Landgericht Göttingen
Urt. v. 08.09.2004, Az.: 4 S 3/03
Erneute Kostenermittlung auf Grund einer kostenintensiveren Bauplanung; Ermittlung eines Architektenhonorars mit der Methode der linearen Interpolation; Nachträgliche Änderung einer geplanten Statik
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 08.09.2004
- Aktenzeichen
- 4 S 3/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 34377
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:2004:0908.4S3.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Northeim - 15.01.2003 - AZ: 3 C 714/02
Fundstellen
- BauR 2005, 1069 (Kurzinformation)
- IBR 2005, 219
Die 4. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen hat
auf die mündliche Verhandlung
vom 01. September 2004
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht sowie
die Richter am Landgericht xxx und xxx
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Northeim vom 15. Januar 2003 (Aktenzeichen: 3 C 714/02) abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Wert des Berufungsverfahrens: 3.944,89 EUR.
Gründe
I.
Von einer Darstellung des Sach- und Streitstandes - über die Ausführungen unter Ziffer II. hinaus - wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Im Übrigen kann auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen werden.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet.
Dem Kläger, der auch in zweiter Instanz - dem in vollem Umfange stattgebenden Urteil des Amtsgerichts folgend - vom Beklagten das seiner Ansicht nach noch offene Honorar hinsichtlich erbrachter Ingenieurleistungen bei der Tragwerksplanung eines Neubaus des Seniorenwohnheims xxx gemäß Honorarschlussrechnung vom 3. April 2002 (Bl. 22 f d.A.) einfordert, steht ein solcher Anspruch nicht mehr zu. Denn die Einwendung des Beklagten, die Arbeit des Klägers sei mit vom Beklagten geleisteten Zahlungen in. Höhe von unstreitig insgesamt 133.735,84 DM bereits ausreichend honoriert worden, greift durch.
1)
Entgegen der Ansicht des Klägers sind vorliegend die für die Schlussrechnung (u.a.) maßgeblichen anrechenbaren Kosten des Objekts zumindest bezüglich der Position Stahlbetonarbeiten, die der Kläger mit 772.050,74 EUR brutto angesetzt hat, entsprechend dem in der nachfolgenden Ausschreibung günstigsten Angebot der Firma xxx, das sich unstreitig auf 488.748,63 EUR brutto belaufen hat, also um die sich ergebende Differenz von 283.302,11 EUR brutto, zu kürzen. Der Kläger kann nur auf dieser Basis sein Honorar abrechnen, woraus sich ergibt, dass der Beklagte seine Tätigkeit bereits vollständig vergütet hat.
Dem steht zunächst nicht entgegen, dass der Kläger bei der Berechnung seiner Honorarforderung auf eine Kostenberechnung des Architekten des Beklagten vom 12. September 2001 zurückgegriffen hat. Denn diese kann zumindest im Punkt "Stahlbetonarbeiten" nicht maßgeblich sein.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass durch eine nachträgliche Änderung der durch den Kläger geplanten Statik/Konstruktion seitens eines weiteren Tragwerksplaners, den der Beklagte, nachdem er den Vertrag mit dem Kläger gekündigt gehabt hatte, mit der weiteren Betreuung der Tragwerksplanung beauftragt hatte, die Stahlbetonarbeiten erheblich kostengünstiger geworden sind. Es wäre aber gerade Aufgabe des Klägers gewesen, den Beklagten auf vorhandene kostengünstigere Konstruktionsalternativen hinzuweisen, Bis zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer war unstreitig, dass der Kläger hierauf nicht hingewiesen hat. Dies begründet einen werkvertraglichen Pflichtenverstoß, der zumindest dazu führt, die anrechenbaren Kosten des Objekts auf das Niveau der später tatsächlich geplanten und ausgeschriebenen Konstruktion zu senken.
Denn Aufgabe eines Architekten wie auch eines Baustatikers ist es regelmäßig, dem Bauherrn - sofern dieser keine abweichenden ausdrücklichen Anweisungen erteilt - eine dem Stand der Technik entsprechende kostengünstige Bauweise anzudienen. Gerade bei gewerblich genutzten Objekten wie vorliegend liegt die wirtschaftliche Komponente der Planung auf der Hand, sodass die Planung von kostengünstigen Konstruktionen nebst Auslotung von Einsparungsmöglichkeiten - die selbstverständlich keinen Qualitätsverlust bewirken dürfen - eine der wichtigen Aufgaben und damit Vertragspflicht des Sonderfachmanns ist, um den wirtschaftlichen Interessen des Bauherrn gerecht zu werden. Der Planer hat seine Tätigkeit hieran auszurichten (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. Auflage 2002, Rn. 1783 m.w.N aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung). Die Kammer ist in diesem Zusammenhang der Ansicht, dass die Pflichten eines Sonderfachmanns in dem von ihm zu verantwortenden Bereich, zumal wenn dieser wie vorliegend sehr umfangreich ist, nicht hinter denen eines Architekten zurückstehen. Gerade der Sonderfachmann, der über Spezialwissen verfügt, kann und muss in den von ihm zu verantwortenden Teil der Planung auf eine wirtschaftliche Bauweise hinwirken, da er besser als jeder andere Konstruktionswege auf deren Vertretbarkeit und Kostenintensität hin überprüfen kann.
Die in der mündlichen Verhandlung des Amtsgerichts vom 05. März 2003 (Blatt 104 d.A.) geäußerte Auffassung des Klägers, er hätte eine kostengünstigere Bauweise anbieten können, wenn man ihn denn danach gefragt hätte, widerspricht daher nicht nur seinem neuen Vortrag (s.u.) sondern auch der Aufgabenverteilung innerhalb des bestehenden Ingenieurvertrages. Dem Kläger selbst oblag es vorliegend, derartige Vorschläge von sich aus zu unterbreiten. Der Kläger hat insoweit mithin pflichtwidrig gehandelt, auch wenn seine Planung an sich zur Durchführung des Bauvorhabens geeignet war.
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erstmals behauptet, er habe den Bauherrn bzw. dessen Architekten über alternative Planungen - und zwar auch über die später tatsächlich realisierte - informiert, man habe sich aber in einem gemeinsamen Entscheidungsprozess hinsichtlich der Frage der Gründung des Baus für eine durch einen weiteren Sonderfachmann empfohlene Bauweise entschieden, da diese als wirtschaftlichste dargestellt worden sei, so ist dieser neue Vortrag, da verspätet, nicht zuzulassen (§ 529 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Zudem ist nicht ersichtlich, warum der Kläger - die Richtigkeit seines durch den Prozessbevollmächtigten des Beklagten bestrittenen neuen Vortrags unterstellt - nicht selbst erkennen konnte, dass seine selbst angedachte und unstreitig vertretbare Konstruktion erhebliche Einsparungen bei den Stahlbetonarbeiten nach sich ziehen würde. Den Vorwurf einer Pflichtverletzung könnte daher auch der neue Sachvortrag nicht entkräften.
In einem solchen Fall kann aber im Rahmen der Honorarberechnung bzgl. der Position "Stahlbetonarbeiten" selbstverständlich nicht die ursprüngliche Kostenberechnung des Architekten maßgeblich sein, zumal deren Erstellung durch den Architekten, wie die Beweisaufnahme vor dem Amtsgericht gezeigt hat, zumindest mit Hilfe des Klägers erfolgte und zudem die später realisierte Konstruktion unstreitig ebenfalls geeignet war. Einzustellen sind in einem solchen Fall vielmehr die Kostenansätze der Ausschreibung, die sich aus der nachträglichen kostengünstigeren Konstruktionsplanung der Stahlbetonarbeiten ergeben.
Der Kläger kann sich vorliegend auch nicht auf eine ihm zustehende Toleranzgrenze bei der Ermittlung der anrechenbaren Kosten des Objekts im Rahmen der Kostenberechnung berufen. Zwar billigt die Kammer, der höchstrichterlichen Rechtsprechung folgend, bei der (auch für das Honorar maßgeblichen) Kostenermittlung je nach Stand und Art des Bauvorhabens Toleranzen zu, da Kostenermittlungen stets, zumal vor Beginn der Bauarbeiten, mit Unsicherheitsfaktoren behaftet sind, die nicht jede Bausummenüberschreitung als Pflichtenverstoß erscheinen lassen. Die höhere Kostensumme beruht vorliegend aber gerade nicht auf derartigen, jeder Prognose innewohnenden Unsicherheit, sondern, wie aufgezeigt, auf einer kostenintensiveren Planung. Insoweit sind jedoch keine Toleranzen zuzubilligen.
Nach alledem kann der Kläger nur ein Honorar gemäß der nachfolgenden Honorarberechnung geltend machen :
Kosten für Baukonstruktion 5.947.494,80 DM netto (statt abgerechneter 6.412.931,03 DM netto), anrechenbar gem. § 62 HOAI 0,55 = | anrechenbare Kosten 3.271.122,10 DM |
---|---|
hinzu kommt technische Ausrüstung netto 2.509.482,76 DM, anrechenbar gem. § 62 HOAI 0,2 = | anrechenbare Kosten 501.896,54 DM |
Summe der anrechenbaren Kosten des Objekts: 3.773.018,60 DM (statt 4.029.006,62). |
Dies ist die Summe der in die Honorarrechnung einzustellenden anrechenbaren Kosten des Objekts.
Hieraus ergibt sich folgendes, mit der Methode der linearen Interpolation zu ermittelndes Honorar, wobei auszuführen ist, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt die Eckwerte der Honorare der Honorarzone III bezüglich dieser Stufe der anrechenbaren Kosten 167.050,- DM (Minimum bei anrechenbaren Kosten 3 Mio.) und 209.070,- DM (Maximum bei anrechenbaren Kosten 4.Mio.) betragen haben.
Das (Gesamt-)Honorar beträgt bei einzustellenden anrechenbaren Kosten von 3.773.018,60 DM 199.532,24 DM. Dies ergibt sich aus folgender Gleichung:
167.050,00 + (209.070-167.050) / (4.000.000 - 3.000.000) x (3. 773.018,60 - 3-000.000)
= 167.050 + 42.020 / 1.000.000 x 773.018,60
= 167.050 + 32.482,24 = 199.532,24 DM.
Hinzu kommen vorliegend noch Nebenkosten in Höhe von 5 % pauschal = 5.487,14 DM
(Zwischensumme 115.229,86 DM), sodass sich nebst 16 % Mehrwertsteuer ein abrechnungsfähiges Gesamthonorar von 133.666,63 DM ergibt.
Da der Kläger jedoch bereits unstreitig 133.755,84 DM erhalten hat, ist das zutreffend berechnete Honorar bereits beglichen.
Nach alledem ist das Urteil des Amtsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 2. September 2004 bietet inhaltlich keinen Anlass, nochmals in die mündliche Verhandlung einzutreten (§ 156 ZPO).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO. Der Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es, da gegen das Berufungsurteil des Landgerichts die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO grundsätzlich statthaft ist. Vorhersehbarer Weise wäre diese im vorliegenden Fall wegen des geringen Streitwerts jedoch unzulässig (§ 26 Nr. 8 EGZPO: Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer muss 20.000,00 EUR übersteigen).
V.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Rechtsfortbildung oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Streitwertbeschluss:
Wert des Berufungsverfahrens: 3.944,89 EUR.