Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 25.03.1997, Az.: 5 U 177/96

Prozessbeendende Wirkung eines Vergleichs durch Fortsetzung des Verfahrens; Gültigkeit des Grundsatzes falsa demonstratio non nocet; Wirksamkeit des Prozessvergleichs und prozessbeendende Wirkung des Vergleichs; Gegenstand des ursprünglichen Rechtsstreits

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
25.03.1997
Aktenzeichen
5 U 177/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 21793
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1997:0325.5U177.96.0A

Fundstelle

  • MDR 1997, 781 (Volltext mit red. LS)

Amtlicher Leitsatz

Streit über die prozessbeendende Wirkung eines Vergleichs durch Fortsetzung des Verfahrens - Falsa demonstratio non nocet bei einem Prozessvergleich.

Tatbestand

1

Der Kläger, der in einem gemeinschaftlichen Testament seine Eltern zusammen mit seinen drei Brüdern, den Beklagten, zum Erben eingesetzt worden ist, hat mit seiner Klage die Feststellung begehrt, daß ihm im Rahmen der Erbauseinandersetzung bestimmte im Klagean- trag näher bezeichnete Grundstücke zu übertragen sind. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht haben die Parteien am 22.02.1996 einen umfassenden Vergleich geschlossen, durch den eine vollständige Erbauseinandersetzung vorgenommen wurde. Neben verschiedenen Grundstücksübertragungen enthält der Vergleich u.a. unter Ziffer 2 d) die Bestimmung, daß sich nach Abzug von bestimm- ten Kosten auf den Konten der Deutschen Bank AG, Konto-Nr. ... und der Dresdner Bank AG, Konto-Nr. ... , ergebende Guthaben dem Kläger zustehen soll.

2

Der Kläger hat das Verfahren später wieder aufgenommen. Er hat die Ansicht vertreten, der Vergleich vom 22.02.1996 habe den Rechts- streit nicht beendet, weil er unwirksam sei. In dem Vergleich seien nämlich drei weitere Konten bei der Deutschen Bank AG nicht aufgenommen worden, obwohl zwischen den Parteien Einigkeit darüber bestanden habe, daß er auch das Guthaben auf diesen Konten erhalten sollte. Dieser Teil der Vereinbarung sei bei der Protokollierung versehentlich nicht in den Vergleichstext aufgenommen worden.

3

Der Vergleich sei daher entweder wegen Dissenses nicht geschlossen worden oder er verstoße gegen formelles Protokollrecht.

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Das Landgericht hat durch Urteil vom 24.10.1996 ausgesprochen, daß der Rechtsstreit durch den gerichtlichen Vergleich vom 22.02.1996 beendet ist. Der Vergleich sei wirksam abgeschlossen worden, ein verfahrensrechtlicher Mangel bestehe nicht. Zudem stelle sich die Berufung auf die Unwirksamkeit des Vergleichs unter Berücksichtigung der Gesamtumstände als rechtsmissbräuchlich dar.

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Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, daß der zwischen den Parteien ge- führte Rechtsstreit durch den gerichtlichen Vergleich vom 22.02.1996 beendet worden ist.

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Ohne Erfolg wendet sich die Berufung zunächst gegen den landgerichtlichen Urteilsausspruch. Der zwischen den Parteien geführte Streit geht um die Wirksamkeit des Prozessvergleichs und stellt damit die prozessbeendende Wirkung des Vergleichs in Frage. Hierüber ist jedenfalls dann wenn - wie hier - diejenigen Ansprüche, die Gegenstand des ursprünglichen Rechtsstreits waren, noch nicht erledigt sind, durch Fortsetzung des bisherigen Verfahrens zu entscheiden (BGH MDR 1974, 567). Die Klage ist, falls der Vergleich wirksam geschlossen worden ist, nicht abzuweisen, sondern auszusprechen, daß der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt worden ist (vgl. BGHZ 16, 388;  46, 277, 278 [BGH 18.11.1966 - IV ZR 235/65]; DB 1971, 2405, 2406 [BGH 03.11.1971 - VIII ZR 52/70]; Palandt-Thomas, BGB,56. Aufl., § 779 Rdnr. 31; anderer Ansicht MünchKomm-Pecher, BGB, 2. Aufl., § 779 Rdnr. 66). Diese Feststellung führt bei Rechtskraft des Urteils dazu, daß auch die im Vergleich enthaltenen materiell-rechtlichen Regelungen unangreifbar sind, selbst wenn sie über den Streitgegenstand hinausgehen (BGHZ 79, 71, 75) [BGH 26.11.1980 - VIII ZR 274/79].

9

In der Sache hat das Landgericht zu Recht die Wirksamkeit des Prozessvergleichs bejaht. Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien bestand bei Vergleichsabschluss Einigkeit darüber, daß dem Kläger auch das Sparkonto, das Festgeldkonto sowie das Wertpapierdepot bei der Deutschen Bank zukommen sollten. Die Aufnahme der entsprechenden Kontonummern in den Vergleich ist lediglich versehentlich unterblieben. Dies hat der Kläger im Schriftsatz vom 03.07.1996, mit dem er den Rechtsstreit wieder aufgenommen hat, mehrfach unter Beweisantritt vorgetragen, gleiches haben überein- stimmend die Beklagten dargelegt. Die zwischen den Parteien er- zielte Einigung über die Guthaben und das Depotkonto bei der Deutschen Bank hat der Kläger sodann nochmals im Schriftsatz vom 27.09.1996 und in seiner Berufungsbegründung vom 13.01.1997 ausdrücklich bestätigt. Darin ist ein Geständnis i.S.v. § 288 ZPO zu sehen, das der Kläger nicht wirksam widerrufen hat, soweit er nunmehr mit Schriftsatz vom 12.03.1997 eine Einigung der Parteien in Zweifel zieht. Im übrigen kommt es auf die Vorstellungen und Erklärungen der Parteien nach Abschluss des Vergleiches nicht an.

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Eine unrichtige Bezeichnung des von den Beteiligten übereinstimmend Gewollten (falsa demonstratio) ist für die Wirksamkeit der Vereinbarung unschädlich (ständige Rechtsprechung z.B. BGHZ 87, 150, 152 [BGH 25.03.1983 - V ZR 268/81] m.w.N.; Palandt-Heinrichs, BGB, 56. Aufl., § 313 Rdnr. 37). Dies gilt - wie der Bundesgerichtshof in der vorbezeichneten Entscheidung ausdrücklich klargestellt hat - auch für beurkundungspflichtige Rechtsgeschäfte, wenn das objektiv Erklärte dem Formerfordernis des § 313 BGB genügt (BGH a.a.O. Seite 153). Die versehentlich unterbliebene Aufnahme der weiteren Kontennummern in den Vergleich macht diesen daher nicht unwirksam. Andere Gründe, die seine Unwirksamkeit begründen könnten, sind weder dargetan noch ersichtlich.

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