Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 15.12.2003, Az.: 10 UF 267/03
Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für Kinder auf deren Vater bei einem Übertritt der Mutter zum Islam
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 15.12.2003
- Aktenzeichen
- 10 UF 267/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 34760
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2003:1215.10UF267.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 21.10.2003 - AZ: 604 F 2097/03
Fundstellen
- FamRZ 2004, 1667-1668 (Volltext mit red. LS)
- OLGReport Gerichtsort 2005, 59-60
In der Familiensache
...
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht W....... sowie
der Richter am Oberlandesgericht B....... und H.......
am 15. Dezember 2003
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Die Beschwerde der Mutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 21. Oktober 2003 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Vater die gesamte elterliche Sorge für die Kinder übertragen wird.
- 2.
Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
- 3.
Der Beschwerdewert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die seit dem 21. Dezember 2001 geschiedenen Eltern haben bislang für die drei aus der Ehe hervorgegangenen betroffenen Kinder A ......., S ....... und M ....... gemeinsam die elterliche Sorge ausgeübt. Dabei lebten die Kinder seit der Scheidung bei der Mutter, die unverändert in S ....... wohnte, während der ebenfalls in S ....... als Geschäftsführer einer Restaurant-Filiale berufstätige Vater regelmäßig und umfassend Umgang mit den Kindern ausübte, die zu beiden Elternteilen eine enge und liebevolle Beziehung haben.
Die während der Ehe zum Islam übergetretene Mutter erzieht nunmehr auch die Kinder in einem von ihr sehr eng ausgelegten Verständnis und hält etwa die beiden Töchter zum ständigen Tragen eines Kopftuches an. Sie hält mittlerweile den Lebenswandel des Vaters für mit dem Islam unvereinbar und für die Kinder nicht zuträglich, denen nach ihrem Verständnis nur sie selbst eine konsequente Erziehung nach den Regeln des Islam gewährleisten kann. Vor diesem Hintergrund
und erklärtermaßen, um eine möglichst große Entfernung zwischen die Kinder und Ihren Vater zu bringen, ist sie in den Osterferien 2003 gegen den ausdrücklich erklärten Willen des Vaters mit den Kindern nach H ....... umgesiedelt; zuvor war sie auch vom zuständigen Jugendamt auf das Erfordernis einer Zustimmung des Vaters zu einem Wohnortwechsel der Kinder hingewiesen worden. Aufgrund der räumlichen Entfernung war - wie von der Mutter beabsichtigt - in der Folgezeit tatsächlich nur ein sehr verkürzter Umgang mit dem berufstätigen Vater möglich. Dabei wurde der Umgang der Kinder mit ihrem Vater auch noch dadurch erschwert, dass die Mutter seit einiger Zeit unter Berufung auf religiöse Gründe eine direkte Kommunikation mit dem Vater als ihrem geschiedenen Ehemann verweigert; sie hat diesem deswegen auch nicht einmal die Nummer eines in ihrer Wohnung seit geraumer Zeit bestehenden Fernsprechanschlusses mitgeteilt. Namentlich die für die Durchführung des Umganges erforderlichen organisatorischen Vorbereitungen mussten mithin zwischen dem Vater und den Kindern selbst - etwa über öffentliche Fernsprechmöglichkeiten - getroffen werden.
Der Vater, dem zunächst vor allem an der Wiederherstellung eines wie zuvor möglichen Umganges gelegen war, hat im Laufe des Verfahrens dann die Übertragung der elterlichen Sorge erstrebt; er hat - auch im Beschwerdeverfahren - wiederholt betont, dass er sich im Falle eines Umzuges der Mutter in die nähere Umgebung seines Wohn- und Arbeitsortes und zu erwartender Wiederherstellung eines intensiven Umganges mit den Kindern ein Leben der Kinder im Haushalt der Mutter vorstellen könne. Die vom Amtsgericht für die Kinder bestellte Verfahrenspflegerin hat sich für die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater ausgesprochen.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 21. Oktober 2003 unter Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge im übrigen das Aufenthaltsbestimmungsrecht dem Vater übertragen.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Mutter, die eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf sich, hilfsweise die Beibehaltung der gemeinsamen Ausübung erstrebt.
Der Senat, der im Hinblick auf die kurzfristig anstehende Anhörung vor dem Senat die Vollziehung des amtsgerichtlichen Beschlusses im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig ausgesetzt hatte, hat die Beteiligten einschließlich der beiden älteren Töchter angehört.
II.
Die zulässige Beschwerde der Mutter ist nicht begründet. Zutreffend hat das Amtsgericht (bereits) das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder allein auf den Vater übertragen; in Ansehung der gesamten Entwicklung ist jedenfalls nunmehr die Übertragung der elterlichen Sorge insgesamt allein auf den Vater geboten.
1.
Die massive Verweigerung der Mutter sowohl jeglicher direkter Kommunikation mit dem Vater als auch der Einhaltung der sich aus der gemeinsamen elterlichen Sorge ergebenden Beschränkungen gegenüber einseitig gefällten Entschlüssen macht es ist es im Interesse der Kinder erforderlich, vorliegend die bisherige - seit geraumer Zeit allerdings ohnehin nur noch auf dem Papier bestehende - gemeinsame Ausübung der gesamten elterlichen Sorge zu beenden.
Selbst ein für die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge zwingend erforderliches Mindestmaß an (direkter) Kommunikation mit dem Vater wird von der Mutter ausdrücklich verweigert. Die Kinder - vornehmlich die beiden älteren - werden dabei bereits mit der von der Mutter vorgenommenen Aufbürdung der Kommunikation zum Vater überfordert, in eine nicht altersgemäße Rolle gedrängt und in einen emotionalen Zwiespalt gestürzt.
In den wesentlichen in die elterliche Sorge fallenden Entscheidungen der jüngsten Zeit hat sich die Mutter entweder um eine Abstimmung zwischen den Eltern gar nicht erst bemüht (so: Kopftuchtragen, Besuch des Arabisch-Unterrichts in der Moschee statt in der Schule), oder aber sie hat die ausdrückliche gegenteilige Auffassung des Vaters schlichtweg ignoriert (Umzug nach H ....... ).
Im Rahmen der mündlichen Anhörung vor dem Senat ist auch deutlich geworden, dass es für den Umzug nach H ....... - abgesehen von dem Ziel, den Kontakt zwischen Kindern und Vater zu erschweren - keinerlei sachliche Gründe gab. So hat die Mutter, die in H ....... von Sozialhilfe lebt, eingeräumt, abgesehen von einer dorthin verzogenen Schwester einer Schulfreundin selbst keinerlei Beziehungen nach H ....... gehabt zu haben. Auch die von ihr insofern weiter angegebene Erwartung, die Kinder könnten in H ....... durch Spielkameraden aus einem ebenfalls islamischen Umfeld bessere Kontakte bekommen, hat sich nach der Schilderung der Kinder selbst, die allein von (weniger) Freunden aus dem Wohnhaus berichteten, die jedoch allesamt ihrerseits nicht islamisch sind, nicht bestätigt; im Übrigen waren die Kinder - wie auch die Mutter selbst geschildert hat - in S ....... ohne jegliche Probleme in einen Freundeskreis integriert.
2.
Die danach zu treffende Wahl desjenigen Elternteiles, dem die gesamte elterliche Sorge zur alleinigen Ausübung zu übertragen ist, führt unter Berücksichtigung des Wohles der Kinder - wie auch von der Verfahrenspflegerin befürwortet - zur Übertragung auf den Vater.
Die Kinder haben - wovon sich auch der Senat im Rahmen der Anhörung überzeugen konnte - zu beiden Eltern gleichermaßen ein inniges und liebevolles Verhältnis; zuletzt in den Sommerferien haben beide Töchter rund einen Monat lang - auch etwa nach eigener Schilderung - problemlos beim Vater verbracht. An dessen Erziehungseignung hat der Senat keine Zweifel. Konkrete Gesichtspunkte, die gegen eine Übersiedlung der Kinder zum Vater sprechen könnten, sind weder geltend gemacht worden noch ersichtlich. Vielmehr hat der Vater schon in der kurzen Zeitspanne zwischen der amtsgerichtlichen Entscheidung und der Anhörung vor dem Senat alle wesentlichen Erfordernisse geschaffen, namentlich etwa die Anmietung einer angemessenen Wohnung, die Anmeldung der älteren Kinder in einer nahe gelegenen Schule wie einem passenden Hort sowie die Sicherstellung der Versorgung bei eigener beruflicher Verhinderung durch seine Schwester.
Während der Vater über die gesamte Dauer des Verfahrens wie auch in der Beschwerdeinstanz glaubhaft deutlich gemacht hat, dass er einem engen Verhältnis der Kinder zur Mutter nicht im Wege stehen will, sich vielmehr ein Leben der Kinder in einem (im Raum S ....... angesiedelten) Haushalt der Mutter nach wie vor durchaus vorstellen kann, hat die Mutter in massiver Weise - insbesondere durch den ansonsten unmotivierten Umzug nach H ....... - den für ihre gesunde Entwicklung wichtigen Kontakt der Kinder zu ihrem Vater beeinträchtigt; im Falle einer Übertragung des Sorgerechtes auf die Mutter wäre mithin sicher zu erwarten, dass der Kontakt zwischen Kinder und Vater praktisch zum Erliegen käme.