Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 23.03.2001, Az.: 74 IN 23/00

Verpflichtung des vorläufigen Insolvenzverwalters zur Darlegung des Werts der vorläufigen Insolvenzmasse im Antrag auf Vergütungsfestsetzung; Abweichungen von dem im Abschlussgutachten zugrunde gelegten Wert; Entnahme der festgesetzte Vergütungen aus der Masse; Zuständigkeit des Insolvenzrichters für die Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Bibliographie

Gericht
AG Göttingen
Datum
23.03.2001
Aktenzeichen
74 IN 23/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 29176
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGGOETT:2001:0323.74IN23.00.0A

Fundstellen

  • InVo 2001, 411-413
  • ZInsO 2001, 616-617 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Vermögen der R. B. GmbH

Amtlicher Leitsatz

Der vorläufige Insolvenzverwalter ist verpflichtet, im Antrag auf Vergütungsfestsetzung den Wert der vorläufigen Insolvenzmasse bei Beendigung seiner Tätigkeit darzulegen.

Abweichungen von dem im Abschlussgutachten zugrunde gelegten Wert sind besonders zu begründen.

Wird im Hinblick auf die Vergütung ein Betrag zurückgehalten, der einer anderen Vermögensmasse zusteht, ist die Entnahme der festgesetzte Vergütungen aus der Masse erst zu gestatten, wenn der zurückgehaltene Betrag ausgekehrt worden ist (§ 242 BGB).

Auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist der Insolvenzrichter zuständig für die Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters. Entgegenstehende Entscheidungen der Oberlandesgerichte gem. § 7 InsO sind für die Amts- (und Land-)gerichte nicht bindend.

Tenor:

Die Vergütung des Rechtsanwaltes Dr. P., Göttingen, für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter wird festgesetzt auf 11.998,17 DM. Der weiter gehende Antrag wird zurückgewiesen.

Die Entnahme des Betrages aus der Insolvenzmasse wird gestattet, sobald Rechtsanwalt Dr. P. den zurückgehaltenen Betrag von 11.000,00 DM an den Steuerberater K. in seiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gebr. B i GbR (74 IN 57/00 AG Göttingen) ausgekehrt hat.

Gründe

1

I.

Mit Beschluss vom 08.02.2000 hat das Amtsgericht Göttingen einen Zustimmungsvorbehalt über das Vermögen der Schuldnerin angeordnet (§ 21 Abs. 2 Ziffer 2, 2. Halbsatz InsO) und Rechtsanwalt Dr. P. zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Am 02.05.2000 ist das Verfahren eröffnet worden. Die Vergütung für die Sachverständigentätigkeit ist auf 21.165,60 DM festgesetzt worden.

2

Im Gutachten vom 20.04.2000 ist eine Marktwertermittlung beigefügt. In dieser ist das Anlagevermögen für technische Anlagen und Maschinen sowie Betriebs- und Geschäftsausstattung auf 121.935,00 DM und für das Umlaufvermögen auf 6.325,00 DM beziffert, insgesamt auf 128.260,00 DM. Weiter ergibt sich aus dem Gutachten, dass die Schuldnerin ihren Geschäftsbetrieb am 29.02.2000 eingestellt hatte.

3

Im Antrag vom 18.07.2000 ist die Festsetzung der Vergütung auf 12.022,11 DM beantragt worden. Der Wert der Insolvenzmasse wird angegeben mit 227.936,78 DM. Auf Nachfragen des Insolvenzgerichtes, wie sich dieser Betrag errechnet, hat der vorläufige Insolvenzverwalter mit Schriftsatz vom 04.09.2000 den Wert des Vermögens, das der Verwaltung des vorläufigen Insolvenzverwalters unterlag, auf 267.205,55 DM beziffert. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus sechs Einzelpositionen. Unter Zugrundelegung eines Vergütungssatzes von 25 % und einer Erhöhung von jeweils 0,25 für die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten und wegen einer hohen Gläubigerzahl sind Beträge von 11.051,10 DM zzgl. 5.525,55 DM nebst 16 % Mehrwertsteuer, insgesamt 19.228,91 DM geltend gemacht worden. Mit weiterer Verfügung hat das Insolvenzgericht darauf hingewiesen, dass der Betrag von 267.205,55 DM nicht übereinstimmt mit den auf Seite 6 des Abschlussgutachtens angegebenen Werten. Im Schriftsatz vom 26.09.2000 ist der Gesamtwert auf 216.036,78 DM und der Vergütungsanspruch auf 17.670,81 DM beziffert worden.

4

Mit Beschluss vom 11.12.2000 hat das Insolvenzgericht den Antrag auf Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters als zur Zeit unbegründet zurückgewiesen mit der Begründung, dass mangels nachvollziehbarer Abrechnung der Anspruch nicht fällig sei. Auf die sofortige Beschwerde hin hat das Landgericht Göttingen mit Beschluss vom 01.02.2001 (10 T 1/01) den Beschluss aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Göttingen zurückverwiesen. Zur Begründung hat das Landgericht Göttingen ausgeführt, dass der Anspruch für die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters auf Vergütung fällig wird mit der Erledigung der zu honorierenden Tätigkeit. Eine nicht nachvollziehbare Darstellung der Vermögensmasse beseitige nicht die Fälligkeit, sondern gehöre zu der Frage, ob der Vergütungsanspruch in der geltend gemachten Höhe begründet sei. Dies sei vom Amtsgericht bei der Vergütungsfestsetzung zu berücksichtigen, gegebenenfalls sei eine Kürzung vorzunehmen, indem unzureichend dargelegte Teile der Vermögensmasse außer Betracht blieben. Ergänzend hat das Landgericht angemerkt, dass nach der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (OLG Zweibrücken NZI 2000, 314, 315) mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Zuständigkeit für die Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters auf den Rechtspfleger übergehe.

5

In dem Parallelverfahren 74 IN 57/00 über das Vermögen der Gebr. B. GbR hat der dortige vorläufige Insolvenzverwalter Steuerberater K. mit Zwischenbericht vom 12. Februar 2001 darauf hingewiesen, dass Rechtsanwalt Dr. P. bei der Sparkasse G. ein Anderkonto errichtet hat. Eine Überprüfung habe ergeben, dass die dortigen Einnahmen auch aridere Vermögensmassen beträfen. Der Firma Gebr. B. GbR stünde ein Betrag von 11.000,00 DM zu. Die Auskehrung dieses Betrages habe Rechtsanwalt Dr. P. auch unter Hinweis auf die ihm für seine Tätigkeit zustehende Vergütung abgelehnt. Mit Schreiben vom 01.03.2000, abgesandt am 02.03.2000, ist Rechtsanwalt Dr. P. Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 12.03.2000 eingeräumt worden. Eine Stellungnahme ist nicht eingegangen.

6

Das Insolvenzgericht hat nunmehr die Vergütung für die Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter festgesetzt, allerdings zugleich angeordnet, dass die Entnahme der Vergütung aus der Masse nur gestattet wird, wenn zuvor der zurückgehaltene Betrag von 11.000,00 DM an den vorläufigen Insolvenzverwalter in dem Verfahren über das Vermögen der Gebr. B GbR ausgezahlt ist. Die Festsetzung der Vergütung erfolgt auch nach Eröffnung des Verfahrens durch den Insolvenzrichter, der dafür zuständig ist.

7

II.

Die Vergütung für die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters ist festzusetzen auf 11.998,17 DM. Der weiter gehende Antrag ist abzulehnen.

8

1.

Dem Gutachten vom 20.04.2000, aufgrund dessen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 02.05.2000 erfolgte, ist beigefugt ein Wertgutachten der Firma P. Dieses bezifferte den Liquidationswert für das Anlage- und Umlaufvermögen auf 128.260,00 DM. Dieser Wert bei Beendigung der vorläufigen Insolvenzverwaltung ist der Berechnung zugrundezulegen.

9

Abweichend davon wird im Schriftsatz vom 26.09.2000 der Wert auf 216.036,78 DM beziffert. Es ergeben sich zwei Abweichungen.

10

Die Büroeinrichtung wird nicht zugrunde gelegt mit dem Liquidationswert von 18.225,00 DM, sondern mit dem Fortführungswert von 81.575,00 DM. Dies wird damit begründet, dass ein Rechtsanwalt B. die Büroeinrichtung weiter benutzt. Aus dem Gutachten vom 20.04.2000 ergibt sich jedoch, dass der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin zum 29.02.2000 eingestellt wurde. Nur bei Fortführung des Unternehmens im Zeitpunkt der Eröffnung kann der Fortführungswert zugrunde gelegt werden (AG Bielefeld ZInsO 2000, 350[AG Bielefeld 18.05.2000 - 43 IN 466/99]) ansonsten gilt der Liquidationswert (OLG Zweibrücken NZI 2000, 314, 316; HK-InsO/Kirchhoff § 22 Rz. 51). Die Nutzung von Vermögensgegenständen durch einen Dritten ändert daran nichts.

11

Im Schriftsatz vom 26.09.2000 ist weiter einberechnet der Verkaufserlös durch den Verkauf von Inventar in Höhe von 24.426,78 DM. Dazu wird aufgeführt, das Inventar sei am 14.03.2000 verkauft worden, im Gutachten sei vergesset worden, dies zu erwähnen. Bereits im Beschluss vom 11.12.2000 hat das Insolvenzgericht darauf hingewiesen, dass die Angabe erforderlich gewesen wäre, welche Gegenstände verkauft worden sind. Ansonsten besteht nämlich die Gefahr einer unzulässigen Doppelberechnung. An dieser Rechtsauffassung hält das Insolvenzgericht fest.

12

2.

Der einfache Satz der Insolvenzverwaltervergütung bei einem Wert von 128.260,00 DM beträgt 34.477,50 DM. Für die Tätigkeit des vorläufige!! Insolvenzverwalters ist im vorliegenden Fall zugrundezulegen ein Betrag von 30 %, also 10.345,25 DM.

13

a)

Der Satz für die Tätigkeit eines "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalters mit generellem Zustimmungsvorbehalt beträgt 25 % (AG Göttingen NZI 1999, 469; wohl auch BGH ZIP 2001, 296, 300). Davon ist auch im vorliegenden Fall auszugehen.

14

b)

Gem. § 3 Abs. 1 InsVV ist ein Zuschlag von 5 % zu gewähren im Hinblick auf die hohe Anzahl der Gläubiger (233). Es ist anerkannt, dass bei einer Vielzahl von Gläubigern eine Erhöhung in Betracht kommt (AG Bonn ZIP 1999, 2167; AG Göttingen NZI 1999, 382). Soweit angeführt wird, dass mit einem querulatorischen Gläubiger zwei große Anfechtungsprozesse geführt werden, betrifft dies die Tätigkeit erst nach Verfahrenseröffnung und ist nicht zu berücksichtigen.

15

c)

Weiter verlangt der vorläufige Verwalter für die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten in ganz erheblichem Umfang einen weiteren Zuschlag. Dieser kann nicht gewährt werden. In der Begründung zum Vergütungsantrag ist nicht dargelegt, dass und inwieweit der vorläufige Insolvenzverwalter durch die Bearbeitung von Absonderungsrechten in erheblichem Umfang zusätzlich belastet wurde, wie es für die Gewährung eines Zuschlages erforderlich ist (BGH ZIP; 2001, 296, 300).

16

3.

Unter Hinzurechnung der 16%igen Umsatzsteuer in Höhe von 1.654,92 DM ergibt sich der zuerkannte Betrag von 11.998,17 DM.

17

III.

Die Entnahme der Vergütung aus der Insolvenzmasse ist jedoch nur zulässig, wenn zuvor der zurückgehaltene Betrag von 11.000,00 DM an die Firma Gebr. B. GbR ausgekehrt wird. Eine Stellungnahme zu diesem im Zwischenbericht des Steuerberaters K. vom 12. Februar 2001 mitgeteilten Sachverhalt hat der nunmehrige Insolvenzverwalter nicht abgegeben. Der Vergütungsanspruch für die Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter ist zwar fällig geworden mit Beendigung der Tätigkeit. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nicht aus dem das gesamte Rechtsleben beherrschenden Grundsatzes §§ 242 BGB Ausnahmen herzuleiten sind, wie auch im vorliegenden Fall. Das Verhalten des Insolvenzverwalters ist - zumindest - als gegen Treu und Glauben verstoßend zu bezeichnen. Der Insolvenzrichter wird den Insolvenzrechtspfleger auf den Sachverhalt hinweisen mit der Bitte, die ordnungsgemäße Abwicklung durch den inzwischen vom Insolvenzgericht Göttingen nicht mehr beauftragten Insolvenzverwalter zu überwachen.

18

IV.

Für die Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist auch nach Eröffnung des Verfahrens nicht der Rechtspfleger, sondern der Insolvenzrichter zuständig ist.

19

1)

Bereits unter Geltung der KO war auszugehen von einer Zuständigkeit des Richters (FK-InsO/Schmerbach § 21 Rz. 56). Auch unter Geltung der InsO ist von einer Zuständigkeit des Richters auszugehen (AG Göttingen NZI 1999, 469; AG Göttingen NZI 2000, 181; AG Köln ZIP 2000, 418, 419 =EWIR 2000, 403; zuletzt LG Rostock ZInsO 2001, 96[LG Rostock 15.11.2000 - 2 T 383/99]; Kübler/Prütting/Pape § 54 RZ 30; Keller Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren Rz. 199). Abzulehnen ist die Auffassung, dass der Rechtspfleger generell oder jedenfalls dann zuständig ist, wenn der Vergütungsantrag nach Verfahrenseröffnung gestellt wird (OLG Zweibrücken NZI 2000, 314 m.b.N).

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2)

Das Insolvenzgericht ist auch nicht an die Entscheidung des OLG Zweibrücken (NZI 2000, 314, 315) gebunden. Gelegentlich wird zwar die Auffassung vertreten, dass von Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Insolvenzsachen die Untergerichte nicht abweichen dürfen (LG Göttingen - 10 T 160/00 - Beschluss vom 12.12.2000; LG Göttingen - 10 f 1/01 - Beschluss vom 01.02.2001 im vorliegenden Verfahren). Die Bindungswirkung einer Entscheidung des OLG gem. § 7 Abs. 1 InsO bzw. des BGH gem. § 7 Abs. 2 InsO bezieht sich analog §§ 575, 565 Abs. 2 ZPO (OLG Köln 21.05.01 NZI 2000, 78, 79 = ZInsO 2000, 43, 44[OLG Köln 29.12.1999 - 2 W 188/99]; Kübler/Prütting InsO, § 7 Rz. 28) zunächst nur auf das konkrete Verfahren. Die Bindungswirkung des § 7 Abs. 2 InsO besteht in den übrigen Verfahren nur für die Oberlandesgerichte. Eine Bindung für die Amts- und Landgerichte besteht nicht. Eine den wohnraummietrechtlichen Vorlagevorschriften vergleichbare Regelung (§ 541 ZPO, vgl. auch § 511 a Abs. 2 ZPO) existiert ebenfalls nicht. Hält ein Amts- oder Landgericht eine Entscheidung des OLG oder des BGH für falsch, ist es berechtigt, anders zu Entscheiden. Der sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichtes kann das Landgericht stattgeben. Gegen die Entscheidung eines Landgerichtes wird das OLG die weitere sofortige Beschwerde gem. § 7 Abs. 1 zulassen und die Entscheidung abändern oder die Sache dem BGH vorlegen.

Schmerbach, Richter am Amtsgericht