Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 11.12.2003, Az.: 14 U 126/03
Zurückweisung einer Klage aufgrund eines Verfahrensmangels; Zahlung von Schadensersatz wegen eines Beratungsfehlers eines Architekten; Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs bei fehlender Beachtung von Beweisanträgen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 11.12.2003
- Aktenzeichen
- 14 U 126/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 34758
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2003:1211.14U126.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - 09.04.2003 - AZ: 3 O 364/02
Rechtsgrundlagen
- § 67 ZPO
- § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO
Fundstellen
- BauR 2004, 1350 (Kurzinformation)
- BauR 2004, 1973-1974 (Volltext mit amtl. LS)
- BauRB 2004, VI Heft 3 (Kurzinformation)
- BauRB 2004, 266-267 (Volltext mit amtl. LS)
- BrBp 2004, 349-350
- IBR 2004, 260
- OLGReport Gerichtsort 2004, 145-146
In dem Rechtsstreit
...
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 18. November 2003
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richterin am Landgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 9. April 2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg aufgehoben, soweit die Klage hinsichtlich eines Betrages von 4.486,54 EUR nebst Zinsen abgewiesen worden ist. Insoweit wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht des ersten Rechtszugs, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens übertragen wird, zurückverwiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Wert der Beschwer für beide Parteien unter 20.000 EUR.
Gründe
Gründe (abgekürzt gemäß §§ 540, 313 a Abs. 1 ZPO):
Die Berufung der Klägerin - soweit sie nicht hinsichtlich der Abweisung eines Teilbetrages von 1.326,21 EUR zurückgenommen worden ist - hat zunächst einmal Erfolg. Das Verfahren des ersten Rechtszuges leidet an einem wesentlichen Mangel, sodass die Sache auf Antrag beider Parteien zurückzuverweisen war, da aufgrund des Verfahrensmangels eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist.
Zwar ist mit dem Landgericht davon auszugehen, dass die Klägerin aus der von ihr erklärten Streitverkündung in dem vorangegangenen Prozess nichts für sich herleiten kann, weil der hiesige Beklagte, selbst wenn er dem vorangegangenen Verfahren 1 O 375/00 LG Lüneburg der Firma H. Holzbau gegen die hiesige Klägerin beigetreten wäre, keinen anderen Ausgang jenes Rechtsstreits hätte herbeiführen können. Die Klägerin hat nämlich dort ihren Einwand der Mangelhaftigkeit ausdrücklich fallen gelassen, wozu sich der Beklagte als dortiger Streithelfer nicht in Widerspruch hätte setzen können, § 67 ZPO a. E. Dem steht die von der Klägerin im Berufungsrechtszug zitierte Entscheidung des hiesigen 6. Zivilsenats nicht entgegen, weil sie einen gänzlich anderen Fall betrifft (in dem lediglich und nur der Streithelfer Berufung eingelegt hatte, die Hauptpartei am Verfahren also gar nicht mehr beteiligt war).
Das Landgericht hat aber zu Unrecht die auf Zahlung von Schadensersatz wegen eines behaupteten Beratungsfehlers des Beklagten als Architekten gerichtete Klage deswegen abgewiesen, weil ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten bereits jetzt nicht festzustellen sei. Der Beklagte habe, so die Begründung weiter, in demjenigen Ortstermin des vorangegangenen Verfahrens 1 O 375/00 LG Lüneburg, in dem die Werkunternehmerin Firma H. Holzbau gegen die hiesige Klägerin als Bauherrin geklagt habe, seine (der inhaltlichen Richtigkeit nach streitige) Auffassung von der Mangelhaftigkeit der von dieser Firma eingebauten Decke nämlich jedenfalls aufrecht erhalten, was der hiesigen Klägerin bekannt gewesen sei, die gleichwohl ihre entsprechende Rüge im Vorprozess fallen gelassen habe.
Die Auffassung des Landgerichts, dass angesichts dieses Verlaufes des vorangegangenen Prozesses dem Beklagten nicht vorgeworfen werden könne, er habe seine Verpflichtungen aus dem Architektenvertrag schuldhaft verletzt (vgl. Ziffer 2 der Gründe des angefochtenen Urteiles, Bl. 84 R d.A.), ist unzutreffend und enthört die Klägerin hinsichtlich des von ihr dem Beklagten gegenüber inhaltlich gemachten Vorwurfes, er habe ihr - sachlich unzutreffend - zu einem Zurückbehalt in erheblicher Höhe gegenüber der Firma H. Holzbau geraten. Es kommt entgegen der Auffassung des Einzelrichters überhaupt nicht darauf an, ob der Beklagte seine Auffassung von der Mangelhaftigkeit der von dieser Firma eingebrachten Zwischendecke aufrechterhalten hat oder nicht, sondern allein darauf, ob - wie die Klägerin behauptet - diese Empfehlung von Anfang an falsch gewesen ist. Wäre dies der Fall, so hätte der Beklagte sie nicht erteilen dürfen. Dann, so die Klägerin, hätte sie von einem Zurückbehalt abgesehen, wäre nicht (oder zumindest in viel geringerer Höhe) von der Firma H. verklagt worden und hätte nicht die nun geltend gemachten Prozesskosten gehabt. Auf diesen hypothetischen Verlauf zur Schadensbegründung ist es ohne jeden Einfluss, ob der Beklagte seine Empfehlung im vorangegangenen Verfahren zwischen der Firma H. und der Klägerin aufrechterhalten hat. Die Klägerin wäre nicht verpflichtet gewesen, einen Prozess, den sie für aussichtslos gehalten hat und halten durfte, weil er es auch war (was zu klären sein wird), weiter durchzufechten.
Entscheidend ist also, ob, wie der Beklagte (und, seiner Empfehlung folgend, zunächst im vorangegangenen Verfahren 1 O 375/00 auch die Klägerin) angenommen hat, die von der Firma H. eingebaute Zwischendecke mit herausnehmbaren Rasterelementen tatsächlich mangelhaft gewesen ist, weil sie keine nachträgliche unproblematische Öffnung zu Revisionszwecken ermöglicht habe, was aber angesichts der üblichen Konstruktion einer solchen Decke und der Leistungsausschreibung des Beklagten in technischer Hinsicht zu fordern gewesen sei. Dieser Frage hätte das Landgericht bei inhaltlicher Berücksichtigung der Argumentation der Klägerin ebenso nachgehen müssen wie es hätte klären müssen, welchen etwaigen Beseitigungsaufwand die Behebung dieser Mängel erfordert, um beurteilen zu können, ob die Empfehlung des Beklagten an die Klägerin, wie diese behauptet, falsch gewesen ist. Dabei wird auch zu klären sein, ob diejenigen drei Mängel, deren Vorliegen zwischen den Parteien nicht streitig ist (Schnittkanten nacharbeiten, Dellen an den Schnittkanten beseitigen, Aufplatzungen an den Fräskanten beseitigen) einen Mängelbeseitigungsaufwand von nur 500 DM (wie die Klägerin behauptet) oder 2.800 EUR (wie der Beklagte behauptet) ausmachen. Auch in letzterem Fall könnte nämlich, zumindest zum großen Teil, die Empfehlung des Beklagten gerechtfertigt sein.
Auf die Frage, ob der Beklagte, wie die Klägerin meint, ein falsches Leistungsverzeichnis erstellt habe, indem er statt einer "Funktionsdecke" eine bloße Abhängevorrichtung vorgesehen habe, wird es hingegen nicht ankommen. Ein etwaiges Fehlverhalten bei der Abfassung der Leistungsbeschreibung als solches wäre nämlich gar nicht schadensursächlich, da die Prozesskosten hinsichtlich des Verfahrens gegen die Trockenbaufirma nichts mit der ursprünglichen Leistungsbeschreibung zu tun haben, sondern nur mit der Empfehlung des Beklagten an die Klägerin nach Fertigstellung dieser Leistungen. Selbst wenn die ursprüngliche Leistungsbeschreibung des Beklagten falsch gewesen sein sollte, weil er nicht ausdrücklich eine "Funktionsdecke" gefordert hat, wäre dies jedenfalls nicht ursächlich für den Schaden "Prozesskosten". Auch in diesem Falle wäre dem Beklagten nämlich nur vorzuwerfen, dass er der Klägerin danach eine Empfehlung gegeben hätte, die angesichts der ausgeführten Werkleistung unter Berücksichtigung seines Leistungsverzeichnisses unzutreffend gewesen wäre.
Das Landgericht hat damit den Tatsachenvortrag der Klägerin, auf den sie ihren Anspruch hauptsächlich stützt, nämlich die inhaltliche Unrichtigkeit der Empfehlung, im Ergebnis nicht zur Kenntnis genommen und ist den diesen Vortrag betreffenden Beweisanträgen nicht nachgegangen, was sowohl einen Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs als auch eine unzureichende Tatsachenfeststellung darstellt (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl., Rn. 16 zu § 539). Der Verfahrensfehler ist aus den oben genannten Gründen auch wesentlich. Würde sich die Behauptung der Klägerin, die Empfehlung des Beklagten sei inhaltlich falsch gewesen, bestätigen, so wäre (angesichts grundsätzlich anzunehmenden beratungskonformen Verhaltens) davon auszugehen, dass ohne diese falsche Empfehlung die Klägerin sich nicht von der Firma H. hätte verklagen lassen und ihr die Prozesskosten nicht entstanden wären.
Im Rahmen des dem Senat durch § 538 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO eingeräumten Ermessens ist es nicht sachdienlich, dass er die gebotene Sachaufklärung selbst durchführt. Hierzu wäre zunächst auf jeden Fall ein Sachverständigengutachten zu den oben angesprochenen Fragen erforderlich. Je nach dessen Ausgang wird es sodann auf die vom Beklagten im Wege der Hilfsaufrechnung geltend gemachte restliche Honorarforderung ankommen. Insoweit wird dem Beklagten im Wege der Ausübung richterlicher Hinweispflicht Gelegenheit gegeben werden müssen, seine Rechnung den gesetzlichen Erfordernissen anzupassen und zu den Einwendungen der Klägerin gegen die Richtigkeit dieser Rechnung Stellung zu nehmen. Sodann könnte erforderlichenfalls die Höhe der dem Beklagten zustehenden Honorarforderung - ggf. durch ein weiteres Sachverständigengutachten - zu klären sein. Eine Beweisaufnahme in diesem Umfang ist mit der Hauptaufgabe des Senats - Überprüfung des angefochtenen Urteils - nicht vereinbar.
Da noch nicht abzusehen ist, mit welchem Ergebnis der Rechtsstreit enden wird, ist die Entscheidung über die Kosten auch des Berufungsverfahrens, die nur einheitlich ergehen kann, dem Landgericht zu übertragen, das zu prüfen haben wird, ob die durch das erstinstanzliche Urteil (unter Berücksichtigung der Berufungsteilrücknahme) ausgelösten Gerichtskosten teilweise nicht zu erheben sind (§ 8 GKG).
Den Wert der Beschwer hat der Senat mit Blick auf § 26 Nr. 8 EGZPO festgesetzt.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 ZPO.