Landgericht Göttingen
Beschl. v. 20.07.2004, Az.: 10 T 83/04
Unzulässigkeit eines Antrags des Insolvenzgläubigers auf Versagung der Restschuldbefreiung vor Anberaumung bzw. Durchführung eines Schlusstermins; Anwendbarkeit der §§ 295, 296 Insolvenzordnung (InsO) erst nach Ankündigung der Restschuldbefreiung
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 20.07.2004
- Aktenzeichen
- 10 T 83/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 34849
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:2004:0720.10T83.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Göttingen - 29.06.2004 - AZ: 74 IN 230/01
Rechtsgrundlagen
- § 289 Abs. 1 InsO
- § 296 Abs. 1 InsO
Fundstellen
- NZI 2004, VIII Heft 9 (amtl. Leitsatz)
- NZI 2004, 596 (Volltext mit red. LS)
- ZVI 2004, 544-545 (Volltext mit red. LS)
- ZVI (Beilage) 2004, 22-23 (amtl. Leitsatz)
Die 10. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen hat
durch
E: .
auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 6.7.2004
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 29.6.2004 - 74 IN 230/01 -
am 20.07.2004
beschlossen:
Tenor:
Der Beschluss vom 29.6.2004 wird geändert. Der Antrag der Gläubigerin, der Schuldnerin die Restschuldbefreiung zu versagen, wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Schuldnerin hat am 27.8.2001 beantragt, das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen zu eröffnen. Gleichzeitig hat sie den Antrag gestellt, ihr Restschuldbefreiung zu erteilen. Mit Beschluss vom 1.12.2001 hat das Amtsgericht das Insolvenzverfahren eröffnet und F. zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 22.1.2004 hat der Insolvenzverwalter den Schlussbericht erstattet. Hierin hat er ausgeführt, dass die Schuldnerin trotz der Auflage, Ratenzahlungen zu erbringen, keine Zahlungen ab April 2003 geleistet habe. Die ab Juli 2003 gezahlten Raten seien nicht pünktlich eingegangen. Darüber hinaus habe die Schuldnerin einen Wechsel ihrer Dienststelle nicht angezeigt. Auch eine Erhöhung ihrer Dienstbezüge habe sie nicht bekannt gegeben. Seit November 2003 habe sie keinerlei Zahlungen von ihrem pfändbaren Einkommen mehr erbracht.
Mit Beschluss vom 23.2.2004 hat das Amtsgericht die der Schuldnerin mit Beschluss vom 1.12.2001 bewilligte Stundung aufgehoben und hat sich zur Begründung auf § 4 c Nr. 3 InsO bezogen.
Mit Schriftsatz vom 8.6.2004 hat die oben genannte Gläubigerin beantragt, der Schuldnerin die Restschuldbefreiung zu versagen. Zur Begründung hat sich die Gläubigerin auf § 296 Abs. 1 InsO bezogen und vorgetragen, die Schuldnerin habe in erheblichem Umfang pfändbare Beträge nicht zur Masse gezahlt. Auch sei die Schuldnerin einer vereinbarten Ratenzahlung nicht nachgekommen und habe eine ihr bekannte Forderung gegenüber dem Insolvenzverwalter nicht bekannt gegeben.
Die Gläubigerin meint, dass ihr Antrag gemäß § 296 Abs. 1 Satz 2 InsO vor Anberaumung eines Schlusstermines zulässig sei, da der Gläubiger den Antrag innerhalb der im Gesetz genannten Jahresfrist stellen müsse.
Mit Beschluss vom 29.6.2004 hat das Amtsgericht der Schuldnerin die beantragte Restschuldbefreiung versagt. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, die Gläubigerin habe den Versagungsgrund des § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO dargelegt und glaubhaft gemacht.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Schuldnerin mit der sofortigen Beschwerde. Sie trägt vor, dass sie entgegen der Auffassung des Amtsgerichts zu dem Vorbringen der Gläubigerin Stellung genommen habe und sich aus dieser Stellungnahme auch ergebe, dass sie auf Grundaufgrund ihrer Erkrankung mit hohen Kosten belastet sei. Sie müsse auch die Medikamentenzuzahlungen leisten, die nicht von der Krankenkasse übernommen würden. Darüber hinaus müsse sie als Lehrerin ihr Unterrichtsmaterial und Bücher, die sie für den Unterricht benötige, selbst bezahlen.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akte der Beschwerdekammer beim Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist gemäß §§ 6 Abs. 1, 289 Abs. 2 bzw. 296 Abs. 3 InsO zulässig. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Der Antrag der Gläubigerin auf Versagung der Restschuldbefreiung ist im derzeitigen Verfahrensstadium unzulässig. Die Versagung der Restschuldbefreiung kann auf diesen Antrag nicht gestützt werden.
Gemäß § 289 Abs. 1 InsO sind die Insolvenzgläubiger im Schlusstermin zu dem Antrag des Schuldners auf Erteilung der Restschuldbefreiung zu hören. Die Gläubiger können in diesem Schlusstermin den Antrag stellen, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. Hier hat ein solcher Schlusstermin noch nicht stattgefunden. Auch hat das Amtsgericht in Bezug auf den Schlusstermin nicht das schriftliche Verfahren angeordnet und insoweit den Gläubigern eine Frist gesetzt, innerhalb derer sie zu dem Antrag der Schuldnerin auf Erteilung der Restschuldbefreiung Stellung nehmen können. Solange jedoch das Amtsgericht weder den Schlusstermin anberaumt hat noch insoweit das schriftliche Verfahren angeordnet hat, ist ein Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung gemäß § 289 Abs. 1InsO unzulässig.
Entgegen der Auffassung der Gläubigerin ist der Antrag auch nicht nach § 296 Abs. 1 InsO zulässig. Der Tatbestand des § 296 InsO kommt erst zur Anwendung, wenn das Amtsgericht dem Schuldner durch Beschluss nach § 289 Abs. 1 die Restschuldbefreiung angekündigt hat. Entgegen der vom Amtsgericht Göttingen (NZI 2003, 217) vertretenen Ansicht ist § 295 InsO auch nicht bereits mit der Verfahrenseröffnung anwendbar. Trotz des Wortlauts des § 295 Abs. 1 InsO finden auch nach der Neufassung des § 287 Abs. 2 InsO die §§ 294-297 InsO erst nach Ankündigung der Restschuldbefreiung Anwendung (vgl. AG Köln NZI 2004, 331 [AG Köln 09.03.2004 - 71 IK 116/01]). Da hier jedoch - wie bereits oben ausgeführt - der Schuldnerin die Restschuldbefreiung bislang nicht angekündigt worden ist, kann die Gläubigerin den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung nicht auf § 296 Abs. 1 InsO und die in § 295 InsO geregelten Versagungsgründe stützen.