Landgericht Göttingen
Beschl. v. 07.09.2004, Az.: 10 T 99/04
Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens; Voraussetzungen für das Vorliegen von Insolvenzgründen; Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Zahlungsunfähigkeit
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 07.09.2004
- Aktenzeichen
- 10 T 99/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 34407
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:2004:0907.10T99.04.0A
Rechtsgrundlagen
- § 4 InsO
- § 6 Abs. 1 InsO
- § 16 InsO
- § 91a ZPO
Fundstellen
- ZInsO 2004, 1265-1266 (Volltext mit red. LS)
- ZVI 2005, 78-79 (Volltext mit red. LS)
- ZVI 2006, 26
- ZVI (Beilage) 2006, 26 (red. Leitsatz)
Gründe
Die Gläubigerin hat am 1.7.2003 den Antrag gestellt, über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Hierzu hat die Gläubigerin vorgetragen, es bestünden Abgabenrückstände im Gesamtbetrag von 12,974,58 EUR, die nach §§ 251, 254 ff. AO vollstreckbar seien. Vollstreckungsmaßnahmen seien jedoch erfolglos geblieben, insbes. hätten Kontopfändungen nicht zum Ausgleich der Forderungen geführt.
In dem Anhörungstermin v. 7.8.2003 hat der Geschäftsführer der Schuldnerin Forderungen der Gläubigerin bestritten und insoweit vorgetragen, es werde ein Rechtsstreit vor dem FG geführt. Die Gläubigerin habe die Steuern nicht richtig geschätzt und Gegenforderungen nicht anerkannt.
In einer Stellungnahme v. 1.9.2003 hat die Gläubigerin ausgeführt, dass jedenfalls die USt für das zweite Vierteljahr 2002 auf Bescheiden beruhe, die aufgrund einer durchgeführten Sonderprüfung ergangen seien, lediglich die festgesetzte Forderung für die Lohnsteuer für 4/2002 sowie die USt für das dritte Vierteljahr 2002 sei aufgrund einer Schätzung festgesetzt worden. Gegenforderungen der Schuldnerin bestünden derzeit nicht.
Einer entsprechenden Ankündigung, eine berichtigte USt-Voranmeldung für II/2002 abzugeben, ist die Schuldnerin nach Angaben der Gläubigerin jedenfalls bis 10/2003 nicht nachgekommen.
Mit Beschl. v. 19.1.2004 hat das AG die Einholung eines schriftlichen Gutachtens zu der Frage angeordnet, ob ein Eröffnungsgrund gem. § 16 InsO vorliege und den Steuerberater R. B. in Seesen zum Sachverständigen bestellt. Anlässlich eines Gesprächs bei dem Sachverständigen hat der Geschäftsführer der Schuldnerin erklärt, dass die Schuldnerin auf einem Konto in Österreich über ein Guthaben i.H.v. 20.000 EUR verfüge. Einen entsprechenden Nachweis, dass die Schuldnerin Kontoinhaberin ist, hat die Schuldnerin indessen nicht erbracht.
Mit Schriftsatz v. 14.6.2004 hat die Gläubigerin den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Das AG hat daraufhin mit Beschl. v. 15.6.2004 die Kosten des Verfahrens der Schuldnerin auferlegt und den Gegenstandswert auf bis zu 13.000 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat das AG ausgeführt, dass der Antrag der Gläubigerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin zulässig gewesen sei. Gem. § 91a ZPO sei deshalb nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden, nachdem die Gläubigerin den Antrag in der Hauptsache für erledigt erklärt habe. Da der Antrag bis zur Erfüllung der Forderung zulässig und begründet gewesen sei, müsse die Schuldnerin die Kosten des Verfahrens tragen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Schuldnerin mit der sofortigen Erinnerung. Sie trägt vor, es habe zu keinem Zeitpunkt Insolvenzgefahr bestanden, vielmehr habe lediglich Zahlungsunwilligkeit auf Seiten der Schuldnerin vorgelegen. Nach wie vor sei die finanzielle Klärung mit der Gläubigerin noch nicht abschließend geregelt, man habe lediglich eine Vereinbarung mit einer entsprechenden Sicherheitsleistung getroffen.
Unzutreffend sei auch der vom AG angenommene Gegenstandswert, denn die Summe, die die Gläubigerin versucht habe einzutreiben, habe bei lediglich 8.500 EUR gelegen.
Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 4, 6 Abs. 1 InsO, § 91a Abs. 2 ZPO zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Das AG hat zutreffend entschieden. Die Regelung über die Erledigungserklärung (§ 91a ZPO) gilt auch im Insolvenzverfahren. Dies ist in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt (BGH, ZInsO 2002, 29[BGH 20.11.2001 - IX ZR 48/01]; Kübler/Prütting/Pape, InsO, 4. Lfg. 6/1999, § 13 Rn. 23; FK-InsO/Schmerbach, 3. Aufl., § 13 Rn. 101; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 14 Rn. 84). Im Hinblick darauf hatte das AG, nachdem die Gläubigerin ihren Antrag für erledigt erklärt hatte, nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Diese Kosten hat das AG zutreffend der Schuldnerin auferlegt. Im Zeitpunkt der Erledigungserklärung lag seitens der Gläubigerin ein zulässiger Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin vor. Der zulässige Antrag eines Gläubigers setzt die Glaubhaftmachung eines Insolvenzgrundes voraus, d.h., der Gläubiger muss eine zur Antragstellung berechtigende Forderung sowie die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners darlegen und glaubhaft machen. Hier hat die Gläubigerin mit ihrem Antrag v. 1.7.2003 dargelegt, dass seitens der Schuldnerin Abgabenrückstände in einer Höhe von insgesamt 12.974,58 EUR bestünden, die nach §§ 251, 254 ff. AO vollstreckbar seien. Damit hat die Gläubigerin das Bestehen einer Forderung gegen die Schuldnerin hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht. Zwar hat der Schuldner, der die Forderung des Gläubigers bestreitet, die Möglichkeit einer Gegenglaubhaftmachung, um so den ursprünglich zulässigen Antrag des Gläubigers unzulässig zu machen (Kübler/Prütting/Pape, a.a.O., 12. Lfg. 8/2001, § 14 Rn. 7; Vallender, MDR 1999, 280, 281). Diese Glaubhaftmachung ist der Schuldnerin jedoch bis zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung nicht gelungen. Allein der Hinweis der Schuldnerin, dass ein Rechtsstreit vor dem FG anhängig sei, reicht zur Gegenglaubhaftmachung mit aus. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass zumindest die Forderung der Gläubigerin auf Zahlung der USt für das zweite Vierteljahr 2002 auf einer durchgeführten Sonderprüfung beruht und nicht nur auf einer Schätzung der Gläubigerin. Dass jedoch die Schuldnerin insoweit keine Steuern schuldete, hat sie nicht glaubhaft gemacht. Zwar ist es nicht Aufgabe des Insolvenzeröffnungsverfahrens, den Bestand streitiger Forderungen zu klären, gelingt es jedoch dem Schuldner nicht, die Glaubhaftmachung der Forderung zu erschüttern, so reicht es bis zur Entscheidung über den Insolvenzantrag aus, wenn der Gläubiger seine Forderung glaubhaft gemacht hat. Eines Vollbeweises bedarf es nicht (Kübler/Prütting/Pape, a.a.O., 10. Lfg. 8/2001, § 14 Rn. 7; OLG Köln, ZIP 2000, 151). Da - wie bereits oben ausgeführt - die Schuldnerin ihrerseits nicht glaubhaft gemacht hat, dass der Gläubigerin keine Forderung zusteht, reichte die Glaubhaftmachung der Gläubigerin für die Zulässigkeit des Insolvenzantrags aus.
Die Gläubigerin hat auch die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin glaubhaft gemacht. Gängiges Mittel der Glaubhaftmachung der Zahlungsunfähigkeit ist die Darlegung, dass innerhalb der letzten sechs Monate die Eintreibung der Forderung nicht erfolgreich war. Hierzu hat die Gläubigerin in ihrem Antrag v. 1.7.2003 vorgetragen, dass eine Kontopfändung am 3.4.2003 ohne Erfolg geblieben ist. Demgegenüber hat die Schuldnerin nicht glaubhaft gemacht, dass sie über Mittel verfügte, um die Forderung der Gläubigerin zu befriedigen. Der von ihr vorgelegte Kontoauszug bezog sich auf ein Konto, dessen Inhaber der Geschäftsführer der Schuldnerin ist. Dass die Schuldnerin selbst über Mittel verfügte, um fällige Forderungen zu bezahlen, hat die Schuldnerin weder dargelegt noch glaubhaft gemacht.
Soweit das AG für das Verfahren einen Gegenstandswert von bis zu 13.000 EUR festgesetzt hat, ist dies nicht zu beanstanden. Nach § 37 GKG werden die Gebühren für den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach der Höhe der Forderung des Gläubigers bemessen, wenn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens von einem Gläubiger gestellt wird. Hier hat die Gläubigerin in ihrem Antrag vom 1.3.2003 die Forderungshöhe mit 12.974,58 EUR angegeben. Zwar hat sie mit Schreiben vom 1.9.2003 vorgetragen, dass Forderungen i.H.v. 4.758 EUR zzgl. 142,50 EUR Säumniszuschläge nicht mehr geltend gemacht würden. Andererseits hat die Gläubigerin mit Schreiben v. 12.11.2003 mitgeteilt, dass zu diesem Zeitpunkt Forderungen i.H.v. insgesamt 18.089,59 EUR bestünden. Wenn also das AG im Hinblick darauf den Wert der Forderung der Gläubigerin mit bis zu 13.000 EUR angenommen hat, ist dies nicht zu beanstanden.