Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 20.06.2001, Az.: 74 IK 87/01
Verfahrensbeendigung durch Rücknahmefiktion; Zurückweisung eines Prozesskostenhilfeantrags wegen Mutwilligkeit
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 20.06.2001
- Aktenzeichen
- 74 IK 87/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 29105
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGGOETT:2001:0620.74IK87.01.0A
Rechtsgrundlagen
- § 4 InsO
- § 200 InsO
- §§ 305 InsO
- §§ 306 InsO
- §§ 307 InsO
- §§ 308 InsO
- §§ 309 InsO
- §§ 310 InsO
- § 114 ZPO
Fundstellen
- InVo 2001, 413-414
- ZInsO 2001, 864-865 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Wird nach Verfahrensbeendigung durch Rücknahmefiktion gem. § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO wegen unzutreffenden Gläubigerverzeichnisses einem neuen Verfahren ein Gläubiger angegeben, der keine Forderung mehr hat, kommt eine Abweisung des Antrages gem. § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO nicht in Betracht.
- 2.
Ein Prozesskostenhilfeantrag kann in diesem Fall wegen Mutwilligkeit (§ 4 InsO i.V.m. § 114 ZPO) zurückgewiesen werden (im Anschluss an AG Göttingen NZI2000, 92 = ZInsO 1999, 724 LS). Die Zurückweisung erfolgt nicht für das gesamte Verfahren, sondern nur für den Verfahrensabschnitt des gerichtlichen Schuldenbeireinigungsplanverfahrens gem. §§305-310 InsO.
Tenor:
Der Antrag des Schuldners auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren (§§ 305 - 310 InsO) wird zurückgewiesen.
Dem Schuldner wird aufgegeben, bis zum 19.07.2001 einen Kostenvorschuss in Höhe von 650 DM einzuzahlen.
Gründe
Der Schuldner hat mit Antrag vom 04.03.2001 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt! Nach den Angaben des Schuldners soll im Falle der Versagung von Prozesskostenhilfe das Verfahren in jedem Fall durchgeführt werden. In der von einem Anwalt aus Trier ausgestellten Bescheinigung über das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuches (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO) ist u.a. ausgeführt, dass sechs Gläubiger dem Vergleichsvorschlag widersprochen und sieben Gläubiger auf das Angebot nicht reagiert haben. Weiter heißt! es: "Zu beachten ist: sieben Gläubiger haben auf ihre Forderungen verzichtet. Kopien der; Schreiben sind beigefügt."
Mit am 17.03.2001 zugestellter Verfügung vom 14.03.2001 hat das Insolvenzgericht dem Schuldner aufgegeben, ein Verzeichnis der Gläubiger und der bestehenden Verbindlichkeiten sowie einen Schuldenbereinigungsplan vorzulegen, in dem nur die Gläubiger aufgeführt sind, die tatsächlich noch Forderungen gegen den Schuldner haben. | Nach Fristablauf hat das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 24.04.2001 zu dem ursprünglichen Aktenzeichen 74IK 36/01 ausgesprochen, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO als zurückgenommen gilt.
Mit Schreiben vom 05.05.2001 hat der Schuldner erneut Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt unter Hinweis darauf, dass die betätigten Unterlagen zu dem Geschäftszeichen 74 IK 36/01 vorliegen. Beigefügt war ein Schreiben der den Schuldner außergerichtlich vertretenen Rechtsanwälte, wonach in der Anlage eine bereinigte Gläubigerliste ohne Verwendung von Postfachadressen übersandt wurde. Diese nunmehr dem Insolvenzgericht vorgelegte Gläubigerliste umfasst weniger Gläubiger als die ursprüngliche Gläubigerliste. Die Gesamtforderung beläuft sich auf nicht mehr 297.395,48 DM, sondern auf 291.547,60 DM. Die Befriedigungsquote der Gläubiger beträgt 0 %.
Das Insolvenzgericht hat zunächst die mehr als 50 % der Gesamtforderung haltende Hauptgläubigerin angeschrieben. Diese hat mit Schreiben vom 6. Juni 2001 erwidert, dass sie gegen den Schuldner keine Ansprüche mehr geltend macht, da sie mit ihm nicht mehr in Geschäftsverbindung stehe.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren (§§305-310 InsO) ist zurückzuweisen.
Eine Zurückweisung gem. § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO kommt allerdings - anders als im Ursprungsverfahren 74 IK 36/01 - nicht in Betracht. Der Schuldner hat vollständige Erklärungen und Unterlagen abgegeben.
Nach der Rechtsprechung des Insolvenzgerichtes kann allerdings ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen Mutwilligkeit zurückgewiesen Werden (AG Göttingen NZI 2000, 92). In dem dortigen entschiedenen Fall lag der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO vor, da die Schuldnerin in dem nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO vorzulegenden Verzeichnis die Mitberechtigung an zwei Erbbaurechten verschwiegen hatte. Neben der Fallgruppe des Vorliegens von Versagungsgründen gem. § 200 InsO kommen auch noch weitere Gründe der Mutwilligkeit in Betracht, in denen ein Prozesskostenhilfeantrag im Verbraucherinsolvenzverfahren zurückgewiesen werden kann. Im Geltungsbereich der ZPO wird Mutwilligkeit (§114 ZPO) angenommen, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (Zöller/Philippi, ZPO, § 114 Rz. 30). U.a. wird von der hilfsbedürftigen Partei erwartet, dass Sie aktiv am Verfahren mitwirkt (a.a.O. Rz. 36). Auf Grund der in § 4 InsO angeordneten entsprechenden Geltung der ZPO-Vorschriften ist von Mutwilligkeit auch dann auszugehen, wann eine Partei trotz eindeutigen Hinweises und Aufforderung des Gerichtes erneut ein Vermögensverzeichnis vorlegt, das offensichtlich unzutreffend ist. Der nach den Angaben des Schuldners fast 58 % der Hauptforderung haltende Hauptgläubiger hat keine Ansprüche mehr gegen den Schuldner.
Rechtliches Gehör, ob die Angaben des Hauptgläubigers zutreffend sind, musste dem Schuldner nicht gewährt werden. Bei erneuter Durchsicht der Akte hat das Gericht festgestellt, dass der Bescheinigung über das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuches u.a. beigefügt ist ein Schreiben des vermeintlichen Hauptgläubigers vom 3. Januar 2001, wonach er keine Ansprüche mehr gegen den Schuldner geltend macht, da das Darlehen von einer anderen Bank abgelöst wurde und Kreditnehmer nunmehr die Lebensgefährtin des Schuldners ist.
Anders als in dem Beschluss vom 19.11.1999 - 74 IK 40/99 -\ (NZI2000, 92, 94) hat das Insolvenzgericht die Prozesskostenhilfe nicht insgesamt abgelehnt, sondern nur für den vorliegenden Verfahrensabschnitt des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens gem. §§ 305 ff InsO. Grundsätzlich ist über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für jeden Verfahrensabschnitt gesondert zu entscheiden. Ein Versagugnsgrund gem. § 290 InsO, der auch eine Restschuldbefreiung ausschließen würde, liegt im vorliegenden Fall nicht vor.
Der Schuldner hat angegeben, dass bei Versagung von Prozesskostenhilfe das Verfahren in jedem Fall durchgeführt werden soll. Deshalb hat das Insolvenzgericht ihm aufgegeben, innerhalb einer Frist einen Kostenvorschuss einzuzahlen. Innerhalb derselben Frist kann der Schuldner auch ein geändertes Gläubigerverzeichnis und einen geänderten Schuldenbereinigungsplan vorlegen. Geht kein Kostenvorschuss ein, wird das Insolvenzgericht die im Beschluss vom 28.05.2001 angeordneten Sicherungsmaßnahmen gem. §§ 306 Abs. 2, 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO aufheben.