Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.04.2012, Az.: 2 LA 271/11

Voraussetzungen eines Anspruchs auf Befreiung von den Studienbeiträgen aufgrund der Durchführung eines in der Studienordnung vorgesehenen Betriebspraktikums von rund drei Monaten

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.04.2012
Aktenzeichen
2 LA 271/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 15241
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2012:0405.2LA271.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 09.08.2011 - AZ: 6 A 83/10

Fundstelle

  • NordÖR 2012, 565

Amtlicher Leitsatz

Die Durchführung eines in der Studienordnung vorgesehenen Betriebspraktikums von rund drei Monaten Dauer in der Zeit von Februar bis Mai rechtfertigt nicht die Befreiung von den Studienbeiträgen gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 NHG a. F. (jetzt: § 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 NHG) wegen Absolvierung eines Studiensemesters.

Gründe

1

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (dazu 1.) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (dazu 2.) entweder nicht vorliegen oder bereits nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt worden sind.

2

1.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts Lüneburg sind nicht gegeben.

3

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind dann anzunehmen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren gewichtige gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist dann der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt werden (BVerfG, Beschl. v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 -, [...] Langtext Rdnr. 17; Beschl. v. 21.12.2009 - 1 BvR 812/09 -, NJW 2010, 1062 = [...] Langtext Rdnr. 16, jeweils m. w. N.).

4

Hiervon ausgehend bieten die von der Klägerin in der Begründung ihres Zulassungsantrages vorgebrachten Darlegungen gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu der Frage, ob der Befreiungstatbestand des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 NHG a. F. (nunmehr unverändert § 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 NHG) ist, keinen Anlass, die Berufung unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zuzulassen.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Klage der Klägerin mit dem Ziel, sie wegen der in dem Zeitraum vom 8. Februar bis 2. Mai 2010 erfolgten Durchführung eines Praktikums bei einer Firma in C. von dem Studienbeitrag in Höhe von 500 EUR für das Sommersemester 2010 zu befreien, mit der Begründung abgewiesen, zum einen seien die Voraussetzungen des Befreiungstatbestandes des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 NHG a. F. weder in zeitlicher noch in inhaltlicher Hinsicht gegeben, weil die Klägerin ein praktisches Studiensemester nicht absolviert habe. Denn sie sei aufgrund des am 2. Mai 2010 beendeten Praktikums, welches sie in der Praxisphase des nach der Rahmenprüfungsordnung möglichen kombinierten Praxisobjekts absolviert habe, nicht gehindert gewesen sei, in der restlichen Zeit des am 30. September 2010 endenden Sommersemesters 2010 noch Dienstleistungen und Betreuungskapazitäten der Hochschule in Form etwa von Vorlesungen, Seminaren und Übungen in Anspruch zu nehmen, zumal die Vorlesungszeit erst Mitte Juli 2010 geendet habe und andere Veranstaltungen der Beklagten auch während der vorlesungsfreien Zeit angeboten würden. Zudem habe für die Klägerin nach Beendigung des Praktikums während des noch laufenden Sommersemesters 2010 die Möglichkeit bestanden, die Einrichtungen der Beklagten für die Anfertigung ihrer Bachelor-Abschlussarbeit zu nutzen. Ungeachtet dessen habe die Beklagte unbestritten vorgetragen, dass selbst während des Praxisobjekts Leistungen der Hochschule in Anspruch genommen würden, weil die Studierenden in dieser Zeit von einem Dozenten betreut würden und sie einen zu bewertenden Leistungsnachweis in Form eines Praxisberichts, einer Projektarbeit, eines Referats oder einer Hausarbeit zu erbringen hätten. Zum anderen seien auch die Voraussetzungen für einen Erlass der Studienbeiträge gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 NHG wegen einer unbilligen Härte nicht gegeben, zumal die Frage, ob ein Studierender, der außerhalb des Hochschulbetriebs ein Praktikum absolviere, Studienbeiträge entrichten müsse, abschließend in § 11 Abs. 3 Satz 1 NHG a. F. geregelt sei.

6

Die Einwände der Klägerin in der Begründung ihres Zulassungsantrages, die sich auf die Frage des Vorliegens des Befreiungstatbestandes des § 11 Abs. 3Satz 1 Nr. 6 NHG a. F. beschränken, greifen nicht durch. Die Studienbeiträge knüpfen an den Status des Studierenden an und sind eine Gegenleistung für die von Hochschule in diesem Rechtsverhältnis bereit gestellten Ausbildungsleistungen, ohne dass es darauf ankommt, ob und in welchem Umfang der Studierende das Studienangebot auch tatsächlich nutzt. Der Senat braucht anlässlich dieses Falles nicht im Einzelnen der Frage nachzugehen, welchen zeitlichen Umfang das absolvierte Praktikum umfassen muss, um als praktisches Studiensemester im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 NHG a. F. anerkannt werden zu können. Die Klägerin hatte ihr Betriebspraktikum bereits am 2. Mai 2010 beendet, sodass sie in der Folgezeit bis zum Ende der Vorlesungen Mitte Juli 2010 und noch darüber hinaus bis zum Ende des Sommersemesters 2010 am 30. September 2010 - mithin über einen Zeitraum von zweieinhalb bzw. fünf Monaten - die Ausbildungsleistungen der Beklagten hat in Anspruch nehmen können. Bereits dieser nicht unerhebliche zeitliche Umfang reicht hin, um den abgabenbegründenden Tatbestand des § 11 Abs. 1 NHG zu erfüllen und begründet somit die sachliche Rechtfertigung für die Erhebung der Abgabe für das gesamte Semester.

7

Ungeachtet dessen hat die Beklagte von der Klägerin unwidersprochen vorgetragen, dass diese auch während der Praxisphase und damit während des Betriebspraktikums ihre, der Beklagten, Dienstleistungen und Betreuungskapazitäten in Anspruch genommen hat, da sie in dieser Zeit von einem bestimmten Dozenten betreut worden ist und die begleitende Veranstaltung "Praxisobjekt" in Gestalt eines Praxisberichts, einer Projektarbeit, eines Referats oder einer Hausarbeit mit mindestens der Note 4,0 zu bestehen hatte. Zudem besteht nach dem ebenfalls unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten im Anschluss an dieses Praxisobjekt oder bereits währenddessen die Möglichkeit, die Bachelorarbeit zu schreiben mit der Folge, dass die Prüflinge erhebliche Betreuungskapazitäten des jeweiligen Prüfers und Dozenten in Anspruch nehmen.

8

Der Hinweis der Klägerin in diesem Zusammenhang auf den Tatbestand des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 NHG a. F. (nunmehr § 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 NHG), nach dem eine in der Studien- oder Prüfungsordnung vorgesehene Studienzeit im Ausland zur Befreiung von den Studiengebühren führt, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Bereits nach dem Gesetzeswortlaut, aber auch nach dem Inhalt handelt es sich um unterschiedliche Befreiungstatbestände, sodass die von der Klägerin vorgenommene Gleichsetzung dieser beiden Tatbestände nicht gerechtfertigt ist.

9

2.

Die Rechtssache hat auch nicht die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

10

Wird der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht, so kommt eine Zulassung nur dann in Betracht, wenn die Rechtssache in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich und fallübergreifender Klärung zugänglich ist sowie im Interesse der Rechtseinheit geklärt werden muss. Der Zulassungsantrag muss eine konkrete Frage aufwerfen, deren Entscheidungserheblichkeit erkennen lassen und (zumindest) einen Hinweis auf den Grund enthalten, der das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigen soll (vgl. Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, Stand: September 2011, § 124 Rn. 10).

11

Hieran gemessen ist es der Klägerin nicht gelungen, einen durchgreifenden, zur Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führenden Grund in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise darzulegen. Ihrem Antrag fehlt es bereits an der Herausarbeitung einer konkreten klärungsbedürftigen Frage. Soweit sie in diesem Zusammenhang zwei gleichgelagerte Fälle anführt, in denen die Beklagte jeweils eine Befreiung von den Studienbeiträgen gewährt habe, lässt ihr Vorbringen die Entscheidungserheblichkeit nicht erkennen, da - worauf bereits das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat - es eine sogenannte Gleichbehandlung im Unrecht nicht gibt, sodass die Beklagte mit anderen Worten nicht verpflichtet ist, den in den genannten Fällen gemachten Fehler im Fall der Klägerin zu wiederholen.