Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 25.03.1997, Az.: 5 U 184/96

Narbenbruch infolge ambulanter Entfernung einer Ovarialcyste nebst Eierstock und Eileiter mittels Laparoskopie (Bauchspiegelung); Pflicht zur Aufklärung über das Risiko des Eingriffs - Eingriffsaufklärung; Aufklärung vor der Entlassung nach der Operation - Sicherheitsaufklärung

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
25.03.1997
Aktenzeichen
5 U 184/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 21707
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1997:0325.5U184.96.0A

Fundstelle

  • VersR 1998, 769-770 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Keine Aufklärung über das Risiko eines Narbenbruchs bei ambulanter laparoskopischen Entfernung einer Ovarialcyste nebst Eierstock und Eileiter.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht von Zukunftsschäden wegen eines Narbenbruchs nach einer laparoskopischen Entfernung einer Ovarialcyste nebst Eierstock und Eileiter links.

2

Am Morgen des 02.03.1993 stellte sich die 59 Jahre alte Klägerin auf Grund entsprechender Überweisung in der gynäkologischen Tagesklinik D. zur Entfernung einer Cyste am Eierstock links vor. Auf sein Anraten und nach Unterzeichnung entsprechender Einverständniserklärungen entfernte der Beklagte noch am Vormittag (Operation von 9.25 Uhr bis 10.15 Uhr) den gesamten linken Eierstock einschließlich Eileiter mittels Laparoskopie (Bauchspiegelung) über einen so genannten Lap-Sac. Um 12.37 Uhr wurde die Klägerin nach Hause entlassen. Gegen 17.10 Uhr erkundigte sich der Beklagte fernmündlich nach ihrem Zustand. Am 07.03.1993 musste die Klägerin wegen eines Brechdurchfalls im Hospital aufgenommen werden. Auf den dort diagnostizierten Narbenbruch mit Verlagerung einer Dünndarmschlinge wurde die Schlinge operativ in die Bauchhöhle zurückgezogen und die Bruchlücke verschlossen. Am 10.03.1993 erfolgte in einem weiteren operativen Eingriff eine offene Dünndarmkompression.

3

Die Klägerin hat dem Beklagten vorgeworfen, sie nicht ausreichend beraten zu haben. Den Inhalt der Formulare habe sie wegen der überraschenden Operationserweiterung nicht verstehen können.

4

Der Beklagte habe sich nicht davon überzeugt, ob ihr Gewebe für die in Aussicht genommene risikoreiche Operation, zu der es Alternativen gebe, geeignet sei; er habe sie auch nicht nach der Operation nach Hause entlassen dürfen.

5

Ihre Schmerzensgeldvorstellung beziffert sie im Hinblick auf die durch die Folgeoperationen bedingten Verwachsungen mit mindestens 10.000,-- DM.

6

Der Beklagte hat behauptet, die Operation sei nach Umfang und Durchführung und nach entsprechender Gewebeüberprüfung die Methode der Wahl gewesen. Damit sei die Klägerin nach eingehender Erläuterung auch einverstanden gewesen. Der außerordentlich seltene und daher nicht aufklärungsbedürftige Narbenbruch hätte ebenso bei stationärer Operation eintreten können.

7

Der Gutachter in dem vorangegangenen Schlichtungsverfahren PD Dr. hat keinen Verstoß gegen die Regeln der Heilkunde feststellen können.

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9

Das Landgericht hat sachverständig beraten, die Klage abgewiesen, da der Beklagte nach ausreichender Aufklärung den Eingriff fehlerfrei durchgeführt habe.

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Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

12

Mit dem Landgericht ist festzustellen, dass der Beklagte den Eingriff nach ausreichender (Eingriffs-)Aufklärung fehlerfrei durchgeführt und auch die gebotene (Sicherheits-)Aufklärung vor der Entlassung nicht verletzt hat. Ersatzansprüche - deliktische wie vertragliche - scheiden daher aus.

13

Behandlungsfehler bei der Operation selbst greift die Berufung zu Recht nicht mehr auf. Die Sachverständigen im Schlichtungs- und im landgerichtlichen Verfahren beurteilen völlig übereinstimmend, dass das Vorgehen des Beklagten insbesondere nach Umfang, Methode und Durchführung der Operation ganz in Einklang mit den medizinischen Behandlungsregeln steht. Ein Verstoß gegen den fachärztlich geschuldeten Behandlungsstandard ist nicht ersichtlich. Das bezieht sich ausdrücklich auch auf die erfolgte ambulante an Stelle einer stationären Operation.

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Auch die von der Berufung nur noch verfolgten Aufklärungsrügen bleiben erfolglos.

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Ausweislich der dokumentierten Einverständniserklärungen der Klägerin muss von einer ausreichenden Grundaufklärung ausgegangen werden. Danach hat der Beklagte sie insbesondere über die Risiken von Verletzungen und Veränderungen im Darmbereich und Bauchdeckenbereich unterrichtet und sogar auf die Möglichkeit von Folgeoperationen hingewiesen. Damit ist der Klägerin die stets geschuldete Aufklärung ,im Großen und Ganzen"über die Tragweite des Eingriffs nach Umfang und Risiko zu Teil geworden. dass der Beklagte sie so wie festgehalten unterrichtet hat, wird von ihr auch nicht ernsthaft in Frage gestellt.

16

Die Nichterwähnung des Risikos eines Narbenbruchs bedeutet kein Aufklärungsversäumnis. Die erwähnten Risiken beinhalten demgegenüber zunächst erheblich schwer wiegendere Komplikationen. Der Narbenbruch gehört generell zu den Wundheilstörungen eines solchen Eingriffs, der unabhängig ist von seiner stationären oder ambulanten Durchführung. Einer gesonderten Erwähnung bedurfte dieses Risiko nicht. Ausschlaggebend ist dafür nicht so sehr der Grad einer solchen Zwischenfallhäufigkeit. Auch über seltene Risiken ist aufzuklären, wenn durch ihren Eintritt die Lebensführung von Patienten nachhaltig beeinträchtigt werden kann. Maßgeblich ist hier aber, dass - wie die Sachverständigen berichten - ein solcher Narbenbruch nicht vorhersehbar ist und auch in der medizinischen Literatur nur in ganz seltenen Einzelfallbeschreibung en erscheint. Dem entspricht auch die unwidersprochene Angabe des Beklagten, dass bei 6.000 durchgeführten Eingriffen dieser Art noch nie ein Narbenbruch aufgetreten sei. Fehlt es aber an jeglicher auch statistisch entfernt erfassbarer Vorhersehbarkeit ist eine Aufklärung zur Wahrnehmung des Selbstbestimmungsrechtes von Patienten in dieser Richtung nicht zu verlangen. dass sich die Klägerin bei weiter gehender Unterrichtung auch darüber in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte, ist im Übrigen nicht dargetan.

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Ebenso wenig ist dargelegt, dass die Aufklärung nicht rechtzeitig erfolgt ist. Auch insoweit gilt, dass der von der Rechtsprechung geforderte zeitliche Abstand zu einem Eingriff der Wahrung selbstbestimmter Entscheidungen der Patienten dient. Daher kann der Zeitfaktor nicht losgelöst von der Art des Eingriffs betrachtet werden und Bedeutung erlangen. Der Klägerin ist die empfohlene ambulante Operation unter Ausdehnung auf Eierstock und Eileiter hinreichend erklärt worden und dass sie insoweit unter keinerlei Zeitdruck stehe. Das belegt die Einverständniserklärung. Etwas anderes hat sie auch selbst nicht behauptet. Von einem Arzt kann demgegenüber nicht verlangt werden, einen zu dem Eingriff nach freier Willensbildung entschlossenen Patienten gegen seinen Willen wegzuschicken, nur um einen abstrakten Zeitrahmen einzuhalten. Angesichts dieses nach Komplikationsarten und - dichte und Operationshäufigkeit als routinemäßigen, gegenüber dem Bauchschnitt wesentlich weniger belastend einzustufenden Eingriffs lässt sich mit der allgemeinen Erwähnung, die Patientin habe am selben Tag nicht so operiert werden dürfen, eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechts nicht stützen.

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Schließlich ist ein haftungsbegründende Behandlungsfehler wegen unzureichender Sicherheitsaufklärung vor der Entlassung nach Hause nicht dargetan. Zunächst belegt die so genannte Checkliste" in den Krankenunterlagen, dass der Beklagte sich noch spätnachmittags nach dem Zustand der Klägerin erkundigt, er sich also um die Nachsorge gekümmert hat. Diese erstmalig von der Berufung erhobene Rüge übersieht, dass es sich bei dem Narbenbruch um eine Folge handelt, die auch noch nach Jahren auftreten kann. dass sich Patienten nach einer Operation zu schonen haben, ist eine Selbstverständlichkeit. Ganz besonderer Hinweise im Hinblick auf einen Narbenbruch bedarf es allein wegen des zeitlichen Abstandes von Jahren zu seinem möglichen Auftreten nicht.

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Abgesehen davon hat die Klägerin auch nicht vorgetragen, dass diese Schädigung bei größerer Vorsicht ihrerseits bzw. Einhaltung diesbezüglicher Verhaltensmaßgaben nicht eingetreten wäre.

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Ebenso wenig hat sie dargelegt, dass sie sich nicht geschont hat und dadurch der Bruch entstanden ist, wozu es sonst nicht gekommen wäre. Insoweit fehlt es insgesamt an dem schlüssigen Vorbringen eines Behandlungsfehlers wie auch des erforderlichen Ursachenzusammenhangs mit dem Narbenbruch.

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