Landgericht Göttingen
Beschl. v. 24.06.2004, Az.: 10 T 72/04
Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens; Voraussetzungen für das Vorliegen von Insolvenzgründen; Anforderungen an die Ermittlung der Insolvenzmasse
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 24.06.2004
- Aktenzeichen
- 10 T 72/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 34399
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:2004:0624.10T72.04.0A
Rechtsgrundlagen
- § 23 Abs. 1 GKG
- § 50 Abs. 1 GKG
- § 16 InsO
- § 91a ZPO
Fundstellen
- InVo 2005, 98-99 (Volltext mit red. LS)
- NZI 2004, VII Heft 8 (amtl. Leitsatz)
- NZI 2004, 501 (Volltext mit red. LS)
- ZIP 2004, 1773
- ZInsO 2004, 819-820 (Volltext mit red. LS)
- ZVI 2004, 427-428 (Volltext mit red. LS)
- ZVI (Beilage) 2004, 14 (amtl. Leitsatz)
Gründe
Die o.g. Gläubigerin hat am 13.5.2003 beantragt, über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Das AG hat daraufhin die Einholung eines schriftlichen Gutachtens angeordnet über die Fragen, ob ein Eröffnungsgrund gem. § 16 InsO vorliege und eine die Verfahrenskosten deckende Masse vorhanden sei. Insoweit hat es den Rechtsanwalt W. in Göttingen zum Sachverständigen bestellt.
Nachdem der Schuldner die Forderung der Gläubigerin ausgeglichen hat, hat diese den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der Hauptsache für erledigt erklärt Mit Beschl. v. 20.8.2003 hat das AG die Kosten des Verfahrens gem. § 91 a ZPO dem Schuldner auferlegt.
Mit der Kostenrechnung v. 23.3.2004 wird die Gläubigerin als Zweitschuldnerin in Anspruch genommen wegen einer Kostenforderung i.H.v. 595,09 EUR, die sich aus der Gebühr des Eröffnungsantrags i.H.v. 100 EUR und der Sachverständigenentschädigung i.H.v. 495,09 EUR zusammensetzt.
Gegen diesen Kostenansatz hat die Gläubigerin Erinnerung eingelegt insoweit, als sie auch für die Kosten des Sachverständigen i.H.v. 495,09 EUR in Anspruch genommen wird. Hierzu hat sie ausgeführt, für die entstandenen Auslagen hafte sie nicht, vielmehr würden diese dem Antragsteller nur auferlegt, wenn der Antrag abgewiesen oder zurückgenommen worden sei.
Mit Beschl. v. 7.5.2004 hat das AG der Erinnerung stattgegeben und den Kostenansatz dahin abgeändert, dass die Antragstellerin nur für die Kosten i.H.v. 100 EUR haftet. Zur Begründung hat das AG ausgeführt, gem. § 50 Abs. 1 GKG sei im Insolvenzverfahren der Antragsteller Schuldner der Gebühr für das Verfahren über den Antrag auf Eröffnung. Für die im Verfahren entstandenen Auslagen hafte er nur, wenn der Antrag abgewiesen oder zurückgenommen werde. Diese Regelung sei nach ihrem Wortlaut eindeutig und begründe keine Haftung des Antragstellers für den Fall, dass das Verfahren gem. § 91a ZPO für erledigt erklärt worden sei. Insoweit schließe sich das Gericht auch nicht der in der Rechtsprechung und Literatur vertretenen anderen Auffassung an. Diese sei nicht überzeugend, weil der Gesetzgeber auch in dem zum 1.7.2004 in Kraft tretenden KostRMoG keine andere Regelung getroffen habe. Vielmehr werde auch in dem jetzigen § 23 Abs. 1 GKG n.F. zwischen Gebühren und Auslagen unterschieden. Die Auslagen trage danach der Antragsteller nur, wenn sein Antrag abgewiesen oder zurückgenommen werde.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Bezirksrevisor mit der Beschwerde. Er meint, das Gesetz enthalte eine Regelungslücke, denn andernfalls hätte der Gesetzgeber zur Klarstellung aufnehmen müssen, dass Erledigungserklärungen nach § 91a ZPO der Zurücknahme des Antrags nicht gleich stünden. Demzufolge sei es zulässig, die Erledigungserklärung der Antragsrücknahme gleichzusetzen und dem Antragsteller auch die Haftung für die Auslagen aufzuerlegen.
Die Beschwerde des Bezirksrevisors ist gem. § 5 Abs. 2 GKG zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Das AG hat zutreffend entschieden. Die Gläubigerin als Antragstellerin ist nicht mit den Sachverständigenkosten zu belasten. Die Kosten des Sachverständigen sind Auslagen i.S.d. § 1 Abs. 1 GKG. Nach § 50 Abs. 1 GKG ist der Antragsteller Schuldner der Gebühr für den Antrag auf Eröffnung des Verfahrens, die hier 100 EUR beträgt. Für die Auslagen haftet der Antragsteller hingegen nur, wenn der Antrag abgewiesen wird oder zurückgenommen worden ist. Dieser Fall liegt hier nicht vor, denn die Gläubigerin hat das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem der Schuldner die Forderung im laufenden Verfahren beglichen hat.
Entgegen der Auffassung des Bezirksrevisors steht jedoch die Erledigungserklärung der Rücknahme des Antrags nicht gleich. Die Kammer folgt insoweit nicht der Auffassung des AG Paderborn (JurBüro 1992, 468) bzw. des AG Frankfurt (ZVI 2003, 615).
Soweit diese Gerichte meinen, im Wege der Auslegung des § 50 Abs. 1 Satz 2 GKG hafte der Antragsteller für die Auslagen auch bei einer Verfahrensbeendigung durch Erledigung der Hauptsache, verkennt diese Auffassung, dass für eine Auslegung dieser Vorschrift kein Raum ist. Der Wortlaut des Gesetzes ist eindeutig. Der Gesetzgeber hat nur für den Fall der Antragsrücknahme sowie der Abweisung des Antrags die Haftung des Antragstellers für die entstandenen Auslagen begründet. Für den Fall der Erledigungserklärung ist diese Haftung im Gesetz nicht vorgesehen. Es besteht keine Veranlassung zu der Annahme, dass hier eine Regelungslücke besteht, die durch Auslegung auf einen weiteren Fall der Verfahrensbeendigung auszudehnen ist (vgl. AG Dresden, ZInsO 2003, 385[AG Dresden 10.04.2003 - 531 IN 161/00]; LG Frankenthal, NZI 2002, 265; AG Kaiserslautern, NZI 2004, 327, 328) [AG Kaiserslautern 09.03.2004 - IN 299/02]. Dass die Regelung über die Erledigungserklärung (§ 91a ZPO) auch im Insolvenzverfahren gilt, ist nunmehr allgemein anerkannt (BGH, ZInsO 2002, 29[BGH 20.11.2001 - IX ZR 48/01]; Kübler/Prütting/Pape, InsO, 4. Lfg. 6/1999, § 13 Rn. 23; FK-InsO/Schmerbach, 3. Aufl., § 13 Rn. 101; Uhlenbruck, InsO, § 14 Rn. 84). Wenn der Gesetzgeber die Haftung für Auslagen im Fall der Verfahrensbeendigung durch Erledigungserklärung der Verfahrensbeendigung durch Antragsrücknahme oder Antragsabweisung hätte gleichstellen wollen, also davon ausging, dass dieser Tatbestand regelungsbedürftig ist, hätte dies in dem zum 1.7.2004 in Kraft tretenden KostRMoG erfolgen können. Tatsächlich hat der Gesetzgeber jedoch in § 23 Abs. 1 KostRMoG geregelt, dass der Antragsteller die Gebühr für den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens schuldet. Nur wenn der Antrag zurückgenommen oder abgewiesen wird, gilt dies auch für die entstandenen Auslagen. Mithin hat der Gesetzgeber in Kenntnis der Zulässigkeit der Erledigungserklärung im Insolvenzverfahren diesen Fall nicht mit in die Neuregelung einbezogen. Es ist deshalb nicht zulässig, im Wortlaut des § 50 Abs. 1 GKG eine Regelungslücke zu sehen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass dann, wenn hier eine Lücke bestünde, der Gesetzgeber den Fall der Erledigungserklärung in das KostRMoG aufgenommen hätte. Da dies nicht geschehen ist, spricht alles dafür, dass der Gesetzgeber im Fall der Erledigungserklärung die Haftung des Antragstellers für die Auslagen nicht begründen wollte. Hierfür spricht i.Ü. auch, dass es dem antragstellenden Gläubiger dessen Antrag ursprünglich zulässig und begründet war, möglich sein muss, das Verfahren durch Erledigungserklärung zu beenden, ohne insoweit ein erhebliches Kostenrisiko zu tragen.