Landgericht Göttingen
Urt. v. 11.03.2004, Az.: 2 O 291/03
Verjährung von Ansprüchen gegen ein Wertpapierdienstleistungsuntemehmen wegen fehlerhafter Beratung; Vorliegen eines schädigenden Ereignisses in den Fällen einer fehlerhaften Anlageberatung zum Zeitpunkt der rechtlichen Bindung selbst
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 11.03.2004
- Aktenzeichen
- 2 O 291/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 34378
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:2004:0311.2O291.03.0A
Rechtsgrundlagen
- § 37a WpHG
- § 823 Abs. 2 BGB
Fundstellen
- DStZ 2005, 91 (Kurzinformation)
- EWiR 2005, 91 (Volltext mit amtl. LS)
- ZBB 2005, 59 (amtl. Leitsatz)
- ZIP 2005, 24 (red. Leitsatz)
Verfahrensgegenstand
Schadensersatz aus Wertpapiergeschäften
Die 2. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen hat
auf die mündliche Verhandlung vom 19.02.2004
durch
G.
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden
Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist Kunde bei der Beklagten, von der er sich in Wertpapiergeschäften beraten ließ. Der Kläger hielt seit Beginn der 80er-Jahre "H.- Anteile". Im Februar 2000 nahm die Beklagte durch ihren Mitarbeiter I. mit dem Kläger Kontakt auf. Es wurde ein Beratungstermin für den 6.3.2000 vereinbart. Im Anschluss an das Gespräch, dessen Inhalt streitig ist, erteilte der Kläger der Beklagten eine Verkaufsorder für die H.- Anteile und eine Kauforder für "J.". Die Beklagte verkaufte die H.- Anteile zu einem Gesamtkurswert von 7.634,34 Euro und kaufte zugleich 48 Stück K.- Anteile. In der Folgezeit erlitt der Kläger durch Kurseinbußen bei den K.- Anteilen Verluste. Am 30.4.2001 suchte der Kläger erneut die Geschäftsräume der Beklagten auf. Nach einem Gespräch mit Herrn L. kaufte erweitere 17 Stück K.- Anteile zum Gesamtkurswert von 7.558,56 Euro.
Der Kläger, der sich als unerfahren auf dem Gebiet des Wertpapierhandels bezeichnet, behauptet, er habe Herrn I. darauf hingewiesen, dass er das Geld für Notfälle benötige und kein Risiko wünsche. Er sei über die mit dem Wertpapiergeschäft verbundenen Risiken nicht umfassend beraten worden. Er habe am 6.3.2000 keinen Hinweis auf die allgemeinen Risiken eines solchen Geschäfts und insbesondere mögliche Kursverluste erhalten. Auch in dem zweiten Gespräch am 30.4.2001 sei er nicht umfassend über die K.- Anteile und die eventuellen Risiken informiert worden. Der Kläger trägt vor, dass ihm für den ersten Kauf der K.- Anteile ein fiktiver Zinsverlust von 794,81 Euro und für den zweiten Kauf von 134,54 Euro entstanden sei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.563,14 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen und zwar Zug-um-Zug gegen Übertragung von 66,12 Stück M.- Anteilen aus dem Depot N..
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beruft sich wegen der geltend gemachten Ansprüche aus der Verkaufsund Kauforder vom 6.3.2000 auf Verjährung.
Die Beklagte trägt zudem vor, dass ihr Mitarbeiter am 6.3.2000 zunächst festgestellt habe, dass die bisherigen Angaben des Klägers, wie sie sich aus der Anlage B1 hinsichtlich des Anlageverhaltens, des Geschäftsumfangs und des Anlagezieles ergeben, weiterhin Gültigkeit hätten. Der Kläger habe nicht erklärt, dass er entgegen dieser Angaben nunmehr das Geld für Notfälle benötige und daher eine stabile risikolose Investition haben wolle. Aufgrund seiner Erfahrung mit Fondanteilen seit 1981 sei der Kläger kein unerfahrener Anleger gewesen. Er sei zudem durch den Mitarbeiter über die mit der neuen Anlage verbundenen Risiken, insbesondere Volatilitätsrisiken, hingewiesen worden. Am 30.4.2001 habe der Kläger selbst das Gespräch gesucht und durch einen Nachkauf den Durchschnittskurs der inzwischen gefallenen K.- Anteile verbilligen wollen. Der Mitarbeiter habe ihn dabei über alle Risiken dieser Anlage informiert und zu einer anderen Anlageform geraten. Gleichwohl habe der Kläger an seiner Entscheidung festgehalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
I.
Ansprüche wegen des Wertpapierkaufs der 48 Stück K.- Anteile aus streitiger fehlerhafter Beratung sind verjährt.
Unstreitig hat das Beratungsgespräch am 6.3.2000 stattgefunden. An diesem Tag wurde ausweislich der vorgelegten Unterlagen auch die Kauforder für die K.-Anteile bzw. die Verkaufsorder für die bis dahin gehaltenen H.-Anteile unterzeichnet. Gemäß § 37 a WpHG verjähren Ansprüche gegen ein
Wertpapierdienstleistungsuntemehmen wegen fehlerhafter Beratung in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist. Ein Anspruch gilt in dem Augenblick als entstanden, in dem er klageweise geltend gemacht werden kann, wobei es auf die Kenntnis des Anspruchsberechtigten nicht ankommt. Dabei wird das schädigende Ereignis in den Fällen einer fehlerhaften Anlageberatung nicht erst in der Realisierung des Vermögensschadens, sondern bereits zum Zeitpunkt der rechtlichen Bindung selbst gesehen (BGH NJW- RR 1991, 1125 ff.; Assmann/Schneider, Kommentar WpHG, § 37 a, Rdnr. 6 und 8). Etwas anderes gilt nur, wenn ein Gestaltungsvertrag vorliegt, dessen Folgen erst durch einen hoheitlichen Akt, so z.B. einen Steuerbescheid des Finanzamtes, geregelt werden (BGH NJW 1992, 2766 ff.)
Hintergrund dieser abweichenden Beurteilung ist, dass eine fehlerhafte steuerliche Beratung allein noch keine Vermögenseinbuße mit sich bringt, sondern sich der Fehler eines Steuerberaters erst mit dem belastenden Bescheid des Finanzamtes schädigend auswirkt (BGH a.a.O., 2767). Diese Konstellation liegt aber im hierzu entscheidenden Fall gerade nicht vor. Da die Verkaufs- bzw. Kauforder bereits am 6.3.2000 erteilt worden ist, ist die am 10.3.2003 bei Gericht eingegangene Klage hinsichtlich dieses Wertpapierkaufs verspätet gewesen, da bereits Verjährung nach § 37 a WpHG eingetreten war.
Bei dem Wertpapierhandelsgesetz handelt es sich um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Ein derartiger Anspruch verjährt gemäß § 852 BGB a.F. in drei Jahren nach Kenntnis vom Schaden. § 852 BGB a.F. findet gemäß Art. 229 § 8 EGBGB Anwendung, weil - wie vorstehend ausgeführt - auf das schädigende Ereignis abzustellen ist, das in der Verkaufs- bzw. Kauforder vom 6.3.2000 und damit vor dem 31.7.2002 liegt. Auch nach den Vorschriften des BGB neuer Fassung hat sich an dieser Verjährung nichts geändert. Allerdings ist zu prüfen, ob die kürzere Verjährungsfrist des § 37 a WpHG auch auf den Anspruch aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem WpHG anzuwenden ist. Bei dem Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB kommt es auf die Kenntnis des Klägers an, die nicht vor dem 10.3.2000 bestanden hat.
Grundsätzlich besteht zwischen Schadensersatzansprüchen aus Vertragsverletzung und aus unerlaubter Handlung eine echte Anspruchskonkurrenz, wobei jeder Anspruch für sich nach seinen eigenen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seiner Verjährung zu beurteilen ist. Damit stehen grundsätzlich auch sich aus den unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen ergebende unterschiedliche Verjährungsfristen nebeneinander, wobei es dem Anspruchsteller nicht verwehrt ist, sich nach der Verjährung eines vertraglichen Anspruchs auf die unerlaubte Handlung zu stützen (vgl. etwa BGHZ 116,297 ff.).
Von diesem Grundsatz ist allerdings dann abzuweichen, wenn durch das Nebeneinander der verschiedenen Verjährungsfristen die kürzer bemessene vertragliche Verjährung im Ergebnis ausgehöhlt würde (BGHZ 66, 315 ff.). Dies ist dann anzunehmen, wenn dieselbe Handlung, die zu einem Schadensersatz aus Vertragsverletzung führt, in der Regel - quasi automatisch - auch eine unerlaubte Handlung darstellt. Dies hat der BGH bei Ansprüchen aus UWG und z.B. auch für Ersatzansprüche eines Vermieters wegen eines Schadens an der Mietsache entsprechend mit der Begründung entschieden, da in der Mehrzahl der Fälle neben einem Anspruch aus positiver Vertragsverletzung des Mietvertrages auch eine Haftung nach § 823 BGB bestehen dürfte (BGHZ 47,53). Beide Ansprüche wurden daher der kurzen Verjährung des § 558 Abs. 1 BGB unterstellt. Andererseits hat der BGH bei Ansprüchen aus pVV eines Steuerberatervertrages eine Gleichschaltung der Verjährungsfristen mit der Begründung abgelehnt, dass eine solche Vertragsverletzung keineswegs automatisch auch eine unerlaubte Handlung darstelle (BGH NJW 1996, 1895,1896 f [BGH 29.02.1996 - IX ZR 180/95]ür § 68 StbG). Mit dieser Begründung entschied das OLG Frankfurt (OLGR 2002,357 ff.) gegen eine einheitliche Verjährung von Ansprüchen aus pVV eines Anwaltsvertrages und aus unerlaubter Handlung. Im vorliegenden Fall gilt jedoch, dass eine Verletzung der nach dem Wertpapierhandelsgesetz obliegenden Beratungspflichten auch einen Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem WpHG ergeben, ohne dass es insoweit unterschiedliche Voraussetzungen gäbe. Würde die wohl in der Regel längere Verjährung des Anspruchs einer unerlaubten Handlung nicht eingeschränkt, so liefe der Inhalt des § 37 a WpHG leer. Damit unterfällt auch der Anspruch aus unerlaubter Handlung der Verjährungsfrist des § 37 a WpHG, sodass auch insoweit Ansprüche verjährt sind.
II.
Von der Verjährungseinrede ist der Wertpapierkauf weiterer 17 Stück K.- Anteile vom 30.4.2001 nicht betroffen, da hier bei Klageerhebung unzweifelhaft keine Verjährung eingetreten ist.
Den insoweit geltend gemachten Ansprüchen aus fehlerhafter Beratung steht aber entgegenstehen, dass der Kläger nach dem eigenen Vortrag in der Klageschrift diesen zweiten Ankauf in Kenntnis und trotz der Tatsache vorgenommen hat, dass die am 6.3.2000 erworbenen gleichen Anteile bis zu diesem Zeitpunkt erhebliche Kursverluste erlitten hatten. Ihm war also bekannt, dass er sein behauptetes Ziel einer risikolosen Geldanlage, um das Geld für Notfälle zur Verfügung zu haben, keinesfalls sicher würde erreichen können. Da der Kläger in Kenntnis des Verlustrisikos seine Anlageentscheidung getroffen hat, ist für einen Anspruch aus fehlerhafter Beratung kein Raum. Einer fehlerhaften Beratung, die angesichts der entstandenen und dem Kläger bekannten Kursverluste bereits nicht hinreichend deutlich vorgetragen worden ist, fehlt es jedenfalls an der Kausalität für die getroffene Entscheidung. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 91 ZPO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.