Landgericht Stade
Urt. v. 12.12.2004, Az.: 6 O 203/03
Bibliographie
- Gericht
- LG Stade
- Datum
- 12.12.2004
- Aktenzeichen
- 6 O 203/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 42815
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGSTADE:2004:1212.6O203.03.0A
Amtlicher Leitsatz
Kommt es aufgrund starker Regenfälle im gesamten Gebiet einer Gemeinde zu Straßenschäden, ist es nicht zu beanstanden, wenn sich die Gemeinde zunächst auf die Ausbesserung der Hauptverkehrsstraßen beschränkt. Stürzt ein Passant in einer Nebenstraße aufgrund des schlechten Straßenzustandes, haftet die Gemeinde nicht.
Tatbestand:
Am 09.08.2002 stürzte die Klägerin gegen 11.50 Uhr auf der öffentlichen Zuwegung "A. d. W." in B. Hierbei handelt es sich um einen mit Sand befestigten Fußweg für Anlieger, der sich vor dem Haus der Klägerin befindet. In den Wochen vor dem Unfall war dieser Weg durch extreme Regenfälle ausgewaschen und wies nunmehr tiefe Risse und Löcher auf. Durch den Sturz erlitt die Klägerin einen beiderseitigen Bänderriss und war für 14 Tage krankgeschrieben. Die weitere Behandlung der Klägerin dauerte 6 Wochen. Die Klägerin begehrte insoweit Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld von der beklagten Gemeinde.
Die Klägerin war der Ansicht, dass die Beklagte als Inhaberin der Straßenbaulast ihre Amtspflichten verletzt habe, indem sie den Weg nicht in einem gefahrlosen Zustand gehalten habe. Infolge der schweren Regenfälle hätte sie den Weg observieren, den vorhandenen Zustand feststellen und Maßnahmen ergreifen müssen, etwa durch Auffüllen der extremen Vertiefungen mit Bauschutt oder Kieselsteinen. Durch ihre Untätigkeit habe sie die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt.
Die Beklagte war der Ansicht, dass die Klägerin keinen Anspruch auf einen bestimmten Ausbauzustand des Weges habe. Infolge der extremen Witterungsverhältnisse hätten die Schäden an dem streitbefangenen Weg, der von untergeordneter Verkehrsbedeutung sei, nicht sogleich beseitigt werden können, da vorrangig erst Hauptverkehrswege instand gesetzt werden mussten. Im Übrigen warne die Gefahrenstelle infolge der deutlich erkennbaren Unebenheiten vor sich selbst, so dass die Klägerin als sorgfältige Benutzerin des Weges die Gefahr auch hätte erkennen müssen.
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Gründe
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld aus §§ 831, 847 BGB i.V.m. Artikel 34 Grundgesetz. Die Beklagte hat ihre Amtspflichten als Trägerin der Straßenbaulast hinsichtlich des streitbefangenen Weges nicht verletzt. Die öffentlich-rechtlich gestaltete Amtspflicht zur Sorge für die Verkehrssicherheit entspricht inhaltlich der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (vgl. BGHZ 60,54 f). Ihr Umfang wird von der Art und Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges bestimmt. Sie umfasst die notwendigen Maßnahmen zur Herbeiführung und Erhaltung eines für die Straßenbenutzung hinreichenden sicheren Straßenzustandes (vgl. BGH in Versicherungsrecht 1979, 1055).
Grundsätzlich muss sich der Straßenbenutzer allerdings den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Der Verkehrssicherungspflichtige muss in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (BGH in Versicherungsrecht, am angegebenen Ort). Ausgehend von diesen Grundsätzen lässt sich in der nachrangigen Behandlung der Reparaturarbeiten für den streitbefangenen Weg eine Verkehrssicherungsverletzung nicht erkennen. Der Fußweg war als reiner Anliegerweg von untergeordneter Verkehrsbedeutung, so dass es nicht zu beanstanden ist, wenn die Beklagte infolge der extremen Witterungsverhältnisse im gesamten Ort zunächst die Hauptverkehrswege instand setzte.
Im Übrigen entfallen die Ansprüche der Klägerin auch wegen ihres überwiegenden Mitverschuldens insgesamt. Die von ihr gerügten Gefahren auf dem Weg sind ausweislich der von ihr selber gefertigten und zur Akte gereichten Lichtbilder deutlich zu erkennen. Es war somit Sache der Klägerin, diese Gefahrenquellen nicht nur wahrzunehmen, sondern sich auf sie einzustellen und diese gegebenenfalls zu umgehen. Die Klägerin musste sich über die Gefahren der deutlich sichtbaren Straßenunebenheiten auch bewusst sein, so dass sie den eingetretenen Schaden allein zu verantworten hat, wenn sie sich - wie geschehen - in den Gefahrbereich eigenverantwortlich hineinbegibt.