Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.04.2019, Az.: 11 LA 12/18

Amtsermittlungspflicht; Beweisantrag; Ehrenmord; Gehörsrüge; Georgien; Glaubenswechsel; grundsätzliche Bedeutung; Gutachten; häusliche Gewalt; nichtstaatliche Akteure; rechtliches Gehör; Schutzfähigkeit; Überraschungsentscheidung; Verfahrensfehler; Verfolgung; Yeziden; Zeugen Jehovas

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
03.04.2019
Aktenzeichen
11 LA 12/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 69695
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 21.11.2017 - AZ: 7 A 2728/17

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Zu den Anforderungen an die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung i.S.d. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG.
2. Zu der Frage, wann die Ablehnung eines in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens einen Verfahrensfehler wegen der Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) darstellt.

Tenor:

Der Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren wird abgelehnt.

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Einzelrichter der 7. Kammer - vom 21. November 2017 wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses ihre Klage auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise auf Zuerkennung subsidiären Schutzes und weiter hilfsweise auf Feststellung von Abschiebungsverboten abgewiesen hat, ist unbegründet.

Die von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG (1.) und eines Verfahrensfehlers nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO (2.) liegen nicht vor bzw. sind nicht hinreichend dargelegt.

1. Die Berufung kann nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zugelassen werden.

Eine Rechtssache ist nur dann im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG grundsätzlich bedeutsam, wenn sie eine höchstrichterlich oder obergerichtlich bislang noch nicht beantwortete Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die im Rechtsmittelverfahren entscheidungserheblich ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf (vgl. Berlit, in: GK-AsylG, Stand: November 2018, § 78, Rn. 88 ff.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: November 2018, § 78 AsylG, Rn. 21 ff., jeweils m.w.N.). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist nur dann im Sinne des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dargelegt, wenn eine derartige Frage konkret bezeichnet und darüber hinaus erläutert worden ist, warum sie im angestrebten Berufungsverfahren klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren. Des Weiteren muss substantiiert dargetan werden, warum die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren anders als im angefochtenen Urteil zu entscheiden sein könnte und - im Falle einer Tatsachenfrage - welche neueren Erkenntnismittel eine anderslautende Entscheidung nahelegen (Berlit, in: GK-AsylG, a.a.O., § 78, Rn. 91 ff., m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen der Kläger nicht.

Die Kläger halten die Fragen für klärungsbedürftig,

„ob der georgische Staat willens und in der Lage ist, wirksam und nicht nur vorübergehend, Frauen und Kindern Schutz vor der Verfolgung durch yezidische Verwandte wegen einem Glaubenswechsel vom Yezidentum zu der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas zu bieten“ und

„ob angesichts der Stärke der yezidischen Volksgruppe und ihres Vernetzungsgrades in Georgien bei einer drohenden Gefahr der Verfolgung von Yeziden und vormaligen Angehörigen der yezidischen Religionsgemeinschaft in Form von körperlicher Gewalt und Ehrenmord durch yezidische Verwandte als nichtstaatliche Akteure nicht von einer Schutzfähigkeit des georgischen Staates ausgegangen werden kann.“

Diese Fragen sind nicht grundsätzlich klärungsbedürftig.

Die Fragen sind ersichtlich auf den Einzelfall der Kläger und ihrer Schwiegermutter bzw. Oma (= Klägerin des Verfahrens 7 A 4691/17; den gegen das im Verfahren 7 A 4691/17 nach gemeinsamer Verhandlung mit dem vorliegenden Verfahren ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts vom 21. November 2017 gestellten Zulassungsantrag - 11 LA 13/18 - hat der Senat mit Beschluss vom heutigen Tag abgelehnt)zugeschnitten. Ihre Beantwortung ist zudem von einer Vielzahl von Einzelumständen und Faktoren abhängig, die sich nicht für eine Vielzahl von Fällen verallgemeinern lassen. Es ist auch weder konkret vorgetragen nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Beantwortung dieser Fragen über den konkreten Einzelfall der Kläger und ihrer Schwiegermutter/Oma hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern.

Unabhängig davon haben die Kläger auch nicht hinreichend dargelegt, warum eine Neubewertung der vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen erforderlich ist.

Das Verwaltungsgericht ist unter Auswertung von zahlreichen im Einzelnen benannten Erkenntnismitteln zu der Auffassung gelangt, dass in Georgien ein genereller Schutz vor Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure durch staatliche oder staatsähnliche Stellen gewährleistet ist. Zwar habe es vereinzelt Berichte gegeben, dass es zu Angriffen auf religiöse Minderheiten, u.a. Zeugen Jehovas, gekommen sei. Bei diesen Übergriffen habe es sich aber um wenige Einzelfälle gehandelt, die durch staatliche Behörden untersucht worden seien. Es könne daher nicht davon gesprochen werden, dass georgische Sicherheitsbehörden bei nichtstaatlichen Übergriffen tatenlos blieben. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der von den Klägern angeführten Erkenntnismittel sowie der Urteile des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen (Urt. v. 19.5.2015 - 6 a K 2710/14.A - juris, Rn. 31 ff.) und des Verwaltungsgerichts Aachen (Urt. v. 21.2.2013 - 8 K 738/10.A - juris). Es sei auch kein Fall ersichtlich, in dem gerade Übergriffe der Yeziden gegen frühere Angehörige ihrer Religionsgemeinschaft stattgefunden hätten und der Staat diesen gegenüber nicht schutzfähig gewesen sei. Nichts anderes gelte, wenn die Übergriffe - wie von den Klägern vorgetragen - im häuslichen Umfeld erfolgten. Zwar würden Fälle häuslicher Gewalt in Georgien noch als private Angelegenheit und in der Regel nicht als öffentliches Problem angesehen. Allerdings sei die Zahl der tatsächlich durch die Behörden verfolgten Fälle seit 2016 gestiegen. Im Jahre 2016 sei in 1380 Fällen eine Strafverfolgung aufgenommen worden. Häusliche Gewalt sei 2012 auch als gesonderter Straftatbestand eingeführt worden. Nach Angaben des georgischen Innenministeriums bilde der Kampf gegen häusliche Gewalt inzwischen einen wichtigen Teil der Polizeiausbildung. Die Klägerin zu 1) habe zudem angegeben, sich lediglich einmal an einen Polizisten gewandt zu haben. Dieser habe zwar in rechtlich unzulässiger Weise ihre Religion kritisiert, aber andererseits immerhin bewirkt, dass der Schwager der Schwiegermutter das Haus verlassen habe, und somit weitere Übergriffe zunächst unterbunden. Weitere Versuche, staatlichen Schutz zu erlangen, habe die Klägerin zu 1) insbesondere auch dann nicht unternommen, als ihr vom Bruder ihrer Schwiegermutter angedroht worden sei, den Kläger zu 2) wegzunehmen.

Mit dem Zulassungsantrag wird nicht aufgezeigt, warum diese mit zahlreichen Erkenntnisquellen untermauerte Ansicht des Verwaltungsgerichts einer Neubewertung bedarf. Die von den Klägern angeführten Erkenntnismittel (Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien vom 10.11.2016; Länderinformationsblatt Georgien des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (BFA) vom 22.3.2017; International Religious Freedom Report Georgia 2016 des United States Department of State) rechtfertigen keine andere Beurteilung. Zum einen sind diese Erkenntnismittel vom Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung bereits ausdrücklich herangezogen und ausgewertet worden. Soweit sich die Kläger mit ihrem Vortrag im Zulassungsverfahren gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Bewertung wenden, lässt sich damit die grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit der von ihnen aufgeworfenen Fragen nicht darlegen. Zum anderen ergibt sich auch aus den von den Klägern (erneut) im Zulassungsverfahren angeführten Erkenntnismitteln nicht, dass der georgische Staat nicht willens und in der Lage ist, Angehörigen der Zeugen Jehovas wirksamen Schutz vor der Verfolgung durch yezidische Verwandte zu gewähren. Entsprechendes gilt für das von den Klägern angeführte Thema der häuslichen Gewalt. Auch diesbezüglich hat das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung die von den Klägern im Zulassungsverfahren angeführten Erkenntnismittel (Lagebericht des Auswärtigen Amtes, a.a.O.; Länderinformationsblatt Georgien des BFA, a.a.O.; Report „Georgien 2015“ von Amnesty International vom 4.5.2015) bereits berücksichtigt und bewertet. Auch aus diesen Erkenntnismitteln ergibt sich nicht, dass der georgische Staat nicht willens und in der Lage wäre, wirksamen Schutz vor Übergriffen im häuslichen Umfeld zu gewähren.

Die vom Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Bewertung wird zudem durch die im neuesten Lagebericht des Auswärtigen Amtes enthaltenen Angaben bestätigt. Danach ist Gewalt gegen Frauen in Georgien zwar weiterhin ein ernstes Problem und zählt derzeit zu den wichtigsten Menschenrechtsthemen der Regierung. Die Bereitschaft, dagegen Maßnahmen zu ergreifen, nimmt jedoch weiterhin zu. Die Regierung bereitet einige Gesetzesänderungen vor, um das am 1. September 2017 in Georgien in Kraft getretene Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) von 2011 umzusetzen (Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien, Stand: Juli 2018, S. 9 f.).

Soweit sich die Kläger im Zulassungsverfahren auf Urteile des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen (Urt. v. 19.5.2015 - 6 a K 2710/14.A - juris, Rn. 31 ff.) und des Verwaltungsgerichts Aachen (Urt. v. 21.2.2013 - 8 K 738/10.A - juris) berufen, können sie damit die grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit der von ihnen aufgeworfenen Fragen ebenfalls nicht darlegen. In Bezug auf diese von den Klägern auch erstinstanzlich bereits angeführten Urteile hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass sich auch aus diesen Entscheidungen nicht ergebe, dass Übergriffe von Yeziden gegen frühere Angehörige ihrer Religionsgemeinschaft stattgefunden hätten und der Staat diesen gegenüber nicht schutzfähig gewesen sei. Vielmehr hätten das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen und das Verwaltungsgericht Aachen die Verfolgungsgefahr der dortigen Kläger lediglich allgemein aus der besonderen Religiosität der Yeziden und deren Verbot eines Glaubenswechsels abgeleitet. Diesen erstinstanzlichen Ausführungen sind die Kläger im Zulassungsverfahren nicht entgegengetreten. Unabhängig davon ergibt sich aus den von den Klägern im Zulassungsverfahren selbst zitierten Ausführungen der Verwaltungsgerichte Gelsenkirchen und Aachen, dass es sich dabei jeweils um besondere Einzelfälle handelte, in denen u.a. die Vernetzung der potenziellen Verfolger in das kriminelle Milieu ausschlaggebend dafür war, dass die benannten Gerichte die Schutzfähigkeit des georgischen Staates verneint haben. Dass der Schwager oder der Bruder der Schwiegermutter der Klägerin zu 1), von denen die Kläger eine (erneute) Verfolgung befürchten, in das kriminelle Milieu verstrickt wären, haben die Kläger jedoch zu keinem Zeitpunkt vorgetragen. In dem vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen im Mai 2015 entschiedenen Fall ging es zudem nicht um einen Glaubenswechsel zu den Zeugen Jehovas, sondern um einen Wechsel zum christlich-orthodoxen Glauben (Urt. v. 19.5.2015 - 6 a K 2710/14.A - juris, Rn. 3). Demgegenüber hat dieselbe Kammer des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen in einem nur wenige Monate später entschiedenen Fall, in dem die Kläger Angehörige der Zeugen Jehovas waren, ausgeführt, dass nicht festzustellen sei, dass der georgische Staat nicht in der Lage wäre, die Kläger vor gewaltsamen Übergriffen ihrer Familie oder des yezidischen Umfeldes zu schützen (VG Gelsenkirchen, Urt. v. 26.8.2015 - 6 a K 3957/14.A -, juris, Rn. 28 ff.).

2. Die Kläger haben auch nicht hinreichend dargelegt, dass der von ihnen geltend gemachte Berufungszulassungsgrund eines Verfahrensfehlers wegen der Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) vorliegt.

a) Soweit sich die Kläger in diesem Zusammenhang darauf berufen, dass das Verwaltungsgericht ihren in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt habe, lässt sich damit ein Gehörsverstoß nicht begründen.

Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisantrages kann zwar einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) darstellen; dies ist aber nur der Fall, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 8.4.2004 - 2 BvR 743/03 -, juris; BVerwG, Beschl. v. 12.3.2004 - 6 B 2/04 -, juris, jeweils m.w.N.). Ob dies bereits bei jeder sachlich unrichtigen Ablehnung eines Beweisantrages zu bejahen ist, oder zusätzlich voraussetzt, dass aus den konkret angegebenen Gründen ein Beweisantrag schlechthin nicht hätte abgelehnt werden dürfen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 16.12.2004 - 8 LA 262/04 -, juris, Rn. 4), kann hier offen bleiben. Denn der vom Verwaltungsgericht genannte Ablehnungsgrund findet im Prozessrecht eine Stütze und ist auch sachlich richtig.

Vorliegend hat das Verwaltungsgericht den von den Klägern in der mündlichen Verhandlung am 21. November 2017 gestellten Beweisantrag,

„zum Beweis der Tatsache, dass der georgische Staat nicht in der Lage ist, die Kläger vor Übergriffen durch die yezidischen Verwandten wegen des Glaubenswechsels vom Yezidentum zur Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas zu schützen, ein Sachverständigengutachten durch Amnesty International und der Gesellschaft für bedrohte Völker und die Schweizerische Flüchtlingshilfe einzuholen“,

durch Beschluss vom 21. November 2017 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beweisantrag in entsprechender Anwendung der §§ 98 VwGO, 412 ZPO abzulehnen sei. Es seien ausreichende Erkenntnismittel vorhanden, aus denen sich Rückschlüsse auf die Schutzbereitschaft und -fähigkeit des georgischen Staates hinsichtlich Angehöriger der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas auch in Bezug auf Übergriffe von Angehörigen der yezidischen Gemeinschaft ergäben. Insoweit werde auf die in den Beschlüssen vom 11. Oktober 2017 angeführten Erkenntnismittel verwiesen. Mit Beschlüssen vom 11. Oktober 2017 hatte das Verwaltungsgericht den Antrag der Kläger und ihrer Schwiegermutter/Oma auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und dabei zur Begründung u.a. auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10. November 2016, S. 6 und 8, das Länderinformationsblatt Georgien, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Stand vom 22. März 2017, S. 40, und den International Religious Freedom Report Georgia 2016 des United States Department of State verwiesen.

Die so begründete Ablehnung des von den Klägern gestellten Beweisantrages ist nicht zu beanstanden. Nach § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO kann die Anhörung eines weiteren Sachverständigen auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist. Entsprechendes gilt im Asylprozess, wenn aus der maßgeblichen Sicht des Verwaltungsgerichts bereits ausreichende Erkenntnismittel vorliegen (vgl. Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 78 AsylG, Rn. 30). Nach § 98 VwGO i.V.m. §§ 404, 412 ZPO liegt es im Ermessen des Tatsachengerichts, die Art und die Anzahl der einzuholenden Gutachten selbst zu bestimmen (BVerwG, Beschl. v. 18.8.1995 - 1 B 55/95 -, juris, Rn. 5). Die in § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO normierte Amtsermittlungspflicht geht nur so weit, wie die Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts für die Entscheidung des Rechtsstreits nach der Rechtsauffassung des Gerichts - nicht etwa nach der Rechtsauffassung der Beteiligten - erforderlich ist. Als Verfahrensmangel kann insoweit nur gerügt werden, dass der Tatrichter seiner Ermittlungspflicht nicht nachgekommen sei, insbesondere die Grenzen seines Ermessens nicht beachtet habe. Liegt bereits ein Gutachten oder eine amtliche Auskunft vor, ist der Verzicht auf die Einholung weiterer Gutachten oder Auskünfte nur dann verfahrensfehlerhaft, wenn sich dem Tatsachengericht die Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen. Dies ist dann der Fall, wenn das Tatsachengericht zu der Überzeugung gelangen muss, dass die Grundvoraussetzungen nicht gegeben sind, die für die Verwertbarkeit vorliegender Beweisergebnisse im allgemeinen oder nach den besonderen Verhältnissen des konkreten Falles gegeben sein müssen, etwa weil diese erkennbare Mängel enthalten, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen, unlösbare Widersprüche aufweisen, sich aus ihnen Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit der Ersteller des Gutachters bzw. der Auskunft ergeben, oder wenn die Ersteller nicht über das erforderliche Fachwissen verfügen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.8.1995 - 1 B 55/95 -, juris, Rn. 5; Seeger, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand: 1.11.2018, AsylG, § 78, Rn. 33).

Ausgehend von diesen Maßstäben hat das Verwaltungsgericht sein ihm hinsichtlich der Art und der Anzahl einzuholender Gutachten zustehendes Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Anhaltspunkte dafür, dass sich dem Verwaltungsgericht die Notwendigkeit der von den Klägern beantragten Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen, sind weder konkret vorgetragen noch für den Senat ersichtlich. Insbesondere ist weder vorgebracht noch erkennbar, dass die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Erkenntnismittel Mängel enthalten, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen, unlösbare Widersprüche aufweisen oder auf nicht ausreichendem Fachwissen basieren. Soweit die Kläger zur Begründung ihres Beweisantrages vorgetragen haben, dass die Beweistatsache deshalb noch nicht erwiesen sei, weil in den herangezogenen Erkenntnismitteln nur allgemein festgestellt werde, dass der georgische Staat bemüht sei, die Religionsausübung zu gewährleisten, ohne dass sie zur Bewertung des konkreten Klägervorbringens eine hinreichend zuverlässige Aussage enthielten, setzen sie ihre eigene Bewertung an die Stelle des Verwaltungsgerichts. Entsprechendes gilt für ihre Ausführungen im Zulassungsverfahren, wonach die vorliegenden Erkenntnismittel ungenügend seien. Zur Beantwortung der Frage, ob vorhandene Erkenntnismittel ausreichen oder ob weitere Gutachten eingeholt werden müssen, kommt es jedoch - wie ausgeführt - maßgeblich auf die Rechtsauffassung des Gerichts und nicht auf die Ansicht der Kläger an.

b) Der weitere Vortrag der Kläger, es liege eine Überraschungsentscheidung vor, weil das Verwaltungsgericht sich auf eine nicht veröffentlichte Entscheidung der Kammer bezogen habe, vermag einen Gehörsverstoß ebenfalls nicht zu begründen.

Eine zur Verletzung rechtlichen Gehörs führende Überraschungsentscheidung kann vorliegen, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (Beschl. v. 24.4.2013 - 5 B 74/12 -, juris, Rn. 11, m.w.N.). Der Asylsuchende ist bei den in seine eigene Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, aufgrund seiner Mitwirkungspflicht gehalten, eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, Urt. v. 8.5.1984 - 4 C 20/83 -, NJW 1983, 140, juris, Rn. 11). Das Verwaltungsgericht ist zur Wahrung rechtlichen Gehörs grundsätzlich nicht verpflichtet, auf etwaige Unstimmigkeiten oder Widersprüche im Vorbringen des Asylsuchenden hinzuweisen. Vielmehr hat dieser solche Mängel in seinem Vorbringen von sich aus auszuräumen (Berlit, in: GK-AsylG, a.a.O., § 78, Rn. 280, m.w.N.). Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht nicht dazu, bereits in der mündlichen Verhandlung das mögliche oder voraussichtliche Ergebnis der Sachverhalts- oder Beweiswürdigung zu offenbaren. Das rechtliche Gehör kann durch eine Überraschungsentscheidung aber dann verletzt sein, wenn das Gericht in der mündlichen Verhandlung den Eindruck erweckt, der Asylsuchende habe Bedenken hinsichtlich der Glaubhaftigkeit seines Vorbringens hinreichend aufgelöst, und diesen dadurch von weiterem entscheidungserheblichen Vortrag abgehalten hat (Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 22.7.1997 - 12 L 3535/97-, juris, Rn. 5; Berlit, in: GK-AsylG, a.a.O., § 78, Rn. 288). Die ordnungsgemäße Begründung einer Gehörsrüge erfordert neben Ausführungen zu den Umständen, aus denen sich das Vorliegen einer Gehörsversagung ergibt, auch die Darlegung, was bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen worden wäre. Nur auf der Grundlage eines solchen Vortrages kann geprüft und entschieden werden, ob auszuschließen ist, dass die Gewährung rechtlichen Gehörs zu einer anderen, den Beteiligten günstigeren Entscheidung geführt hätte (BVerfG, Beschl. v. 13.3.1993 - 2 BvR 1988/92 -, juris, Rn. 34; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 11.7.2017 - 13 A 1502/17.A -, juris, Rn. 14).

Daran gemessen haben die Kläger einen Verfahrensfehler nicht hinreichend dargelegt. Die von den Klägern kritisierte Bezugnahme des Verwaltungsgerichts auf die „Rechtsprechung der Kammer (Urteil des Einzelrichters vom 6. Oktober 2017 - 7 A 1636/17 - )“ zu Übergriffen im häuslichen Umfeld macht die angefochtene Entscheidung nicht zu einer Überraschungsentscheidung. Durch diese Ausführungen hat das Verwaltungsgericht dem Rechtsstreit keine Wendung gegeben, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten. Vielmehr war die Frage, wie die von den Klägern vorgetragenen bzw. im Falle einer Rückkehr erneut befürchteten Angriffe im häuslichen Umfeld in Georgien rechtlich zu bewerten sind, offenkundig bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens und ist ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 21. November 2017 auch in dieser Sitzung thematisiert worden (siehe dazu auch den von den Klägern in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag sowie obige Ausführungen dazu). Eine rechtliche Verpflichtung des Gerichts, bereits in der mündlichen Verhandlung das mögliche oder voraussichtliche Ergebnis der Sachverhalts- oder Beweiswürdigung zu offenbaren, besteht - wie ausgeführt - nicht. Im Übrigen haben die Kläger auch nicht dargelegt, was sie bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätten. Ohne konkrete Darlegung des durch die Gehörsverletzung abgeschnittenen Sachverhalts kann daher nicht festgestellt werden, dass das Urteil auf dem Gehörsverstoß beruht.

c) Entsprechendes gilt für die Einwände der Kläger, das Verwaltungsgericht habe wesentliche Teile ihres Vorbringens im Urteil nicht berücksichtigt und die gebotene Gesamtwürdigung nicht vorgenommen.

Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet das Gericht, das (entscheidungserhebliche) tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist dabei aber nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich auseinanderzusetzen. Nur wenn sich aus den besonderen Umständen des Falles deutlich ergibt, dass ein Gericht seiner Pflicht zur Kenntnisnahme und Erwägung entscheidungserheblichen Tatsachenstoffs nicht nachgekommen ist, kann ein Gehörsverstoß gegeben sein (BVerfG, Beschl. v. 26.11.2008 - 1 BvR 670/08 -, NJW 2009, 1584, juris,
Rn. 14).

Vorliegend hat das Verwaltungsgericht die Klägerin zu 1) und ihre Schwiegermutter ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 21. November 2017 in der mündlichen Verhandlung angehört und umfassend zu den Umständen befragt, die sie zur Ausreise bewogen haben. Die Klägerin zu 1) hatte dabei ausreichend Gelegenheit, zu ihrem Verfolgungsschicksal und ihr bei einer Rückkehr nach Georgien drohenden Gefahren vorzutragen. Dass das Verwaltungsgericht ihr Vorbringen zur Kenntnis genommen und erwogen hat, ergibt sich aus dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils.

Hinsichtlich des Einwands der Kläger, das Verwaltungsgericht habe ihren Vortrag, dass selbst in der Bundesrepublik sog. Ehrenmorde innerhalb der yezidischen Gemeinschaft nicht verhindert werden könnten, übergangen, sind sie darauf zu verweisen, dass das Gericht nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich auseinanderzusetzen. Dies gilt erst recht, wenn das Vorbringen - wie vorliegend die Frage, ob sog. Ehrenmorde innerhalb der yezidischen Gemeinschaft in der Bundesrepublik verhindert werden können - weder aus der maßgeblichen Sicht des Verwaltungsgerichts noch objektiv für die rechtliche Bewertung des Falles entscheidungserheblich ist.

d) Soweit sich die Kläger mit ihrer Zulassungsbegründung (auch) gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Bewertung wenden und dabei u.a. kritisieren, das Verwaltungsgericht habe die gebotene Gesamtwürdigung unterlassen, können sie damit einen Gehörsverstoß nicht darlegen. Denn der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist nicht verletzt, wenn das Gericht dem zur Kenntnis genommenen und in Erwägung gezogenen Vorbringen nicht folgt, sondern aus Gründen des materiellen Rechts oder des Prozessrechts zu einem anderen Ergebnis gelangt als der Beteiligte es für richtig hält. Insbesondere sind (angebliche) Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen. Mit Angriffen gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Urteils kann ein Verfahrensmangel im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG daher grundsätzlich - so auch hier - nicht geltend gemacht werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 2.11.1995 - 9 B 710/94 -, NVwZ-RR 1996, 359, juris, Rn. 5).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83 b AsylG und §§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).