Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 02.12.2003, Az.: 16 U 116/03
Schmerzensgeldanspruch eines Strafgefangenen wegen menschenunwürdiger Haftsituation ; Überbelegung des Haftraums; Schuldhafte Amtspflichtverletzung; Gebot der Achtung der Menschenwürde im Strafvollzug; Chronische Überbelegung der JVA; Bagatellschaden
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 02.12.2003
- Aktenzeichen
- 16 U 116/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 24119
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2003:1202.16U116.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 15.07.2003 - AZ: 17 O 338/02
- nachfolgend
- BGH - 04.11.2004 - AZ: III ZR 361/03
- BVerfG - 27.12.2005 - AZ: 1 BvR 1359/05
Rechtsgrundlagen
- § 839 BGB
- § 847 BGB a.F.
- Art. 1 GG
- Art. 34 GG
- Art. 5 Abs. 5 MRK
- § 7 Abs. 3 StrEG
Fundstellen
- JurBüro 2004, 508 (amtl. Leitsatz)
- KGReport Berlin 2004, 19
- NJW 2004, X Heft 11 (Kurzinformation)
- NJW-RR 2005, 152
- NJW-RR 2004, 380-382 (Volltext mit red. LS)
- NZV 2004, 307 (amtl. Leitsatz)
- OLGR Düsseldorf 2004, 19
- OLGR Frankfurt 2004, 19
- OLGR Hamm 2004, 19
- OLGR Köln 2004, 19
- OLGReport Gerichtsort 2004, 55-58
- OLGReport Gerichtsort 2004, 19
- StV 2004, 84-86 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Schmerzensgeld wegen unzumutbarer Unterbringung in gemeinschaftlichem Haftraum?
In dem Rechtsstreit
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 2003
durch
den Vorsitzenden Richter ... und
die Richter ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15. Juli 2003 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Hannover geändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungsgründe
I.
Der Kläger verbüßte eine Freiheitsstrafe in der JVA .... Zum Zwecke der Besuchszusammenführung wurde er verlegt und befand sich vom 10. Juli bis 12. Juli 2002 als sog. Durchgangsgefangener in der Transportabteilung der JVA ..., wo er mit weiteren vier Gefangenen in dem Gemeinschaftshaftraum 4115 untergebracht war. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover hat auf seinen Antrag vom 11. Juli 2002 mit Beschluss vom 16. September 2002 (73 StVK 48/02), auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, die Rechtswidrigkeit der Unterbringung des Klägers festgestellt, der deshalb die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes verlangt.
Das Landgericht hat das beklagte Land im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt. Gegen dieses Urteil, auf das wegen weiterer Einzelheiten verwiesen wird, richtet sich die Berufung, mit der das beklagte Land Klagabweisung begehrt.
Die Beklagte rügt, das Landgericht habe die örtlichen Gegebenheiten des Haftraumes nicht hinreichend berücksichtigt, weil eine bauliche Abtrennung des WC/Waschbereichs zum übrigen Haftraum vorliege. Eine konkrete Belästigung durch die Haftsituation habe der Kläger auch nicht geltend gemacht. Vorwerfbar pflichtwidriges Verhalten sei den Bediensteten nicht anzulasten zumal sich auch der Kläger während der Unterbringung nicht unmittelbar beschwert habe.
Jedenfalls scheide ein Anspruch wegen §§ 839 Abs. 3, 254 BGB aus, denn der Kläger habe ein Rechtsmittel nicht eingelegt. Dies wäre auch - entgegen der Auffassung des Landgerichts - nicht offensichtlich aussichtslos gewesen. Hier hätte eine Einzelunterbringung jedenfalls in der Krankenabteilung der JVA organisiert werden können. Der Kläger habe dagegen nicht um eine Einzelunterbringung nachgesucht.
Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht die gebotene Abwägung betroffener Interessen nicht vorgenommen. Schließlich sei auch eine Geldentschädigung hier nicht geboten. Der Kläger habe hinreichenden Ausgleich bereits durch die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer erhalten. Schließlich sei auch die Höhe der zugesprochenen Entschädigung unangemessen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze verwiesen. Die Akten 73 StVK 48/02 Landgericht Hannover waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die Berufung der Beklagten hat im Ergebnis Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden für die Art und Weise der zweitägigen Unterbringung.
Der Senat folgt dem Landgericht im Ergebnis zwar darin, dass die Unterbringung des Klägers in dem Haftraum 4115 der JVA ... gemeinsam mit vier weiteren Gefangenen eine schuldhafte Amtspflichtverletzung nach §§ 839, 847 BGB, Art. 34 GG darstellt. Gleichwohl erscheint es aus Gründen der Billigkeit nicht geboten, dem Kläger unter den hier vorliegenden Umständen eine Entschädigung zuzusprechen.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
1.
Durch die rechtskräftige Entscheidung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover vom 16. September 2002 steht für den Senat bindend fest, dass die Unterbringung des Klägers in dem genannten Zeitraum objektiv rechtswidrig gewesen ist.
Es gelten hier die gleichen Grundsätze für die Bindung der Zivilgerichte im Amtshaftungsprozess, die die Rechtsprechung für Maßnahmen ausgesprochen hat, die bereits Gegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens oder eines Verfahrens nach § 23 EGGVG gewesen sind (vgl. BGH NJW 1994, 1950 [BGH 17.03.1994 - III ZR 15/93]). Die dort vom BGH für das Verfahren nach § 23 EGGVG anerkannte Bindungswirkung muss auch entsprechend für das im vorliegenden Fall durchgeführte Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG gelten. Die gesetzliche Regelung und das Verfahren sind dem der §§ 23 ff. EGGVG vergleichbar, sodass auch hier eine entsprechende Bindung der Zivilgerichte besteht.
Diese Bindungswirkung betrifft nicht nur den Ausspruch der Rechtswidrigkeit der Unterbringung in dem Gemeinschaftshaftraum selbst, sondern auch zwangsläufig die Feststellung dieser Maßnahme als eines tatsächlichen Geschehens, wie es ebenso bei verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen über die Rechtswidrigkeit einer Maßnahme ist, weil eben diese Maßnahme als Bezugspunkt der richterlichen Entscheidung unverzichtbare Grundlage der die Rechtswidrigkeit aussprechenden Entscheidung ist (BGH a.a.O.). Dementsprechend hat der Senat davon auszugehen, dass die Unterbringung des Klägers in dem von der Strafvollstreckungskammer festgestellten Haftraum, der nur eine Größe von 16 qm aufwies, wobei Waschbecken und Klosett nur mit einem Sichtschutz abgetrennt waren, gemeinsam mit vier weiteren Gefangenen rechtswidrig war.
Soweit die Berufung nunmehr vorbringt, die Strafvollstreckungskammer und das Landgericht hätten die räumlichen Gegebenheiten nicht zutreffend gewürdigt, kann sie damit aus den zuvor genannten Gründen keinen Erfolg haben. Davon abgesehen handelt es sich auch nach dem nunmehr erstmals in der Berufung vorgelegten Foto (Bl. 142) keineswegs um eine vollständig abgetrennte Nasszelle, sondern um in den Haftraum integrierte Stellwände, die den Wasch und WCBereich nur unzureichend im Hinblick auf Geräusche und Gerüche von dem übrigen Haftraum abtrennen. Die "Nasszelle" verfügt auch nicht über eine eigene Entlüftung. Es kann also keine Rede davon sein, dass es sich hier um einen vollständig abgetrennten Nassbereich handelte, sodass auch dann, wenn man dieses Vorbringen berücksichtigt - abgesehen von der ansonsten fortbestehenden Überbelegung des Haftraumes mit 5 Gefangenen bei 16 qm - allein aus diesem Grunde keine andere Entscheidung zu rechtfertigen wäre.
Der Senat hält sich zwar nicht an die in den Gründen des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer enthaltene Feststellung gebunden, die in Rede stehende Unterbringung des Klägers verstoße gegen das Gebot menschenwürdiger Behandlung, denn die Gründe nehmen grundsätzlich an der Bindungswirkung nicht teil. Er ist jedoch nach eigener Prüfung der Auffassung, dass jedenfalls im vorliegenden Fall die Unterbringung des Klägers dem aus Art. 1 GG folgenden Gebot der Achtung der Menschenwürde nicht mehr gerecht geworden ist. Der Senat macht sich die diesbezüglichen Ausführungen der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover Seiten 6 und 7 des Beschlusses, Beiakte Bl. 18, 19) zueigen. In der Rechtsprechung ist im Übrigen seit langem die Zulässigkeit der Mehrfachbelegung von Hafträumen unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen Art. 1 GG diskutiert bzw. festgestellt worden. Zu verweisen ist hier nur auf das Urteil des OLG Hamm aus dem Jahre 1967 (NJW 1967, 2024) sowie auf die Entscheidungen des OLG Frankfurt (StV 1986, 27; StV 1988, 540), ebenso OLG Celle (NStZ 1999, 216), wenngleich in jener Entscheidung Art. 1 GG nicht ausdrücklich erwähnt ist. Im Übrigen hat auch die JVA ... in ihrer Stellungnahme gegenüber der Strafvollstreckungskammer vom 14. August 2002 (Beiakte Bl. 6) selbst auf eine frühere Entscheidung des Landgerichts Hannover (77/56 StVK 119/00) vom 5. Juli 2002 Bezug genommen, nach der die gemeinsame Unterbringung eines Strafgefangenen in einem nachts verschlossenen Haftraum mit unabgetrennter Toilette gegen das Verbot einer menschenunwürdigen Unterbringung verstößt und weiter ausgeführt, die hier vorliegende Unterbringung von 5 Gefangenen in einem 16 qm großen Haftraum bei Abtrennung der Toilette (Sichtschutz) sei "analog zu sehen". Auch dem schließt sich der Senat an.
Die Unterbringung des Klägers war danach rechtswidrig und verletzte ihn in seiner durch Art. 1 GG geschützten Menschenwürde.
Damit liegen zugleich auch die Voraussetzungen der (objektiven) Amtspflichtverletzung vor, die im Ergebnis einen Anspruch auf Zahlung einer billigen Entschädigung nach § 847 BGB rechtfertigen können.
2.
Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht auch ein Verschulden festgestellt.
Soweit die Berufung meint, den Amtsträgern könne entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht einmal fahrlässige Pflichtwidrigkeit vorgeworfen werden, weil diese nicht erkennbar gewesen sei und der Kläger letztlich in die Unterbringung auch eingewilligt habe, vermag der Senat dem nicht zu folgen.
Die Rechtsprechung hatte sich - wie oben bereits erwähnt - in den vergangenen Jahren mehrfach mit der Unterbringung mehrerer Gefangener in zu kleinen Haftzellen zu beschäftigen, die einen ähnlich gelagerten Sachverhalt betrafen. Beispielhaft sei auf die Entscheidungen des OLG Frankfurt (StV 1986, 27; StV 1988, 540) und des OLG Celle (NStZ 1999, 216) verwiesen. Es kann also keine Rede davon sein, dass das Problem der Überbelegung der Justizvollzugsanstalten und die Frage der auch angesichts beengter Verhältnisse erforderlichen und verfassungsrechtlich gebotenen menschenwürdigen Unterbringung von Gefangenen nicht bereits seit geraumer Zeit in den Fachzeitschriften, der einschlägigen Kommentarliteratur zum Strafvollzugsgesetz und durch die Rechtsprechung deutlich angesprochen war. Zu verweisen ist ferner auf die Beschlüsse des BVerfG (NJW 2002, 2699, 2700 [BVerfG 27.02.2002 - 2 BvR 553/01]) [BVerfG 27.02.2002 - 2 BvR 553/01]. Beide Entscheidungen befassen sich nicht allein mit der Frage wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes, sondern auch mit dem Recht des Gefangenen auf Achtung seiner Menschenwürde. So heißt es dort ausdrücklich, dass die Art der Unterbringung des Strafgefangenen dessen Menschenwürde verletzen kann und weiter: "In der fachgerichtlichen Rechsprechung ist bereits darauf hingewiesen worden, dass der Unterbringung in kleinen Hafträumen durch die Menschenwürde ... Grenzen gesetzt sind ..." (BVerfG a.a.O.). Angesichts dessen musste sich den Amtsträgern die erkennbare Rechtswidrigkeit der Unterbringung auch im vorliegenden Fall aufdrängen. Dass dies den zuständigen Amtsträgern hier erkennbar war, zeigt auch die bereits erwähnte Stellungnahme der JVA, in der zwar ein Anrecht auf Einzelunterbringung eingeräumt wird, dieses aber zurzeit (wegen ständiger Notbelegung) als nicht umsetzbar bezeichnet wird.
Von einer Einwilligung des Klägers in diese Art der Unterbringung kann nicht ernsthaft die Rede sein, auch wenn er - was offen bleiben kann - nicht unmittelbar sofort gegen diese Unterbringung protestiert haben sollte. Schließlich befand sich der Kläger auf dem Transportweg in eine andere JVA und musste sich aus seiner Sicht jedenfalls zunächst mit der vorgenommenen Unterbringung abfinden. Ein rechtlich erhebliches Einverständnis unter Verzicht auf eine menschenwürdige Unterbringung kann darin nicht erblickt werden.
Angesichts des Einschlusses des Klägers gemeinsam mit vier weiteren Gefangenen für 23 Stunden pro Tag in dem vom Landgericht geschilderten Haftraum 4115 muss nach allem von fahrlässigem Verhalten ausgegangen werden.
Der Senat verkennt dabei nicht die Notsituation der Justizvollzugsanstalt, die sich nach ihrer eigenen Stellungnahme vom 14. August 2002 "ständig in der Notbelegung" befindet. Die Transportabteilung der JVA war in dem hier interessierenden Zeitraum mit 91/98/91 Gefangenen belegt, wobei sie über 47 Einzelhafträume (inklusive vier Sicherheitszellen) und 10 Gemeinschaftshafträume verfügt (Beiakte Bl. 6). Der danach bestehende erhebliche Mangel an Einzelhaftplätzen darf jedoch nicht dazu herhalten, geltendes Recht zu unterlaufen. Die Gerichte haben trotz der bestehenden Notlage keine Möglichkeit, von eindeutigen gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Bestimmungen abzuweichen und Rechte der Gefangenen über das gesetzliche Maß hinaus einzuschränken.
Abgesehen davon neigt der Senat auch dazu, hier die Voraussetzungen eines verschuldensunabhängigen Anspruchs auf Schadensersatz aus Art. 5 Abs. 5 MRK anzunehmen. Das bedarf aber keiner abschließenden Entscheidung, weil sich auch in Anwendung des Art. 5 Abs. 5 MRK keine weiter gehenden Ansprüche ergäben als sie aus Amtspflichtverletzung herzuleiten wären. Zwar bezieht sich die Garantie aus Art. 5 MRK nur auf die Freiheitsentziehung als solche, nicht auf die Modalitäten des Vollzugs der Haft; die Umstände des Vollzugs der Haft können aber die Rechtmäßigkeit der Haft in Frage stellen (BGHZ 122, 268).
3.
Auch der Gedanke der §§ 839 Abs. 3, 254 BGB vermag der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Der Senat folgt der Auffassung des Landgerichts, das ein mögliches Unterlassen eines sofortigen Antrags auf Einzelunterbringung durch den Kläger als nicht schuldhaft angesehen hat.
Angesichts der unstreitigen chronischen Überbelegung der JVA und hier insbesondere der Transportabteilung musste ein solcher Antrag von vornherein als aussichtslos angesehen werden, sodass das Unterlassen eines solchen Antrags, dem aller Wahrscheinlichkeit nach ohnehin nicht hätte entsprochen werden können, nicht als schuldhaft gelten kann. Dies zeigt schon die Überlegung, dass bei einer Belegung der Gemeinschaftshafträume mit nur je zwei Gefangenen die Transportabteilung mit knapp 30 Gefangenen überbelegt war. Man fragt sich, wo die oder wenigstens ein großer Teil dieser Häftlinge denn sonst noch hätte untergebracht werden sollen. Im Übrigen sei nochmals auf die Stellungnahme der JVA verwiesen, in der zwar ein Anrecht auf Einzelunterbringung gesehen wird, dieses aber als "zurzeit nicht umsetzbar" bezeichnet worden ist. Die Ersatzpflicht kann nach § 839 Abs. 3 BGB nur verneint werden, wenn die Einlegung eines gebotenen "Rechtsmittels" den Schaden verhindert hätte, wobei für die Kausalität der Schädiger beweispflichtig ist (zuletzt BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003, III ZR 342/02).
Soweit das beklagte Land in der Berufung erstmals vorbringt, eine Einzelunterbringung des Klägers hätte bei sofortigem Protest anders organisiert werden können; so hätte der Kläger am 10. Juli in der Krankenabteilung und ab 11. Juli in einem dann wieder zur Verfügung stehenden Einzelhaftraum untergebracht werden können, überzeugt dieser Vortrag aus den oben dargelegten Gründen und den eigenen Ausführungen der JVA ... in der Stellungnahme vom 14. August 2002 schon nicht. Es war also damals wie auch im Prozessverfahren erster Instanz keine Rede davon, dass der Kläger bei einem sofortigen mündlichen Protest gegen die Unterbringung anderweitig in einem Einzelhaftraum hätte untergebracht werden können. Zum anderen ist das beklagte Land mit diesem erstmals in der Berufung gebrachten streitigen Vortrag gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen.
4.
Dennoch hat die Berufung der Beklagten Erfolg, denn unter den hier vorliegenden besonderen Umständen des Falles erscheint die Zubilligung einer Entschädigung für die zweitägige Unterbringung in dem gemeinschaftlichen Haftraum aus Gründen der Billigkeit weder unter dem Blickpunkt der Ausgleichs noch der Genugtuungsfunktion geboten.
Dabei hat sich der Senat von folgenden Erwägungen leiten lassen:
Im Rahmen des § 847 BGB (a.F.) ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei geringfügigen Verletzungen des Körpers oder der Gesundheit ohne wesentliche Beeinträchtigung der Lebensführung und ohne Dauerfolgen (Bagatellschaden) ein Schmerzensgeld im Ergebnis versagt werden kann (vgl. BGH NJW 1992, 1043 [BGH 14.01.1992 - VI ZR 120/91]). Im Bereich der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kommt ein Anspruch auf Geldentschädigung nur dann in Betracht, wenn es sich um einen schwer wiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise ausgeglichen werden kann (vgl. dazu Palandt/Thomas BGB, 61. Aufl. § 823 Rdnr. 200 m.w.N.).
Die daraus folgenden Einschränkungen eines Anspruchs auf Entschädigung sind nach Auffassung des Senats auch auf den hier vorliegenden Fall zu übertragen, in dem die Art und Weise der Unterbringung von Strafgefangenen und dadurch die Beeinträchtigung der Menschenwürde in Rede steht. Diese Erwägungen gelten gleichermaßen, wenn man den Anspruch auf Art. 5 Abs. 5 MRK stützen wollte.
Bei der Frage, ob im vorliegenden Fall eine Entschädigung zu gewähren ist, sind vor allem Art und Ausmaß der erlittenen Beeinträchtigung des Klägers wie auch Anlass und Beweggrund und Grad des Verschuldens der handelnden Amtsträger zu berücksichtigen.
Dabei fällt zunächst die mit zwei Tagen nur kurze Dauer der zu beanstandenden Unterbringung des Klägers ins Gewicht. Es handelte sich im Übrigen um einen Transport auf Wunsch des Klägers zum Zwecke der Besuchszusammenführung. Über die oben unter Ziffer 1 beschriebene Art und Weise der Unterbringung in dem Haftraum hinaus hat der Kläger keine weiteren körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen geltend gemacht oder vorgetragen. Es bestehen auch sonst keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Art der Unbringung den Kläger in sonstiger Weise nachhaltig beschwert oder beeindruckt haben könnte. Dabei verkennt der Senat nicht die bei einer Belegung des 16 qm großen Haftraums mit insgesamt 5 Gefangenen bestehende räumliche Enge und den dadurch erzwungenen engen körperlichen Kontakt sowie die Benutzung der Toilette und Waschgelegenheit nur hinter einer nicht vollständigen räumlichen Abtrennung, was zu unvermeidbaren gegenseitigen Belästigungen bei 23-stündigem Einschluss am Tag führen muss. Dass diese Unterbringung von fünf Menschen auf engstem Raum bei 23-stündigem Einschluss unzumutbar ist und Art. 1 GG verletzt, erschließt sich unmittelbar, wenn man sich nur vergegenwärtigt, dass etwa die Hälfte der 16 qm des Raumes durch Mobiliar verstellt und zusätzlich noch der wenigstens halbwegs abgetrennte WCBereich abzuziehen ist. Bei 5 Gefangenen verbleiben dann (theoretisch) nicht einmal 1,5 qm für jeden Einzelnen zur "Bewegung". Dennoch erscheint die hierdurch erzwungene Beeinträchtigung der Rechte des Klägers unter Berücksichtigung der eingangs aufgeführten Gesichtspunkte als nicht so erheblich und schwer wiegend, dass zum Ausgleich aus Gründen der Genugtuung und der Prävention die Zubilligung eines Schmerzensgeldes geboten wäre. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich der Kläger letztlich in rechtmäßig angeordneter Strafhaft befand und er nach dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Vortrag des beklagten Landes als "hafterfahren" anzusehen ist und er auch bereits mehrfach gemeinsam mit anderen Gefangenen in Hafträumen untergebracht war, die nicht über einen abgetrennten Sanitärbereich verfügten. Der Gedanke der Genugtuung und Prävention wird hier schließlich auch dadurch relativiert, dass die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 16. September 2002 bereits die Rechtswidrigkeit der beanstandeten Unterbringung des Klägers und einen Verstoß gegen Art. 1 GG festgestellt hat. Einer etwa zu befürchtenden Wiederholungsgefahr zum Nachteil des Klägers dürfte schon damit der Boden entzogen gewesen sein. Auf der anderen Seite ist schließlich auch die seit langem bestehende und bekannte prekäre Haushaltslage in Niedersachsen, die natürlich auch den Strafvollzug betrifft, zu berücksichtigen. Die Justizvollzugsanstalt befand sich, wie sie selbst mitgeteilt hat, in dem hier interessierenden Zeitraum ständig in der Notbelegung. Das macht die Überbelegung der Transportabteilung mit etwa 30 Gefangenen überdeutlich. Angesichts dieser Überbelegung hätte die Anstalt, um dem Recht des Klägers gerecht zu werden, dies nur durch Beeinträchtigung der Rechte anderer Gefangener tun können oder man hätte den Transport des Klägers, der allerdings in seinem Sinne wegen der Besuchszusammenführung gewünscht war, ablehnen müssen. Mit anderen Worten handelte es sich nicht etwa um eine gewollt schikanöse Behandlung, sondern um eine aus dem Zwang der akuten Notbelegung begründete Unterbringung, die jedenfalls kurzfristig nicht anders zu vermeiden war. Der Grad des Verschuldens sowie Anlass und Beweggrund kann unter diesen Umständen als nicht schwer wiegend angesehen werden.
Wollte man der vorstehenden Argumentation nicht folgen, käme nach Auffassung des Senats unter den hier gegebenen Umständen allenfalls eine Entschädigung in Höhe von 50,00 EUR pro Tag - quasi als symbolische Wiedergutmachung - in Betracht. Soweit das beklagte Land zur Höhe der Entschädigung die Regelung des § 7 Abs. 3 StrEG ins Feld führt, vermag dieser Gedanke nicht zu überzeugen, denn dieses Gesetz behandelt einen Aufopferungsanspruch, durch den nur die üblichen Unzuträglichkeiten der Haft ausgeglichen werden sollen, die nicht mit dem hier vorliegenden vergleichbar sind.
5.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO. Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, § 543 Abs. 2 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Wert des Berufungsverfahrens: 200,00 EUR.