Landgericht Stade
Beschl. v. 09.12.2004, Az.: 7 T 189/04

Festsetzung der Vergütung eines Insolvenzverwalters; Gesamtwürdigung der Rahmenbedingungen eines Insolvenzverfahrens zur Festsetzung einer Vergütung; Kürzung der Auslagenpauschale eines Insolvenzverwalters

Bibliographie

Gericht
LG Stade
Datum
09.12.2004
Aktenzeichen
7 T 189/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 38375
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGSTADE:2004:1209.7T189.04.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Tostedt - 11.08.2004 - AZ: 20 IN 72/01
nachfolgend
BGH - 23.03.2006 - AZ: IX ZB 20/05

In der Insolvenzsache
hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Stade
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht H. Voß als Einzelrichter
am 09.12.2004
beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Tostedt vom 11.08.2004 dahin geändert, dass die Vergütung des Insolvenzverwalters festgesetzt wird auf

6.654,06 EUR (i.W.: sechstausendsechshundertvierundfünfzig 06/100 EUR).

Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegner je zu 1/2.

Beschwerdewert: 4.436,04 EUR

Gründe

1

Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den ebenso wie auf den übrigen Akteninhalt zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts die Vergütung des Insolvenzverwalters antragsgemäß auf 8.872,07 EUR festgesetzt. Sie ist dabei von der Regelvergütung gem. § 2 InsVV und einer Verfahrensdauer von mindestens 30 Monaten ausgegangen.

2

Dagegen richtet sich die gemäß §§ 11 Abs. 1 RpflG, 64 Abs. 3 InsO zulässige, insbesondere rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde der Geschäftsführerin der Schuldnerin. Diese macht geltend, das Verfahren sei angesichts der geringen Zahl von lediglich fünf Gläubigern und des insgesamt sehr geringen Arbeitsaufwandes des Insolvenzverwalters als weit unterdurchschnittlich einzustufen, so dass die Regelvergütung um 50 % zu kürzen sei. Ferner beruhe die lange Verfahrensdauer im wesentlichen darauf, dass der Insolvenzverwalter das Verfahren sachwidrig in die Länge gezogen und überflüssig die von dem Mitgesellschafter ... geschuldete Stammeinlage von 1.000 EUR eingeklagt habe, obwohl diese bereits von ihr gezahlt worden sei. Eine Auslagenpauschale könne deshalb lediglich für 2 Jahre in Höhe von 991,45 EUR netto bewilligt werden.

3

Der Beschwerdegegner ist der sofortigen Beschwerde entgegen getreten. Das Amtsgericht hat ihr nicht abgeholfen.

4

Die sofortige Beschwerde ist zum Teil begründet.

5

Die Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters richtet sich nach den §§ 63 ff. InsO in Verbindung mit der InsVV in der Fassung vom 13.12.2001, da das Insolvenzverfahren bereits am 18.01.2002 eröffnet worden ist, § 19 InsVV in der Fassung vom 04.10.2004 (BGBl. I, 2569).

6

Das Amtsgericht ist zunächst zutreffend von einer Insolvenzmasse von 14.163,60 EUR ausgegangen, die sich aus dem Schlussbericht und der Schlussrechnung des Insolvenzverwalters vom 25.07.2004 nachvollziehbar ergibt, § 1 InsVV. Es hat auf dieser Grundlage die Regelvergütung gem. § 2 InsVV zutreffend mit 5.665,44 EUR errechnet. Zu Unrecht hat das Amtsgericht jedoch davon abgesehen, von dieser Regelvergütung keine Abschläge gem. § 3 Abs. 2 InsVV vorzunehmen. Zwar liegt keiner der dort genannten Regelfälle vor. Es besteht jedoch Einigkeit darin, dass die vorgenannte Bestimmung keine abschließende Aufzählung der Fälle enthält, bei denen die Vornahme eines Abschlages von der Regelvergütung gerechtfertigt ist, sondern in ihr nur Beispielsfälle aufgezählt sind, bei deren Vorliegen regelmäßig ein Abschlag vorzunehmen ist. Die in Abs. 2 bezeichneten Beispiele können deshalb auch als Maßstab herangezogen werden, wenn es um die Bewertung einer aus anderen Gründen unterdurchnittlichen Tätigkeit des Verwalters geht. Insbesondere aus Abs. 2 d) ist herzuleiten, dass ein Abschlag grundsätzlich - auch unabhängig von dem Umfang der Masse - in Betracht kommt, wenn die tatsächliche Geschäftsführung nur geringe Anforderungen an den Verwalter gestellt hat.

7

Ein solcher Fall liegt hier vor. Dem Verwalter oblag lediglich die Prüfung einer angeblichen Forderung der Schuldnerin, von der im übrigen von Anfang an bekannt war, dass ihr der Nichterfüllungseinwand gegenüber stand, und die ausweislich des 3. Verwalterberichts vom 13.04.2003 bereits frühzeitig ausgebucht, also als nicht werthaltig behandelt worden ist. Ein besonderer Prüfungsaufwand war damit nicht verbunden, zumal der Verwalter nach eigenem Vortrag bis zu diesem Zeitpunkt nicht im Besitz der Geschäftsunterlagen der Schuldnerin war, sich um deren Beschaffung aber auch nicht intensiv bemüht hat. Zu dem Anforderungsschreiben des Verwalters vom 30.10.2002 (Bl. 258 d.A.) hat die Beschwerdeführerin jedenfalls unwidersprochen vorgetragen, sie habe mit dem damaligen Mitarbeiter ... des Verwalters abgesprochen, dass dieser die verlangten Unterlagen von der Steuerberaterin der Schuldnerin abhole, was tatsächlich erst im Frühjahr 2004 geschehen sei.

8

Es waren lediglich vier Gläubiger vorhanden; weitere zwei Gläubiger haben Forderungen nachträglich angemeldet. Die Forderungen sind vom Verwalter fast ausnahmslos bestritten und von den Gläubigern dann, soweit ersichtlich, nicht weiter verfolgt worden, so dass damit für den Verwalter nur ein weit unterdurchschnittlicher Arbeitsaufwand verbunden war.

9

Die zum Zeitpunkt der Eröffnung nicht eingezahlte restliche Stammeinlage in Höhe von 12.217,70 EUR hat die Beschwerdeführerin ausweislich des 2. Verwalterberichts vom 25.10.2002 bereits im Jahre 2002 an die Masse bezahlt. In diesem Betrag enthalten ist auch der auf den Gesellschafter ... entfallene Anteil der Stammeinlage von 1.000 EUR. Demgemäß hatte der Verwalter mit der Verwertung der Forderung gegen die Beschwerdeführerin schon frühzeitig nichts mehr zu tun.

10

Auch die Anfechtung einer vor Eröffnung des Verfahrens geleisteten Zahlung von 1.022,59 EUR an das Finanzamt verlief völlig problemlos und führte zur Realisierung bereits im Jahre 2002 durch freiwillige Rückzahlung.

11

Der einzige Grund für die Fortführung des Insolvenzverfahrens bis zum Schlusstermin vom 19.10.2004 war das Bemühen der Verwertung einer Anfechtungsforderung gegen den Gesellschafter wegen des Verkaufs eines zur Masse gehörenden PKW und der Forderung auf Zahlung der Stammeinlage. Wegen beider Forderungen hat der Verwalter Klage erhoben und Titel erwirkt. Die Vollstreckungsbemühungen verliefen bis auf Teilzahlungen von insgesamt 167,80 EUR erfolglos und wurden eingestellt, nachdem der Gesellschafter die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat (5. Verwalterbericht, Bl. 125 d.A.).

12

Ob es tatsächlich erforderlich war, die Forderung auf Einzahlung der Stammeinlage gegen den Gesellschafter einzuklagen, bedarf letztlich keiner Entscheidung, weil dadurch die Beendigung des Verfahrens nicht hinausgezögert worden ist.

13

Das Verfahren weicht in der Gesamtwürdigung der dargestellten Rahmenbedingungen Von einem durchschnittlichen Insolvenzverfahren derart nach unten ab, dass ein Abschlag von der Regelvergütung grundsätzlich gerechtfertigt erscheint. Dabei ist berücksichtigt worden, dass auch die Insolvenzmasse als Berechnungsgrundlage für die Vergütung verhältnismäßig gering ist und das Verfahren nahezu drei Jahre angedauert hat. Beide Gesichtspunkte sind jedoch nicht geeignet, die genannten Abschlagsgründe vollständig zu kompensieren. Zum einen muss beachtet werden, dass wegen der geringen Höhe der Masse der Berechnungsfaktor gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 InsVV mit 40 % in vollem Umfang zum Tragen kommt. Zum anderen wird die lange Verfahrensdauer bereits bei der Bemessung der Auslagenpauschale (s.u.) hinreichend berücksichtigt. Bei der Neufassung des Abs. 2 des § 2 InsVV hat der Verordnungsgeber unter Beachtung der vom BVerfG und vom BGH entwickelten Grundsätze für die Bemessung der Mindestvergütung wesentlich auf die Zahl der Gläubiger abgestellt und danach die Vergütung gestaffelt. Dieser Aspekt hat auch vor Inkrafttreten der Neufassung der InsVV erhebliche Bedeutung, weil dieser regelmäßig ein bedeutsamer Indikator für den Tätigkeitsumfang des Verwalters ist. In diesem wie auch in allen übrigen Indikatoren (z.B. Verwertungsaufwand, Forderungshöhe) bewegt sich das Verfahren im deutlich unterdurchschnittlichen Bereich. Das Beschwerdegericht hält deshalb einen Abschlag von 25 % für sachgerecht.

14

Hingegen kommt eine Kürzung der Auslagenpauschale nicht in Betracht. Die Dauer des Verfahrens war, wie ausgeführt, im wesentlichen von der Verwertung der Forderungen gegen den Gesellschafter abhängig. Dass der Verwalter insoweit den Klageweg beschriften und die Vollstreckung eingeleitet hat, kann ihm nicht vorgeworfen werden. Die Beschwerdeführerin selbst hätte das Verfahren ggf. dadurch erheblich abkürzen können, dass sie auf die Rückzahlung des von ihr gezahlten Stammeinlageanteils des Gesellschafters verzichtete und den Anfechtungsanspruch der Masse - ggf. gegen Abtretung der Forderung - befriedigte. Der Verwalter hatte keinen Anlass, eine derartige Verfahrensweise aktiv herbeizuführen oder zu fördern, zumal die aus der Abkürzung des Verfahrens sich ergebenden Vorteile für die Gläubiger nicht sonderlich hoch gewesen wären.

15

Da der Beschwerdegegner gem. § 8 Abs. 3 InsVV zulässigerweise anstelle der ihm tatsächlich entstandenen Auslagen einen Pauschsatz geltend macht, der hier 35 % der durch den Abschlag korrigierten Regelvergütung ausmacht, kommt eine Herabsetzung mit der Begründung, der tatsächliche Aufwand sei geringer gewesen, nicht in Betracht. Insgesamt steht dem Beschwerdegegner damit die nachfolgend berechnete Vergütung zu:

Nettovergütung gem. §§ 2, 3 InsVV4.249,08 EUR
darauf 16 % Umsatzsteuer679,85 EUR
Auslagen gem. § 8 Abs. 3 InsVV1.487,18 EUR
darauf 16 % Umsatzsteuer237,95 EUR
Summe:6.654,06 EUR
16

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

17

Der Beschwerdewert ergibt sich aus § 3 ZPO (Differenz zwischen der vom Amtsgericht festgesetzten und der von der Beschwerdeführerin vorgestellten Vergütung).

H. Voß