Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.04.2012, Az.: 11 LB 267/11
Anspruch des Tierarztes auf Ersatz seiner Aufwendungen aus Geschäftsführung ohne Auftrag für die tierärztliche Behandlung und Unterbringung eines Fundtiers; Vertragliche Übertragung der Aufgabe zu der Aufnahme von Fundtieren durch die Gemeinde auf einen Tierschutzverein
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 23.04.2012
- Aktenzeichen
- 11 LB 267/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 14284
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:0423.11LB267.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Göttingen - 19.05.2010 - AZ: 1 A 288/08
- nachfolgend
- BVerwG - 28.02.2013 - AZ: BVerwG 8 B 60.12
Rechtsgrundlagen
- § 670 BGB
- § 677 BGB
- § 679 BGB
- § 683 BGB
- § 966 Abs. 1 BGB
- § 967 BGB
Fundstellen
- DÖV 2012, 612
- Gemeindehaushalt 2012, 167
- KommJur 2012, 338-341
- NdsVBl 2012, 217-219
- NordÖR 2012, 508-510
Amtlicher Leitsatz
Ein Tierarzt kann gegen die als Fundbehörde zuständige Gemeinde einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen aus Geschäftsführung ohne Auftrag für die tierärztliche Behandlung und Unterbringung eines Fundtiers haben, auch wenn die Gemeinde durch Vertrag einem Tierschutzverein die Aufnahme von Fundtieren übertragen hat.
Tatbestand
Der Kläger ist niedergelassener Tierarzt in C. und verlangt von der Beklagten den Ersatz von Aufwendungen für die tierärztliche Behandlung und anschließende Unterbringung eines verletzten Katers in Höhe von 1.839,18 EUR.
Die Beklagte schloss mit dem Tierschutzverein B. e.V. am 23. Dezember 2005 einen Vertrag über die Aufnahme von Fundtieren und herrenlosen Tieren, indem sich der Tierschutzverein verpflichtete, alle im Stadtgebiet von B. aufgefundenen Haustiere unterzubringen und dabei die tierschutzgerechte Versorgung, Fütterung, Pflege und tierärztliche Behandlung zu gewährleisten. Nach § 2 Abs. 1 des Vertrages werden sämtliche Aufwendungen durch einen jährlichen Pauschbetrag in Höhe von 2.000,-- EUR abgegolten.
Am späten Abend des 2. Weihnachtstages des Jahres 2007 wurde von einem Verkehrsteilnehmer auf einer Straße in D., einem Ortsteil der Beklagten, ein offenbar zuvor bei einem Verkehrsunfall verletzter Kater aufgefunden. Da die Suche nach dem Besitzer des Katers erfolglos blieb, beim Tierschutzverein B. e.V. niemand erreichbar und die örtliche Polizei zu einem anderen Einsatz unterwegs war, brachte der Finder das Tier zum tierärztlichen Notdienst, den an diesem Abend der Kläger versah. Der Kläger nahm eine Notoperation vor und behielt den Kater zunächst in seiner Praxis. In den folgenden Tagen versuchte er vergeblich, einen Besitzer ausfindig zu machen und Verantwortliche des Tierschutzvereins zu erreichen. Daraufhin zeigte der Kläger der Beklagten mit Schreiben vom 8. Januar 2007 (richtig: 2008) die Aufnahme und Behandlung des Katers in seiner Praxis an und forderte diese auf, den Tierschutzverein zur Vermeidung weiterer Kosten umgehend zur Abholung des Tieres zu veranlassen. Diese Forderung wiederholte er mit Schreiben vom 22. Januar 2008.
Die Tierärztliche Verrechnungsstelle Niedersachsen stellte dem Tierschutzverein B. e.V. mit Schreiben vom 10. Januar 2008 die dem Kläger bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Behandlungs- und Unterbringungskosten in Höhe von 610,11 EUR in Rechnung, von denen 488,99 EUR auf die tierärztliche Behandlung und Versorgung mit Medikamenten entfielen. Mit Schreiben vom 15. Februar 2008 mahnte die Tierärztliche Verrechnungsstelle diesen Betrag an.
Mit Schreiben vom 14. März 2008 forderte der Kläger die Beklagte erneut auf, den Kater abzuholen und die Rechnung zu begleichen.
Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 25. März 2008 eine Übernahme der Kosten ab. Zur Begründung gab sie an, dass sie dem Kläger keinen Behandlungsauftrag erteilt habe und dieser in Kenntnis der örtlichen Situation nicht im Rahmen einer Geschäftsführung ohne Auftrag tätig werden konnte. Als erfahrener Tierarzt hätte der Kläger bei den von ihm festgestellten Verletzungen unschwer erkennen können, welcher Operations- und Kostenaufwand erforderlich werden würde und dass sie die unverhältnismäßig hohen Aufwendungen für die Behandlung des Katers nicht erstatten würde.
Nachdem auch zwei weitere von der Tierärztlichen Verrechnungsstelle an den Tierschutzverein D. gerichtete Rechnungen über in der Folgezeit entstandene Behandlungs- und Unterbringungskosten vom 18. März 2008 in Höhe von 657,83 EUR (davon 172,77 EUR für die tierärztliche Behandlung und Versorgung mit Medikamenten) und vom 5. Juni 2008 in Höhe von 571,24 EUR (davon 15,49 EUR für Medikamente) nicht beglichen worden waren, hat der Kläger am 21. August 2008 Klage erhoben.
Zur Begründung hat er vorgetragen, dass die Gemeinde als Fundbehörde zur Entgegennahme, Unterbringung und Versorgung von Fundtieren verpflichtet sei. Der Kater sei ein solches Fundtier. Er sei nicht herrenlos, was sich aus einer leicht erkennbaren Tätowierung am Ohr ergebe. Im Übrigen sei der Kater äußerlich gepflegt und zutraulich gewesen. Die an dem Kater vorgenommene tierärztliche Behandlung sei medizinisch indiziert und verhältnismäßig gewesen. Die Kosten für die anschließende Unterbringung habe die Beklagte veranlasst, die das Tier nicht abgeholt habe.
Der Kläger hat beantragt,
- 1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.839,18 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. Februar 2008 zu zahlen,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 186,24 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat erwidert, dass sie zur Versorgung des Katers bereits deshalb nicht verpflichtet gewesen sei, weil es sich nicht um ein Fundtier, sondern um ein herrenloses Tier gehandelt habe. Im Übrigen habe sie eine etwaige Verpflichtung mit befreiender Wirkung an den Tierschutzverein B. e.V. abgetreten. In der Vergangenheit habe der Tierschutzverein seine vertraglichen Verpflichtungen stets erfüllt, so dass für sie keine Veranlassung bestanden habe, sich von dem Vertrag zu lösen und die Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Fundbehörde anderweitig zu organisieren. Auch bestehe keine Verpflichtung aus dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr, da das Ableben eines Tieres ein natürlicher Vorgang sei und regelmäßig keinen menschlichen Eingriff erfordere. Darüber hinaus komme ein Anspruch des Klägers nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag auch deshalb nicht in Betracht, weil die tiermedizinische Versorgung und Unterbringung des Katers nicht dem öffentlichen Interesse entsprochen habe. Grund hierfür seien die in Relation zum Wert des Tieres unverhältnismäßig hohen Heilbehandlungskosten. Angesichts dieses Missverhältnisses hätte einzig eine Euthanasie des Katers veranlasst werden dürfen.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 19. Mai 2010 die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.839,18 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22. August 2008 zu zahlen, und die weitergehende Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass der Kläger einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen aus Geschäftsführung ohne Auftrag habe. Der Kater sei ein Fundtier gewesen. Damit sei die Beklagte als Fundbehörde für die Unterbringung und Versorgung des Tieres zuständig gewesen. Die Beklagte habe ihre rechtliche Verpflichtung auch nicht mit befreiender Wirkung auf den Tierschutzverein B. e.V. übertragen. Die Beklagte dürfe sich grundsätzlich zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben der Hilfe Privater bedienen. Dies vermöge jedoch an der Einstandspflicht der Beklagten für die Erfüllung der ihr gesetzlich übertragenen Aufgaben nichts zu ändern. Die Notfallbehandlung des Katers durch den Kläger habe im öffentlichen Interesse gelegen, so dass ein entgegenstehender tatsächlicher Wille der Beklagten ausnahmsweise unbeachtlich sei. Der Kläger habe dagegen keinen Anspruch auf Ersatz des geltend gemachten Verzugsschadens in Form der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Der Senat hat die Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil mit Beschluss vom 1. September 2011 (11 LA 264/10) zugelassen, weil der Frage, ob bzw. in welchem Umfang eine öffentlich-rechtliche Körperschaft berechtigt ist, sich zur Erledigung einer öffentlichen Aufgabe Dritter mit "schuldbefreiender Wirkung" zu bedienen, im Hinblick auf die verbreitete Praxis von Kommunen, die Aufnahme und Unterbringung von Fundtieren durch Vertrag privaten Trägern von Tierheimen zu übertragen, grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Die Beklagte trägt zur Begründung der Berufung vor, dass sie ihre Verpflichtung aus § 967 BGB mit "befreiender Wirkung" auf den Tierschutzverein B. e.V. gemäß Vertrag vom 23. Dezember 2005 übertragen habe. Die Delegation von Verantwortung mit (teilweise) schuldbefreiender Wirkung sei der Rechtsordnung nicht fremd. Der wohl häufigste Anwendungsfall der Delegation sei die Verkehrssicherungspflicht. Als Abgrenzungskriterium könne die verwaltungsverfahrensrechtliche Unterscheidung zwischen der Amtshilfe und der Delegation herangezogen werden. Bei einer Delegation würden Teile einer Zuständigkeit von einer Behörde auf eine andere Behörde übertragen, wobei die neue Behörde im eigenen Namen und in eigener Verantwortung handele. Im vorliegenden Fall müsse nicht endgültig entschieden werden, ob sie, die Beklagte, und der Tierschutzverein eine endgültige Zuständigkeitsübertragung vereinbart hätten oder eine, die eine Restzuständigkeit in der Form der Sicherstellung bzw. Überwachung bei der Gemeinde belasse. Wenn die Gemeinde die Aufgabenerledigung als solche dem Tierschutzverein übertragen habe, komme als Geschäftsherr nur der Tierschutzverein und nicht die Gemeinde in Frage. Was das Verwaltungsgericht als "Flucht in das Privatrecht" beanstande, sei mittlerweile in weiten Bereichen der Daseinsvorsorge üblich. Der Kater sei aufwendig medizinisch behandelt worden. Die Behandlungskosten seien unverhältnismäßig gewesen, der Kater hätte angesichts der Schwere seiner Verletzungen getötet werden können. Art. 20 a GG und darauf aufbauend das Tierschutzgesetz enthielten kein generelles Tötungsverbot. Bei einer Fundtierversorgung dürften generell Behandlungskosten nicht mehr angemessen sein, die den Wert des Tieres übersteigen würden. Hier hätten jedoch die Behandlungskosten den Wert des Tieres um ein Vielfaches überstiegen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen - 1. Kammer - vom 19. Mai 2010 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er macht ergänzend geltend, dass die Delegation einer öffentlichen Aufgabe auf einen Privaten nicht ohne Weiteres möglich sei. Die Beklagte sei nach dem mit dem Tierschutzverein geschlossenen Vertrag verpflichtet, an diesen einen pauschalen Betrag von 2.000,--EUR zu zahlen. Treffe ihre Rechtsauffassung hinsichtlich der Delegation zu, könnten Tierärzte nach dem Verbrauch dieses Betrages für die Behandlung von Fundtieren kein Geld mehr erhalten. Dies gelte auch bei Zahlungsunfähigkeit des Tierschutzvereins. Zudem gebe es keine gesetzliche Grundlage für die Delegation der Fundtierentgegennahme und -versorgung auf Tierschutzvereine. Bei dem Umfang der tierärztlichen Behandlung sei zu berücksichtigen, dass Tiere nach § 90 a BGB keine Sache seien und daher eine wirtschaftliche, am Sachwert orientierte Betrachtungsweise nicht erfolgen könne. Eine Tötung des Katers sei aus tiermedizinischer Sicht nicht erforderlich gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage in dem im Berufungsverfahren noch streitigen Umfang zu Recht stattgegeben. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen für die tierärztliche Behandlung und Unterbringung eines verletzten Katers in Höhe von 1.839,18 EUR aus §§ 677, 683, 670 BGB sowie auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22. August 2008.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über eine Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) im öffentlichen Recht entsprechend anzuwenden sind (BVerwG, Urt. v. 6.9.1988 - BVerwG 4 C 5.86 -, BVerwGE 80, 170). Wer eine Aufgabe erledigt, die, wie er weiß, zum Aufgabenbereich einer Behörde gehört, tätigt ein objektiv fremdes Geschäft und handelt als Geschäftsführer ohne Auftrag. Nach § 683 Satz 1 BGB kann der Geschäftsführer, wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht, wie ein Beauftragter und somit entsprechend § 670 BGB Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. Nach § 683 Satz 2 BGB steht dieser Anspruch dem Geschäftsführer in den Fällen des § 679 BGB, d.h. wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, nicht rechtzeitig erfüllt werden könnte, auch zu, wenn die Übernahme der Geschäftsführung mit dem Willen des Geschäftsherrn in Widerspruch steht.
Wie das Verwaltungsgericht zu Recht dargelegt hat, hat der Kläger mit der tiermedizinischen Notfallbehandlung und anschließenden Unterbringung des verletzten Katers ein Geschäft der Beklagten für diese und damit ein objektiv fremdes Geschäft geführt. Die Beklagte ist als Fundbehörde gemäß § 967 BGB i.V.m. § 4 Nr. 11 der Allgemeinen Zuständigkeitsverordnung für die Gemeinden und Landkreise zur Ausführung von Bundesrecht (AllgZustVO-Kom) für die Entgegennahme und Verwahrung von Fundsachen zuständig. Als Fundtiere gelten nach §§ 90 a, 967 BGB verlorene oder entlaufene Tiere, die nicht offensichtlich herrenlos sind und von einer Person an sich genommen werden, die nicht zuvor Eigentum oder Besitz an dem Tier hatte. Verloren ist ein Tier, wenn es besitzlos geworden ist, weil es sich außerhalb des Einwirkungsbereichs seines Halters aufhält und nicht wieder dorthin zurückkehrt. Herrenlos ist es, wenn der Eigentümer den Besitz daran in der Absicht aufgegeben hat, auf sein Eigentum zu verzichten (siehe zum Vorstehenden: Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 2. Aufl., Einführung Rn. 81).
Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass es sich bei dem verletzten Kater um ein Fundtier und nicht um ein herrenloses Tier gehandelt hat, ist nicht zu beanstanden. Da der Kater zutraulich und zudem tätowiert war, ist davon auszugehen, dass Eigentum an ihm begründet worden ist. Dafür, dass das Eigentum im Zeitpunkt des Auffindens nach § 959 BGB aufgegeben worden war, liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Die Eigentumsaufgabe setzt die erkennbare Absicht des Eigentumsverzichts und die Besitzaufgabe einer beweglichen Sache voraus. Der Eigentumsaufgabewille bedarf keiner ausdrücklichen Erklärung, sondern kann sich auch konkludent aus der Besitzaufgabe ergeben. Weiter kann er durch ein Unterlassen oder eine Untätigkeit (z.B. lang andauernde Vernachlässigung einer Sache) erklärt werden, wenn der Rechtsverkehr dem eine entsprechende Bedeutung zumisst. Allerdings ist eine Eigentumsaufgabe nicht schon dann anzunehmen, wenn eine Sache verloren gegangen ist, der Eigentümer die Suche abbricht und sich mit dem Verlust abfindet (zum Vorstehenden: jurisPK-BGB, 5. Aufl. 2010, § 959 Rn. 3 f.). Nach diesen Maßstäben ist hier nicht anzunehmen, dass der Kater herrenlos war.
Gegen eine Eigentumsaufgabe spricht, dass der Kater zum Zeitpunkt seines Auffindens einen guten Ernährungs- und Pflegezustand aufwies. Wenn er ausgesetzt worden wäre, wäre dies voraussichtlich nicht der Fall gewesen. Dass sich bei einer Suche in der unmittelbaren Nähe des Fundortes kein Eigentümer gefunden hat und offensichtlich auch keiner der angesprochenen Anwohner das Tier kannte, lässt lediglich darauf schließen, dass der Kater nicht aus der Nähe des Fundortes stammte, nicht aber darauf, dass er keinen Eigentümer (mehr) hatte. Der Kläger hat in der Folgezeit zwar auch eine Anzeige in der örtlichen Presse (E.-Kurier vom 3.1.2008) geschaltet, mit der er über den Fund des Katers informiert und den Besitzer aufgefordert hat, das Tier in seiner Praxis abzuholen. Dass sich auf diese Anzeige niemand gemeldet hat, kann aber schlicht darauf zurückzuführen sein, dass der Eigentümer diese nicht gelesen hat. Nicht auszuschließen ist auch, dass der Eigentümer die Anzeige zwar gelesen hat, ihn aber die von ihm zu übernehmenden Kosten abgeschreckt haben sich zu melden, zumal in dem Artikel die Notoperation erwähnt war. Gerade vor dem Hintergrund, dass Katzen und insbesondere Kater häufig große Reviere durchstreifen, ist im Zweifel wie auch im vorliegenden Fall von einem Fundtier auszugehen.
Nach § 966 Abs. 1 BGB ist zunächst der Finder zur Verwahrung der Sache verpflichtet. Dies war hier nicht der Kläger, sondern der Verkehrsteilnehmer, der den Kater auf der Straße gefunden hatte. Im Umkehrschluss ergibt sich aus § 970 BGB, dass der Finder zu Aufwendungen für die Erhaltung der Sache verpflichtet ist, d.h. er muss ein Fundtier füttern und, sofern dies notwendig ist, für die tierärztliche Behandlung sorgen. Der Finder ist nach § 967 BGB aber berechtigt, die Sache an die zuständige Behörde abzuliefern. Dadurch wird er von seinen Pflichten aus § 966 BGB frei und überlässt es der zuständigen Behörde, über die notwendige Verwahrung und die erforderlichen Finanzierungslasten zu entscheiden. § 967 BGB regelt öffentlich-rechtliche Verwahrungsrechte und -pflichten und wird daher dem öffentlichen Recht zugeordnet (Oechsler, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, § 967 Rn. 1). Zuständige Behörde im Sinne des § 967 BGB ist die Beklagte. Diese kann für die Verwahrung von Fundtieren auch Dritte (z.B. Tierheime) einschalten. Hier hat die Beklagte mit dem Tierschutzverein D. e.V. am 23. Dezember 2005 einen Vertrag über die Aufnahme von Fundtieren und herrenlosen Tieren geschlossen, nach dem sich der Tierschutzverein gegenüber der Beklagten verpflichtet, alle im Stadtgebiet von D. aufgefundenen Haustiere unterzubringen und dabei die tierschutzgerechte Versorgung, Fütterung, Pflege und tierärztliche Behandlung zu gewährleisten (§ 1 Abs. 1). Nach § 2 Abs. 1 des Vertrages werden sämtliche Aufwendungen nach § 1 durch einen jährlichen Pauschbetrag in Höhe von 2.000,00 EUR abgegolten, der dem Verein quartalsweise ausgezahlt wird. Der Verkehrsteilnehmer, der den Kater gefunden hatte, hat auch mit Hilfe von Anwohnern versucht, den Fund gegenüber der Vorsitzenden des Tierschutzvereins anzuzeigen. Diese war jedoch - entgegen der Verpflichtung aus § 3 Abs. 2 des Vertrages - telefonisch nicht erreichbar, so dass eine Übergabe des Tieres an die mit der Fundtierverwahrung beauftragte Stelle nicht möglich war. Daraufhin hat der Finder den verletzten Kater zu dem Kläger gebracht, der an diesem Tag tierärztlichen Notdienst hatte und nach der tierärztlichen Behandlung anstelle der Beklagten bzw. des Tierschutzvereins die Verwahrung des Katers übernahm.
Entgegen der Auffassung der Beklagten hat diese ihre öffentlich-rechtliche Verwahrungspflicht aus § 967 BGB durch den genannten Vertrag über die Aufnahme von Fundtieren und herrenlosen Tieren nicht mit befreiender Wirkung auf den Tierschutzverein B. e.V. übertragen können. Dass sich eine Gemeinde bei der ihr obliegenden öffentlich-rechtlichen Pflicht, Fundtiere zu verwahren, der Hilfe Dritter wie z.B. eines Tierheims oder hier eines Tierschutzvereins, bedienen kann, lässt ihre gesetzlich begründete Zuständigkeit nicht entfallen. Um eigene Aufgaben einer Gemeinde zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung auf Private zu übertragen, bedarf es vielmehr einer gesetzlichen Ermächtigung, an der es hier gerade fehlt. Dies ist beispielsweise bei den Straßenreinigungspflichten der Fall. Diese obliegen der Gemeinde (§ 52 Abs. 2 NStrG), können aber nach § 52 Abs. 4 NStrG durch Satzung ganz oder teilweise auf die Eigentümer der anliegenden Grundstücke übertragen werden. Zu der in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG enthaltenen Befugnis der eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte gehört auch die Organisationshoheit. Diese umfasst die Befugnis der Gemeinde, sich dafür zu entscheiden, eine bestimmte Aufgabe eigenständig oder gemeinsam mit anderen Verwaltungsträgern wahrzunehmen. Hieraus folgt jedoch kein Recht der Gemeinde, Verwaltungstätigkeiten ohne gesetzliche Ermächtigung auf Private zu übertragen (BVerwG, Urt. v. 23.8.2011 - BVerwG 9 C 2.11 -, DVBl. 2012, 49).
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, hat der Kläger mit der Behandlung des verletzten Katers im Rahmen des tierärztlichen Notdienstes und der anschließenden Verwahrung des Tiers zumindest auch ein Geschäft für die Beklagte wahrgenommen. Insbesondere liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger mit einer dritten Person, etwa dem Finder des Katers oder der Tierschützerin, die dem Kläger telefonisch die Ankunft des Katers angekündigt hatte, einen Behandlungs- und Unterbringungsvertrag geschlossen hat.
Dem Anspruch des Klägers auf Aufwendungsersatz steht auch nicht entgegen, dass die Übernahme der Geschäftsführung nicht dem Willen der Beklagten entsprach. Denn der entgegen stehende Wille des Geschäftsherrn schließt nach § 683 Satz 2 BGB einen Aufwendungsersatzanspruch nicht aus, wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, nicht rechtzeitig erfüllt werden könnte (§ 679 BGB). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss ein öffentliches Interesse gerade daran bestehen, dass die Aufgabe von dem privaten "Geschäftsführer" in der gegebenen Situation erfüllt wurde. In diesem rechtlichen Zusammenhang sind die einschlägigen Sachgesichtspunkte zu würdigen, die für das öffentliche Interesse bestimmend sein können (BVerwG, Urt. v. 6.9.1988 - BVerwG 4 C 5.86 -, BVerwGE 80, 170). Dabei darf die Wahrung eines der Behörde zustehenden Handlungsspielraums nicht außer acht bleiben. Ein Träger öffentlicher Verwaltung darf nicht durch private Initiative im Hinblick auf das Ob und Wie einer konkreten Maßnahme vor vollendete Tatsachen gestellt werden, wenn ihm in dieser Hinsicht ein Ermessen eingeräumt ist. Die Prioritäten, die eine Behörde selbst setzen kann, dürfen folglich nicht überspielt werden durch private Initiativen, die den öffentlichen Haushalt hiernach durch Aufwendungsersatzansprüche belasten (BVerwG, Urt. v. 6.9.1988, a.a.O.).
Der Beklagten steht als der für die Unterbringung von Fundtieren zuständigen Behörde ein Ermessensspielraum zu, wie und wo sie die Tiere unterbringt. Dieser Ermessensspielraum ist durch die von dem Kläger vorgenommene Behandlung des Katers nicht beeinträchtigt worden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kater verletzt war und tierärztlich behandelt werden musste. Selbst wenn es also möglich gewesen wäre, den Kater der Beklagten bzw. dem Tierschutzverein zu übergeben, hätte das Tier aufgrund seiner Verletzungen sofort zu dem Kläger als dem diensthabenden Nottierarzt verbracht werden müssen. Soweit die Beklagte einwendet, dass die Behandlungskosten unverhältnismäßig hoch gewesen seien und ihrem Willen daher die Tötung des Tieres entsprochen hätte, für die lediglich Kosten in Höhe von 50 EUR angefallen wären, spricht dies nicht gegen ein öffentliches Interesse an der tierärztlichen Behandlung. Nach Aussage des Klägers waren aus tiermedizinischer Sicht die Verletzungen des Katers mit Aussicht auf Erfolg behandelbar und eine Tötung des Tieres daher nicht erforderlich. Für eine Tötung von Fundtieren gibt es keine Rechtsgrundlage (Hirt/Maisack/Moritz, a.a.O., Einführung Rn. 81). Nach dem Pflegegebot des § 2 Nr. 1 i.V.m § 1 Satz 2 TierSchG ist die Tötung eines verletzten Tieres nur als ultima ratio zulässig und darf daher nicht erfolgen, solange nach tierärztlichem Urteil noch Heilungsaussichten bestehen (Hirt/Maisack/Moritz, a.a.O., § 2 Rn. 27). Daraus ergibt sich, dass der wirtschaftliche Wert eines Tieres für die Durchführung einer tierärztlichen Behandlung grundsätzlich keine Rolle spielt.
Selbst wenn der Auffassung der Beklagten gefolgt wird, dass es für tierärztliche Behandlungskosten eine Obergrenze geben muss und sie nicht dazu verpflichtet werden kann, unverhältnismäßig hohe Aufwendungen für die tierärztliche Behandlung eines Fundtieres zu ersetzen, führt dies im vorliegenden Fall zu keiner anderen Beurteilung. Nach der von der Beklagten genannten Vorschrift des § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB aus dem Schadensersatzrecht sind die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen. Eine genaue Festlegung der Grenze, bis zu der der Schädiger die Behandlungskosten zu tragen hat, ist danach nicht möglich. Kriterien zur Bestimmung der Unverhältnismäßigkeit sind neben dem nur sehr eingeschränkt berücksichtigungsfähigen Wert des Tieres insbesondere das Alter und der Gesundheitszustand vor der Verletzung sowie die Tierart (vgl. Oetker, in: Münchener Kommentar, BGB, § 251 Rn. 61 ff.). Nach der Rechtsprechung wird bei einem Hund mit geringem Verkehrswert aber auch bei einem Mischling oder einer Katze ohne Marktwert die Grenze durch Aufwendungen von 1.500,-- EUR noch nicht überschritten, im Einzelfall kann auch ein höherer Betrag noch verhältnismäßig sein (vgl. Nachweise bei Grüneberg, in: Palandt, BGB, Kommentar, 71. Aufl., § 251 Rn. 7). Eine solche Grenze überschreiten die hier streitigen Kosten schon deshalb nicht, weil die reinen tierärztlichen Behandlungskosten einschließlich der Versorgung mit Medikamenten, wie sich im Einzelnen aus den Rechnungen des Klägers vom 10. Januar 2008, 18. März 2008 und 5. Juni 2008 ergibt, für die Notfallbehandlung nur 488,99 EUR und unter Einbeziehung der Folgebehandlungen insgesamt lediglich 677,25 EUR betragen haben.
Die Beklagte wäre daher als Fundbehörde und damit als Betreuerin des Fundtieres verpflichtet gewesen, eine tierärztliche Behandlung durchführen zu lassen. Eine andere Entscheidung wäre, worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat, ermessensfehlerhaft gewesen.
Entsprechendes gilt für die anschließende Unterbringung des Katers in den Praxisräumen des Klägers. Da ein Eigentümer des Katers nicht ausfindig gemacht werden konnte, bestand die öffentlich-rechtliche Pflicht, das Fundtier zu verwahren. Der der Beklagten zustehende Ermessensspielraum ist schon deshalb nicht verletzt worden, weil der Kläger die Beklagte wiederholt (erstmalig mit Schreiben vom 8. Januar 2008) aufgefordert hat, für eine Abholung des Katers zu sorgen, und diese daher seit Anfang Januar 2008 die Möglichkeit gehabt hätte, den Kater anderweitig unterzubringen. Die Beklagte hat sich jedoch darauf berufen, dass der Tierschutzverein für die Unterbringung des Katers zuständig sei, und ohne Erfolg versucht, diesen unter Hinweis auf den geschlossenen Vertrag zu veranlassen, den Kater abzuholen. Da der Tierschutzverein untätig geblieben ist und die Beklagte keine weiteren Maßnahmen ergriffen hat, um den Kater anderweitig unterzubringen, ist es ihrem Verantwortungsbereich zuzurechnen, dass der Kater bis zu seiner Vermittlung am 21. April 2008 und damit fast vier Monate bei dem Kläger verblieben ist. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, gilt für den Zeitraum vom 26. Dezember 2007 bis zum 8. Januar 2008 nichts anderes. Denn aufgrund des nachfolgenden Verhaltens der Beklagten ist nicht davon auszugehen, dass sie bei früherer Kenntnis für eine Abholung des Katers gesorgt hätte. Insofern lag auch die Unterbringung des Katers bei dem Kläger im öffentlichen Interesse.
Dem Kläger sind die geltend gemachten Aufwendungen nach §§ 683, 670 BGB in voller Höhe zu ersetzen. Wie bereits dargelegt worden ist, kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass die Aufwendungen für die tierärztliche Versorgung und anschließende Unterbringung des Tieres unverhältnismäßig hoch und damit nicht erforderlich gewesen seien, weil der Kater kostengünstiger hätte getötet werden können. Weiter ist nicht zu beanstanden, dass der Kläger als Tierarzt seine Aufwendungen nach der Gebührenordnung für Tierärzte berechnet hat. Dies ergibt sich aus der entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 1835 Abs. 3 BGB (Sprau: in Palandt, a.a.O., § 683 Rn. 8).
Der Kläger hat außerdem entsprechend §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB seit dem Eintritt der Rechtshängigkeit der Klage am 22. August 2008 einen Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz.