Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 24.04.2012, Az.: 4 ME 84/12
Zulässigkeit einer Aussage über das Gefahrenpotential von artgeschützten Saatkrähen im sog. Amtsgerichtsgarten
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 24.04.2012
- Aktenzeichen
- 4 ME 84/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 15243
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:0424.4ME84.12.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Stade - 21.03.2012 - AZ: 1 B 1499/12
Rechtsgrundlagen
- § 123 Abs. 3 VwGO
- § 920 Abs. 2 ZPO
- § 1004 Abs. 1 BGB
- Art. 14 Abs. 1 GG
Redaktioneller Leitsatz
1.
Der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch wegen einer Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb setzt einen betriebsbezogenen Eingriff, also eine unmittelbare Beeinträchtigung des Betriebs als solchen bzw. eine Bedrohung seiner Grundlagen, voraus.
2.
Ist mit einer amtlichen Äußerung eine nur faktische Beeinträchtigung der Rechte eines Dritten verbunden, ist diesem grundsätzlich zumutbar, den erstrebten Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren zu erreichen.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den erstinstanzlichen Beschluss hat keinen Erfolg. Denn das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, es zu unterlassen zu behaupten, dass von den artgeschützten Saatkrähen im sogenannten Amtsgerichtsgarten ein Gefahrenpotenzial ausgeht, zu Recht abgelehnt.
Der Antragsteller hat weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht.
Ein Anordnungsanspruch des Antragstellers ergibt sich nicht aus Art. 14 Abs. 1 GG. Denn unabhängig von der Frage, ob die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb umfasst, schützt diese nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 28.7.2004 - 1 BvR 2566/95 -) jedenfalls nicht bloße Umsatz- oder Gewinnchancen, um deren (mittelbare) Beeinträchtigung durch die genannte Behauptung es hier nach dem Vorbringen des Antragstellers allenfalls gehen kann.
Der Antragsteller kann ein Unterlassen der genannten Behauptung auch nicht aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs, der sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Recht des Antragstellers an seinem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (vgl. hierzu ausführlich VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.5.1979 - X 639/78 -; VG Bayreuth, Beschluss vom 30.12.2011 - B 5 E 12.38 -) ergeben könnte, verlangen. Denn eine Beeinträchtigung des Rechts des Antragstellers an seinem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Café) setzt einen betriebsbezogenen Eingriff, d. h. eine unmittelbare Beeinträchtigung seines Betriebs als solchen bzw. eine Bedrohung seiner Grundlagen (vgl. Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 823 Rn. 128 m.w.N.), durch die genannte Behauptung voraus. Daran fehlt es hier. Denn die in dem Zeitungsartikel vom 27. Dezember 2011 zitierten Äußerungen der Verwaltung bzw. des Stadtdirektors der Antragsgegnerin stehen in keinem Zusammenhang mit dem von dem Antragsteller betriebenen Café. Soweit in den neueren, vom Antragsteller vorgelegten Zeitungsartikeln vom 14. März und 10. April 2012 ein solcher Zusammenhang hergestellt wird, handelt es sich hierbei lediglich um die Berichterstattung über das gerichtliche Vorgehen des Antragstellers gegen die genannten Äußerungen der Verwaltung bzw. des Stadtdirektors der Antragsgegnerin in dem Zeitungsartikel vom 27. Dezember 2011, nicht jedoch um neue, der Antragsgegnerin zuzuschreibende Äußerungen, die einen Eingriff in den Gewerbebetrieb des Antragstellers begründen könnten.
Weitere subjektiv-öffentliche Rechte, die durch die genannten Äußerungen beeinträchtigt sein könnten, hat der Antragsteller nicht dargelegt und sind auch nicht ersichtlich.
Doch selbst wenn hier eine Beeinträchtigung von Rechten des Antragstellers vorläge, hätte dieser keinen Anspruch auf ein Unterlassen der Äußerung, dass von den artgeschützten Saatkrähen im sogenannten Amtsgerichtsgarten ein Gefahrenpotenzial ausgeht. Denn der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass diese Äußerung unwahr ist. Die Mitarbeiter der Verwaltung und der Stadtdirektor der Antragsgegnerin haben entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht behauptet, dass von der Saatkrähenkolonie eine konkrete (Gesundheits-) Gefahr ausgeht. Sie haben gemäß dem Zeitungsartikel vom 27. Dezember 2011 in diesem Zusammenhang lediglich von einem Gefährdungs- und Konfliktpotenzial gesprochen. Diese Äußerungen sind durch die von dem Antragsteller eingeholten Stellungnahmen des Veterinäramtes und des Amtsarztes des Landkreises Cuxhaven nicht widerlegt. In der Stellungnahme des Veterinäramtes vom 12. Januar 2012 ist nämlich im Hinblick auf die Saatkrähenkolonie lediglich festgestellt worden, dass "eine unmittelbare oder mittelbare Gesundheitsgefährdung für die Verbraucher durch die auf dem Wochenmarkt ... in Verkehr gebrachten Lebensmittel ... nicht gegeben" sei, "Beanstandungen von Lebensmitteln mit einer Gefährdung der Gesundheit der Verbraucher, insbesondere aufgrund einer Kontamination der angebotenen Lebensmittel durch Vögel oder durch Vogelkot", nicht bekannt seien und keine Veranlassung bestehe, "aufgrund der im Amtsgarten ... brütenden Saatkrähen Lebensmittelproben auf dem Wochenmarkt ... zu entnehmen". In der Stellungnahme des Amtsarztes vom 15. Februar 2012 heißt es, dass "für die öffentliche Gesundheit keine unmittelbare oder mittelbar drohende definitive Gesundheitsgefahr" bestehe; ein "Seuchengeschehen" liege zur Zeit nicht vor. Aus beiden Stellungnahmen ergibt sich daher lediglich, dass von der Saatkrähenkolonie gegenwärtig keine konkrete unmittelbare oder mittelbare Gesundheitsgefahr ausgeht. Diese Stellungnahmen enthalten jedoch keine Aussage zu der Frage, ob insoweit auch potentielle Gefahren ausgeschlossen sind. Die von der Antragsgegnerin im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Dissertationen aus den Jahren 1997 und 2004 verhalten sich zwar nicht konkret zu den Gefahren, die von einer Saatkrähenkolonie innerhalb des Stadtgebietes ausgehen können, weisen aber darauf hin, dass von Krähen - wie auch von anderen Tierarten - eine erhöhte Gefahr der Übertragung von Salmonellen ausgeht. Nach allem bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die betreffenden Äußerungen der Mitarbeiter und des Stadtdirektors der Antragsgegnerin unwahr sind.
Der Antragsteller hat auch die besondere Eilbedürftigkeit der begehrten einstweiligen Anordnung (Anordnungsgrund) nicht glaubhaft gemacht. Geht mit einer amtlichen Äußerung eine nur faktische Beeinträchtigung der Rechte eines Dritten einher, kann diesen grundsätzlich zugemutet werden, den erstrebten Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren zu erreichen (OVG NRW, Beschluss vom 2.2.2010 - 15 B 1723/09 -). Dies ist hier der Fall, da die betreffenden Äußerungen der Mitarbeiter und des Stadtdirektors der Antragsgegnerin nach dem oben Gesagten nicht auf das Café des Antragstellers bezogen sind und daher Rechte des Antragstellers allenfalls faktisch beeinträchtigen könnten. Der Antragsteller hat keine konkreten Gesichtspunkte vorgetragen, die hier gleichwohl den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigen könnten. Denn im Rahmen der Begründung seiner Beschwerde hat er insofern lediglich angeführt, dass seine Gäste wegen der fortgesetzten Behauptungen der Antragsgegnerin seinen Gewerbebetrieb meiden "könnten" und in Bezug auf seinen Betrieb ein noch größeres Gefährdungspotenzial sehen "könnten" als beim Wochenmarkt. Der Antragsteller hat aber nicht dargelegt, ob und in welchem konkreten Umfang seine Gästezahlen während der gegenwärtigen Krähenbrutsaison (von März bis Juni) im Hinblick auf die fraglichen Äußerungen tatsächlich zurückgegangen sind. Ein Anordnungsgrund ergibt sich daher aus diesem Vorbringen des Antragstellers nicht.