Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 05.03.1997, Az.: 2 U 124/95

Zusicherung der Seuchenfreiheit von Ferkeln; Arglist durch die Angabe von Gründen "ins Blaue hinein" infolge des Fehlens zuverlässiger Beurteilungsgrundlage für die Zusicherung

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
05.03.1997
Aktenzeichen
2 U 124/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 21732
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1997:0305.2U124.95.0A

Fundstelle

  • OLGReport Gerichtsort 1998, 295-297

Amtlicher Leitsatz

Ferkelverkauf: Arglist bei Zusicherung von Seuchenfreiheit mit der Folge 30-jähriger Verjährungsfrist bei Fehlen zuverlässiger Beurteilungsgrundlage für die Zusicherung.

Gründe

1

Die unstreitige Klageforderung ist durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit einem begründeten abgetretenen Schadensersatzanspruch der J GbR (nachfolgend: GbR) erloschen (§ 389 BGB).

2

Unstreitig hat die Klägerin die "Garantie" dafür übernommen, dass die im Jahr 1992 an die GbR gelieferten Tiere nicht mit der Schweineseuche "MSD" ("Spätabort", heutige Bezeichnung: "PRRS") befallen waren. Es kann dahinstehen, ob durch diese Erklärung ein selbstständiger Garantievertrag begründet ist, wie die Beklagte meint. Jedenfalls handelt es sich um die Zusicherung einer Eigenschaft nach § 492 Satz 1 BGB. - Zugesichert ist eine Eigenschaft, wenn der Verkäufer durch eine ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung, die Vertragsinhalt geworden ist, dem Käufer zu erkennen gibt, dass er für den Bestand der betreffenden Eigenschaft und alle Folgen ihres Fehlens einstehen will (Palandt/Putzo, 56. Aufl., § 459 BGB Rdnr. 15). So war es hier. Die Klägerin wollte auf Grund der von ihr abgegebenen "Garantie" erkennbar dafür haften, dass die von ihr gelieferten Tiere im Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht mit MSD infiziert waren, und die GbR konnte auf Grund dieser Erklärung der Klägerin erwarten, dass diese verschuldensunabhängig für Folgeschäden aufkommen werde, die durch Tiere entstehen würden, die im Zeitpunkt des Gefahrübergangs bereits infiziert waren.

3

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Klägerin die Zusicherung trotz Fehlens einer zuverlässigen Beurteilungsgrundlage ausgesprochen; sie hat daher arglistig im Sinn von § 490 Satz 2 BGB i.V.m. § 477 BGB gehandelt mit der Folge, dass für Schadensersatzansprüche aus § 492 i.V.m. § 463 BGB die 30-jährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB gilt.

4

Bei Verhandlungen über den Abschluss eines Vertrages besteht grundsätzlich die Verpflichtung, den anderen Teil über Umstände aufzuklären, die zur Vereitelung des Vertragszwecks geeignet sind und daher für die Entschließung des anderen Teils von wesentlicher Bedeutung sein können; eine solche Offenbarungspflicht setzt voraus, dass der Vertragsgegner die Mitteilung der betreffenden Tatsachen nach der Verkehrsauffassung erwarten darf. Diese Verpflichtung besteht insbesondere dann, wenn - wie dies auch im vorliegenden Fall geschehen ist - der Verkäufer auf Verlangen des Käufers eine entsprechende Zusicherung über das Nichtvorhandensein eines bestimmten Umstands abgibt in dem Bewusstsein, dass sie für den Käufer von wesentlicher Bedeutung ist. Arglist setzt zwar Vorsatz voraus, wobei bedingter Vorsatz ausreicht. Arglistig handelt daher grundsätzlich nicht, wer gutgläubig unrichtige Angaben macht, mag auch der gute Glaube auf Fahrlässigkeit oder selbst auf Leichtfertigkeit beruhen. Zur Arglist ist aber nicht unbedingt das Wissen erforderlich, dass die angegebene Tatsache nicht der Wahrheit entspricht. Arglistig kann vielmehr auch derjenige handeln, der einem anderen versichert, eine bestimmte Kenntnis von Vorgängen oder Umständen zu haben, diese Kenntnis aber in Wirklichkeit nicht hat. Eine vertragsgemäße Zusicherung kann daher den Vorwurf der Arglist begründen, wenn sie zwar nicht bewusst den Tatsachen widerspricht, jedoch ohne jede sachliche Grundlage abgegeben wird. Arglistig kann insbesondere auch derjenige täuschen, der sich der ihm ohne weiteres möglichen und zumutbaren Erkenntnis der die Täuschung begründenden Umstände verschließt und das Fehlen derartiger Umstände blindlings vertraglich zusichert. Dass ihm die Umstände tatsächlich nicht bekannt sind, ist dabei unerheblich. Das arglistige Verhalten liegt hier gerade darin, dass dem Erklärenden jegliche zur sachgemäßen Beantwortung erforderliche Kenntnis fehlt und er gleichwohl diesen Umstand gegenüber dem anderen Teil verschweigt (BGH NJW 1980, 2460, 2461 [BGH 08.05.1980 - IVa ZR 1/80] m.w.N.). - So war es hier.

5

Die Klägerin hat Kopien von Urkunden in englischer Sprache vorgelegt und behauptet, daraus ergebe sich, dass ein Tierarzt Seuchenfreiheit der im Jahr 1992 gelieferten Tiere festgestellt und bescheinigt habe. Das ist indes nach dem Gutachten des Sachverständigen so nicht richtig. Vielmehr wird durch diese Urkunden (nur) amtlich bestätigt, dass die dort aufgeführten Tiere nicht aus einem PRRS-infizierten oder PRRS-infektionsverdächtigten Bestand stammen. Da keine Aussage zu einem Erreger- bzw. Antikörperstatus vorliegt, ist die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass die Tiere zwar klinisch gesund, d.h. äußerlich gesund erschienen, trotzdem aber mit dem PRRS-Erreger infiziert waren. Das heißt, der damalige Geschäftsführer der Klägerin hatte keine gesicherte Kenntnis darüber, ob die Tiere tatsächlich PRRS-infiziert waren oder nicht. Wenn er gleichwohl 1992 versicherte, die seinerzeit gelieferten Tiere seien nicht mit MSD befallen, so gab er vor, eine Kenntnis zu haben, die er in Wirklichkeit nicht hatte. Das arglistige Verhalten des Geschäftsführers der Klägerin liegt darin, dass ihm jegliche zur sachgerechten Beantwortung erforderliche Kenntnis fehlte und er gleichwohl diesen Umstand gegenüber der GbR verschwieg.

6

Durch die schriftlichen Aussagen der Tierärzte B und R sowie das Gutachten des Sachverständigen ist bewiesen, dass die Verseuchung der Bestände der GbR mit MSD (PRRS) auf die Lieferungen der Klägerin im Jahre 1992 zurückzuführen ist. Nach der Aussage des den Tierbestand der GbR betreuenden Tierarztes B war die Seuche im Bestand der GbR bis Juli 1992 nicht bekannt; ab August 1992 kam es dann zu einer Verschlechterung der Produktionsergebnisse; gezielte Untersuchungen bei abortierten Jungsauen aus England im Oktober 1992 zeigten erstmals ein positives Ergebnis und bestätigten den Verdacht auf PRRS. Diese Angaben stimmen überein mit denen des Amtstierarztes R; er hat ausgeführt, serologische Untersuchungen des Bestands der GbR am 24.07.1992 seien noch negativ verlaufen, während am 27.10.1992 der Erreger der PRRS bei zwei Tieren positiv festgestellt worden sei. Neben der Seuchenfreiheit des Bestands vor den Lieferungen im Jahr 1992 spricht für die Einschleppung der Seuche aus England die von dem Zeugen B geschilderte Kontrolluntersuchung am 26.02.1993: An diesem Tag wurden von 120 am 25.02. 1993 gelieferten Jungsauen in der Quarantäne stichprobenartig von 26 Jungsauen Proben entnommen; das Ergebnis war 25-mal positiv.

7

Die Behauptung der Klägerin, die bei den serologischen Untersuchungen festgestellte Auffälligkeit der Titer der am 07.05.1992 gelieferten Tiere indiziere, dass diese erstmals in den Stallungen der GbR mit dem Erreger in Berührung gekommen seien, und der Umstand, dass von der Beklagten ein Leistungsabfall erst ab August 1992 behauptet werde, spreche gegen eine Ursächlichkeit der Lieferung vom 07.05.1992, hat der Sachverständige nicht bestätigen können. Vielmehr kann nach seinen Ausführungen die Infektion mit dem Virus sowohl nach Einstellung der Tiere am 07.05.1992 in den Bestand H als auch vor diesem Zeitpunkt stattgefunden haben. Dieses "non liquet" geht indessen zu Lasten der Klägerin, da durch die Aussage des Tierarztes B feststeht, dass der Bestand vor den Lieferungen im Jahre 1992 PRRS-frei war.

8

Auch unter Berücksichtigung des Zeitfaktors hat der Sachverständige eine Ursächlichkeit der Lieferung von Mai 1992 für das PRRS- Geschehen ab August 1992 nicht ausschließen können.

9

Für ein Mitverschulden der Verantwortlichen der GbR ist weder hinreichend vorgetragen noch sonst etwas ersichtlich. Es kann dahinstehen, ob sich auch der Lieferant infizierter Tiere auf die Nichteinhaltung der dreiwöchigen Quarantäne gemäß der Tierseuchen- Schweinehaltungsverordnung vom 29.07.1988 (BGBl. I 1988, 1208) berufen kann. Nach dem Gutachten des Sachverständigen vom 02.12. 1996 können Krankheitssymptome bei den betreffenden Jungsauen selbst erst auftreten, wenn die Tiere in die Hochträchtigkeit bzw. zur Geburt gekommen sind. Da die Trächtigkeitsdauer bei Schweinen 114 +/- 2 Tage beträgt, ist die Quarantänezeit von drei Wochen bei Auftreten der Symptome längst vergangen. Im Übrigen ist vorliegend auch serologisch innerhalb von drei Wochen kein Virus festgestellt worden. Wie sowohl aus den Bekundungen des Tierarztes B als auch aus dem Gutachten des Sachverständigen folgt, wurden von den am 07.05.1992 ausgelieferten Jungsauen am 24.07.1992 zwei Blutproben zur Untersuchung auf PRRS-Antikörper entnommen, die negativ waren. Positive PRRS-Antikörper wurden erst in zwei von drei am 27.10. 1992 entnommenen Proben festgestellt.