Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 18.03.1997, Az.: 5 U 141/95
Zahlung von weiterem Schmerzensgeld auf Grund eines Verkehrsunfalles
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 18.03.1997
- Aktenzeichen
- 5 U 141/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 21771
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1997:0318.5U141.95.0A
Fundstellen
- OLGReport Gerichtsort 1998, 358-359
- VersR 1997, 1541-1542 (Volltext mit red. LS)
Amtlicher Leitsatz
Weiteres Schmerzensgeld nur für Verletzungsfolgen mit denen bei der ursprünglichen Schmerzensgeldbemessung noch nicht ernstlich zu rechnen werden.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Zahlung weiteren Schmerzensgeldes aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 31.3.1981, der bereits Gegenstand der Verfahren 3 O 563/82 und 2 O 169/95 des Landgerichts war.
Durch rechtskräftiges Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts vom 25.10.1983 (3 O 563/82) ist festgestellt worden, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit ab 12.10.1983 bei einer Haftungsquote von 80 % alle künftigen immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfall zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht durch das zuerkannte Schmerzensgeld von 40.000,00 DM bereits abgegolten sind.
Im Verfahren 2 O 169/85 hat der Kläger u.a. ein weiteres Schmerzensgeld geltend gemacht. Er hat diesen Anspruch darauf gestützt, dass die geplante Operation am linken Fuß durchgeführt worden, aber misslungen sei. Bei dem vorherigen Urteil sei zwar die Durchführung der Operation berücksichtigt worden, jedoch nicht der Misserfolg. Mit Urteil vom 29.5.1986 hat das Landgericht die Klage, soweit sie auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes gerichtet war, abgewiesen. Es ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass aufgrund der geplanten Operation von einer wesentlichen Besserung des Zustandes ausgegangen worden sei. Soweit der Grad der Erwerbsminderung unter Einschluss der Folgen auf neurologischem Teilgebiet insgesamt auf 60 % festzusetzen sei, rechtfertige dies kein weiteres Schmerzensgeld, da das Landgericht in seiner ersten Entscheidung bereits eine Erwerbsminderung von wenigstens 50 % zugrunde gelegt habe.
Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger zunächst weiteren Verdienstausfall und die Zahlung eines angemessenen weiteren Schmerzensgeldes begehrt. Nach Erlass eines Versäumnisurteils gegen ihn hat er mit seinem Einspruch nur den Anspruch auf Zahlung eines zusätzlichen Schmerzensgeldes weiterverfolgt und dazu vorgetragen: In seinem linken Fuß habe sich in letzter Zeit eine venöse Blutumlaufstörung ergeben, die zukünftig zu Geschwürbildungen führen könne; außerdem habe sich eine Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenks eingestellt. In beiden Fällen handele es sich um eine Verschlimmerung gegenüber dem Zustand, der in den früheren Verfahren bei der Beurteilung des Schmerzensgeldbetrages berücksichtigt sei. Er hat sich insoweit auf zwei Gutachten der Ärzte vom 3.6.1994 vom 4.9.1994 gestützt.
Mit dem am 18.8.1995 verkündeten Urteil hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts das Versäumnisurteil aufrechterhalten.
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Mit seiner Berufung beantragt der Kläger,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes und seit dem 25.10.1994 mit 4 % zu verzinsendes Schmerzensgeld zu zahlen, mindestens in Höhe von 10.000,00 DM.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes zu Recht verneint; ihm steht die Rechtskraft der Urteile des Landgerichts vom 25.10.1983 und 29.5.1986 entgegen.
Für die Frage, ob der Schmerzensgeldanspruch des Klägers für die nunmehr behaupteten Verletzungsfolgen mit dem ihm durch Urteil vom 25.10.1983 zuerkannten Betrag von 40.000,00 DM abgegolten ist, kommt es entscheidend auf den Umfang der Rechtskraft jenes Urteils an. Ist wie hier ein uneingeschränktes Schmerzensgeld verlangt worden, sind von dem zuerkannten Betrag alle Schadensfolgen umfasst, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar waren oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden konnte (BGH NJW 1995, 1614 [BGH 07.02.1995 - VI ZR 201/94] m.w.N.). Ob das Gericht diese Folgen umfassend berücksichtigt und zutreffend gewürdigt hat, ist nicht entscheidend; anderenfalls würde die Rechtskraft eines Urteils schon mit der Behauptung angegriffen und durchbrochen werden können, dass die frühere Entscheidung den Streitstoff nicht vollständig erfasst habe (BGH VersR 1980, 975).
Ein weiteres Schmerzensgeld steht dem Kläger daher nur für Verletzungsfolgen zu, die bei der ursprünglichen Bemessung des immateriellen Schadens noch nicht eingetreten waren und mit deren Eintritt nicht oder nicht ernstlich zu rechnen war. Solche Folgen können hier jedoch nicht festgestellt werden. Der Arzt für Unfallchirurgie hat in seinem vom Kläger vorgelegten Gutachten vom 3.6.1994 die Unfallverletzungen und ihre Folgen im Einzelnen dargestellt. Er ist dabei zu dem abschließenden Ergebnis gekommen, dass derzeit eine Verschlimmerung gegenüber dem in den 1980-iger Jahren festgestellten Unfallfolgenzustand nicht eingetreten ist, weil auf der einen Seite die Blutumlaufstörung zwar als Verschlimmerung besteht, auf der anderen Seite aber eine Kräftigung der Muskulatur beider Beine, insbesondere am rechten Oberschenkel, und eine leichte Verbesserung der Beweglichkeit im linken Kniegelenk und im linken oberen Sprunggelenk festzustellen ist. Selbst wenn man mit der Berufungsbegründung davon ausgeht, dass die Kräftigung der Beinmuskulatur kein Ausgleich für die weiter gehenden Beeinträchtigungen darstellt und dass deshalb insbesondere die Blutumlaufstörung mit der Gefahr künftiger Geschwürbildung sowie die auf einer Fehlstellung beruhende Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenks als weitere Verletzungsfolgen anzusehen sind, liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines zusätzlichen Schmerzensgeldes nicht vor. Es fehlt nämlich an dem weiteren Erfordernis, dass diese Folgen im Zeitpunkt der Zuerkennung des Schmerzensgeldes nicht erkennbar und nicht voraussehbar waren. Wie der Sachverständige nach Auswertung aller Unterlagen und einer Untersuchung des Klägers in seinem fachchirurgischen Gutachten vom 3.12.1996 ausgeführt hat, waren alle von ihm festgestellten Veränderungen bereits nach Abschluss der Heilbehandlung bekannt.
Durch die Unfallfolgen sei die Statik beider Beine und damit auch des gesamten Bewegungsapparates erheblich in Mitleidenschaft gezogen, was wiederum zu Sekundärveränderungen im gesamten Bewegungsapparat führe.
Soweit nunmehr geltend gemachte Beschwerden darauf beruhen, dass eine Nachoperation am linken Fußgelenk nicht den erhofften Erfolg gebracht hat und dass es infolge einer Fehlbelastung zu Schwielenbildung an den Fußballen kommt, steht einer Zubilligung weiteren Schmerzensgeldes das rechtskräftige Urteil des Landgerichts vom 29.5.1986 entgegen, in dem festgestellt wird, dass diese Folgen bereits in der Entscheidung vom 25.10.1983 berücksichtigt worden sind. Das Gleiche gilt für eine etwaige Erhöhung des Grades der Erwerbsminderung von 50 % auf 60 %. Auch insoweit ist das Vorliegen einer entschädigungspflichtigen Verletzungsfolge rechtskräftig verneint worden.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist nicht entscheidend, ob die inzwischen eingetretenen Folgen von einem medizinischen Laien erkannt werden konnten. Von dem vorausgegangenen Schmerzensgeldprozess nicht erfasst sind nur solche Verletzungsfolgen, an die auch ein mit der Beurteilung des Ausmaßes und der voraussichtlichen weiteren Entwicklung eines unfallursächlichen Körperschadens des Verletzten beauftragter Sachverständiger nicht zu denken brauchte, die aber entgegen aller Wahrscheinlichkeit schließlich doch eingetreten sind (BGH VersR 1980, 975, 976 m.w.N.; 1988, 929, 930; NJW 1995, 1614, 1615) [BGH 07.02.1995 - VI ZR 201/94]. Solche Folgen sind wie oben dargelegt; hier jedoch nicht eingetreten. Aus diesem Grunde war eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen nicht veranlasst. Sein Gutachten ist verständlich begründet und im Ergebnis eindeutig.
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