Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 01.04.2019, Az.: 1 LA 59/18
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 01.04.2019
- Aktenzeichen
- 1 LA 59/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2019, 70071
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 27.02.2018 - AZ: 4 A 6847/13
Rechtsgrundlagen
- 11 Abs 1 NVwKostG
- 11 Abs 2 S 2 NVwKostG
- 68 Abs 1 S 2 Nr 2 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Für die Anfechtung des Kostenfestsetzungsbescheides für ein Widerspruchsverfahren bedarf es eines Vorverfahrens.
Fehlerhafte Beratung im Vorfeld der Bauantragstellung ist keine unrichtige Sachbehandlung i.S.d. § 11 Abs. 1 NVwKostG; "Sache" in diesem Sinne ist erst der - gestellte - Bauantrag.
Tenor:
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 4. Kammer - vom 27. Februar 2018 wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 53.810,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin, eine Projektentwicklungsgesellschaft, wendet sich gegen mehrere nach Ablehnung eines von ihr gestellten Bauantrages vom Beklagten erlassene Kostenentscheidungen in einer Kostenhöhe von insgesamt 53.810,00 EUR, konkret gegen eine Kostenlastentscheidung in dem den Bauantrag ablehnenden Bescheid, einen die Kosten für die Bescheidung des Bauantrages auf 21.524,00 EUR festsetzenden Bescheid, eine nach Erhebung des Widerspruches gegen die beiden vorgenannten Bescheide in dem entsprechenden Widerspruchsbescheid enthaltene Kostenlastentscheidung sowie einen die Kosten des Widerspruchsverfahrens auf 32.286,00 EUR festsetzenden Bescheid.
Sie führte mit der Beigeladenen unter teilweiser Beteiligung des Beklagten Verhandlungen über die Errichtung eines Ferienparks im Gemeindegebiet der Beigeladenen. Am 18. August 2009 stellte sie bei dem Beklagten einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für einen solchen Ferienpark. Nach ihrer – bestrittenen – Darstellung drängten die Beigeladene und der Beklagte sie dazu, den Bauantrag zu stellen.
Mit Schreiben vom 4. Juli 2012 teilte der Beklagte der Klägerin unter anderem mit, das Bauvorhaben sei „aus den Ihnen bekannten Gründen“ nicht genehmigungsfähig und es bestehe die Möglichkeit, den Antrag zurückzuziehen, wozu er die Klägerin anhörte. Eine Stellungnahme der Klägerin blieb aus.
Mit weiterem Schreiben vom 13. Februar 2013 stellte der Beklagte der Klägerin in Aussicht, dass er den Antrag ablehnen werde. Das Bauvorhaben sei bauplanungsrechtlich unzulässig. Es liege zwar im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. E. „Erweiterung F.“ der Beigeladenen; dieser Bebauungsplan sei aufgrund eines Ausfertigungsmangels allerdings unwirksam und die bauplanungsrechtliche Situation daher nach § 35 BauGB zu beurteilen. Nochmals wurde auf die Möglichkeit der Rücknahme des Antrages hingewiesen.
Nachdem die Klägerin erneut nicht Stellung genommen hatte, lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 6. Mai 2013 ab und stellte fest, dass sie die Kosten des Verfahrens zu tragen habe. Mit Bescheid vom gleichen Tag, auf dessen Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 43-46 BA 002), setzte der Beklagte gegen die Klägerin Kosten in Höhe von 21.524,00 EUR für die Bescheidung des Bauantrages fest. Hierbei legte er einen Rohbauwert von 10.011.000,00 EUR und eine Gebühr von 4,30 EUR je angefangene 500,- EUR Rohbauwert zugrunde. Die so ermittelte Gebühr von 86.094,00 EUR reduzierte er mit Blick auf die Ablehnung des Antrages um 75 % auf den festgesetzten Betrag.
Den gegen beide Bescheide erhobenen und von der Klägerin nicht begründeten Widerspruch wies der Beklagte unter dem 15. Oktober 2013 ab und stellte fest, dass die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen habe. Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom gleichen Tag, auf dessen Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 24-26 BA 001), setzte der Beklagte die Kosten des Widerspruchsverfahrens in Höhe von 32.286,00 EUR – das Eineinhalbfache des Kostenfestsetzungsbescheides vom 6. Mai 2013 – gegen die Klägerin fest. Ausweislich der Rechtsbehelfsbelehrung war gegen diesen Bescheid Widerspruch zu erheben. Widerspruchs- und Kostenfestsetzungsbescheid wurden der Klägerin am 30. Oktober 2013 zugestellt.
Am 29. November 2013 hat die Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid sowie den Kostenfestsetzungsbescheid vom 6. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2013 sowie den Kostenfestsetzungsbescheid vom 15. Oktober 2013 Klage erhoben. Mit Schriftsatz vom 19. August 2016 hat sie die Klage zurückgenommen, soweit diese sich gegen die ablehnende Sachentscheidung im Bescheid vom 6. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides bezieht. Mit dem angegriffenen Urteil, auf dessen Einzelheiten verwiesen wird, hat das Verwaltungsgericht das Verfahren im Umfang der Klagerücknahme eingestellt und die Klage im Übrigen mit im Wesentlichen folgender Begründung abgewiesen: Soweit die Klägerin den Kostenfestsetzungsbescheid vom 15. Oktober 2013 unmittelbar angefochten habe, bestünden Zweifel hinsichtlich der Zulässigkeit. Es habe der vorherigen Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bedurft. Die Klage sei insgesamt unbegründet. Die angegriffenen Kostengrund- und Kostenfestsetzungsentscheidungen seien rechtmäßig. Entgegen der Auffassung der Klägerin habe eine unrichtige Behandlung der Sache im Sinne von § 11 Abs. 1 NVwKostG nicht vorgelegen. Eine Unrichtigkeit in diesem Sinne sei eine „Ergebnis-Rechtswidrigkeit“, nicht eine „Handlungs-Rechtswidrigkeit“. Das Ergebnis der Behandlung der Sache durch den Beklagten – die Ablehnung des Bauantrages mit Bescheid vom 6. Mai 2013 – sei nicht zu beanstanden. Auf ein etwaiges Fehlverhalten des Beklagten im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens komme es aus diesem Grunde nicht entscheidungserheblich an. Hinzu komme, dass die Klägerin sich auf eine etwaige Unrichtigkeit der Sachbehandlung auch deshalb nicht berufen könne, weil die vermeintlich unrichtige Sachentscheidung – der Ablehnungsbescheid vom 6. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2013 – mit der Klagerücknahme bestandskräftig geworden sei und die Bestandskraft dem Geltendmachen einer etwaigen Unrichtigkeit im Interesse der Rechtssicherheit entgegenstehe. Ein Absehen von der Kostenerhebung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 NVwKostG komme nicht in Betracht; ein solcher Anspruch müsse in einem gesonderten Verfahren geltend gemacht werden, was nicht geschehen sei. Die Kostenfestsetzungsbescheide seien im Ergebnis rechtsfehlerfrei.
II.
Der dagegen gerichtete, auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn es dem Rechtsmittelführer gelingt, wenigstens einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung mit plausiblen Gegenargumenten derart in Frage zu stellen, dass sich hierdurch etwas am Entscheidungsergebnis ändern könnte. Überwiegende Erfolgsaussichten sind nicht erforderlich, es genügt, wenn diese offen sind.
Diese Voraussetzungen hat die Klägerin nicht dargelegt oder liegen nicht vor.
1. Soweit die Klägerin sich gegen den Kostenfestsetzungsbescheid vom 15. Oktober 2013 wendet, ist ihre Klage mangels Durchführung des nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderlichen Vorverfahrens unzulässig. Die – wenn auch nicht tragenden („Zweifel im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage“, S. 8 UA) – Erwägungen des Verwaltungsgerichts hierzu treffen zu.
Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt ein Fall des § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO nicht vor. Widerspruchsbescheid im Sinne der Vorschrift ist der Widerspruchsbescheid gemäß § 73 VwGO, der neben der Sachentscheidung über den Widerspruch auch eine Kostengrundentscheidung zu enthalten hat (§ 73 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die hier in Rede stehende Entscheidung über die Kostenhöhe – der Kostenfestsetzungsbescheid – ist indes nicht Teil des Widerspruchsbescheides im Sinne des § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 3.2.1984 - 3 B 1037/83 -, KStZ 1984, 217; VG Schwerin, Gerichtsb. v. 14.10.1997 - 1 A 482/96 -, KStZ 1998, 29; VG Saarlouis, Beschl. v. 14.12.1994 - 11 F 119/94 -, NVwZ-RR 1995, 365 [VGH Bayern 14.04.1994 - 23 CZ 94.215]; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 68, Rn. 26; Emrich, NVwZ 2000, 163, 164 f.; Eschenbach/Koch, KStZ 1998, 21; wohl ebenso: BVerwG, Urt. v. 18.4.1988 - 6 C 41.85 -, juris, Rn. 26).
Anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Klägerin zitierten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts: Gegenstand des Urteils vom 12. August 2014 (- 1 C 2.14 -, juris) war kein Kostenfestsetzungsbescheid, sondern eine Kostengrundentscheidung. Für den Fall, dass gegen eine im Widerspruchsbescheid getroffene Kostengrundentscheidung (erneut) Widerspruch zu erheben sein sollte, mag hierin in der Tat die Gefahr einer einer endgültigen Entscheidung in der Sache entgegenstehenden „Endlosschleife“ (BVerwG, a.a.O., Rn. 14) liegen. Das Erfordernis eines Widerspruches gegen einen Kostenfestsetzungsbescheid hindert eine Entscheidung in der (eigentlichen) Sache dagegen nicht. In dem außerdem von der Klägerin zitierten Urteil vom 24. Oktober 1973 (- VI C 139.73 -, juris) hatte das Bundesverwaltungsgericht sich mit der in eigenem Namen erhobenen Klage des Bevollmächtigten eines Kriegsdienstverweigerers auseinanderzusetzen, dem von der zuständigen Behörde das Auftreten als Bevollmächtigter untersagt worden war. Das Bundesverwaltungsgericht hielt die Durchführung eines Vorverfahrens nicht für erforderlich, da diese eine Entscheidung in der eigentlichen Frage – ob nämlich der Auftraggeber des Bevollmächtigten Wehrdienst zu leisten habe – hemmen würde. Ein vergleichbares Hemmnis entfaltet das Erfordernis eines Vorverfahrens hinsichtlich einer Kostenfestsetzung im Widerspruchsverfahren im Hinblick auf die Sachentscheidung nicht; die Sachentscheidung kann ohne Rücksicht auf die Kostenfestsetzung getroffen werden.
Nicht von der Hand zu weisen ist zwar, dass die Erforderlichkeit eines Widerspruches gegen einen Kostenfestsetzungsbescheid im Widerspruchsverfahren das Risiko eines Ausuferns mit sich bringt: Nach einem erfolglosen Widerspruch gegen die Kostenfestsetzung in einem Widerspruchsverfahren folgt eine weitere Kostenfestsetzung, die ihrerseits mit dem Widerspruch angegriffen werden kann. Zumindest theoretisch wäre insoweit jedenfalls eine – wie ausgeführt eine Entscheidung in der Hauptsache allerdings nicht hemmende – „Endlosschleife“ möglich (das VG Gießen, Urt. v. 28.2.2001 - 10 E 37/01 -, juris, Rn. 37 spricht sehr prononciert von einer „Lizenz zum Gelddrucken“ für die Widerspruchsbehörde). Die sich vor diesem Hintergrund aufdrängende Erkenntnis, es könne zumindest aus Gründen der Prozessökonomie durchaus von Vorteil sein, hinsichtlich der Kostenfestsetzung im Widerspruchsverfahren vom Erfordernis eines Vorverfahrens (ausnahmsweise) abzusehen, belegt allerdings nicht, dass insoweit eine Ausnahme vom Grundsatz des § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch tatsächlich besteht.
Nicht möglich ist das Schaffen einer solchen Ausnahme im Wege einer analogen Anwendung des § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO (so aber VG Saarlouis, a.a.O.). Grund ist, dass es an der für eine Analogie erforderlichen Regelungslücke fehlt. Dem Gesetzgeber ist in § 68 Abs. 1 Satz 2, 1. Hs. VwGO die Möglichkeit eröffnet, weitere Ausnahmen vom Erfordernis eines Vorverfahrens zu normieren. Für die in Rede stehende Problematik existieren Bestimmungen, von denen überwiegend angenommen wird, sie stellten eine Ausnahme im Sinne des § 68 Abs. 1 Satz 2, 1. Hs. VwGO dar (vgl. Sächs. OVG, Urt. v. 14.6.2017 - 5 A 406/13 -, juris, Rn. 35; VG Schwerin, a.a.O.; Eschenbach/Koch, a.a.O.; a.A. offenbar Emrich, a.a.O., 164 mit Blick auf OVG NRW, Beschl. v. 3.2.1984 - 3 B 1037/83 -, KStZ 1984, 217): § 20 Abs. 1 BGebG regelt, dass die Gebührenfestsetzung zusammen mit der Sachentscheidung oder selbstständig angefochten werden kann (Satz 1) und der Rechtsbehelf gegen die Sachentscheidung sich auf die Gebührenfestsetzung erstreckt (Satz 2). Entsprechende Regelungen finden sich in den Kostengesetzen der Mehrzahl der Bundesländer. Ob diese Bestimmungen tatsächlich als Ausnahmen im Sinne des § 68 Abs. 1 Satz 2, 1. Hs. VwGO einzustufen sind, kann allerdings dahinstehen: Dem hier maßgeblichen NVwKostG fehlt eine entsprechende Regelung. Die vermeintliche Regelungslücke wird vom niedersächsischen Gesetzgeber – mit Blick auf die genannten Regelungen auf Bundesebene und in anderen Bundesländern offenbar sehenden Auges – in Kauf genommen. Weitere Ansätze für eine Ausnahme vom Grundsatz des § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO bestehen nicht.
2. Hinsichtlich der Einschätzung des Verwaltungsgerichts, ein Erlass von Kosten gemäß § 11 Abs. 1 NVwKostG komme nicht in Betracht, legt die Klägerin ernstliche Zweifel nicht dar.
a. Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des angegriffenen Urteils vermag die gesamte Zulassungsantragsbegründung der Klägerin zu § 11 Abs. 1 NVwKostG deshalb nicht zu wecken, weil sie irrig davon ausgeht, das vermeintliche Drängen des Beklagten zur Antragstellung könne eine unrichtige Sachbehandlung darstellen; damit liegt ihr ein zu weitgehendes Verständnis des Begriffes der „Sache“ im Sinne der Vorschrift zugrunde.
Das NVwKostG verwendet den Begriff einzig in § 11 Abs. 1 und definiert ihn nicht. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wurden keine Erwägungen angestellt, was unter der „Sache“ zu verstehen sei (LT-Drs. 4/222, S. 1078). Eine Auslegung der Vorschrift ergibt jedoch unzweideutig, dass „Sache“ allein der zur kostenpflichtigen Amtshandlung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 NVwKostG Anlass gebende Umstand sein kann. § 11 Abs. 1 NVwKostG spricht von „Kosten, die dadurch entstanden sind, dass die Behörde die Sache unrichtig behandelt hat“ (Hervorhebung durch den Senat). Die Verwendung des bestimmten Artikels bringt zum Ausdruck, dass „die Sache“ bereits Gegenstand der vorhergehenden Regelungen gewesen sein muss. Diese befassen sich allerdings ausschließlich mit den Voraussetzungen des Entstehens und dem Inhalt der Kostenschuld. Ausgangs- und Anknüpfungspunkt des gesamten Regelwerks des NVwKostG ist der zur kostenpflichtigen Amtshandlung Anlass gebende Umstand; mit der Frage, was Ursache dieses Umstandes ist, setzt das NVwKostG sich – seinem Zweck entsprechend – nicht auseinander. Vor diesem Hintergrund kann ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber in § 11 Abs. 1 NVwKostG einen Kostenerlass mit Blick auf (wenn man so will: Vorfeld-) Aspekte anordnen wollte, die nicht Gegenstand des Regelungskonzepts des NVwKostG sind.
Schutzlos gestellt ist ein Kostenschuldner, dessen Kostenschuld ursächlich und zurechenbar auf ein rechtswidriges Handeln der zuständigen Behörde zurückgeht, damit nicht: Ihm bleibt die Möglichkeit, einen Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG geltend zu machen, in dessen Rahmen die (bestandskräftig festgestellte) Kostenschuld den oder einen Teil des Schadens ausmachte. Einzig dieser – von der Klägerin zumindest gegenüber der Beigeladenen ja auch tatsächlich beschrittene – Weg wäre geeignet, Anknüpfungspunkte für den von der Klägerin gegenüber dem Beklagten erhobenen Vorwurf zu bieten.
b. Selbst wenn man die dargelegte Auslegung des Begriffes der „Sache“ im Sinne des § 11 Abs. 1 NVwKostG nicht teilen wollte und mit der Klägerin annähme, der Begriff umfasse auch dem Entstehen der Kostenschuld zeitlich vorgelagerte Sachverhalte, wären ernstliche Zweifel nicht gegeben:
Der Anspruch auf Erlass von Kosten gemäß § 11 Abs. 1 NVwKostG ist rechtlich selbstständig und daher auch eigenständig und insbesondere getrennt von der Frage nach der Rechtmäßigkeit der Kostenfestsetzung geltend zu machen (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 11.3.2011 - 9 LB 13/09 -, juris, Rn. 21 zu § 11 Abs. 1 Nrn. 4 b und 5 a NKAG i.V.m. §§ 163 Satz 1, 227 AO). Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte im gerichtlichen Verfahren unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, seines Erachtens bestehe ein Anspruch auf Kostenerlass nicht. Die Klägerin ist insoweit gehalten, auf eine Bescheidung eines entsprechenden Antrages hinzuwirken und gegen eine Ablehnung erforderlichenfalls mit Widerspruch und Verpflichtungsklage vorzugehen.
Auf diesen Gesichtspunkt kommt es entscheidungserheblich allerdings nicht an. Denn das Verwaltungsgericht stützt seine Einschätzung, ein Erlass gemäß § 11 NVwKostG scheide aus, zu Recht – jeweils selbstständig tragend – darauf, dass zum einen eine unrichtige Behandlung in der Sache nicht vorliege und zum anderen die Klägerin sich nach Eintritt der Bestandskraft der ablehnenden Entscheidung über den Bauantrag auf eine etwaige Unrichtigkeit der Ablehnung nicht berufen könne.
Es nimmt richtig an, dass ein Erlass von Kosten nur in Betracht kommt, soweit das Entstehen der Kosten auf einer unrichtigen Sachbehandlung beruht (Loeser/Barthel, NVwKostG, Stand: Februar 2016, § 11, Nr. 3.2; zum früheren § 14 Abs. 2 Satz 1 VwZG Nds. OVG, Beschl. v. 6.4.2017 - 12 PA 199/16 -, juris, Rn. 17; zu § 22 SächsVwKostG Sächs. OVG, Beschl. v. 25.3.2009 - 5 B 409/07 -, juris, Rn. 6; zu § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG Zimmermann, in: Binz/Dorndörfer/Zimmermann, GKG, 4. Aufl. 2019, § 21, Rn. 3, 9) – es bedarf eines Kausalzusammenhanges zwischen der unrichtigen Sachbehandlung und dem Entstehen der Kosten. Nimmt die zuständige Behörde mithin trotz einer unrichtigen Sachbehandlung am Ende eines Verfahrens eine im Ergebnis rechtmäßige Amtshandlung vor und erhebt für diese Kosten, beruht die Kostenerhebung auf der rechtmäßigen Amtshandlung und rechtfertigt die unrichtige Sachbehandlung nicht den Erlass der Kosten. Selbst wenn also dem Beklagten zu Recht der Vorwurf gemacht werden könnte, er habe sich im Rahmen des Antragsverfahrens nicht ordnungsgemäß verhalten, wäre dies nur dann von Relevanz, wenn es in einer im Ergebnis fehlerhaften Bescheidung des Antrages Niederschlag gefunden hätte. Dass der den Bauantrag der Klägerin ablehnende Bescheid vom 6. Mai 2013 (jedenfalls) im Ergebnis zutreffend ist, wird indes auch von der Klägerin selbst nicht (mehr) in Abrede gestellt.
Unbeschadet dessen vertritt das Verwaltungsgericht zu Recht die Auffassung, dass es, ginge man entgegen dem Vorstehenden von einer (Ergebnis-) Unrichtigkeit des ablehnenden Bescheides vom 6. Mai 2013 aus, der Klägerin nach der insoweit durch die (Teil-) Klagerücknahme eingetretenen Bestandskraft verwehrt sei, eine solche Unrichtigkeit im Rahmen des Angriffes auf die Kostenfestsetzung geltend zu machen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 11/15 -, juris, Rn. 29; OVG NRW, Beschl. v. 14.7.2014 - 9 E 289/14 -, juris, Rn. 8; Beschl. v. 7.11.2007 - 9 A 4822/05 -, juris, Rn. 18; Saarl. OVG, Urt. v. 1.8.2013 - 2 A 402/11 -, juris, Rn. 47; Nds. OVG, Beschl. v. 8.12.1995 - 7 L 5519/94 -, juris, Rn. 6; Loeser/Barthel, a.a.O., § 1, Nr. 3.1.12.2).
Auch wenn die Klägerin dies nicht deutlich formuliert, ließe sich ihr Vortrag wie folgt deuten: Hätte der Beklagte sie zu einer Antragstellung nicht gedrängt, wäre eine Entscheidung über einen solchen Antrag nie ergangen und hätte es der Festsetzung von Kosten nicht bedurft. Hiernach hätte sich eine unrichtige Sachbehandlung – das „Drängen“ – kausal in einem Ergebnis – der Festsetzung von Kosten, derer es sonst nicht bedurft hätte – niedergeschlagen. Selbst bei Zugrundelegung dieser Sichtweise kommt ein Kostenerlass allerdings nicht in Betracht:
Die Behauptung der Klägerin, sie sei von dem Beklagten zur Antragstellung gedrängt worden, ist durch nichts belegt. Dem gesamten Vortrag der Klägerin lässt sich nicht ansatzweise eine substantiierte Beschreibung eines Drängens durch den Beklagten entnehmen. Ein solches Drängen widerspräche auch jeder lebensnahen Betrachtung. Es ist schlicht nicht nachvollziehbar und von der Klägerin auch nicht dargelegt, aus welcher Motivation heraus der Beklagte die Klägerin zu einer verfrühten Beantragung einer Baugenehmigung für ein Vorhaben zu bestimmen versuchen sollte, an dem er kein irgendwie geartetes Interesse hegt.
Vielmehr spricht alles dafür, dass die Klägerin den Antrag aus eigenem Antrieb – ohne „Drängen“ des Beklagten, selbstbestimmt und eigenverantwortlich – gestellt hat. Baugenehmigungen zu beantragen, ist für die Klägerin nicht nur typischer Bestandteil ihrer Tätigkeit als Projektentwicklungsgesellschaft, sondern das Stellen gerade des in Rede stehenden Bauantrages ist Teil ihres Daseinszwecks, da sie eigens für die Entwicklung des Ferienparks gegründet wurde. Es hätte ihr freigestanden, von der Bauantragstellung – endgültig oder auch nur vorerst – Abstand zu nehmen; hierauf hat der Beklagte sie mit Schreiben vom 4. Juli 2012 und 13. Februar 2013 ausdrücklich aufmerksam gemacht. Anstatt den Antrag zurückzunehmen, hat die Klägerin nach dessen Ablehnung aber zunächst (Verpflichtungs-) Widerspruch und sodann Verpflichtungsklage erhoben und damit ihr fortbestehendes Interesse an ihrem Antrag und dessen positiver Bescheidung in an Deutlichkeit kaum zu übertreffender Weise unterstrichen. Noch mit Schriftsatz vom 15. Januar 2019 hat die Klägerin ausgeführt, dass eine Heranziehung zu den Kosten des Verwaltungsverfahrens nur dann unbedenklich möglich gewesen wäre, „wenn der Beklagte bzw. die Gemeinde die Bauantragstellung eingefordert hat, die Baugenehmigung anschließend erteilt und dafür die Kosten geltend macht“ (S. 3 des Schriftsatzes, Bl. 351 GA). Auch hierin kommt zum Ausdruck, dass die Klägerin den Bauantrag stellen wollte und nunmehr schlicht mit dem Ergebnis der Bescheidung unzufrieden ist.
Das demnach bewusste und gewollte Stellen des Bauantrages unterbräche im Übrigen als eigenverantwortliches Handeln den Zurechnungszusammenhang zwischen dem behaupteten Drängen des Beklagten und dem Entstehen der Kostenschuld.
Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich hinsichtlich einer unrichtigen Sachbehandlung auch nicht auf ein – im Übrigen weder in der Gerichtsakte noch in den Verwaltungsvorgängen des Beklagten vorhandenes – Schreiben des Beklagten vom 11. August 2010 abstellen, mit dem der Beklagte „plötzlich erhebliche Bedenken gegen den Entwurf zur Änderungsplanung“ und die Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens mitgeteilt habe. Im Zeitpunkt der Bauantragstellung war der Klägerin klar, dass ihr Vorhaben (noch) nicht genehmigungsfähig war und es für die Herstellung der Genehmigungsfähigkeit einer Änderung der bauplanungsrechtlichen Situation bedurfte. Dies wird aus der Zulassungsantragsbegründung deutlich (vgl. S. 8 der Zulassungsantragsbegründungsschrift) und wurde ihr (jedenfalls) im Rahmen der Besprechung unter anderem mit dem Beklagten am 20. Februar 2009 (vgl. Besprechungsprotokoll, Anlage K 17, Bl. 126 f. GA) sowie durch das Schreiben des Beklagten vom 8. Juli 2010 (Anlage K 20, Bl. 132 ff. GA) vor Augen geführt. Ein irgendwie geartetes Vertrauen im Hinblick auf die Genehmigungsfähigkeit ihres Bauvorhabens genoss die Klägerin daher nicht. Soweit sie auf das Zustandekommen eines die Genehmigungsfähigkeit ihres Bauvorhabens herstellenden Bebauungsplans vertraut haben sollte, wäre ein solches Vertrauen zum einen ohnehin nur dann schutzwürdig, wenn das für die Bauleitplanung zuständige Gremium – der Rat der Beigeladenen – entsprechende ausdrückliche Erklärungen abgegeben hätte (vgl. Senat, Urt. v. 26.7.2017 - 1 KN 171/16 -, juris, Rn. 52; Beschl. v. 22.11.2016 - 1 MN 101/16 -, juris, Rn. 19). Zum anderen wäre der Beklagte, der keinerlei Zuständigkeit für die Bauleitplanung der Beigeladenen besitzt, durch einen solchen Vertrauensschutz nicht gebunden.
3. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Klägerin könne kein Absehen von der Kostenerhebung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 NVwKostG verlangen, unterliegt ebenfalls keinen ernstlichen Zweifeln.
Auch der Anspruch aus § 11 Abs. 2 Satz 2 NVwKostG ist, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt, rechtlich eigenständig und gesondert zu verfolgen (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 26.1.2012 - 11 LB 226/11 -, juris, Rn. 19; Urt. v. 11.3.2011 - 9 LB 13/09 -, a.a.O. zu § 11 Abs. 1 Nrn. 4 b und 5 a NKAG i.V.m. §§ 163 Satz 1, 227 AO). Die obigen Ausführungen zu dem Anspruch aus § 11 Abs. 1 NVwKostG gelten insoweit entsprechend.
Darüber hinaus fehlt es an Umständen, die ein Absehen von der Erhebung mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin oder aus anderen Billigkeitsgründen geböten:
Ihren vom Verwaltungsgericht zu Recht als unsubstantiiert eingestuften erstinstanzlichen Vortrag, der Beklagte müsse mit Rücksicht auf ihre wirtschaftlichen Verhältnisse von einer Erhebung der Kosten absehen, stuft die Klägerin ausdrücklich als nicht (mehr) relevant ein. Vielmehr macht sie nun noch geltend, aus Gründen der Billigkeit sei zum einen vor dem Hintergrund des dargelegten vermeintlichen unbilligen Verhaltens des Beklagten im Zuge des Antragsverfahrens abzusehen. Zum anderen habe sie zu einer Amtshandlung keinen Anlass gegeben, weil sie zur Bauantragstellung gedrängt worden sei und darauf vertraut habe, eine Baugenehmigung werde erteilt; hätte sie von der fehlenden Genehmigungsfähigkeit gewusst, hätte sie einen Bauantrag nicht gestellt. Hierzu ist festzuhalten, dass ein Behördenhandeln, das in irgendeiner Form zu beanstanden ist, sich aber nicht ergebnisrelevant in der Kostenentscheidung niedergeschlagen hat und daher auch keinen Anspruch auf Kostenerlass nach § 11 Abs. 1 NVwKostG begründet, nicht unbillig im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 2 NVwKostG sein kann. Anderenfalls drohte ein Wertungswiderspruch zu § 11 Abs. 1 NVwKostG, der gerade die kostenrechtlichen Folgen eines Fehlverhaltens der Behörde in den Blick nimmt und insoweit die im Verhältnis zu § 11 Abs. 2 Satz 2 NVwKostG speziellere Regelung darstellt.
Ob die Klägerin, was sie in Abrede nimmt, einen Anlass zu der kostenpflichtigen Amtshandlung gegeben hat, ist keine Frage, die sich im Rahmen des § 11 Abs. 2 Satz 2 NVwKostG stellen kann. § 11 NVwKostG stellt eine Ausnahme von der Pflicht zur Kostenerhebung dar, die – wie dargelegt in Gestalt eines eigenen Anspruches – nur greifen kann, wenn eine Kostenpflicht überhaupt entstanden ist. Dies wiederum setzt voraus, dass Anlass zu der Amtshandlung gegeben wurde (§ 1 Abs. 1 Satz 1 NVwKostG). Dass die Klägerin Anlass zur Amtshandlung gegeben hat, indem sie in eigener Verantwortung, ohne Zwang, ihrem Gründungszweck entsprechend und in Kenntnis der zum damaligen Zeitpunkt nicht gegebenen Genehmigungsfähigkeit ihres Vorhabens den Bauantrag gestellt hat, unterliegt nicht im Ansatz Zweifeln.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).