Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 11.03.1997, Az.: 5 W 18/97

Treuwidrige Durchsetzung von Beseitigungsansprüchen bezüglich baulicher Veränderungen in einer Wohnungseigentumsanlage

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
11.03.1997
Aktenzeichen
5 W 18/97
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1997, 21758
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1997:0311.5W18.97.0A

Fundstelle

  • WuM 1997, 391 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Treuwidrige Durchsetzung von Beseitigungsansprüchen bez. baulicher Veränderungen in einer Wohnungseigentumsanlage

Gründe

1

Die Beteiligten sind Wohnungseigentümer der Wohnungseigentumsanlage. Jeder Wohnungseigentümer hat einen der jeweiligen Wohnung zugeordneten Gartenteil eigenständig gestaltet. In dem der Antragsgegner zu 1) befindet sich jedenfalls seit 1988 ein von ihnen genutztes Gartenhaus. Die Antragsgegner zu 2) haben in ihrem Gartenteil ein Betonfundament für ein Gartenhaus erstellt. Die Eigentümerversammlung hat am 09.03.1995 dem Bau des Gartenhauses darauf mit 6 : 2 Stimmen - gegen die Stimmen der Antragsteller - zugestimmt.

2

Die Antragsteller begehren die Entfernung von Gartenhaus und Betonfundament; die Gärten seien Gemeinschaftseigentum, das nicht durch qualifizierte Mehrheitsbeschlüsse umgestaltet werden dürfe.

3

Die Antragsgegner berufen sich demgegenüber auf entsprechende Sondernutzungsrechte.

4

Amtsgericht und Landgericht haben das Begehren der Antragsteller zurückgewiesen. Etwaige Ansprüche gegen die Antragsgegner zu 1) seien verwirkt und das Betonfundament der Antragsgegner zu 2) sei durch den nicht angefochtenen Beschluss der Eigentümerversammlung gedeckt.

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Die dagegen eingelegte gemäß § 45 Abs. 1 WEG zulässige sofortige weitere Beschwerde führt, soweit es die Antragsgegner zu 1) betrifft, zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache in die erste Instanz; im Übrigen bleibt sie ohne Erfolg.

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Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen reichen die von ihnen getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht für ihre Annahme aus, die Antragsteller hätten etwaige Beseitigungsansprüche verwirkt. Verwirkung setzt voraus, dass seit der Möglichkeit, ein Recht geltend zu machen, längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die das verspätete Geltendmachen des Rechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (vgl. nur BGH NJW-RR 1995, 109; BayObLG WE 1997, 76, 77). Das Berufen auf die Rechtsposition stellt sich dann als widersprüchliches Verhalten dar, das die Rechtsübung unzulässig macht (vgl. Münch.Komm.-Roth, BGB, 3. Aufl., § 242 Rdnr. 360).

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Es bestehen bereits Bedenken, ob der festgestellte Zeitablauf seit 1988, von dem der Senat als Rechtsbeschwerdegericht auszugehen hat, ausreicht, um den Verwirkungstatbestand auszufüllen. Jedenfalls fehlt es aber an einem Verhalten der Antragsteller, wonach die Antragsgegner darauf hätten vertrauen dürfen, die Antragsteller würden keine Beseitigungsansprüche mehr geltend machen. Dass sie ihr Wohnungseigentum nicht mehr selbst zu Wohnzwecken nutzen, begründet ebenso wenig einen solchen Vertrauenstatbestand wie der bisher unterbliebene Versuch einer gerichtlichen Durchsetzung der behaupteten Ansprüche. Im Gegenteil haben die Antragsteller in der Vergangenheit des Öfteren darauf hingewiesen, dass sie mit baulichen Veränderungen so nicht einverstanden sind. Ein treuwidriges Vorgehen der Antragsteller ist insoweit nicht belegt. Für etwaige Verwirkungsumstände im Hinblick auf Art und Bedeutung des Anspruchs bzw. das (geringe) Gewicht der Veränderung oder Beeinträchtigung fehlt es an jeglichen Feststellungen.

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Das Verlangen der Antragsteller könnte sich aber auch anderen Gründen als rechtsmissbräuchlich darstellen und damit unzulässig sein. In der Beschwerdeinstanz haben die Antragsgegner zu 1) mit Schriftsatz vom 09.07.1996 vorgetragen, der Antragsteller habe sich auf der Eigentümerversammlung vom 09.03.1995 damit einverstanden erklärt, dass die "Hütte auf dem Grundstück des Eigentümers ... bestehen bleiben dürfe und solle"; das sei denn auch im Protokoll festgehalten worden. Vor dem Amtsgericht haben die Antragsgegner zu 2) mit Schriftsatz vom 07.05.1996 dargelegt und unter Zeugenbeweis gestellt, die Antragsteller hätten im Rahmen derselben Eigentümerversammlung erklärt, sie hätten gegen das Gartenhaus der Antragsgegner zu 1) nichts einzuwenden, dieses könne stehen bleiben; nur aus Prinzip könne dem beabsichtigten Bau des Gartenhauses durch die Antragsgegner zu 2) nicht zugestimmt werden.

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Insoweit sind die Tatsacheninstanzen ihrer Verpflichtung aus § 12 FGG, die Entscheidungsgrundlagen von Amts wegen zu beschaffen, nicht hinreichend nachgekommen. Das Verhalten der Antragsteller könnte den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) begründen. Der Senat muss in der Rechtsbeschwerdeinstanz danach zu Gunsten der Antragsgegner zu 1) davon ausgehen, dass die Antragsteller gegen deren Gartenhaus keine sachlichen Bedenken hatten bzw. haben und dies auch zum Ausdruck gebracht haben. Daraufhin bestand in der Eigentümerversammlung kein Anlass, auch insoweit wie bei dem Vorhaben der Antragsgegner zu 2) eine Beschlusslage herbeizuführen. Die lediglich aus einer formalen Position erfolgte Ablehnung, um einem formalen Prinzip zu genügen, ohne inhaltlich etwas gegen solche Gartenhäuser vorzubringen zu haben, könnte sich als treuwidrig erweisen, insbesondere, wenn zudem auch noch gleichsam willkürlich bzw. schikanös zwischen einzelnen Wohnungseigentümern unterschieden wird. Es erscheint sachgemäß, wenn der Sachverhalt in der ersten Instanz abgeklärt wird, wobei im Vordergrund wie stets der Versuch zu stehen hat, durch eine gütliche Einigung den Rechtsfrieden in der Wohnungseigentumsgemeinschaft wiederherzustellen.

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Nicht zu beanstanden sind hingegen die Entscheidungen der Vorinstanzen in Bezug auf das Gartenhausfundament der Antragsgegner zu 2). Insoweit haben Amtsgericht und Landgericht rechts- und verfahrensfehlerfrei einen Mehrheitsbeschluss zugundegelegt, der den Antragsgegnern zu 2) das Aufstellen des Gartenhauses gestattet. Die Angriffe der Rechtsbeschwerde gegen die Annahme eines solchen Beschlusses greifen angesichts der unstreitigen Protokollfassung nicht durch. Dieser Beschluss, der lediglich die Gestattung einer bestimmten Gartennutzung regelt, ist nicht nichtig. Er hätte daher, was nicht geschehen ist, in der Monatsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG angefochten werden müssen. Damit können sich die Antragsgegner zu 2) auf eine gültige Beschlusslage berufen, die ihnen die Aufstellung des Gartenhauses auf dem vorhandenen Fundament gestattet und dem Beseitigungsverlangen der Antragsteller entgegensteht. Angesichts dieser klar erkennbaren Rechtslage erscheint es gemäß § 47 WEG angemessen, den Antragstellern auch die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner zu 2) aufzuerlegen.