Landgericht Stade
Urt. v. 01.06.2004, Az.: 1 S 24/04

Bibliographie

Gericht
LG Stade
Datum
01.06.2004
Aktenzeichen
1 S 24/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 42809
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGSTADE:2004:0601.1S24.04.0A

Amtlicher Leitsatz

Wer bei einem Verkehrsunfall einen Schaden erleidet, muss sich bei der Wahl zwischen Anschaffung eines neuen und Reparatur des alten Fahrzeugs grundsätzlich für den wirtschaftlich günstigsten Weg entscheiden.

Gründe

1

Am Unfalltag kam es zu einem Auffahrunfall, bei dem das Fahrzeug des Versicherungsnehmers der Beklagten sowie der Pkw des Klägers kollidierten. Die Haftung der Beklagten zu 100% ist unstreitig.

2

Die Reparaturkosten betrugen einschließlich Mehrwertsteuer 7.772,45 € (6.700,00 € netto). Der merkantile Minderwert wurde mit 750,00 € bemessen.

3

Der Wiederbeschaffungswert betrug 13.5000,00 € brutto (11.637,93 € netto). Der Restwert belief sich auf 6.800,00 €.

4

Der Kläger entschied sich für eine Ersatzbeschaffung und gab sein beschädigtes Fahrzeug in Zahlung. Die Beklagte zahlte dem Kläger daraufhin den Nettowiederbeschaffungswert abzgl. Restwert in Höhe von 4.837,93 €. Im Verlauf des Rechtsstreits zahlte die Beklagte aufgrund des tatsächlich erfolgten Erwerbs eines Ersatzfahrzeugs noch die auf den Wiederbeschaffungswert entfallende Mehrwertsteuer in Höhe von 1.862,07 €.

5

Der Kläger verlangte mit seiner Klage den Differenzbetrag zwischen dem von der Beklagten gezahlten Betrag und den fiktiven Bruttoreparaturkosten zzgl. Wertminderung (750,00 €) und Kostenpauschale (20,00 €).

6

Das Amtsgericht gab der Klage teilweise statt und führte zur Begründung aus, dass der Kläger das Wahlrecht zwischen Reparaturkosten und Ersatzbeschaffung habe. Dementsprechend könne der Kläger die Nettoreparaturkosten in Höhe von 6.700,39 € abzgl. insgesamt gezahlter 6.695,00 € verlangen (= 5,39 €). Darüber hinaus könne der Kläger auch den merkantilen Minderwert verlangen. Schließlich stehe dem Kläger die allgemeine Kostenpauschale zu.

7

Hiergegen richtete sich die Berufung der Beklagten, die die Auffassung vertrat, dass der Kläger durch die vom Gericht vorgenommene Art der Abrechnung über den tatsächlich erlittenen Schaden hinaus bereichert werde.

8

In seinem Berufungsurteil hat das Landgericht Stade ausgeführt:

9

Bei der Frage der Schadensbeseitigung ist der Geschädigte regelmäßig verpflichtet, den wirtschaftlich günstigsten Weg zu wählen (vgl. BGH, NJW 1992, 1618-1620; OLG Frankfurt, OLGR Frankfurt 1998, 355-356; OLG Schleswig, RuS 1997, 461-462; OLG Hamm, Schaden-Praxis 1996, 205-207; OLG Koblenz, NZV 1995, 355-356). Dabei steht es ihm zwar frei, ob er sich für eine Reparatur oder eine Ersatzbeschaffung entscheidet. Wenn die Kosten für die Reparatur die der Ersatzbeschaffung aber übersteigen, kann er die Reparaturkosten lediglich bis zur Höhe der Ersatzbeschaffungskosten geltend machen (vgl. BGH, a.a.O.).

10

Dieser Grundsatz erfährt nur dann eine Ausnahme, wenn aufseiten des Geschädigten ein sog. Integritätsinteresse zum Tragen kommt, weil dieses bei einer Reparatur eines jedenfalls privat genutzten Fahrzeugs regelmäßig in stärkerem Maße befriedigt wird als bei einer Ersatzbeschaffung (vgl. BGH, VersR 1992, 61-64). Die Grenze für die Befriedigung des Integritätsinteresses wird dabei vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung bei 130% der Kosten einer Ersatzbeschaffung angesetzt (vgl. BGH a.a.O.).

11

Voraussetzung hierfür ist aber stets, dass aufseiten des Geschädigten auch tatsächlich ein Integritätsinteresse, also ein schützenswertes Interesse am Erhalt und damit der Reparatur seiner beschädigten Sache besteht, welches regelmäßig durch die Tatsache einer Reparatur zum Zwecke des anschließenden Gebrauchs nachzuweisen ist (vgl. BGH a.a.O.; OLG Düsseldorf, Schaden-Praxis 1998, 390-392; Thüringer Oberlandesgericht, OLGR Jena 1998, 15-16; OLG Hamm, NZV 1997, 441-442; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, RuS 1997, 461-462; OLG Düsseldorf, NZV 1997, 355-357; OLG Köln, Schaden-Praxis 1996, 315-317). In allen anderen Fällen bleibt es hingegen bei der Verpflichtung des Geschädigten, den wirtschaftlich günstigsten Weg zu wählen.