Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 29.04.2019, Az.: 12 ME 65/19

Beschwerdebegründungsfrist; Einlegungsfrist; Wiedereinsetzung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
29.04.2019
Aktenzeichen
12 ME 65/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 70091
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 21.02.2019 - AZ: 6 B 9/19

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Beschwerdebegründungfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO ist eine von der Einlegungsfrist unabhängige, selbständige Monatsfrist, deren Lauf grundsätzlich auch dann mit der Zustellung des angegriffenen Beschlusses beginnt, wenn die Frist zur Einlegung der Beschwerde versäumt worden ist und deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden soll oder bereits beantragt worden ist.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 6. Kammer (Einzelrichterin) - vom 21. Februar 2019 wird verworfen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 400,- EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 21. Februar 2019 ist gemäß § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO als unzulässig zu verwerfen. Denn sie ist nicht innerhalb der Beschwerdebegründungfrist in einer den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise begründet worden.

Nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO ist die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§ 80, 80a und 123 VwGO) – wie dem vorliegenden – innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen (§ 146 Abs. 4 Satz 2 VwGO). Hierüber sind der Antragsteller und seine Prozessbevollmächtigten in der ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses zutreffend informiert worden.

Die Beschwerdebegründungfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO ist eine von der Einlegungsfrist unabhängige, selbständige Monatsfrist, deren Lauf grundsätzlich auch dann mit der Zustellung des angegriffenen Beschlusses beginnt, wenn die Frist zur Einlegung der Beschwerde versäumt worden ist und deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden soll oder bereits beantragt worden ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 2.3.1992 - BVerwG 9 B 256.91 -, NJW 1992, 2780, hier zitiert nach juris, Rn. 2, betreffend die Nichtzulassungsbeschwerde). Soweit zur Vermeidung einer Benachteiligung von solchen Beteiligten, die auf Prozesskostenhilfe angewiesen sind, Besonderheiten gelten (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.1.2003 - 12 S 2637/02 -, NVwZ-RR 2003, 789 f. [VGH Baden-Württemberg 14.01.2003 - 12 S 2637/02], hier zitiert nach juris, Rn. 2, m. w. N.), sind diese Besonderheiten hier nicht von Belang, weil im vorliegenden Falle die Versäumung der Beschwerdeeinlegungsfrist mit keinem vor Fristablauf gestellten, aber nicht mehr beschiedenen Prozesskostenhilfegesuch in Zusammenhang steht.

Der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts ist nach den Angaben der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers bei diesen am 26. Februar 2019 eingegangen. Der exakte Zeitpunkt, zu dem die Beschwerdebegründungsfrist (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) abgelaufen ist, steht trotzdem nicht fest, weil diese Prozessbevollmächtigten – entgegen § 14 Satz 1 BORA – kein ordnungsgemäß unterzeichnetes Empfangsbekenntnis an das Verwaltungsgericht zurückgesandt haben. Wie ihnen der Senat bereits mit Beschluss vom 26. März 2019 - 12 ME 45/19 - vor Augen geführt hat, ist eine Zustellung gegen Empfangsbekenntnis erst dann als bewirkt anzusehen, wenn der Rechtsanwalt das ihm zugestellte Schriftstück mit dem Willen entgegengenommen hat, es als zugestellt gegen sich gelten zu lassen, und dies auch durch die Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses beurkundet (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 29.3.2016 - 12 ME 32/16 -, NJW 2016, 2132 f., hier zitiert nach juris, Rn. 6). Unklare anwaltliche Angaben, die sich möglicherweise nur auf den Zeitpunkt des Eingangs des zuzustellenden Schriftstücks in der Anwaltskanzlei beziehen können, sind rechtlich unerheblich und allenfalls geeignet, Verwirrung zu stiften. Das in den hiesigen Akten vorhandene Empfangsbekenntnis (Bl. 21 der Gerichtsakte – GA –) ist nicht ordnungsgemäß, weil es lediglich (ebenso wie die bei den Anwälten eingegangene beglaubigte Abschrift des angefochtenen Beschlusses – vgl. Bl. 40 GA) einen mit unleserlicher Paraphe gezeichneten Stempel „EINGEGANGEN 26. Februar 2019“ trägt, hingegen auf der im Empfangsbekenntnis dafür vorgesehenen Zeile neben dem handschriftlich eingetragenen Empfangsdatum „28. 2.‘19“ die Unterschrift fehlt. Der Bitte des Senatsvorsitzenden, deshalb umgehend anzugeben, wann der angefochtene Beschluss in Empfang genommen worden sei, sind die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers nicht nachgekommen, obwohl ihnen auf ihre Bitte zur weiteren Prüfung eine Kopie ihres eigenen Empfangsbekenntnisses übermittelt worden ist (vgl. Bl. 47 – Rückseite – GA).

Es liegt dem Senat keine Mitteilung im Sinne des § 14 Satz 2 BORA vor, wonach die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers die Zustellung des angefochtenen Beschlusses verweigert hätten. Dagegen ist der Beschwerdeschrift vom 27. März 2019 zu entnehmen, dass ihnen der angefochtene Beschluss inhaltlich bekannt ist und spätestens von ihnen zur Kenntnis genommen worden sein muss, als die anwaltliche Anweisung gegeben wurde, die Beschwerdefrist im Fristenkalender ihrer Kanzlei zu notieren. Vor diesem Hintergrund lässt sich aus dem weiteren Vortrag, die Versäumung der Beschwerdefrist sei erst aufgefallen, nachdem die anwaltliche Akte mit einem fälschlich nicht als Vorfrist gekennzeichneten Vorlauf von einer Woche (ob im Verhältnis zum Ablauf der Einlegungsfrist oder der Begründungsfrist bleibt unklar) vorgelegt worden sei und am 25. März 2019 im normalen Geschäftsgang habe bearbeitet werden sollen, Folgendes schließen: Der angefochtene Beschluss ist den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers irgendwann in dem Zeitraum vom 26. Februar 2019 bis zum Beginn des 18. März 2019 (eine Woche vor der Bearbeitung im normalen Geschäftsgang am 25. März 2019) tatsächlich zugegangen. Er muss deshalb gemäß den §§ 56 Abs. 2 VwGO, 189 ZPO als frühestens am 26. Februar 2019 und spätestens am 17. März 2019 zugestellt betrachtet werden. Deshalb ist die Frist zur Begründung der Beschwerde frühestens am 26. März 2019 und spätestens am 17. April 2019 abgelaufen.

Bis zum Ablauf des 17. April 2019 ist eine den Erfordernissen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechende Beschwerdebegründung nicht eingereicht worden.

Gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss sich die Beschwerdebegründung unter anderem mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Um sich im Sinne des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO mit der angefochtenen Entscheidung auseinanderzusetzen, hat ein Beschwerdeführer von der Begründungsstruktur dieser Entscheidung auszugehen und das Entscheidungsergebnis in Frage zu stellen (Stuhlfauth, in: Bader u. a., VwGO, 7. Aufl. 2018, § 146 Rn. 31). Er muss in der Regel den einzelnen tragenden Begründungselementen der angefochtenen Entscheidung geeignete Gegenargumente konkret gegenüberstellen und - soweit möglich - deren Vorzugswürdigkeit darlegen (Nds. OVG, Beschl. v. 16.11.2016 - 12 ME 132/16 -, ZNER 70 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 56, und Beschl. v. 10. 2. 2014 - 7 ME 105/13 -, juris, Rn. 26). Hieraus folgt, dass es regelmäßig – und so auch im vorliegenden Falle – nicht genügt, wenn er pauschal auf sein erstinstanzliches Vorbringen Bezug nimmt (vgl. Stuhlfauth, in: Bader u. a., VwGO, 7. Aufl. 2018, § 146 Rn. 31, m. w. N.). In seiner am 10. April 2019 eingegangenen Beschwerdebegründung hat sich der Antragsteller zur Begründung seiner Beschwerde aber lediglich auf seinen bisherigen Sachvortrag vor dem Verwaltungsgericht bezogen.

Nach dem Ablauf der Beschwerdebegründungfrist kann er seine Beschwerdebegründung nicht mehr in zulässiger Weise ergänzen, weil er keinen Beschwerdegrund innerhalb der noch offenen Frist ausreichend, d. h. unter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts, ausgeführt hatte (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 7.1.2014 - 7 ME 90/13 -, ZfWG 2014, 115 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 34).

Dem Antragsteller ist auch nicht etwa von Amts wegen Wiedereinsetzung in die zum Zeitpunkt des Eingangs der Beschwerdebegründung am 10. April 2019 – möglicherweise – bereits versäumte Beschwerdebegründungsfrist zu gewähren (§ 60 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 4 VwGO). Dabei kann offenbleiben, ob die Beschwerdebegründungsfrist zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich bereits abgelaufen war. Denn selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, würde eine solche Wiedereinsetzung jedenfalls voraussetzen, dass das Fristversäumnis unverschuldet gewesen wäre. Das ist hier aber nicht erkennbar. Die Beschwerdebegründungfrist kann nämlich – wie ausgeführt – frühestens am 26. März 2019 abgelaufen sein. Die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers haben aber bereits am 25. März 2019 die Nichteinhaltung der Beschwerdeeinlegungsfrist bemerkt. Aus diesem Anlass hätten sie sogleich den Ablauf auch der Beschwerdebegründungsfrist prüfen müssen. Eine solche Prüfung hätte dann ergeben, dass diese Frist am 25. März 2019 noch nicht abgelaufen war. Vielmehr wäre damals eine fristgerechte Beschwerdebegründung weiter möglich gewesen, und zwar (zumindest) bis zum Ablauf des 26. März 2019. Hinderungsgründe für die gebotene Vornahme der Begründung sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten an der nicht nur inhaltlich unzureichenden, sondern (etwa) auch verfristeten Begründung der Beschwerde ist dem Antragsteller aber gemäß § 85 Abs. 2 ZPO (i. V. m. § 173 Satz 1 VwGO) wie eigenes Verschulden zuzurechnen. Deshalb scheidet eine Wiedereinsetzung von Amts wegen in die Beschwerdebegründungsfrist aus, ohne dass es hierzu einer taggenauen beschwerdegerichtlichen Feststellung des Zeitpunktes des Ablaufs dieser Frist bedarf – an der die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers ohnehin nicht in der gebotenen Weise mitgewirkt haben. Vor diesem Hintergrund mag dahinstehen, ob die Wiedereinsetzung auch deshalb nicht in Betracht käme, weil die versäumte Rechtshandlung im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO nicht den inhaltlichen Erfordernissen im Sinne des § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend nachgeholt wurde und wann im Falle einer zu gewährenden Wiedereinsetzung in die Beschwerdebegründungsfrist selbige geendet hätte – was sich in Ermangelung erkennbarer Wiedereinsetzungsgründe nicht bestimmen lässt.

Weil die innerhalb der abgelaufenen Beschwerdebegründungsfrist eingegangene Begründung nicht den Erfordernissen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entspricht, kann die Frage einer Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdeeinlegungsfrist als rechtlich unerheblich dahinstehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 2.3.1992 - BVerwG 9 B 256.91 -, a. a. O., juris, Rn. 2). Einer Entscheidung des Senats über das insoweit gestellte Wiedereinsetzungsgesuch bedarf es daher nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert an den Vorschlägen unter den Nrn. 1.5 Satz 1 und 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11), wobei – wie von der Vorinstanz zutreffend erläutert – auf den zum Zeitpunkt der Bestimmung des Ersatzfahrzeugs verbleibenden Zeitraum der Fahrtenbuchführungspflicht abzuheben ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).