen Satzungsbestimmung. Es komme auf den Tag der Vorstandsentscheidung und nicht auf den Tag der letzten mündlichen Verhandlung an. Jedenfalls sei die Vorlage des Gutachtens unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung erster Instanz verspätet gewesen, weil der Vorstand sich damit nicht habe befassen können. Das Gutachten habe der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht zugrundegelegt werden dürfen. Die Klägerin sei nicht berufsunfähig. Der Beklagte legt das neurologische Gutachten des Neurologen Priv.-Doz. K. vom 22. August 2016 und dessen ergänzende Stellungnahme vom 27. Oktober 2016 vor; auf Bl. 249 bis 308 und 325 bis 341 der Gerichtsakte wird verwiesen. Die Ausführungen hätten auch für den streitigen Zeitraum Geltung.
Er beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 21. Juni 2016 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und ergänzt, nach dem Wortlaut der Satzung des Beklagten müsse dem Antrag auf Weitergewährung der Berufsunfähigkeitsrente kein Gutachten beigefügt werden. Das der Prüfung der Berufsunfähigkeit zugrundezulegende Berufsbild sei das einer Einzelanwältin in selbständiger Tätigkeit mit eigener Praxis oder eine durchschnittliche Anwaltstätigkeit. Das Gutachten des Priv.-Doz. K. sei unzutreffend und beziehe sich nicht auf den streitgegenständlichen Zeitraum. Der Arzt sei parteiisch. Gegen das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten des Prof. Dr. D. bestünden Einwände.
Das Gericht hat zur Frage der Berufsunfähigkeit der Klägerin das psychiatrische Sachverständigengutachten des Nervenarztes Prof. Dr. D. vom 5. Februar 2018 nebst ergänzender Stellungnahme vom 20. November 2018 eingeholt, das der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung erläutert hat. Auf Bl. 398 bis 452, 577 bis 614 der Gerichtsakten wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet. Die erstinstanzliche Entscheidung ist zwar frei von Verfahrensfehlern, die Klage hat aber in materieller Hinsicht keinen Erfolg.
1. Ein Verfahrensfehler liegt nicht vor. Das Recht des Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) ist nicht dadurch verletzt worden, dass das Verwaltungsgericht ihm keinen Schriftsatznachlass gewährt hat. Gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 283 Satz 1 ZPO kann das Gericht einem Beteiligten auf seinen Antrag eine Frist bestimmen, in der er die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann, wenn er sich in der mündlichen Verhandlung auf ein Vorbringen des Gegners nicht erklären kann, weil es ihm nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist. So verhielt es sich vorliegend nicht. Den Schriftsatz der Klägerin vom 7. Juni 2016 einschließlich des Gutachtens des J. hat der Beklagte per Fax am 8. Juni 2016 erhalten. Damit bestand ausreichend Gelegenheit, das neunseitige Gutachten bis zum Termin am 21. Juni 2016 zu durchdringen. Eine Befassung des Vorstands des Beklagten musste das Gericht nicht ermöglichen. Der prozessuale Vertreter des Beklagten muss in der Lage sein, sich im gerichtlichen Verfahren zu erklären. Wenn er den Wunsch hat, weitere Organe zu beteiligen, liegt es am Beklagten, dies herbeizuführen. Darauf, ob der Vorstand im Verwaltungsverfahren ein weiteres Gutachten eingeholt hätte, kommt es im Klageverfahren nicht an.
2. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente in der Zeit vom 1. Juli 2014 bis 30. November 2015.
a) Für die Prüfung der Begründetheit der auf Rentengewährung gerichteten Verpflichtungsklage ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (vgl. Senatsbeschl. v. 6.2.2017 - 8 PA 204/16 -). Vorliegend wird die Rentengewährung allerdings für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum begehrt. Die Rentenvoraussetzungen müssen in diesem Zeitraum vorgelegen haben. Dementsprechend sind die seinerzeit geltenden Leistungsvoraussetzungen zugrundezulegen (vgl. Senatsurt. v. 16.3.1998 - 8 L 1233/97 -, NdsVBl. 1999, 20, juris Rn. 3). Diese ergeben sich für den Zeitraum vom 1. Juli 2014 bis zum 15. Februar 2015 aus der Satzung des Beklagten vom 30. November 1983 (Nds. RPfl. 1983, 267), zuletzt geändert durch Satzung vom 6. Dezember 2013 (Nds. RPfl. 2014, 15; RVS a.F.) und für den Zeitraum vom 16. Februar 2015 bis zum 30. November 2015 aus der Satzung des Beklagten vom 18. Dezember 2014 (Nds. RPfl. 2015, 43; RVS n.F.). Weiter sind die seinerzeit vorliegenden Tatsachen, insbesondere der damalige Gesundheitszustand der Klägerin, maßgeblich. Wie die Tatsachenlage seinerzeit beschaffen war, ist im Verwaltungsprozess mit denjenigen Beweismitteln aufzuklären, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zur Verfügung stehen.
b) Anspruchsgrundlage für das Rentenbegehren sind § 13 Abs. 1 Satz 1 RVS a.F. bzw. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVS n.F. Nach dieser Vorschrift erhält jedes Mitglied, das mindestens für einen Monat seine Versorgungsabgabe bzw. seine Beiträge geleistet hat und das infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufes unfähig ist und deshalb seine berufliche Tätigkeit einstellt, auf Antrag eine Berufsunfähigkeitsrente, wenn die Berufsunfähigkeit länger als 90 Tage dauert.
c) Die formellen Voraussetzungen sind erfüllt. Gemäß § 13 Abs. 4 Satz 2 RVS a.F. bzw. § 14 Abs. 4 Satz 2 RVS n.F. hat das Mitglied einen Antrag schriftlich zu stellen und ein ärztliches Gutachten über den Eintritt der Berufsunfähigkeit beizufügen.
Den Antrag hat die Klägerin gestellt. Dass vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens kein Gutachten vorgelegt wurde, ist unschädlich.
aa) Ein Antrag liegt entgegen dem Beklagtenvorbringen nicht nur dann vor, wenn ihm ein Gutachten beigefügt wurde. Grundsätzlich bedarf es für eine Antragstellung nur des Zugangs einer öffentlich-rechtlichen Willenserklärung, mit der eine behördliche Maßnahme begehrt wird. Sollen die mit der Willenserklärung bezweckten rechtlichen Wirkungen von weiteren Voraussetzungen abhängen, muss sich dies aus einer Rechtsnorm zumindest im Wege der Auslegung ergeben. Anderenfalls ist der Antrag wirksam gestellt, wenn er hinreichend bestimmt ist, während die Frage der Vollständigkeit der Antragsunterlagen davon getrennt zu beantworten ist (vgl. etwa § 42a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 VwVfG). § 13 Abs. 4 Satz 2 RVS a.F. bzw. § 14 Abs. 4 Satz 2 RVS n.F. bindet die Wirksamkeit der Antragstellung nicht an die gleichzeitige Vorlage eines Gutachtens. Bereits das Wort „beifügen“ deutet darauf hin, dass das Gutachten nur Anlage zu dem auch für sich wirksamen Antrag ist. Dasselbe ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Diese konkretisiert die Mitwirkungsobliegenheit des Antragstellers. Sie regelt die Kostentragung und legt fest, wer den Sachverständigen benennen darf. Für beides ist der Antragsteller zuständig. Dieser Zweck erfordert es nicht, die Wirksamkeit der Antragstellung von der gleichzeitigen Gutachtenvorlage abhängig zu machen. Auch der Beklagte hat aufgrund des Antrags der Klägerin ein Verwaltungsverfahren eingeleitet und die Klägerin aufgefordert, das Gutachten nachzureichen.
bb) Andererseits war die Vorlage eines ärztlichen Gutachtens durch die Klägerin nicht schlechthin entbehrlich. § 13 Abs. 4 Satz 2 RVS a.F. bzw. § 14 Abs. 4 Satz 2 RVS n.F. gilt auch in Fällen, in denen dem Antragsteller Berufsunfähigkeitsrente befristet gewährt worden ist und er zum Ablauf der Frist die Weitergewährung der Rente beantragt.
Der Wortlaut der Bestimmung steht dieser Auslegung nicht entgegen. Mit „Eintritt“ kann in Fällen der Weitergewährung auch die Frage gemeint sein, ob die Berufsunfähigkeit weiterhin eingetreten oder inzwischen entfallen ist. Sinn und Zweck der Regelung fordern die Anwendung auch in Weitergewährungsfällen. Wie bereits ausgeführt, weist sie Benennungsrecht und Kostentragungspflicht dem Antragsteller zu. Wird nach § 13 Abs. 4 Satz 3 RVS a.F. bzw. § 14 Abs. 4 Satz 3 RVS n.F. sodann ein weiteres Gutachten eingeholt, erhält der Beklagte das Benennungsrecht und trägt die Kosten. Beides gilt ohne vorheriges Tätigwerden des Antragstellers sogleich, wenn nach Rentengewährung gemäß § 13 Abs. 7 RVS a.F. bzw. § 14 Abs. 7 RVS n.F. eine Nachuntersuchung angeordnet wird. Die Satzung lässt den Verwaltungsausschuss mithin sogleich tätig werden, wenn es um die Beendigung eines laufenden Rentenbezugs geht. Sie fordert zunächst die Gutachteneinholung durch den Antragsteller, wenn eine Rente neu bewilligt werden soll. Eine solche Situation liegt auch bei einem Antrag auf Weitergewährung einer befristet gewährten Rente vor. Dieser führt dazu, dass die Rentenberechtigung von neuem festgestellt werden muss (vgl. auch Senatsbeschl. v. 11.1.2006 - 8 LC 56/05 -, NJW 2006, 1541, juris Rn. 33). Er ist mit einem Erstantrag gleichzubehandeln.
Das im ersten Rentenverfahren vom Beklagten eingeholte Gutachten des H. vom 18. August 2012 lässt die Notwendigkeit der Gutachtenvorlage entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht entfallen. Darin heißt es, es die Prognose einer Remission der depressiven Symptomatik und damit der Fähigkeit, den beruflichen Anforderungen wieder gerecht zu werden, erscheine hinreichend günstig. Daraus ergibt sich gerade nicht, dass die Berufsunfähigkeit von Juli 2014 an fortbestehen müsste.
cc) Daraus, dass ein ärztliches Gutachten im Verwaltungsverfahren nicht vorgelegt wurde, ergibt sich kein für das gerichtliche Verfahren maßgeblicher Ausschluss der beantragten Rentengewährung.
Die Rechtsfolge, dass der Rentenanspruch bei fehlender rechtzeitiger Mitwirkung ausgeschlossen ist, ordnet § 13 Abs. 4 Satz 2 RVS a.F. bzw. § 14 Abs. 4 Satz 2 RVS n.F. nicht ausdrücklich an. Sie ist der Bestimmung auch nicht im Wege der Auslegung zu entnehmen. Eine materielle Ausschlusswirkung käme der Bestimmung nur zu, wenn die Berücksichtigung einer verspäteten Gutachtenbeibringung mit ihrem Sinn und Zweck unvereinbar wäre (vgl. zu Ausschlussfristen Kallerhoff/Stamm, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 31 Rn. 13). § 13 Abs. 4 Satz 2 RVS a.F. bzw. § 14 Abs. 4 Satz 2 RVS n.F. soll aber keine materielle Wirkung haben, sondern die Mitwirkungsobliegenheit konkretisieren sowie Kostenlast und Benennungsrecht verteilen. Dieser Zweck wird auch dann erfüllt, wenn eine fehlende Mitwirkung nicht zum Anspruchsausschluss führt. Es kann offen bleiben, ob eine ausdrückliche Satzungsregelung, die diesen Zweck verfolgte, überhaupt ohne Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einen Anspruchsausschluss vorsehen könnte.
Dass keine materielle Ausschlusswirkung besteht, führt nicht zu praktischen Schwierigkeiten. Der Beklagte ist bei fehlender Mitwirkung des Antragstellers berechtigt, die Rentengewährung im Verwaltungsverfahren abzulehnen. Auch im Klageverfahren entstehen ihm keine Gutachtenkosten und wird dem Kläger die Benennung des Sachverständigen nicht entzogen. Denn hat dieser im Verwaltungsverfahren nicht mitgewirkt, ist in aller Regel seine Behauptung, berufsunfähig zu sein, unsubstantiiert und löst keine Ermittlungspflicht des Gerichts aus (vgl. auch Senatsbeschl. v. 2.6.2016 - 8 LA 80/15 -). Erst wenn er im Prozess ein Privatgutachten beibringt, kann es für den Beklagten angezeigt sein, zu dessen Entkräftung ein weiteres Gutachten eines von ihm bestimmten Sachverständigen einzuholen. Damit ist die in § 13 Abs. 4 Satz 2 RVS a.F. bzw. § 14 Abs. 4 Satz 2 RVS n.F. angelegte Rollenverteilung gewahrt. Die Möglichkeit, dass das Gericht eine Überzeugung bereits auf der Grundlage des Privatgutachtens bilden kann oder dieses zum Anlass nimmt, Sachverständigenbeweis zu erheben, bleibt davon unberührt.
Aus diesen Gründen folgt das Oberverwaltungsgericht nicht dem von dem Beklagten angeführten Beschluss des VG Stade vom 12.1.2007 - 6 A 2159/06 -. Die Entscheidungen des VG Hannover vom 13.10.2004 - 5 A 4893/02 - und des VG Osnabrück vom 4.8.2010 - 6 A 262/08 - betreffen nicht den hier vorliegenden Fall, dass das Gutachten nachträglich im Klageverfahren vorgelegt wurde.
Die Annahme des Beklagten und des VG Stade, ein nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens vorgelegtes Gutachten sei nur in einem neuen Verwaltungsverfahren, aber nicht im Klageverfahren über den ursprünglichen Antrag zu beachten, trifft nicht zu. Die Gutachtenvorlage hat keine selbständige verfahrensrechtliche Bedeutung, die es rechtfertigte, sie einem neuen Verwaltungsverfahren zuzuweisen. Es handelt sich um eine Mitwirkungsobliegenheit, die sich auf die Feststellung der anspruchsbegründenden Tatsachen bezieht. Diese Tatsachenfeststellung hat nach Erlass einer ablehnenden behördlichen Entscheidung im Klageverfahren durch das Gericht zu erfolgen. Für den Erfolg der Verpflichtungsklage ist entscheidend, ob der Rentenanspruch besteht, und nicht, ob die Verwaltungsentscheidung angesichts der zum Zeitpunkt ihres Erlasses bekannten Umstände rechtmäßig war. Es kommt zwar auf die in dem Zeitraum, für den die Rente begehrt wird, vorliegenden Gegebenheiten an. Deren Feststellung erfolgt aber mit den im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zur Verfügung stehenden Mitteln. Im Hinblick auf die dargestellten Erwägungen zu Sinn und Zweck des § 13 Abs. 4 Satz 2 RVS a.F. bzw. § 14 Abs. 4 Satz 2 RVS n.F. kann der Vorschrift nicht entnommen werden, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage derjenige der Behördenentscheidung wäre. Erst recht ist es entgegen dem Beklagtenvorbringen nicht der der Bekanntgabe des Verwaltungsakts vorausliegende Zeitpunkt des Vorstandsbeschlusses.
Nach diesen Erwägungen führt es nicht zur Abweisung der Klage, dass die Klägerin im Verwaltungsverfahren kein ärztliches Gutachten vorgelegt hat. Vielmehr hat sie ihre Behauptung, berufsunfähig zu sein, im erstinstanzlichen Klageverfahren mithilfe des Gutachtens des J. substantiiert, so dass angesichts des Bestreitens des Beklagten eine gerichtliche Tatsachenfeststellung erforderlich war.
d) Die Klägerin war im streitigen Zeitraum nicht infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufes unfähig.
aa) Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Betroffene nicht mehr über ein Restleistungsvermögen verfügt, mit dem eine Tätigkeit ausgeübt werden kann, die dem anwaltlichen Berufsbild entspricht ((1)), eine noch leistbare Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt nicht vorhanden ist ((2)) oder diese Tätigkeit von dem Betroffenen nicht in dem erforderlichen Mindestumfang ausgeübt werden kann ((3)).
(1) Die Berufsunfähigkeit setzt voraus, dass der Rechtsanwaltsberuf nicht mehr ausgeübt werden kann. Zum Rechtsanwaltsberuf gehören diejenigen Tätigkeiten, welche die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beziehungsweise den Fortbestand der Zulassung rechtfertigen. Dass eine juristische Ausbildung für die Tätigkeit förderlich oder notwendig ist, reicht nicht aus (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 30.10.2008 - 5 A 2437/06 -, NJW-RR 2009, 353, juris Rn. 27; zur ärztlichen Tätigkeit Senatsbeschl. v. 26.4.2007 - 8 LB 212/05 -, juris Rn. 34). Die Merkmale des Rechtsanwaltsberufs sind insbesondere §§ 1-3, 43a, 46 BRAO zu entnehmen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 22.12.1998 - 4 A 2845/96 -, AnwBl. 1999, 611; OVG des Saarlandes, Beschl. v. 6.2.2017 - 1 C 181/15 -, juris Rn. 30 ff.). Kennzeichnend für die Tätigkeit als Rechtsanwalt ist demnach die unabhängige und eigenverantwortliche Interessenwahrnehmung durch Beratung und Vertretung von Rechtsuchenden bzw. im Fall des Syndikusrechtsanwalts des Arbeitgebers (OVG des Saarlandes, Beschl. v. 6.2.2017 - 1 C 181/15 -, juris Rn. 32).
Die verbleibenden Betätigungsmöglichkeiten müssen diesem anwaltlichen Berufsbild entsprechen, aber nicht das gesamte berufliche Spektrum abdecken (OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 14.12.2011 - 17 A 395/10 -, NJW 2012, 1751, juris Rn. 30). Dem anwaltlichen Berufsbild entspricht auch eine nicht forensische, sondern beratende Tätigkeit. Sofern die Eigenverantwortlichkeit gewahrt ist, ist es dabei nicht nötig, dass in nennenswertem Umfang Besprechungen erfolgen. Der Rechtsanwaltsberuf kann daher auch dann noch ausgeübt werden, wenn eine schriftliche Tätigkeit durch Erstellung von Schriftsätzen, beratenden Mandantenschreiben und Rechtsgutachten eigenverantwortlich und frei von fachlichen Weisungen erfolgt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 30.10.2008 - 5 A 2437/06 -, NJW-RR 2009, 353, juris Rn. 46; Urt. v. 14.12.2011 - 17 A 395/10 -, NJW 2012, 1751, juris Rn. 30). An der Eigenverantwortlichkeit fehlt es, wenn nur noch wissenschaftliche Hilfsdienste durch die Abfassung von Gutachtenentwürfen und Rechtsprechungs- und Literaturrecherchen als Zuarbeit für einen anderen Rechtsanwalt geleistet werden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 22.12.1998 - 4 A 2845/96 -, AnwBl. 1999, 611; OVG des Saarlandes, Beschl. v. 6.2.2017 - 1 C 181/15 -, juris Rn. 32). Ob auch eine Tätigkeit dem anwaltlichen Berufsbild unterfällt, bei der die Beratung ganz ohne Gespräche unter Anwesenden allein auf fernmündlichem, schriftlichem oder elektronischem Wege erfolgt, muss nicht entschieden werden, weil das Restleistungsvermögen der Klägerin ihr die Wahrnehmung von Gerichtsterminen und Mandantengesprächen ermöglicht.
Darauf, ob die Klägerin ihren Beruf so wie ursprünglich bei gesundheitlich uneingeschränkter Leistungsfähigkeit ausüben konnte bzw. ob sie als Einzelanwältin in selbständiger Tätigkeit mit eigener Kanzlei tätig werden konnte, kommt es nicht an. § 13 Abs. 1 Satz 1 RVS a.F. bzw. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVS n.F. stellt auf die Ausübung „des“ Rechtsanwaltsberufes ab. Versichert ist danach nicht das Risiko, die vor der Erkrankung konkret wahrgenommene Tätigkeit nicht beibehalten zu können, sondern nur das Risiko, den Rechtsanwaltsberuf als solchen nicht mehr ausüben zu können (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 30.10.2008 - 5 A 2437/06, NJW-RR 2009, 353, juris Rn. 28; zur Ärzteversorgung Senatsurt. v. 26.4.2007 - 8 LB 212/05 -, GesR 2007, 359, juris Rn. 32; Senatsbeschl. v. 2.2.2012 - 8 ME 153/11 -, juris Rn. 8). Der Anwaltsberuf als solcher wird andererseits bereits dann ausgeübt, wenn eine diesem Berufsbild entsprechende Tätigkeit vorliegt. Auf eine „durchschnittliche“ Anwaltstätigkeit kommt es nicht an.
(2) Der Tätigkeitszuschnitt, mit dem angesichts des Restleistungsvermögens des Antragstellers eine Ausübung des Rechtsanwaltsberufs möglich erscheint, muss in der Berufswirklichkeit tatsächlich und nicht nur theoretisch oder in extremen Ausnahmefällen anzutreffen sein (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 30.10.2008 - 5 A 2437/06 -, NJW-RR 2009, 353, juris Rn. 30; Urt. v. 14.12.2011 - 17 A 395/10 -, NJW 2012, 1751, juris Rn. 34). Zu fragen ist, in welchem Umfang die Restleistungsfähigkeit im Erwerbsleben noch nutzbar gemacht werden kann. Dabei kommt es sowohl darauf an, ob das Mitglied des Versorgungswerks noch bestimmte zum Berufsbild gehörende Tätigkeiten verrichten kann, als auch darauf, ob solche Tätigkeiten geeignet sind, noch ein Erwerbseinkommen zu erzielen. Bei der demnach gebotenen konkreten Prüfung der verbleibenden Erwerbsmöglichkeiten müssen Einschränkungen beachtet werden, die zum versicherten Risiko gehören. Eine noch verbliebene Leistungsfähigkeit hat außer Betracht zu bleiben, wenn dem Mitglied des Altersversorgungswerks der Arbeitsmarkt aufgrund seines Gesundheitszustandes tatsächlich praktisch verschlossen ist. Als Verweisungstätigkeit muss kein konkreter Arbeitsplatz benannt oder gar eine Einstellungszusage nachgewiesen werden. Zumindest muss aber eine noch mögliche und übliche Berufstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen bezeichnet werden. Die bloße Aufzählung von Verrichtungen, die ein Mitglied des Beklagten noch ausüben kann, ohne gleichzeitige Feststellung, ob diese Verrichtungen in typisierten Anforderungsprofilen auch tatsächlich vorkommen, genügt hingegen zum Ausschluss der Berufsunfähigkeit nicht. Hat der Betroffene bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage mit der Leistungsfähigkeit, die er noch bieten kann, eine, wenn auch schlechte, Chance, eine Verweisungstätigkeit zu erhalten, so ist er nicht berufsunfähig. Hat er dagegen bei vernünftiger Betrachtung wegen des Eintritts des versicherten Risikos praktisch keine derartige Chance mehr, so ist er vom Arbeitsmarkt schlechthin ausgeschlossen und damit berufsunfähig (vgl. Senatsbeschl. v. 9.11.2005 - 8 LA 91/05 -, juris Rn. 4 ff.; Senatsurt. v. 26.4.2007 - 8 LB 212/05 -, juris Rn. 38 f.; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 14.12.2011 - 17 A 395/10 -, NJW 2012, 1751, juris Rn. 34 ff.).
(3) Die Berufsunfähigkeit setzt bei bestehendem Restleistungsvermögen weiter voraus, dass die verbleibende Erwerbsmöglichkeit einen Mindestumfang unterschreitet. Dies ergibt sich aus dem Zweck der Berufsunfähigkeitsrente, den Lebensunterhalt im Falle der Einstellung der rechtsanwaltlichen Tätigkeit aus Krankheitsgründen zu sichern. Von einer Fähigkeit zur Berufsausübung ist nicht mehr auszugehen, wenn die Erzielung eines die Existenz des Betroffenen sichernden Einkommens nicht mehr möglich ist (vgl. Senatsbeschl. v. 2.4.2003 - 8 LA 166/02 - m.w.N.; Senatsurt. v. 26.4.2007 - 8 LB 212/05 -, juris Rn. 32 zum Versorgungswerk der Ärztekammer).
bb) Die Klägerin ist nicht berufsunfähig. Ihr Restleistungsvermögen genügt für eine Tätigkeit, die als Ausübung des Rechtsanwaltsberufs angesehen werden kann.
(1) Die Klägerin konnte in der Zeit vom 1. Juli 2014 bis zum 30. November 2015 alle zum Rechtsanwaltsberuf gehörenden Teiltätigkeiten ausüben. Die bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen führten nicht dazu, dass es Teiltätigkeiten des Berufs gab, die von ihr nicht bewältigt werden konnten. Die vorhandenen Einschränkungen führten allein dazu, dass das Arbeitsvermögen in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt war. Die Klägerin konnte ihrem Beruf für sechs bis acht Stunden am Tag nachgehen.
(a) Diese Feststellungen beruhen auf den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. D.. Dieser hat eine rezidivierende depressive Störung, einen vorübergehenden erheblichen Alkoholmissbrauch, einen Verdacht auf Cannabismissbrauch, einen Zustand nach Brustentfernung rechts bei Zustand nach Mammakarzinom rechts mit Lymphadenektomie sowie eine Aortenklappeninsuffizienz diagnostiziert. Die Beurteilung für den streitgegenständlichen zurückliegenden Zeitraum sei mit gewissen Schwierigkeiten verbunden. Es habe lediglich eine allgemeinärztliche Behandlung bestanden. Eine spezifische antidepressive Therapie habe nicht bestanden. Die Klägerin habe ausgedehnte Urlaube unternehmen können. Sie könne weiterhin zeitlich eingeschränkt in der Immobilienverwaltung mitwirken und habe in zeitlich geringem Umfang bei der Schuldnerberatung gearbeitet. Der Sachverständige gehe für den Zeitraum 1. Juli 2014 bis 30. November 2015 von einer leichtgradigen bis allenfalls mäßiggradigen Depression aus. Er könne nicht eindeutig davon ausgehen, dass die Kriterien einer mittelgradigen Depression vorgelegen hätten. Die Klägerin habe sich subjektiv als stärker belastet geschildert. Sie habe letztendlich die Situation so beschrieben, dass ihr Zustand zum Zeitpunkt der Gutachtenuntersuchung auch dem Zustand entsprochen habe, wie dies im Zeitraum Juni 2014 bis November 2015 gewesen sei.
Dieser Argumentation entnimmt das Gericht, dass es keine ausreichenden objektivierbaren Anhaltspunkte für einen höheren Schweregrad der depressiven Erkrankung in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt gibt. Die Selbsteinschätzung der Klägerin ist als derartiger Anhaltspunkt ungeeignet. Die Folgerungen des Sachverständigen sind für das Gericht äußerst plausibel. Vor diesem Hintergrund hat der Sachverständige zu Recht seiner Beurteilung des Leistungsvermögens zugrundegelegt, dass eine leicht- bis allenfalls mäßiggradige Depression bestand.
Zur Bestimmung des Leistungsvermögens hat der Sachverständige Einschränkungen mäßiger Ausprägung hinsichtlich des Antriebs, des Selbstvertrauens und der Initiative berücksichtigt. Für Tätigkeiten der Verwaltung, Buchhaltung und Abrechnung sieht er eine Einschränkung von 30 %, für Mandantenberatung von 40 %, für Gerichtstermine und Terminsvorbereitung von 40 % und für die Vorbereitung von Schriftsätzen von 30 %. Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung überzeugend erläutert, dass er bei Betrachtung der Ausprägung der depressiven Störung der Klägerin einerseits und der bei Mandantengesprächen und Gerichtsterminen zu erwartenden Belastung andererseits zu der Einschätzung gelange, dass die zeitliche Einschränkung bei diesen Tätigkeiten in dem angedeuteten Umfang, aber nicht - wie von der Klägerin angenommen - noch weitergehend, über die Einschränkung bei den anderen Tätigkeiten hinausgehe. Die selbstverständlich nicht minutengenau umzurechnende Veranschaulichung der Einschränkungen führt den Sachverständigen bei integrativer Betrachtung zu dem Schluss, dass eine Tätigkeit von sechs bis acht Stunden täglich zumutbar war, bei eingeschränkter Spitzenbelastungsfähigkeit. Auch das ist plausibel und nachvollziehbar.
Der Sachverständige hat damit ein Leistungsvermögen beschrieben, bei dem kein Bereich der anwaltlichen Berufstätigkeit der Art nach ausgeschlossen ist.
(b) Die Einwände der Klägerin gegen die Bewertung durch den Sachverständigen Prof. Dr. D. greifen nicht durch.
Die Klägerin geht von einer oberflächlichen bzw. einseitigen Würdigung der für den maßgeblichen Zeitraum vorhandenen Berichte und Gutachten aus. Die Ärzte H., I. und J. sowie die L. hätten eine mittelgradige Depression festgestellt. Es bestehe keine fachliche Grundlage für den Ausschluss einer mittelgradigen Depression bei fehlender Behandlung und Urlauben. Der Sachverständige solle erläutern, warum Befunde und Diagnosen der genannten Ärzte falsch seien.
Dies unterstellt zunächst unzutreffend, die bezeichneten Berichte hätten im Hinblick auf die Diagnosestellung eine Überzeugungskraft, die zu widerlegen sei. Zutreffend ist vielmehr, dass der gerichtliche Sachverständige die Beweisfragen zu beantworten und in diesem Rahmen die von anderen Ärzten erhobenen Befunde kritisch zu würdigen hat. Hinsichtlich der Diagnose und der Bewertung der Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit hat der Sachverständige sein eigenes Urteil zu bilden und zu begründen; nur in diesem Rahmen bedarf es des Eingehens auf abweichende Bewertungen. Im Übrigen hat der Sachverständige sich in der ergänzenden Stellungnahme überzeugend mit den Einwänden auseinandergesetzt. Er habe eine integrative Gesamtschau von Angaben der Klägerin und Informationen aus Arztbriefen und Gutachten zu bilden gehabt. Eine Beschwerdeverdeutlichungstendenz habe er konstatiert, da die Klägerin sich durchgehend als schwergradig depressiv beschrieben habe, was mit seiner Befunderhebung nicht kompatibel gewesen sei. Eine fehlende Behandlung sei kein Beweis, aber ein Hinweis hinsichtlich des Schweregrades. Bei deutlich ausgeprägter Symptomatik wäre zu erwarten, dass die Probandin sich in spezifische Behandlung begebe. Eine solche spezifische Behandlung sei die Einnahme von Opipramol nicht. Die Urlaube ließen nicht zwingend einen Rückschluss auf die Schwere zu, gleichwohl sei letztendlich die funktionelle Beeinträchtigung zu berücksichtigen. Wenn die Klägerin in der Lage sei, Auslandsreisen zu unternehmen, fehle es an Hinweisen auf einen besonderen Schweregrad. Das Gutachten des H. stamme aus 2012 und liege vor dem maßgeblichen Zeitraum. Es habe keine Fremdbeurteilung oder objektivierende Testpsychologie gegeben. Es seien keine kognitiven Einschränkungen festgestellt worden. Herr I. habe bis März 2015 nur sporadische Vorstellungen beschrieben. Es habe keine spezifische Behandlung gegeben. Opipramol sei vor Februar 2016 auch nicht regelmäßig verordnet worden. Es gebe keine Schilderung des Schweregrades. J. habe keine objektivierende Testpsychologie, keine Rating-Skalen, keine Skalen zur Befundvalidierung eingesetzt. Sein Gutachten sei wenig aussagekräftig. Die Wiedergabe von Beschwerden der Klägerin sei keine objektive Befundung. Dem Brief der L. liege keine Fremdbeurteilung der Schwere, sondern verschiedene Selbstbeurteilungsfragebögen zugrunde. Es habe keine Pharmakotherapie gegeben. Der Aufenthalt liege außerhalb des maßgeblichen Zeitraums. Im BDI-Selbstbeurteilungsbogen habe sich die Klägerin lediglich 12 Punkte gegeben. Der Bericht bilde eine mittelgradige Depression nicht ab.
Die Klägerin trägt vor, es könne kein Rückschluss von ihrer Selbstbeschreibung auf ihren Zustand im maßgeblichen Zeitraum gezogen werden. Ihre Angaben zu „Stimmungspunkten“ im zeitlichen Verlauf wichen von der Beschreibung des Zustandes als gleich geblieben ab. Dazu hat der Sachverständige nachvollziehbar erläutert, das Gutachten stütze sich nicht ausschließlich auf die Angaben der Klägerin, sondern bilde eine integrative Gesamtschau von Arztberichten, dem 2018 durch den Sachverständigen erhobenen Befund und den Angaben der Klägerin. Auch unter Einbeziehung dieser Angaben und der ärztlichen Dokumentation gebe es keine Basis für eine mehr als leichtgradige Depression. Dagegen spreche zusätzlich, dass keine leitliniengerechte Behandlung erfolgt sei und Auslandsreisen durchgeführt worden seien.
Zu dem Vortrag, die Einstufung der Depression als leichtgradig vertrage sich nicht mit den Testergebnissen, hat der Sachverständige erläutert, die Abstützung einer gutachterlichen Einschätzung allein anhand der Angaben des Probanden sei nicht validiert. Aus diesem Grund habe er eine standardisierte Befunderhebung mit der Hamilton-Depressions-Skala durchgeführt und sei auf eine subsyndromale leichtgradige Depression gekommen.
Der Einwand, der Sachverständige behandle das von der Klägerin vorgelegte Gutachten des J. und das von der Beklagten eingeholte Gutachten ungleich, ist verfehlt, weil das Gutachten des J. lediglich ein Privatgutachten ist (vgl. dazu W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 98 Rn. 15b), während es sich bei dem von der Beklagten eingeholten Gutachten um ein solches eines behördlich bestellten Sachverständigen i.S.d. § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 65 VwVfG handelt. Er fällt in den persönlichen Anwendungsbereich des § 21 VwVfG (vgl. Niedersächsisches OVG, Urt. v. 2.12.1994 - 7 K 5895/92 -, NVwZ 1996, 606, juris Rn. 22), was im Ergebnis eine besondere Pflicht zur Neutralität nach sich zieht. Zudem hat der Sachverständige Prof. Dr. D. erläutert, dass er sich mit dem Gutachten des Priv.-Doz. K. nicht primär kritisch habe auseinandersetzen müssen, weil es zu ähnlichen Ergebnissen komme; im Übrigen sei bei diesem Gutachten ein Manko, dass eine weitergehende Befunderhebung nicht erfolgt sei.
Die Klägerin trägt vor, Herr I. habe ein Fatigue-Syndrom, ein Müdigkeitssyndrom, ein Lymphoedem und ein LWS-Syndrom beschrieben; sie sei schon deswegen berufsunfähig. Hierzu hat der Sachverständige überzeugend dargestellt, die Klägerin möge ein Müdigkeitsgefühl empfinden, aber bei der testpsychologischen Untersuchung von Aufmerksamkeit und Konzentration habe es keine Einschränkungen gegeben. Hier gebe es eine Diskrepanz zwischen Beschwerdeschilderung und objektivierbaren Befunden. Das LWS-Syndrom führe nicht zu Berufsunfähigkeit. Das Gericht hat auch keinen Anlass, allein im Hinblick auf das Lymphoedem weitere Ermittlungen anzustellen. Herr I. hat die von ihm angenommenen Einschränkungen der Klägerin dem Fatigue-Syndrom zugeschrieben, während das Lymphoedem als leicht beschrieben wurde.
Der Sachverständige hat auch die Beobachtungen, aus denen er die von der Klägerin bestrittene Beschwerdeverdeutlichungstendenz abgeleitet hat, nachvollziehbar erläutert. Danach gab es eine Diskrepanz zwischen seiner eigenen Befunderhebung, sowohl klinisch als auch mit der Hamilton-Skala, und dem Beschwerdevortrag.
Aus dem Gutachten ergibt sich entgegen der Annahme der Klägerin nicht, dass der Sachverständige ungeprüft unterstellt hätte, die Behandlung der Klägerin in der L. sei lediglich wegen der Ablehnung der Weitergewährung der Rente erfolgt. Dahingehende Ausführungen enthält das Gutachten nicht. Zu den ergänzenden, den Bericht der L. betreffenden Fragen der Klägerin hat der Sachverständige bestätigt, dass der Eingangs-BDI von 12 Punkten die Diagnose einer leichtgradigen Depression rechtfertige. Dies bestätigt die von dem Sachverständigen wahrgenommene Diskrepanz zu der Beschreibung als mittelgradig in dem Bericht. Es seien weitere Selbstbeurteilungsskalen eingesetzt worden, aber keine objektivierende Testpsychologie und keine standardisierte Erhebung des Schweregrades. In dem Bericht werde ausdrücklich beschrieben, dass Befindlichkeit und Stimmung bei Aufnahme leicht deprimiert gewesen seien.
Nachdem die Klägerin gegen das Sachverständigengutachten zunächst eingewandt hatte, sie habe nur erwähnt, 2010 bis 2013 Cannabis geraucht zu haben, erhält sie diese Behauptung nach Hinweis des Sachverständigen auf Einträge in der ärztlichen Dokumentation nicht mehr aufrecht und gibt an, sie habe Cannabis zur Schmerzbehandlung konsumiert. Damit bestätigt sie im Nachhinein die Richtigkeit der von ihr angegriffenen Befundauswertung in dem Sachverständigengutachten. Ihr Vortrag, es habe sich wegen des Bezuges auf Schmerzen nicht um einen Missbrauch gehandelt, ist unerheblich, da der Cannabiskonsum, wie der Sachverständige festgestellt hat, für die Frage ihrer Berufsunfähigkeit nicht erheblich ist.
Es ist auch plausibel, dass der Sachverständige die Fähigkeit der Klägerin, Urlaubsreisen durchzuführen, in die Bewertung mit einbezogen hat. Er hat ausgeführt, bei einer schwergradigen Depression seien keine Urlaubsreise möglich. Für die Behandlung einer Depression sei ein Urlaub, anders als die Klägerin vorträgt, nicht geeignet.
Der Sachverständige hat seine Angaben zu den zeitlichen Grenzen der Belastbarkeit hinreichend begründet. Bei der Klägerin hätten Einschränkungen mäßiger Ausprägung hinsichtlich Antrieb, Selbstvertrauen und Initiative vorgelegen. Die Angaben zur zeitlichen Möglichkeit von Tätigkeiten unterschiedlicher Art im Gutachten in tabellarischer Form beruhten auf einer integrativen Beurteilung aus gutachterlicher Sicht. Die Einschränkung von Teiltätigkeiten sei entscheidender als die Gesamtzahl an Stunden.
Das Gericht ist nicht der Ansicht, dass das Sachverständigengutachten nicht ausreichend mit Literaturangaben versehen wäre. Die von dem Sachverständigen aufgrund des Beweisbeschlusses vom 16. Oktober 2017 dem Gericht zu vermittelnde Sachkunde besteht in der Anwendung medizinisch-wissenschaftlichen Fachwissens und klinischer Erfahrung in einem konkreten Fall und nicht in einer Forschungsleistung. Dass der Sachverständige aufgrund seiner Vorbildung über dieses Fachwissen verfügt, unterliegt keinem Zweifel. Durch das Studium welcher Publikationen er es erworben hat, muss nicht angegeben werden.
Soweit die Klägerin angezweifelt hat, ob auf der Auswertung des VEI-Tests ihr Name steht, hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung überzeugend bestätigt, dass es sich um den von ihm geschriebenen Namen der Klägerin handelt.
Die Auseinandersetzung mit den zeitlichen Anteilen der Rechtsanwaltstätigkeit, die der Sachverständige zugrundegelegt hat, begründet keinen Angriff auf das Sachverständigengutachten. Der Sachverständige hat damit eine Angabe zur Leistungsfähigkeit gemacht, die dem Gericht die Beurteilung, welche Stellen die Klägerin besetzen könnte, erleichtert. Dabei hat er sich an ihren Angaben zu der von ihr tatsächlich ausgeübten Tätigkeit in gesunden Tagen orientiert. Auch wenn es rechtlich nicht auf diese Tätigkeit ankommt, erleichtern die darauf aufbauenden Angaben hier die Subsumtion durch das Gericht. Denn das beschriebene Tätigkeitsspektrum kommt bei einer Vielzahl auf dem Arbeitsmarkt vorhandener Arbeitsmöglichkeiten für Rechtsanwälte vor.
(c) Die übrigen im Verfahren vorgelegten Gutachten führen zu keinem anderen Ergebnis. Sie sind allerdings zu berücksichtigen. Die erstinstanzliche Fristsetzung nach § 87b Abs. 2 VwGO ist wirkungslos, weil sie nur paraphiert wurde (vgl. BVerwG, Beschl. v. 4.3.1993 - 8 B 186/92 -, NJW 1994, 746, juris Rn. 4). Zudem hat die Klägerin das von ihr eingeholte Gutachten innerhalb der gesetzten Frist nach § 87b Abs. 2 VwGO vorgelegt. Die Gutachtenvorlage seitens des Beklagten in der zweiten Instanz hat den Rechtsstreit nicht verzögert.
Die Schlussfolgerung in dem Gutachten des J. vom 7. Juni 2016, die Klägerin sei berufsunfähig, ist nicht plausibel. Das Gutachten macht keine klaren Aussagen zu dem streitigen Zeitraum, gibt allerdings zu erkennen, dass es die in dem Gutachten des H. vom 18. August 2012 festgestellten Beeinträchtigungen wohl als fortbestehend ansieht. Das Gutachten ist inhaltlich unergiebig. Der Arzt legt sich nicht zu der Frage fest, wie die Gesundheitsstörung der Klägerin im Einzelnen beschaffen sein soll und welche Einschränkungen der Berufstätigkeit daraus folgen sollen. Diagnostiziert werden eine prolongierte depressive Episode, mittelschwer, und ein Zustand nach Mammakarzinom. Warum die depressive Erkrankung mittelschwer ausgeprägt gewesen sein soll, wird in dem Gutachten nicht begründet. Aufgrund der Wortwahl ist auch nicht klar erkennbar, ob der Arzt die auf der Gesundheitsstörung beruhenden Einschränkungen der Berufstätigkeit konkret im Fall der Klägerin angeben wollte oder ob er nur allgemeine Ausführungen dazu gemacht hat, welche Auswirkungen das Störungsbild „generell“ hat, was „die Betroffenen“ noch bewältigen könnten und was „Menschen mit chronischen Depressionen“ möglich ist. Entscheidend gegen die Überzeugungskraft des Privatgutachtens spricht, dass seine Methodik Einwänden ausgesetzt ist. Der Sachverständige Prof. Dr. D. hat darauf hingewiesen, dass keine objektivierende Testpsychologie und keine Rating-Skalen eingesetzt wurden. Eine Wiedergabe von Beschwerden der Klägerin stelle keine objektive Befundung dar. Dem folgt das Gericht.
In dem von dem Verfasser so bezeichneten ärztlichen Gutachten des Herrn I. vom 10. Februar 2016 fehlt eine ärztliche Einschätzung und Begründung des Schweregrades der angegebenen Erkrankungen. Der Arzt geht unzutreffend davon aus, dass, da Einschränkungen aufgrund eines Fatigue-Syndroms schwer zu objektivieren seien, die Anamnese der Patientin maßgebend sei. Der Sachverständige Prof. Dr. D. hat demgegenüber angegeben, dass die Klägerin zwar ein Müdigkeitsgefühl empfinden möge, bei der testpsychologischen Untersuchung von Aufmerksamkeit und Konzentration aber keine Einschränkungen objektiviert worden seien. Es komme zu einer Diskrepanz zwischen Beschwerdeschilderung und objektivierbaren Befunden. Eine reine Beschwerdewiedergabe reiche nicht aus. Dem folgt das Gericht.
Das vom Beklagten vorgelegte Gutachten des Priv.-Doz. K. vom 22. August 2016 verneint eine Berufsunfähigkeit und widerspricht der Bewertung des gerichtlichen Sachverständigen nicht. Gleichwohl stützt das Gericht seine Tatsachenfeststellung auf dieses Gutachten nicht. Auch wenn die gezogenen Schlüsse zum Teil plausibel sind, weckt Zweifel an der Seriosität der Begutachtung, dass in dem Gutachten ausufernd darauf abgestellt wird, dass Personen, die Konzentrationsstörungen mit Krankheitswert hätten, den Führerschein abgeben oder sich zumindest zur verkehrsmedizinischen Untersuchung anmelden müssten, sonst sei die Konzentrationsstörung nicht glaubhaft. Dies ist völlig lebensfremd. Aus diesem Sachverhalt auf den Schweregrad einer Erkrankung schließen zu wollen, ist abwegig. Das gilt erst recht angesichts des geringen von der Klägerin angegebenen Fahrpensums. Zudem war der behördliche Sachverständige zu einer neutral-distanzierten Vorgehensweise nicht fähig. Anstatt von der Klägerin aufgestellte Behauptungen in besonnener Weise zurückzuweisen, hat der Sachverständige eine polemische und zornige ergänzende Stellungnahme vorgelegt, deren Inhalt und Tonfall mit den von einem neutralen Sachverständigen zu erwartenden Ausführungen nicht im Einklang stehen.
(2) Es sind Verweisungstätigkeiten sowohl als selbständige wie als angestellte bzw. freiberufliche Rechtsanwältin auf dem Arbeitsmarkt vorhanden. Das festgestellte Restleistungsvermögen der Klägerin ist dadurch gekennzeichnet, dass keine Teiltätigkeit ausgeschlossen ist. Die Klägerin kann schriftlich und mündlich beraten, Schriftsätze fertigen und Gerichtstermine wahrnehmen sowie die mit der Innehabung einer Kanzlei verbundenen weiteren Tätigkeiten durchführen.
Dem Gericht ist aufgrund seiner Kenntnis des juristischen Arbeitsmarkts bekannt, dass Rechtsanwälte ihren Beruf in der Weise ausüben können, dass der zeitliche Umfang der Teiltätigkeiten Verwaltung/Buchhaltung/Abrechnung, Mandantenberatung, Gerichtstermine/Terminsvorbereitung, Schriftsätze vorbereiten sich wie 10:30:15:15 verhält, also so, wie es der Sachverständige in seinem Gutachten zur Beschreibung des Leistungsvermögens angenommen hat.
Dass es auch andere Rechtsanwaltstätigkeiten gibt, bei denen Gerichts- und Mandantentermine größeren oder geringeren Raum einnehmen, ist für die Entscheidung des Falles unerheblich. Bei Stellen mit einem geringeren Anteil dieser Teiltätigkeiten erhöht sich die zeitliche Belastbarkeit, bei Stellen mit einem höheren Umfang solcher Termine verringert sie sich. Solange aber Beschäftigungsmöglichkeiten mit in etwa dem beschriebenen Anteil vorhanden sind, kann die Klägerin unter Zugrundelegung der Einschätzung des Sachverständigen bezüglich des zeitlichen Leistungsvermögens auf sie verwiesen werden.
(3) Das Restleistungsvermögen hatte den erforderlichen Mindestumfang. Bei einer sechsstündigen täglichen Arbeitszeit konnte die Klägerin eine über eine Halbtagsbeschäftigung hinausgehende Rechtsanwaltstätigkeit ausüben und ihren Lebensunterhalt sichern.
Bei der Ermittlung der erzielbaren Einkünfte ist von einer abstrakten Betrachtungsweise in der Hinsicht auszugehen, dass zu fragen ist, was ein Rechtsanwalt mit dem Leistungsspektrum des betroffenen Mitglieds an Einkünften erzielen kann. Dabei ist bei Mitgliedern, die aufgrund ihres Krankheitsbilds lediglich als angestellte Rechtsanwälte oder freie Mitarbeiter tätig sein können, das durchschnittliche Einkommen dieser Anwälte zugrunde zu legen, es sei denn, es bestehen Anhaltspunkte dafür, dass das jeweilige Mitglied etwa aufgrund einer besonderen Qualifikation deutlich höhere oder aufgrund besonderer Umstände nur deutlich niedrigere Einkünfte erzielen kann. Bei Mitgliedern des Versorgungswerks, denen es aufgrund ihres (Rest-) Leistungsvermögens möglich ist, sowohl als angestellte Rechtsanwälte als auch als freie Mitarbeiter tätig zu sein, ist es sachgerecht, auf die als angestellter Rechtsanwalt zu erzielenden, gegenüber den Honoraren freier Mitarbeiter höheren Einkünfte abzustellen. Dies folgt aus dem Prinzip gemeinschaftlicher Absicherung des Berufsunfähigkeitsrisikos, das für den Einzelnen die Verpflichtung mit sich bringt, alle ihm möglichen Anstrengungen zu unternehmen, um die Belastung der Versichertengemeinschaft gering zu halten (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 14.12.2011 - 17 A 395/10 -, NJW 2012, 1751, juris Rn. 58 ff.). Für den Fall der Klägerin kommt es auf die Frage, ob auf Angestellten- oder freiberufliche Tätigkeit abzustellen ist, nicht an.
Das durchschnittliche Jahresbruttoeinkommen eines mindestens 40 Stunden pro Woche tätigen angestellten Rechtsanwalts betrug 2013 (als letzter verfügbarer Wert) 66.000 Euro (Bundesrechtsanwaltskammer, STAR 2015/16 - Statistisches Berichtssystem für Rechtsanwälte, Durchschnittliches Bruttoeinkommen der angestellten Vollzeit-Rechtsanwälte nach Geschlecht, https://www.brak.de/w/files/04_fuer_journalisten/star-bericht2016/abb.-6.1.3_bruttoeinkommen-nach-geschlecht.pdf). Freiberuflich tätige Rechtsanwälte erzielten danach in den alten Bundesländern im Jahr 2008 ein Jahreshonorar von 38.000 Euro (Bundesrechtsanwaltskammer, STAR 2015/16 - Statistisches Berichtssystem für Rechtsanwälte, Durchschnittliches Bruttoeinkommen der als freie Mitarbeiter tätigen Rechtsanwälte nach Geschlecht, https://www.brak.de/w/files/04_fuer_journalisten/star-bericht2016/abb.-6.2.3_brutteinkommen-nach-geschlecht.
pdf).
Unterstellt man eine tägliche Vollzeit-Arbeitszeit von neun Stunden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 14.12.2011 - 17 A 395/10 -, NJW 2012, 1751, juris Rn. 65), ergibt sich bei einem sechsstündigen Leistungsvermögen ein monatliches Bruttoeinkommen als angestellte Rechtsanwältin von 3.667 Euro (66.000 Euro : 12 x 6/9) und als freiberufliche Rechtsanwältin von 2.111 Euro (38.000 Euro : 12 x 6/9). Bei überschlägiger Berechnung ergibt sich daraus ein monatliches Nettogehalt von 2.559 Euro als angestellte Rechtsanwältin (Berechnung für 2015, Steuerklasse III, Abzug von Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung) und 1.274 Euro als freiberufliche Rechtsanwältin (Berechnung für 2015, Steuerklasse III, geschätzte Kosten einer privaten Krankenversicherung von 700 Euro).
Beide Beträge übersteigen offensichtlich die Summe von Regelbedarf (Partner in Bedarfsgemeinschaft 2015: 360 Euro) und Kosten einer angemessenen Unterkunft, ohne dass die genaue Höhe der sozialrechtlich berücksichtigungsfähigen Unterkunftskosten hier ermittelt werden müsste.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2, § 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.