Landgericht Göttingen
Urt. v. 30.12.2004, Az.: 17 O 263/03
Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens; Voraussetzungen für das Vorliegen von Insolvenzgründen; Anforderungen an die Ermittlung der Insolvenzmasse
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 30.12.2004
- Aktenzeichen
- 17 O 263/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 34421
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:2004:1230.17O263.03.0A
Rechtsgrundlagen
- § 16 Abs. 1 AnfG
- § 89 Abs. 3 InsO
- § 130 InsO
- § 24 ZPO
Fundstellen
- NZI (Beilage) 2005, 29* (amtl. Leitsatz)
- ZInsO 2005, 329-330 (Volltext mit amtl. LS)
Tatbestand
Der Kläger ist mit Eröffnungsbeschluss des AG Charlottenburg. v. 28.2.2002 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des ... (im Folgenden nur Gemeinschuldner) bestellt worden. In dieser Eigenschaft verlangt der Kläger von der Beklagten die Freigabe einer Sicherungshypothek, die diese noch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund einer bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens durchgeführten Gläubigeranfechtung erlangt hat - und zwar auf dem Grundstück P. 17 in W. Grundbuch von W. Bl. 4137.... Dieses Grundstück wurde mit notarieller Urkunde v. 15.2.2001 in anfechtbarer Weise vom Gemeinschuldner auf die Eltern des Gemeinschuldners übertragen.
Am 12.12.2001 erließt das FA wegen Steuerrückständen des Gemeinschuldners einen auf § 3 Abs. 2 AnfG gestützten Duldungsbescheid gegen die Grundstückserwerber, die Eltern des Gemeinschuldners. Hiernach haben diese die Vollstreckung in das genannte Grundstück so zu dulden, als gehöre das bezeichnete Grundstück noch zum Vermögen des Gemeinschuldners. ...
Dieser Bescheid wurde bestandskräftig, und das FA beantragte am 25.6.2002 beim AG Bernau die Eintragung einer Sicherungshypothek, die am 2.7.2002 erfolgt ist.
Zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung am 13.12.2001 befand sich das in Rede stehende Grundstück nach übereinstimmendem Parteivortrag bereits nicht mehr im Gemeinschuldnervermögen.
Der Kläger trägt vor, dass die Beklagte nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eintragung einer Sicherungshypothek nicht mehr hätte betreiben dürfen. § 16 Abs. 2 AnfG fände auch dann Anwendung, wenn die Sicherung aufgrund eines vollstreckbaren Titels erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens betrieben werde. Insgesamt sei ein Rechtserwerb nach Verfahrenseröffnung ausgeschlossen.
Der Kläger, der ein Versäumnisurteil erwirkt hat, wonach die Beklagte die Löschungsbewilligung für die im Grundbuch des AG Bernau, W. Blatt 4137 ON 10, in Abt. III, laufende Nr. 1, zu ihren Gunsten eingetragene Sicherungshypothek i.H.v. 245.336,62 EUR zu erteilen habe, beantragt,
das Versäumnisurteil des LG Frankfurt O. v. 8.7.2004 - 17 O 263/03 - aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte rügt die Zuständigkeit des LG Frankfurt/O., weil nach § 89 Abs. 3 InsO das Insolvenzgericht, hier das AG Charlottenburg, zuständig sei.
Weiter trägt die Beklagte vor, dass kein Anfechtungsanspruch nach § 16 AnfG bestände, weil der von ihr erwirkte Duldungsbescheid bestandskräftig geworden ist. Die Sicherungshypothek hätte auch eingetragen werden können, weil das Grundstück nicht mehr zur Insolvenzmasse gehört habe. Außerdem fehle es für § 130 InsO an einer Gläubigerbenachteiligung, weil die Beklagte neben der weiteren Forderung eines anderen Gläubigers i.H.v. 255,65 EUR die einzige Gläubigerin des Gemeinschuldners sei. Die zur Tabelle festgesetzten weiteren Verbindlichkeiten aus Darlehen gegenüber den Eltern des Gemeinschuldners hätten nicht anerkannt werden dürfen.
Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen und Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässig erhobene Klage ist begründet.
Es handelt sich vorliegend um eine Klage, die auf Freiheit von einer dinglichen Belastung gerichtet ist. Solche Klagen unterfallen § 24 ZPO, wonach das Gericht ausschließlich örtlich zuständig ist, in dessen Bezirk das Grundstück belegen ist. Dies ist der Bezirk des LG Frankfurt/O. § 24 ZPO findet auch dann Anwendung, wenn die Löschung einer dinglichen Belastung nach Vorschriften der InsO oder des AnfG geltend gemacht wird (vgl. Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 24, 13).
Die Klage ist auch begründet, weil die Beklagte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr berechtigt war, die Zwangsvollstreckung aus dem vom FA Friedrichshain/Prenzlauer Berg erwirkten Duldungsbescheid zu betreiben.
1.
Zwar streitet § 89 Abs. 3 InsO nicht für den Kläger, weil das betroffene Grundstück als solches nicht Gegenstand der Insolvenzmasse geworden ist. Genauer Zeitpunkt der Eintragung der Erwerber im Grundbuch ist zwar nicht bekannt, kann jedoch dahinstehen, da die Parteien insoweit übereinstimmend vortragen, dass die Erwerber des Grundstückes, die Eltern des Gemeinschuldners, bereits vor Einleitung und auch Eröffnung des Insolvenzverfahrens als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden waren.
Dem Insolvenzbeschlag unterliegt aber der Anfechtungsanspruch der Beklagten gegenüber den Grundstückserwerbern, den Eltern des Gemeinschuldners (vgl. allg. MünchKomm-InsO/Kirchhof, §§ 129, 203 m.w.N.). Über § 16 Abs. 1 AnfG wird das Verhältnis zwischen dem ursprünglich anfechtungsberechtigten Einzelgläubiger und dem später allein anfechtungsberechtigten Insolvenzverwalter geregelt. Danach geht das Recht, Anfechtungsansprüche zu verfolgen auf dem Insolvenzverwalter ausschließlich über. So ist anerkannt, dass nach rechtskräftigem Abschluss eines Einzelgläubigeranfechtungsprozesses die spätere zwangsweise Durchsetzung des titulierten Anspruches nach § 16 Abs. 1 AnfG dem Insolvenzverwalter zusteht (vgl. Huber, AnfG, 9. Aufl., § 16, 13; MünchKomm-InsO/Kirchhof, Rn. 202). Eine Klauselumschreibung zugunsten des Insolvenzverwalters - in diesen Fällen grds. das Mittel der Wahl für den Insolvenzverwalter - kommt im Streitfall jedoch nicht in Betracht, weil hier die Beklagte als Behörde durch Verwaltungsakt gehandelt hat, und der Insolvenzverwalter nicht anstelle des Hoheitsträgers die Rechte aus einem Duldungsbescheid weiter verfolgen kann (vgl. MünchKomm-InsO/Kirchhof, Rn. 204 a.E.).
Die Eintragung der Sicherungshypothek durch die Beklagte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens war daher nach den §§ 80 - 82, 91 InsO unwirksam, sodass die Beklagte die zu ihren Gunsten im Grundbuch eingetragene Sicherungshypothek rechtsgrundlos erlangt hat und nach § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB (Eingriffskondiktion) zur Herausgabe verpflichtet ist. Diese Rückgewährverpflichtung richtet sich vorliegend auf die Beseitigung der durch die Eintragung der Sicherungshypothek formal entstandenen Belastung des anfechtbar aus dem Gemeinschuldnervermögen weggegebenen Grundstücks. Konkreter Anspruchsinhalt ist daher die begehrte Löschungsbewilligung.
Diesem Ergebnis steht nicht BGHZ 29, 230, 234 [BGH 26.01.1959 - II ZR 235/57] entgegen, wonach es nach Befriedigung oder dinglicher Sicherung eines Anfechtungsanspruches nicht zu einer weiteren Gläubigeranfechtung nach dem AnfG kommen soll. Hiernach scheidet lediglich die Anwendbarkeit von § 145 Abs. 2 InsO aus; unberührt bliebe jedoch ein Vorgehen des Insolvenzverwalters im Rahmen von § 16 Abs. 2 AnfG. Nach hier vertretener Auffassung bedarf es jedoch nicht des Rückgriffes auf § 16 Abs. 2 AnfG, der, so trägt der Kläger zutreffend vor, seinem Wortlaut nach auf die hier gegebene Sicherung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Anwendung findet. Denn bereits über § 16 Abs. 1 AnfG ist die weitere Verfügungsbefugnis über den rechtskräftig (weil bestandskräftig) erwirkten Duldungstitel der Beklagten ausschließlich dem Insolvenzverwalter zugewiesen. Weitere Maßnahmen zur Vollstreckung dieses Titels, hier Eintragung der Sicherungshypothek, durch den Anfechtungs- bzw. Einzelgläubiger, hier die Beklagte, sind daher unwirksam.
Soweit der in den Schriftsätzen der Parteien erörterten Anwendbarkeit von § 16 Abs. 2 AnfG gefolgt würde, so lägen die Voraussetzungen von § 130 InsO entgegen dem Vortrag der Beklagten vor, da nicht der Umfang möglicher Gläubigerbenachteiligung, sondern allein deren Vorliegen maßgeblich ist. Wie auch die Beklagte einräumt, gab es unabhängig von den Eltern des Gemeinschuldners als Darlehensgläubiger noch einen weiteren Gläubiger des Gemeinschuldners, nämlich einen ehemaligen Arbeitnehmer, der noch 255,65 EUR zu fordern hatte.
2.
Wurde die Klage zwar zunächst beim LG Berlin eingereicht, so bleibt § 281 Abs. 3 ZPO gleichwohl unberücksichtigt, weil die Abgabe hierher formlos und ohne vorherige Zustellung der Klage an die Beklagte erfolglos ist. Die Nebenentscheidungen ergehen daher nur nach den §§ 91, 709 Satz 1, Satz 3 ZPO.
Bei der Bemessung der Sicherheitsleistung war nicht der Wert der Sicherungshypothek von 245.636,62 EUR zu Grunde zu legen, da diese Hypothek den Wert des Grundstückes deutlich übersteigen dürfte und insoweit nicht in diesem Umfang ein Vollstreckungsschaden zu befürchten ist. Vielmehr wurde unwidersprochen vorgetragen, dass für das Grundstück ein Wert von 65.445,36 EUR anzunehmen sei. Die Sicherheitsleistung war in Anlehnung an diesen Wert zzgl. eines großzügig bemessenen Sicherheitszuschlages festzusetzen.