Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 20.03.1997, Az.: 1 U 195/96
Wettbewerbswidrigkeit des Anbietens und Inverkehrbringens von im Ausland hergestellten, zulassungspflichtigen Arzneimitteln; Gleichstellung von Zulassungen von Arzneimitteln durch einen anderen Staat; Zulässigkeit eines Imports ohne entsprechende Zulassung; Qualifizierung einer Krankenhausapotheke als Apotheke im Sinne des § 73 Abs. 3 Arzneimittelgesetz (AMG); Zulässigkeit der Vorratshaltung von Apotheken im Wege von Parallelimporten; Zulässigkeit der Einschaltung von Dritten durch die Apotheken beim Import von Arzneimitteln; Befreiung eines Arzneimittels von der Genehmigungspflicht
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 20.03.1997
- Aktenzeichen
- 1 U 195/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 21755
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1997:0320.1U195.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1 UWG
- § 21 AMG
- § 21 Abs. 1 AMG
- § 37 Abs. 1 AMG
- § 73 Abs. 1 AMG
- § 73 Abs. 3 AMG
Amtlicher Leitsatz
Der Import der Arzneimittel Zavedos, Adriblastin und Farmorubicin ist wettbewerbswidrig sofern er nicht auf eine Einzelanforderung unter den Voraussetzungen von § 73 Abs. 3 AMG erfolgt.
Entscheidungsgründe
...
Das Anbieten und in Verkehr bringen der im Ausland hergestellten Arzneimittel Zavedos, Adriblastin und Farmorubicin durch die Beklagte ist wettbewerbswidrig nach § 1 UWG i.V.m. §§ 21 Abs. 1, 73 Abs. 1 AMG. Denn diese Arzneimittel bedurften gemäß § 73 Abs. 1 AMG der Zulassung i. S. der §§ 21 ff. AMG, um in den Geltungsbereich des AMG verbracht zu werden. Eine derartige Zulassung hat die Beklagte für die drei von ihr angebotenen Arzneimittel nicht gehabt.
Soweit diese drei Arzneimittel bereits in einem anderen Staat der Europäischen Gemeinschaft zugelassen waren, stellt § 37 Abs. 1 AMG die für ein Arzneimittel in einem anderen Staat erteilte Zulassung einer Zulassung i.S.d. § 21 AMG nur gleich, wenn außerdem eine Rechtsverordnung die Gleichstellung von Zulassungen von Arzneimitteln, die durch einen anderen Staat erteilt wurden, regelt; eine solche Rechtsverordnung ist bisher nicht erlassen worden (vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Stand 01.01.1996, § 37, Anm. 1).
Da die Zulassung nach § 21 AMG ein mit nicht unerheblichen Kosten verbundenes, länger dauerndes Verfahren ist, verschafft sich die Beklagte durch diese Verstöße gegen das AMG einen unerlaubten Wettbewerbsvorteil.
Zwar hat die Beklagte im streitgegenständlichen Fall den Import gegenüber dem Apotheker R nur angeboten und nicht tatsächlich durchgeführt, aber der Senat ist auf Grund der gesamten Umstände davon überzeugt, dass nicht nur in Bezug auf das Anbieten eine Wiederholungsgefahr sondern auch hinsichtlich der Abgabe bzw. des Vertreibens eine Begehungsgefahr besteht. Die Besorgnis einer künftigen Verletzung folgt hier aus dem Inhalt der von der Beklagten an den Apotheker R gerichteten Telefaxschreiben. Die Antwort der Beklagten vom 23.03.1995 auf die Anfrage des R hinsichtlich der deutschen Zulassung der von der Beklagten angebotenen Medikamente kommt einer Anstiftung zum Verstoß des Apothekers gegen die Vorschriften des AMG zumindest nahe. Jedenfalls ergibt sich aus diesem Schreiben, dass die Beklagte, obwohl ihr die Voraussetzungen des § 73 Abs. 3 AMG für einen Import in Ausnahmefällen ohne Zulassung bekannt sind, dem Apotheker insoweit eine zumindest "großzügige" Auslegung der Ausnahmeregel des § 73 Abs. 3 AMG nahe legt. Denn nach dieser Vorschrift ist ein Import ohne entsprechende Zulassung nur zulässig, wenn es sich um Einzelimporte von geringen Mengen durch Apotheken auf besondere Bestellung einzelner Personen handelt. Zwar sind unter Apotheken i.S.d. § 73 Abs. 3 AMG auch Krankenhausapotheken zu verstehen (Kloesel/Cyran, a.a.O., , Anm. 16 zu § 73 ), und die Apotheke darf sich bei diesem Import Dritter, etwa eines Importeurs, bedienen (Kloesel/Cyran, a.a.O., Anm. 17), aber die weiteren Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift waren bei dem Angebot der Beklagten gegenüber R nicht erfüllt. Denn die Beklagte wies auf die Frage nach der deutschen Zulassung deutlich daraufhin, dass nach ihrer Ansicht die Voraussetzung "geringe Menge" relativ sei, und zudem ging es nicht um ein Angebot für eine besondere Bestellung für einen bestimmten Patienten des Krankenhauses. § 73 AMG will aber gerade nicht eine Vorratshaltung von Apotheken im Wege von sog. Parallelimporten ermöglichen (Kloesel/Cyran, a.a.O., §73, Anm. 19), worauf das Erfordernis der "geringen Menge" hinweist. Aus dem Zusammenhang der Vorschriften ergibt sich ferner, dass die Menge des bestellten Arzneimittels dem Bedarf der bestellenden Person angepasst und auf den aktuellen Behandlungsfall abgestellt sein muss (Kloesel/Cyran, a.a.O., § 73, Anm. 18). Diese Auslegung wird zudem bestätigt durch § 18 Abs. 1 Apothekenbetriebsordnung, nach der die Apotheke über alle Fälle des Einzelimports Aufzeichnungen zu führen hat, um diese Einfuhr von Arzneimitteln einer Nachprüfung zugänglich zu machen.
Hinzu kommt, dass die Ausnahmevorschrift des § 73 Abs. 3 AMG schon von ihrem Charakter und ihrer Funktion her Ausnahmesituationen betrifft, da der hiesige Arzneimittelbedarf in der Regel durch inländische zugelassene Medikamente oder aber eingeführte ausländische Medikamente, die entsprechenden Einschränkungen unterliegen, gedeckt werden soll. Nur ausnahmsweise sollen im Einzelfall auf eine besondere Einzelaufforderung hin in Deutschland nicht zugelassene Medikamente eingeführt werden können, um etwa die Möglichkeit zu haben, auch auf Medikamente zurückzugreifen, deren Einsatz zwar ärztlicherweise geboten ist, die aber bisher in Deutschland nicht zugelassen sind, an die der Patient wegen einer vorherigen Einnahme im Ausland gewöhnt ist oder für die lediglich zeitweise ein Lieferengpass besteht. § 73 Abs. 3 AMG beruht insoweit auf der Ausnahmevorschrift des Art. 2 Abs. 4 der EG Richtlinie 65/65 EWG, wonach ein Mitgliedstaat Arzneimittel in Bedarfsfällen von der Genehmigungspflicht unter den in der Ausnahmevorschrift näher dargelegten Umständen befreien kann.
Da die in § 73 Abs. 3 AMG niedergelegten Erfordernisse für einen Import ohne deutsche Zulassung im vorliegenden Fall nicht erfüllt waren, kann dahinstehen, ob ein Einzelimport nach dieser Vorschrift auch noch - als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal - voraussetzt, dass für Arzneimittel mit dem entsprechenden Wirkstoff in Deutschland eine so genannte Versorgungslücke besteht.
Die Klage war abzuweisen soweit die Klägerin ausweislich des Wortlauts ihres Antrages zu Ziffer 1a) und der Begründung dieses Antrages ebenfalls eine entsprechende Unterlassung der Beklagten in den Ausnahmefällen des Einzelimports von Arzneimitteln nach § 73 Abs. 3 AMG erreichen will. Denn insoweit fehlt die Darlegung einer Begehungsgefahr, da es sich bei dem streitgegenständlichen Import gerade nicht um einen Ausnahmefall des § 73 Abs. 3 gehandelt hat.