Sozialgericht Stade
Beschl. v. 25.05.2007, Az.: S 17 SF 3/07
Rechtsmittel gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss zur Ansetzung einer Geschäftsgebühr für ein Vorverfahren
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 25.05.2007
- Aktenzeichen
- S 17 SF 3/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 65648
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2007:0525.S17SF3.07.0A
Rechtsgrundlagen
- § 63 SGB X
- Nr. 2400 VV-RVG
- Nr. 3103 VV-RVG
- § 78 Abs. 1 SGG
- § 193 Abs. 1 S. 2 SGG
- § 197 Abs. 1 SGG
Tenor:
Auf die Erinnerung der Antragsgegnerin vom 31. Oktober 2006 hin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. Oktober 2006 geändert: Aufgrund des Kostengrundanerkenntnisses vom 23. Januar 2006 sind von der Antragsgegnerin 171,10 EUR (in Buchstaben: einhunderteinundsiebzig 10/100 EUR) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Juli 2006 an Antragstellerin zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragsgegnerin, im Weiteren Erinnerungsführerin, wendet sich gegen die Ansetzung einer Geschäftsgebühr für ein Vorverfahren im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. Oktober 2006.
Im vorangegangenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes begehrte die Antragsstellerin, im Weiteren Erinnerungsgegnerin, über ihre Prozessbevollmächtigte die vorläufige Auszahlung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ab Dezember 2005. Der vorangehende Bewilligungsabschnitt war am 30. November 2005 ausgelaufen, ohne dass die Erinnerungsführerin über den rechtzeitig gestellten Fortzahlungsantrag der Erinnerungsgegnerin entschieden hatte. Die Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsgegnerin wandte sich mit Schreiben vom 21. Dezember 2005 an die Erinnerungsführerin und forderte diese zur Entscheidung über den Fortzahlungsantrag und Auszahlung der Leistungen auf.
Am 15. Januar 2006 richtete die Erinnerungsgegnerin einen Eilantrag an das Gericht. Am 23. Januar 2006 teilte die Erinnerungsführerin daraufhin mit, dass dem Begehren durch Bescheid vom 12. Januar 2006 entsprochen wurde. Sie erklärte sich zur Übernahme der außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach bereit.
Im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. Oktober 2006 setzte die zuständige Urkundsbeamtin des Sozialgerichts Stade für das Vorverfahren eine Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2400 VV iHv 240,00 EUR zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer und für das Antragsverfahren eine Geschäftsgebühr gemäß Nr. 3103 VV iHv 127,50 EUR nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer fest, insgesamt 472,70 EUR. Hiergegen wendet sich die Erinnerungsführerin mit ihrer mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2006 eingelegten Erinnerung.
Sie trägt vor, es habe kein Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) stattgefunden. Über die Kosten des Verwaltungsverfahrens im engeren Sinne könne das Gericht jedoch nicht im Rahmen des § 193 SGG entscheiden.
Die Erinnerungsgegnerin hat sich zum Schriftsatz der Erinnerungsführerin nicht geäußert.
II.
Die Erinnerung hat Erfolg. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. Oktober 2006 war in dem aus dem Tenor hervorgehenden Umfang zu ändern.
Im Rahmen der Kostenfestsetzung für das gerichtliche Verfahren können nicht die Kosten des Verwaltungsverfahrens als solches festgesetzt werden, sondern nur die Kosten für ein der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienendes Vorverfahren (Widerspruchsverfahren). Ein solches hat hier jedoch nicht stattgefunden. Für eine Festsetzung der Kosten des Verwaltungsverfahrens, das nicht Widerspruchsverfahren ist, durch das Gericht fehlt die gesetzliche Grundlage. Diese sind auf Grundlage des § 63 SGB X in Verbindung mit Nr. 2400 VV-RVG vielmehr durch die zuständige Verwaltungsbehörde auf Antrag festzusetzen.
Hinsichtlich der Kosten ist zwischen dem Verwaltungsverfahren im engeren Sinne, dem einem gerichtlichen Verfahren vorausgehenden und der Nachprüfung eines Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren und dem gerichtlichen Verfahren zu unterscheiden (vgl. Madert in: Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, Anl Nr. 3103 VV, Rn 2). Bei dem der Nachprüfung eines Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren handelt es dabei sich um das Vorverfahren im Sinne des § 78 SGG (Widerspruchsverfahren).
Gemäß § 193 Abs. 1 Satz 2 SGG entscheidet das Gericht durch Beschluss, ob und in welchem Umfang die Beteiligten Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird. Zu den außergerichtlichen Kosten zählen auch die Kosten des Vorverfahrens als Prozessvoraussetzung, sofern sich das gerichtliche Verfahren an das Vorverfahren anschließt (vgl. Meyer-Ladewig/Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, § 193, Rn 5a). Nicht nach § 193 SGG erstattungsfähig, weil nicht auf den Rechtsstreit bezogen, sind die Kosten des Verwaltungsverfahrens, für die die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts maßgebend sind (vgl. Meyer-Ladewig/Leitherer a.a.O., § 193, Rn 6). Daraus ergibt sich, dass es sich im Rahmen des § 193 SGG um die Kosten eines förmlichen Vorverfahrens im Sinne des § 78 Abs. 1 SGG, d.h. eines Widerspruchsverfahrens, handeln muss. Eine Kostengrundentscheidung durch das Gericht war hier entbehrlich, da die Erinnerungsführerin sich zur Kostentragung bereit erklärt hat.
Der Kostenfestsetzungsbeschluss gemäß § 197 Abs. 1 SGG ist in seinem Umfang an die gerichtliche Entscheidung gebunden. Daher gelten für die Kostenfestsetzung auch die gleichen Maßgaben wie für die Kostengrundentscheidung hinsichtlich der Kosten des Vorverfahrens und des Verwaltungsverfahrens. Demnach müssen im Rahmen der Kostenfestsetzung die Kosten des Vorverfahrens als Prozessvoraussetzung berücksichtigt werden, wenn sich das gerichtliche Verfahren an das Vorverfahren anschließt, jedoch nicht die Kosten des Verwaltungsverfahrens (s.o.). Über Kosten des Verwaltungsverfahrens ist stattdessen auf Grundlage des § 63 SGB X in Verbindung mit Nr. 2400 VV-RVG durch die Erinnerungsführerin selbst zu entscheiden, sofern die Erinnerungsgegnerin einen entsprechenden Kostenantrag stellt. Dieser würde dann von der Erinnerungsführerin beschieden werden müssen und könnte ggf. in einem Widerspruchsverfahren und sich anschließenden Klageverfahren überprüft werden.
Bezüglich der Festsetzung der Kosten des Antragsverfahrens wird auf die Ausführungen im Beschluss vom 20. Oktober 2006 verwiesen. Die Gebühr nach Nr. 3103 VV-RVG kommt hier zur Anwendung, da eine Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsgegnerin im Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist. Die Mittelgebühr von 170,00 EUR gemäß Nr. 3103 VV-RVG war aus den im Kostenfestsetzungsbeschluss genannten Gründen zu reduzieren. Die Festsetzung für das Antragsverfahren stellt sich daher wie folgt dar:
Geschäftsgebühr Nr. 3103 VV 127,50 EUR
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV 20,00 EUR
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV 23,60 EUR -
Summe 171,10 EUR
Bezüglich der Kosten des Verwaltungsverfahrens ist der Erinnerungsgegnerin anheim gestellt, sich direkt an die Erinnerungsführerin zu wenden.
Diese Entscheidung ist endgültig, § 197 Abs. 2 SGG.