Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 22.04.2001, Az.: 74 IN 60/01
Nachweisbarkeit des Eröffnungsgrundes zur vollen Überzeugung des Gerichts als Voraussetzung für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens; Eigenantrag eines nicht antragspflichtigen Schuldners bei unterlassener Auskunftserteilung
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 22.04.2001
- Aktenzeichen
- 74 IN 60/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 29123
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGGOETT:2001:0422.74IN60.01.0A
Rechtsgrundlagen
- § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO
- §17 InsO
- §18 InsO
- § 20 InsO
- § 98 Abs. 2 InsO
- § 13 Abs. 2 InsO
- § 290 InsO
Fundstellen
- NZI 2001, 670-671
- ZInsO 2001, 865-866 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt nur in Betracht, wenn der Eröffnungsgrund zur vollen Überzeugung des Gerichtes nachgewiesen ist; eine Glaubhaftmachung genügt nicht.
- 2.
Der Eigenantrag eines nicht antragspflichtigen Schuldners ist bei unterlassener Auskunftserteilung des Schuldners nach entsprechendem Hinweis als unbegründet abzuweisen, ohne dass zuvor der Schuldner erneut anzuhören oder die Anhörung zwangsweise durchzusetzen ist.
Tenor:
Der Antrag des Schuldners vom 22.03.2001 auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen wird als unbegründet abgewiesen.
Die am 23.03.2001 angeordneten Sicherungsmaßnahmen werden aufgehoben.
Der Schuldner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Gegenstandswert wird festgesetzt auf bis zu 600,00 DM.
Gründe
I.
Der Schuldner hat am 22.03.2001 persönlich Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen gestellt. Seine Verbindlichkeiten hat er mit ca. 800.000,00 DM angegeben. Die Drittschuldnerforderungen sollen sich auf ca. 200.000,00 DM belaufen, jedoch nicht einbringlich sein. Der Schuldner verfügt eine Lebensversicherung beim BHW und über ein Grundstück in Görlitz, über das ein Zwangsversteigerungsverfahren anhängig ist.
Nach Angaben des Schuldners soll der Verkehrswert im Zwangsversteigerungsverfahren festgesetzt worden sein auf 815.000,00 DM.
Mit Beschluss vom 23.03.2001 hat das Insolvenzgericht Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gem. § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO eingestellt und Rechtsanwalt W. als Sachverständigen beauftragt, ein schriftliches Gutachten zu erstatten.
Am selben Tage hat der Schuldner in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der P. Bau GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Dieser Antrag ist mit Beschluss vom 17.04.2001 als unzulässig zurückgewiesen worden, da trotz Aufforderung die Forderungen der Gläubiger nicht mitgeteilt, keine Antragsunterlagen vorgelegt und damit eine Darlegung der Zahlungsunfähigkeit nicht erfolgt war.
Im vorliegenden Verfahren hat der Sachverständige mit Schriftsatz vom 18.04.2001 angeregt, den Insolvenzantrag abzuweisen. Nach Angaben des Sachverständigen nahm der Schuldner mehrere Besprechungstermine nicht wahr und wurde auch darauf hingewiesen, dass er mit einer Abweisung des Insolvenzantrages oder dem Erlass von Zwangsmaßnahmen rechnen müsse.
II.
Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist als unbegründet zurückzuweisen.
1.
Der Antrag des Schuldners ist unbegründet. Anders als bei der Zulassung des Antrages und der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen muss der Eröffnungsgrund nicht nur glaubhaft gemacht sein, vielmehr muss er zur vollen Überzeugung des Gerichtes nachgewiesen sein (AG Göttingen ZIP 2000, 1679; AG Göttingen EzInsR InsO § 98 Nr. 1 Seite 3; FK-InsO/Schmerbach § 27 Rz. 5). Ohne Mitwirkung des Schuldners lässt sich im vorliegenden Fall der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit (§17 InsO) oder der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§18 InsO) nicht feststellen.
2.
Eine Veranlassung zur zwangsweisen Durchsetzung der Auskunftspflichten des Schuldners gem. §§ 20, 98 Abs. 2 InsO sieht das Insolvenzgericht nicht. Dagegen spricht bereits, dass der Schuldner in dem Verfahren 74 IN 59/01 in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer trotz ausdrücklichen Hinweises des Insolvenzrichters bei Antragstellung nicht die erforderlichen Unterlagen vorgelegt und Angaben gemacht hat, so dass der Antrag mit Beschluss vom 17.04.2001 als unzulässig zurückgewiesen wurde. Es spricht vieles dafür, dass der Schuldner zu einem Anhörungstermin nicht erscheinen würde mit der Folge, dass ein Haftbefehl ergehen müsste. Ein derartiges Vorgehen hält das Insolvenzgericht nicht für verhältnismäßig. Es liegt ein Eigenantrag des Schuldners vor. Eine Verpflichtung zur Antragstellung besteht nicht, da der Schuldner als natürliche Person unbeschränkt haftet ( vgl. FK-InsO/Schmerbach § 15 Rz. 28 f). Der Schuldner kann den Eigenantrag zudem in den zeitlichen Grenzen des § 13 Abs. 2 InsO zurücknehmen.
3.
Es wird zwar die Auffassung vertreten, vor einer Zurückweisung des Antrages müsse die Anhörung des Schuldners erzwungen werden, wenn sich hur so das Vorliegen des Insolvenzgrundes oder der Masselosigkeit ermitteln lasse (FK-InsO/Schmerbach § 20 Rz. 3). Die diesen Entscheidungen zu Grunde liegenden Sachverhalte sind jedoch im vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Es handelte sich nämlich um Fremdanträge (LG Göttingen ZIP 1996, 144 = EWiR 1996, 271; LG Stendal ZIP 1995, 1106) oder Eigenanträge antragspflichtiger Personen (LG Magdeburg EWiR 1997, 659). Im vorliegenden Fall handelt es sich um den Eigenantrag einer nicht antragspflichtigen natürlichen Person. Eine Anhörung des Schuldners muss daher vor einer Zurückweisung des Antrages nicht erzwungen werden (AG Göttingen EzInsR InsO § 98 Nr. 1 Seite 2 f).
4.
Rechtliche Nachteile durch die Abweisung als unbegründet entstehen dem Schuldner nicht. Bejahung und Verneinung des Insolvenzgrundes entfalten keine Rechtskraft (FK- InsO/Schmerbach § 7 Rz. 31). Der Schuldner kann jeder Zeit einen neuen Antrag stellen. In einem nachfolgenden Verfahren ist dem Schuldner auch nicht eine Restschuldbefreiung verwehrt, da keiner der Versagungsgründe des § 290 InsO vorliegt (vgl. AG Göttingen EzInsR InsO § 98 Nr. 1 Seite 3).
5.
Das Insolvenzgericht wird zukünftig bei unzulässigen oder unbegründeten Eigenanträgen von nicht zur Antragstellung verpflichteten Schuldnern nach entsprechendem Hinweis ohne weitere Anhörungstermine oder Zwangsmaßnahmen Anträge als unzulässig bzw. unbegründet abweisen.
III.
Weiter hat das Insolvenzgericht die im Beschluss vom 22.03.2001 angeordnete einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gem. § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO (auf die es möglicherweise dem Schuldner entscheidend ankam) aufgehoben.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 InsO i.V.m. § 91 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Gegenstandswert wird festgesetzt auf bis zu 600,00 DM.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 37 Abs. 1 GKG. Da keine greifbaren Anhaltspunkte für den Wert bestehen, hat das Gericht die Mindestgebühr von 600,00 DM festgesetzt (siehe zur vergleichbaren Situation im Rahmen des § 37 Abs. 2 GKG FK-InsO/Schmerbach § 13 Rz. 63).