Sozialgericht Stade
Urt. v. 30.01.2007, Az.: S 17 AS 170/05

Vorliegen eines Anspruchs auf Übernahme von Tilgungsleistungen als Kosten der Unterkunft i.S.d. § 22 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II)

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
30.01.2007
Aktenzeichen
S 17 AS 170/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 51777
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2007:0130.S17AS170.05.0A

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Übernahme von Tilgungsleistungen als Kosten der Unterkunft i.S. des § 22 SGB II.

2

Der Kläger bewohnt mit seiner Familie ein Eigenheim mit 98 qm Wohnfläche, das er 1996 gekauft hat. Auf dem Haus lastet ein Darlehen aus dem Jahre 2002 bei der Deutschen H ... Am 31. Dezember 2004 betrug die Restschuld noch rund 112.000,- EUR.

3

Mit Bescheid vom 27. Dezember 2004 in der Fassung eines Änderungsbescheids vom 6. Juni 2005 gewährte die Beklagte dem Kläger und seiner Bedarfsgemeinschaft Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Als Kosten der Unterkunft berücksichtigte sie dabei Neben- und Betriebskosten iHv monatlich 110,76 EUR sowie Schuldzinsen iHv monatlich 546,30 EUR, mithin einen Gesamtbetrag iHv 657,06 EUR als Kosten der Unterkunft (ohne Heizung). Nicht berücksichtigt wurden die Tilgungsleistungen, die im hier betroffenen Zeitraum Januar 2005 bis einschließlich Juni 2005 monatlich 114,46 EUR bis 117,25 EUR betrugen.

4

Der Widerspruch des Klägers aufgrund der Nichtberücksichtigung der Tilgungsleistungen wurde mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juni 2005 als unbegründet zurückgewiesen. Am 11. Juli 2005 hat der Kläger Klage erhoben.

5

Er trägt vor, der Ausschluss der Tilgungsleistungen von den Kosten der Unterkunft werfe Gleichheitsprobleme in Bezug auf die in Mietwohnungen lebende Hilfebedürftigen auf, die über ihre Mitzahlungen zur Vermögensbildung der Vermieter beitrügen.

6

Der Kläger beantragt:

  1. 1.

    Der Widerspruchsbescheid vom 7. Juni 2005 wird aufgehoben.

  2. 2.

    Der Bescheid vom 27. Dezember 2004 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 6. Juni 2005 wird geändert.

  3. 3.

    Die Beklagte wird verpflichtet, im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 die nachgewiesenen Tilgungsleistungen für das Hypothekendarlehen bei der Deutschen Genossenschafts- Hypothekenbank zu übernehmen.

7

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Zu den Einzelheiten des Sachverhalts und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die vorliegende Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 30. Januar 2007 waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.

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Die angegriffene Entscheidung der Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden und beschwert den Kläger nicht, § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

11

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden als Kosten für Unterkunft und Heizung die tatsächlichen Aufwendungen übernommen, soweit diese angemessen sind.

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Die Beklagte hat die Unterkunftskosten des Klägers zutreffend berechnet. Zu Recht hat sie bei der Bedarfsberechnung die vom Kläger zu erbringenden Tilgungsleistungen für das selbst genutzte Einfamilienhaus nicht als Aufwendungen im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II berücksichtigt. Ein dahingehender Anspruch des Klägers besteht nicht.

13

Die Tilgungsraten für einen Kredit zur Anschaffung von Wohneigentum sind grundsätzlich nicht als Kosten der Unterkunft zu werten, weil die Schuldentilgung der Vermögensbildung dient und es mit dem Zweck der steuerfinanzierten Leistungen zur Grundsicherung grundsätzlich nicht vereinbar ist, den Vermögensaufbau der Hilfeempfänger zu finanzieren (vgl. Bundessozialgericht , Urteil vom 7. November 2006 - B 7 b AS 8/06 R - mit weiteren Nachweisen). Das erkennende Gericht folgt dieser Auffassung. Die in der Literatur vereinzelt vertretene gegenteilige Rechtsauffassung (vgl Berlit in: LPK-SGB II, § 22, Rdn 23) überzeugt nicht. Der Verweis darauf, dass bei der Übernahme von Mietzinszahlungen durch Sozialleistungsträger praktisch auch das Vermögen der Vermieter durch staatliche Leistungen vermehrt werde, so dass ein Gleichheitsproblem entstünde, lässt unberücksichtigt, dass es sich hierbei um einen vollkommen anderen Lebenssachverhalt handelt. Denn im Falle eines Hilfebedürftigen soll durch die Übernahme der Kosten der Unterkunft durch den Träger der Leistungen nach dem SGB II das Wohnen als solches gesichert werden. Diese Sicherung der Unterkunft setzt nicht voraus, dass Eigentum gebildet wird, da das Wohnen auch durch eine Anmietung von Wohnraum erfolgen kann. Für einen Vermieter hingegen stellt die Vermietung seines nicht selbst bewohnten Wohneigentums die Bewirtschaftung seines Vermögens dar. Er erzielt dabei mit der Miete den auf dem freien Wohnungsmarkt erzielbaren Erlös. Dabei ist es für ihn wirtschaftlich unerheblich, ob sein Mieter Leistungsbezieher nach dem SGB II ist oder nicht. Wäre der Vermieter selbst Leistungsbezieher nach dem SGB II, würden seine Mieterträge auf seinen Leistungsanspruch angerechnet. Die Situation eines Vermieters ist mit der Situation eines Hilfebedürftigen nicht vergleichbar, so dass kein Gleichheitsproblem bestehen kann. Ein Gleicheitsproblem ergäbe sich vielmehr innerhalb der Gruppe der Hilfebedürftigen im Sinne des SGB II, wenn Tilgungsleistungen im Falle des Bewohnens eines noch nicht abbezahlten Eigenheims übernommen würden. Denn es ist kein Grund erkennbar, warum Leistungsbezieher, die selbst genutztes Wohneigentum besitzen, deswegen aber noch hohe Schulden zu tilgen haben, staatliche Leistungen erhalten, die der Tilgung dienen und damit der Vermögensbildung, während Leistungsempfänger, die in Mietwohnungen wohnen, keine Leistungen zur Vermögensbildung i.S. von Anschaffungen von Wohneigentum erhalten. Während die einen von Schulden befreit würden und damit einen über die reine Grundsicherung hinausgehenden Vermögensvorteil erhielten, gingen die anderen ohne diesen Vorteil aus. Eindeutig ist der Aufbau von Wohneigentum durch die Übernahme von Schuldenlasten nicht Sinn und Zweck staatlicher Transferleistungen, die den notwendigen Lebensunterhalt eines Hilfebedürftigen sichern sollen. Im Übrigen ist zu bedenken, dass praktisch durch jede Ausgabe, die ein Hilfebedürftiger mit den erhaltenen Sozialleistungen tätigt, zur Vermögensbildung des jeweiligen Empfängers beiträgt. Wenn ein Hilfebedürftiger beispielsweise in einem Geschäft Kleidung erwirbt, vermehrt er damit das Vermögen des Geschäftsinhabers. Erwirbt er Lebensmittel, fließt das dafür eingesetzte Vermögen dem Betreiber des Lebensmittelgeschäfts zu. Es ist ein Unterschied, ob ein Hilfebedürftiger durch die Sozialleistungen in die Lage versetzt wird, seinen täglichen Bedarf durch Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsleben zu decken, oder ob durch die Befreiung von Schuldverbindlichkeiten aus einem Hauskauf Vermögen beim Hilfebedürftigen gebildet wird. Zuletzt zeigt auch der Vergleich mit der Referenzgruppe der Bezieher niedriger Einkommen, die grade über den Bedarfssätzen des SGB II liegen, dass der Erhalt von noch nicht abbezahltem Wohneigentum nicht Teil der Grundsicherung sein kann. Denn ein Mitglied der Vergleichsgruppe würde ohne Eigentum, dass er aus seinen Mitteln nicht mehr halten kann, verkaufen müssen und sich eine günstiger Wohnalternative suchen müssen.

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Teilweise wird in der Rechtssprechung bei Vorliegen einer besonderen Härte im Einzelfall ein Abweichen vom Grundsatz, dass Staatsleistungen nicht der Vermögensbildung dienen sollen, für möglich gehalten (vgl. Sozialgericht Detmold , Urteil vom 16. Februar 2006 - S 8 AS 37/05 -; ähnlich Bayrisches Landessozialgericht , Urteil vom 21. April 2006 - L 7 AS 1/05-). Dies wird beispielsweise dann für denkbar gehalten, wenn der Betroffene bereits den ganz überwiegenden Teil der Verbindlichkeiten aus eigener Kraft abgelöst hat und zugleich aufgrund des Alters nicht mehr in der Lage sein wird, bei Besserung der wirtschaftlichen Lage neues Wohneigentum zu bilden. Allerdings sind im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer solchen besonderen Härte erkennbar.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.