Landgericht Stade
Urt. v. 29.12.2004, Az.: 5 O 312/04

Verletzung der Beratungspflichten eines Steuerberaters; Durchsetzbarkeit eines Schadensersatzanspruchs; Eintritt der Verjährung; Anwendbarkeit der dreijährigen Verjährungsfrist des § 68 Steuerberatungsgesetz (StBerG)

Bibliographie

Gericht
LG Stade
Datum
29.12.2004
Aktenzeichen
5 O 312/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 35609
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGSTADE:2004:1229.5O312.04.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Celle - 15.06.2005 - AZ: 3 U 25/05
BGH- 18.09.2008 - AZ: IX ZR 124/05

Fundstellen

  • DStR 2005, 11
  • DStR 2005, 495 (Volltext mit amtl. LS)
  • DStRE 2005, 680
  • StuB 2005, 563

Die 5. Zivilkammer des Landgerichts Stade hat
auf die mündliche Verhandlung vom 08.12.2004
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Mitglied des Beklagten. Der Beklagte hat den Kläger und dessen Eltern durch seine Steuerabteilung ständig beraten und auch in steuerlicher Hinsicht vertreten.

2

Seit Oktober 1995 kam es zu Beratungsgesprächen zwischen dem Kläger und dessen Eltern einerseits und den beim Beklagten tätigen Steuerberatern andererseits, deren Gegenstand die beabsichtigte Hofübergabe durch die Eltern des Klägers an den Kläger war. Im Hinblick auf die geplante Hofübergabe legte der Kläger, der den Hof in bereits etwa vier Jahre im Rahmen eines Pachtvertrages bewirtschaftete, aber ein eigenes Haus in bewohnte, Wert darauf, auch in ein eigenes Haus zu haben. Die bei dem Beklagten tätigen Steuerberater prüften daraufhin verschiedene Möglichkeiten, auf welche Weise die beste steuerliche Gestaltung realisiert werden könnte, insbesondere den Bau eines Altenteilerhauses und den Umbau des alten Betriebsleiterhauses. Der Beklagte empfahl, das neue Haus auf den Namen des Klägers zu bauen, den Bauantrag aber erst nach dem 31.12.1995 zu stellen, weil dann das neue Eigenheimzulagengesetz gelte. Diesem Rat folgend beauftragte der Kläger den Beklagten, beim Entwurf des Hofübergabevertrages zu berücksichtigen, dass der Kläger für den Neubau des Hauses in den Genuss der Förderung nach dem Eigenheimzulagengesetz gelange. Der vom Beklagten entworfene Hofübergabe-, Altenteils- und Abfindungsvertrag (Anlage K 1), auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, wurde am 06.04.1996 notariell beurkundet.

3

Seit dessen Fertigstellung Anfang 1997 wohnen die Eltern des Klägers in dem Wohnhaus. Das Finanzamt gewährte dem Kläger zunächst die Eigenheimzulage, allerdings ohne Kinderzulage. Wegen der Nichtgewährung der Kinderzulage legte der Kläger auf Anraten der beim Beklagten tätigen Steuerberater Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren hob das Finanzamt den Eigenheimzulagebescheid insgesamt auf, weil es zu der Rechtsansicht gelangt war, dass das neu errichtete Wohnhaus von den Eltern des Klägers nicht unentgeltlich, sondern aufgrund vorbehaltenen Wohnrechts genutzt werde. Der Einspruchsbescheid ging am 23.06.1998 beim Beklagten ein, wovon dieser den Kläger unmittelbar in Kenntnis setzte und gleichzeitig darauf hinwies, dass der Kläger Schadensersatzansprüche gegen ihn geltend machen müsse, wenn er der Auffassung sei, dass der Beklagte seine Verpflichtungen im Rahmen der steuerlichen Beratung verletzt habe. Eine vom Kläger beim Niedersächsischen Finanzgericht eingereichte Klage wurde durch Urteil vom 15.08.2001 (Anlage K 2), auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, abgewiesen. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wurde vom Bundesfinanzhof durch Beschluss vom 26.06.2002 (Anlage K 3), auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, zurückgewiesen.

4

Der Kläger forderte den Beklagten mit Schreiben vom 14.01.2003 (Anlage K 4), auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, erfolglos zur Leistung von Schadensersatz wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung auf und führte zur Begründung aus, dass die Eigenheimzulage gewährt worden wäre, wenn § 4 a des Hofübergabe-, Altenteils- und Abfindungsvertrages vom 06.04.1996 inhaltlich anders formuliert und dementsprechend durchgeführt worden wäre.

5

Der Kläger vertritt die Ansicht, dass § 68 StBerG vorliegend nicht anwendbar sei, so dass eine dreißigjährige Verjährungsfrist gelte. Die beim Beklagten angestellten Steuerberater hätten die dem Beklagten obliegenden Beratungspflichten grob verletzt. Dadurch sei ihm ein Schaden in Höhe eines Betrages von 40.779,33 EUR entstanden, der sich aus der entgangenen Eigenheimzulage von 38.858,18 EUR und den Gerichtskosten für den Prozess vor dem Niedersächsischen Finanzgericht und dem Bundesfinanzhof von insgesamt 1.921,15 EUR zusammensetze.

6

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 40.779,33 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.01.2003 zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung und ist der Auffassung, dass vorliegend die dreijährige Verjährungsfrist des § 68 StBerG gelte. Weiterhin ist er der Ansicht, dass keine Verletzung der Steuerberaterpflichten vorliege.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen mit Ausnahme der Schriftsätze des Beklagten vom 14.12.2004 und des Klägers vom 19.12.2004, soweit diese neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel enthalten.

Entscheidungsgründe

10

Die Klage ist nicht begründet.

11

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 40.779,33 EUR.

12

Ein entsprechender durchsetzbarer Schadensersatzanspruch steht dem Kläger gegen den Beklagten nicht zu. Dabei kann mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen, ob dem Beklagten eine Verletzung der ihm obliegenden steuerlichen Beratungspflichten vorzuwerfen ist oder nicht und ob und gegebenenfalls in welcher Höhe dem Kläger dadurch ein Schaden entstanden ist. Maßgeblich ist vorliegend allein, dass der Beklagte gemäß § 222 I BGB a.F., der vorliegend gemäß Art. 229 §§ 5 und 6 EGBGB anwendbar ist, weil das Schuldverhältnis der Parteien vor dem 01.01.2002 entstanden ist, berechtigt ist, die Leistung von Schadensersatz zu verweigern, weil die Verjährung vollendet ist.

13

Der Verjährungsfrist für den Streitgegenstand liehen Schadensersatzanspruch des Klägers beträgt gemäß § 68 StBerG drei Jahre. Nach § 68 StBerG verjährt der Anspruch des Auftraggebers auf Schadenersatz aus dem zwischen ihm und dem Steuerberater bestehenden Vertragsverhältnis in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist. Diese Verjährungsregelung ergreift auch den vorliegend geltend gemachten Schadensersatzanspruch des Klägers. Dabei kann offen bleiben, ob dies aufgrund einer direkten oder einer analogen Anwendung des § 68 StBerG der Fall ist. Die Verjährung soll sich nach möglichst einfachen, klaren, leicht zu handhabenden und damit weitgehend formalen Merkmalen bestimmen. Das ist der Fall, wenn für die Verjährung daran angeknüpft wird, ob die Tätigkeit, aus der der Schadensersatzanspruch herzuleiten ist, von einem Rechtsanwalt, einem Steuerberater oder einem Wirtschaftsprüfer innerhalb der von ihrem jeweiligen Berufsbild gezogenen Grenzen ausgeübt und die Verjährungsfrist dann der jeweils maßgebenden Berufsordnung entnommen wird (vgl. BGHZ 335, 345). Ausgehend von diesem Grundsatz und dem Sinn und Zweck des § 68 StBerG ergreift dessen dreijährige Verjährungsfrist auch den streitgegenständlichen Schadensersatzanspruch des Klägers. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass das Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger als Auftraggeber und dem Beklagten als Auftragnehmer bestand und es sich daher nicht um ein Vertragsverhältnis zwischen Auftraggeber und Steuerberater im Sinne des Wortlauts des § 68 StBerG handelte. Entscheidend ist vorliegend jedoch, dass die Tätigkeit, aus der der Schadensersatzanspruch herzuleiten ist, von einem Steuerberater innerhalb der von seinem Berufsbild gezogenen Grenzen ausgeübt wurde, so dass es sachlich gerechtfertigt erscheint, die Verjährungsfrist der maßgebenden Berufsordnung, hier § 68 StBerG, zu entnehmen. Unstreitig ist der Kläger durch die bei dem Beklagten angestellten Steuerberater in steuerlicher Hinsicht bei der Gestaltung des Hofübergabe-, Altenteils- und Abfindungsvertrages vom 06.04.1996 beraten worden. Dementsprechend nimmt der Kläger gegenüber dem Beklagten auch zutreffend die umfassenden Beratungs- und Belehrungspflichten eines Steuerberaters für sich in Anspruch und leitet aus einer Verletzung dieser umfassenden Verpflichtungen des Steuerberaters den streitgegenständlichen Schadensersatzanspruch her. Auf der anderen Seite muss der Kläger dann jedoch auch die mit diesen umfassenden vertraglichen Verpflichtungen eines Steuerberaters korrespondierende dreijährige Verjährungsfrist des § 68 StBerG gegen sich gelten lassen.

14

Die vom Kläger zitierte Rechtsauffassung von Göhre (Steuerberatungsgesetz, 4. Auflage 1999, § 68 Rdnr. 4) führt nicht zu einer anderen Beurteilung, insbesondere weil sie nicht begründet wird. Zudem ist der dortige Verweis auf "§ 25 Abs. 2 Satz 3" StBerG für Lohnsteuerhilfevereine nicht nachvollziehbar. § 25 III StBerG regelt ausdrücklich, dass die dreijährige Verjährungsfrist des § 68 StBerG für Lohnsteuerhilfevereine (vgl. § 4 Nr. 11 StBerG) entsprechend gilt, wodurch die frühere Rechtsprechung (OLG München MDR 1988, 142 [OLG München 03.11.1987 - 13 U 5194/87]) überholt ist. Andererseits rechtfertigt die nachträglich durch das 5. StBerÄG eingefügte Regelung des § 68 III StBerG nicht im Umkehrschluss, dass Schadensersatzansprüche gegen andere gemäß § 4 StBerG zur beschränkten Hilfeleistung in Steuersachen befugte Personen und Vereinigungen den allgemeinen Verjährungsfristen unterliegen, weil für diese eine entsprechende Regelung fehlt. Vielmehr zeigt die Regelung in § 25 III StBerG, dass ein sachlicher Grund vorliegt, jedenfalls auch im Fall von Steuerberatungsleistungen durch den Beklagten die dreijährige Verjährungsfrist des § 68 StBerG anzuwenden. Eine Differenzierung zwischen Lohnsteuerhilfevereinen und dem Beklagten erscheint sachlich nicht gerechtfertigt.

15

Der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.06.1984 (DB 1984, 1920) zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht hinreichend vergleichbar. Während es dort um die Differenzierung der Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen Anlagevermittler, die Steuerberater sind und als solche beraten haben, einerseits und gegen Anlagevermittler, die keine Steuerberater sind, andererseits ging, geht es vorliegend um die Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen den Beklagten wegen fehlerhafter Beratung durch Steuerberater, die auch als solche den Kläger für den Beklagten beraten haben. Das zum Schadensersatz verpflichtende Fehlverhalten ist dementsprechend der Berufstätigkeit als Steuerberater zuzurechnen. Bei der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 06.11.1980 (BGHZ 78, 335 ff.) geht es um Schadensersatzansprüche aus fehlerhafter Steuerberatung gegen einen Wirtschaftsprüfer, der nicht zugleich Steuerberater ist, so dass auch der dortige Sachverhalt mit dem vorliegenden nicht hinreichend vergleichbar ist.

16

II.

Die nicht nachgelassenen Schriftsätze des Beklagten vom 14.12.2004 und des Klägers vom 19.12.2004 sind gemäß § 296 a ZPO verspätet, soweit diese neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel enthalten, und gaben keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

17

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 709,108 I 2 ZPO.