Landgericht Göttingen
Beschl. v. 03.11.2004, Az.: 10 T 111/04

Bestimmung der angemessenen Höhe der Vergütung des Insolvenzverwalters; Voraussetzungen für die Zulässigkeit und Begründetheit einer Beschwerde des Insolvenzschuldners gegen die Höhe der Vergütung des Insolvenzverwalters; Bestimmung der Voraussetzungen für das Vorliegen eines Insolvenznormalfalls bei fehlender Masse; Bestimmung der Voraussetzungen für die Erhöhung der Grundvergütung eines Insolvenzverwalters

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
03.11.2004
Aktenzeichen
10 T 111/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 34975
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:2004:1103.10T111.04.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Göttingen - 31.08.2004 - AZ: 74 IN 29/03

Fundstellen

  • DZWIR 2005, 83-84 (Volltext mit amtl. LS)
  • InVo 2005, 99-100 (Volltext mit red. LS)
  • NZI 2005, 44-45 (Volltext mit amtl. LS)
  • NZI (Beilage) 2005, 15* (amtl. Leitsatz)
  • Rpfleger 2005, 212 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZInsO 2004, 1248-1249 (Volltext mit red. LS)
  • ZVI 2004, 763-765 (Volltext mit red. LS)
  • ZVI 2006, 14
  • ZVI (Beilage) 2006, 14 (red. Leitsatz)

Die 10. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen hat
durch
D. als Einzelrichterin
auf die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 28.09.2004
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 31.08.2004 - 74 IN 29/03 -
am 03.11.2004
beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird teilweise wie folgt geändert:

Die Vergütung des Insolvenzverwalters B wird wie folgt festgesetzt:

Grundvergütung1.100,00 EUR
Auslagen183,33 EUR
=1.283,33 EUR
Mehrwertsteuer 16 %205,33 EUR
=1.488,66 EUR.

Der weiter gehende Antrag des Insolvenzverwalters wird zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde des Schuldners zurückgewiesen.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Schuldner 41 %, im Übrigen werden Kosten nicht erhoben.

Beschwerdewert: 1.981,66 EUR.

Gründe

1

Mit Beschluss vom 26.02.2003 hat das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und dem Schuldner Stundung bewilligt. Ferner hat das Amtsgericht den Rechtsanwalt E. zum Insolvenzverwalter bestellt.

2

Mit Schriftsatz vom 26.04.2004 hat der Insolvenzverwalter die Festsetzung seiner Vergütung beantragt. Hierbei ist er von einer Grundvergütung in Höhe von 2.000,00 EUR ausgegangen und hat die in § 2 Abs. 2 InsVV vorgesehene Vergütung vervierfacht. Zuzüglich Auslagen und Mehrwertsteuer hat der Insolvenzverwalter eine Vergütung von insgesamt 2.648,66 EUR beantragt.

3

Mit Beschluss vom 12.05.2004 hat das Amtsgericht - Rechtspflegerin - die Vergütung des Insolvenzverwalters auf 500,00 EUR festgesetzt. Zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer beträgt die Gesamtsumme 667,00 EUR. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass dem Insolvenzverwalter in masselosen Verfahren nach § 2 Abs. 2 InsVV eine Vergütung in Höhe von 500,00 EUR zustehe. Die Vorschrift sei nach der Entscheidung des BGH vom 15.01.2004 (ZIP 2004, 417, 424 ff.) [BGH 15.01.2004 - IX ZB 96/03] für Insolvenzverwalter anwendbar, die bis zum 31.12.2003 bestellt worden seien. Hier sei der Insolvenzverwalter durch Beschluss vom 26.02.2003 bestellt worden, so dass die Begrenzung der Mindestvergütung zwingend zu beachten sei und eine Erhöhung, wie vom Insolvenzverwalter beantragt, nicht in Betracht komme.

4

Auf die sofortige Beschwerde des Insolvenzverwalters hat der Insolvenzrichter das Verfahren gemäß § 18 Abs. 2 RPflG an sich gezogen und mit Beschluss vom 31.08.2004 die Vergütung des Insolvenzverwalters - wie von diesem beantragt - auf insgesamt 2.648,66 EUR festgesetzt. Zur Begründung ist in dem Beschluss ausgeführt, dass die im Beschluss des BGH vom 15.01.2004 (ZIP 2004, 417 = NZI 2004, 196 [BGH 15.01.2004 - IX ZB 96/03] = ZInsO 2004 257) vertretene Rechtsauffassung verfehlt sei. Vielmehr habe sich der Verordnungsgeber bereits vor Erlass der InsVV im August 1998 erkennbar nicht mit der Frage der Angemessenheit der Mindestvergütung auseinander gesetzt. Bereits unter der Geltung der Konkursordnung habe die Mindestvergütung umgerechnet 800,00 EUR betragen. Da die Insolvenzordnung dem Insolvenzverwalter neue Aufgaben auferlegt habe und zudem die Vermehrung massearmer Verfahren absehbar gewesen sei, sei die Kürzung der Vergütung als offensichtlich fehlerhaft anzusehen. Insoweit schließe sich das Amtsgericht Göttingen der vom Amtsgericht Potsdam (ZIP 2004, 673, 676) [AG Potsdam 26.03.2004 - 35 IN 68/03] vertretenen Auffassung an. Im Ergebnis sei deshalb die Mindestvergütung des Insolvenzverwalters angemessen zu erhöhen. Die Erhöhung richte sich nach der Anzahl der Gläubiger. Da im vorliegenden Verfahren 26 Gläubiger Forderungen angemeldet hätten, stehe dem Insolvenzverwalter der vierfache Satz der Mindestvergütung von 500,00 EUR, mithin 2.000,00 EUR zu.

5

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Schuldner mit der sofortigen Beschwerde. Er meint, die zunächst vom Amtsgericht festgesetzte Vergütung in Höhe von insgesamt 667,00 EUR sei zutreffend. Der Insolvenzverwalter habe keinen Anspruch auf eine darüber hinausgehende Vergütung. Es obliege dem Insolvenzgericht nicht, darüber zu entscheiden, ob eine Vergütung auskömmlich sei oder nicht. Auch sei der Grundsatz zu berücksichtigen, dass eine angemessene Vergütung im konkreten Einzelfall nicht zwingend erzielt werden müsse, vielmehr müsse bei einer Vielzahl von Vergütungen jeweils ein Mittelwert berücksichtigt werden. Sofern das Amtsgericht verfassungsrechtliche Bedenken gegen die angewendete Vorschrift habe, müsse es in Bezug auf die angenommene Verfassungswidrigkeit die Sache dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. Keinesfalls dürfe sich das Amtsgericht über die gesetzliche Regelung hinwegsetzen.

6

Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist gemäß §§ 6 Abs. 1, 64 Abs. 3 InsO zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt; sie ist jedoch nur teilweise begründet. Dem Insolvenzverwalter steht eine Grundvergütung in Höhe von 1.100,00 EUR gemäß § 2 Abs. 2 InsVV a.F. zu. Nach dieser Vorschrift soll die Vergütung des Insolvenzverwalters in masselosen Verfahren in der Regel mindestens 500,00 EUR betragen. Schon aus dieser Formulierung ergibt sich, dass es sich um eine Mindestvergütung handelt, die jedoch erhöht werden kann, wenn das masselose Verfahren kein Normalverfahren ist (so auch LG Lübeck ZInsO 2004, 1140[LG Lübeck 11.08.2004 - 7 T 229/04]). Dem steht die Entscheidung des BGH vom 15.01.2004 (ZIP 2004, 417, 423 [BGH 15.01.2004 - IX ZB 96/03] = ZInsO 2004, 257[BGH 15.01.2004 - IX ZB 96/03] = NZI 2004, 196 [BGH 15.01.2004 - IX ZB 96/03]) nicht entgegen. Zwar hat der BGH ausgeführt, dass die in § 2 Abs. 2 InsVV a.F. vorgesehene Mindestgebühr von 500,00 EUR für massearme Verfahren für diejenigen Insolvenzverwalter, die bis zum 31.12.2003 bestellt wurden, anwendbar und jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt nicht verfassungswidrig ist. Damit ergibt sich, dass eine pauschale Erhöhung der Mindestvergütung nicht in Betracht kommt. Die Kammer folgt insoweit ausdrücklich nicht der Rechtsprechung des Amtsgerichts Potsdam (NZI 2004, 272 [AG Potsdam 26.03.2004 - 35 IN 68/03] = ZInsO 2004, 383[BVerfG 14.10.2003 - 1 BvR 538/02]), das die Festlegung der Mindestvergütung in Höhe von 500,00 EUR als von Anfang an verfassungswidrig ansieht und deshalb generell die Mindestvergütung auf 2.000,00 EUR anhebt. Jedoch ist die Mindestvergütung des Insolvenzverwalters zu erhöhen, wenn er in einem Verfahren tätig geworden ist, das über dem Normalfall eines masselosen Insolvenzverfahrens hinausgeht. Wie sich aus § 2 Abs. 2 der seit dem 05.10.2004 geltenden InsVV n.F. ergibt, geht der Gesetzgeber davon aus, dass der Normalfall eines masselosen Verfahrens vorliegt, wenn nicht mehr als 10 Gläubiger ihre Forderungen angemeldet haben, denn in diesem Fall ist als Vergütung der Mindestbetrag von 1.000,00 EUR vorgesehen. Haben also mehr als 10 Gläubiger Forderungen angemeldet, liegt eine Abweichung von der Regel vor, so dass eine Erhöhung der Mindestvergütung vorzunehmen ist. § 2 Abs. 2 InsVV n.F. sieht weiter vor, dass sich bei 11 bis 30 Gläubigern die Vergütung für je angefangene 5 Gläubiger um 150,00 EUR erhöht. Diese gesetzliche Neuregelung bietet nach Auffassung der Kammer eine praxistaugliche Auslegungshilfe für die Frage, wann eine Abweichung vom Normalfall vorliegt und wie die Abweichung zu staffeln ist. Mithin ist die vorzunehmende Erhöhung der Mindestvergütung von der Anzahl der Gläubiger abhängig, wobei die Erhöhung im Einzelnen nach der Neufassung des § 2 Abs. 2 InsVV vorzunehmen ist.

7

Hier haben 26 Gläubiger Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet. Dem Insolvenzverwalter steht mithin eine Erhöhung der Mindestvergütung zu, die wie folgt berechnet wird:

8

Für die ersten 10 Gläubiger erhält der Verwalter 500,00 EUR, für die weiteren 16 Gläubiger erhält er 4 x 150,00 EUR (600,00 EUR), so dass seine Vergütung 1.100,00 EUR beträgt. Zuzüglich der Auslagen in Höhe von 183,33 EUR sowie der Mehrwertsteuer in Höhe von 205,33 EUR beträgt der Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters 1.488,66 EUR.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Beschwerdewert: 1.981,66 EUR.

Den Beschwerdewert hat die Kammer nach § 3 ZPO festgesetzt.