Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.06.2000, Az.: 10 L 209/00

Ausschussvorsitzender; Befugnis; Prüfung; Prüfungsausschuss; Wiederholungsprüfung; Zulassung; Übertragung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
20.06.2000
Aktenzeichen
10 L 209/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 41996
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 11.12.1997 - AZ: 6 A 3018/97

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Eröffnet eine Hochschulprüfungsordnung die - von Verfassungs wegen nicht gebotene - Möglichkeit einer zweiten Wiederholungsprüfung, dann muss sich das Prüfungsverfahren auch insoweit an Maßstäben orientieren, die mit den Artikeln 3 und 12 GG vereinbar sind.


2. Sofern eine Prüfungsordnung die Übertragung von Kompetenzen des Prüfungsausschusses auf seinen Vorsitzenden gestattet, so ist es mit dem Gebot der Chancengleichheit nicht zu vereinbaren, wenn eine solche Übertragung zur Folge hat, dass über Wiederholungsanträge grundsätzlich der Vorsitzende alleine befindet und er nur in den ihm erforderlich erscheinenden Fällen die Entscheidung des Ausschusses herbeiführt.

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt die Zulassung zu einer zweiten Wiederholungsprüfung.

2

Der 1966 geborene Kläger studierte seit 1987 bei der Beklagten im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften. Nachdem er im Februar 1990 die Diplomvorprüfung bestanden hatte, meldete er sich im Januar 1994 zur Diplomprüfung, bestand diese aber nicht, weil er in den schriftlichen Prüfungen der Fächer Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik nur die Note 5,0 erhalten hatte und zu den mündlichen Prüfungen der genannten Fächer ebenso wie zu den schriftlichen und mündlichen Prüfungen der Fächer Markt und Konsum sowie Unternehmensführung und Organisation nicht erschienen war. Die Wiederholungsprüfungen des Klägers blieben ebenfalls ohne Erfolg. Seine schriftlichen Prüfungsleistungen in den Fächern Markt und Konsum sowie Unternehmensführung und Organisation wurden mit der Note 5,0 bewertet; zu den mündlichen Prüfungen in den genannten Fächern sowie zu den schriftlichen und mündlichen Prüfungen in den Fächern Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik war der Kläger wiederum nicht erschienen.

3

Unter dem 30. Januar 1996 beantragte der Kläger, ihn zu einer zweiten Wiederholungsprüfung zuzulassen.

4

Dieses Begehren lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 13. Februar 1996 mit der Begründung ab, das bisher gezeigte Leistungsbild lasse das Erreichen des Studienzieles nicht als wahrscheinlich erscheinen, dies schon deshalb nicht, weil der Kläger im Verlauf der Erst- und Wiederholungsprüfung überwiegend zu den schriftlichen und mündlichen Prüfungen nicht erschienen sei. Gegen den ablehnenden Bescheid erhob der Kläger am 25. März 1996 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 1996 als unbegründet zurückwies.

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Seine hiergegen gerichtete Klage vom 10. Juni 1996 hat der Kläger im Wesentlichen damit begründet, dass über seinen Antrag nicht der für die Bescheidung zuständige Prüfungsausschuss, sondern dessen Vorsitzender allein und damit ein unzuständiges Gremium entschieden habe. Auch inhaltlich sei die Ablehnung seines Wiederholungsantrages, zu dem er im Übrigen nicht gehört worden sei, zu beanstanden, weil ihn die Beklagte lediglich auf versäumte Prüfungstermine hingewiesen, über das Erreichen des Studienzieles indes wesentliche Überlegungen nicht angestellt habe.

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Der Kläger hat beantragt,

7

den Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 1996 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm zweite Wiederholungsprüfungen in den Fächern Volkswirtschaftslehre, Markt und Konsum, Unternehmensführung und Organisation sowie Wirtschaftsinformatik zu gestatten; hilfsweise, ihn über sein Wiederholungsbegehren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

8

Die Beklagte hat beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Die Beklagte hat erwidert, dass der Prüfungsausschuss seine Befugnis, über die Zulassung zu einer zweiten Wiederholungsprüfung zu befinden, in Übereinstimmung mit den Regelungen der Diplomprüfungsordnung auf seinen Vorsitzenden habe übertragen dürfen. In der Sache habe dieser zu Recht darauf abgestellt, dass die bisher gezeigten Leistungen des Klägers einen erfolgreichen Abschluss seines Studiums nicht erwarten ließen.

11

Mit Urteil vom 11. Dezember 1997 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger die Zulassung zu einer weiteren Wiederholungsprüfung nicht beanspruchen könne. Mit dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses habe das zuständige Gremium der Beklagten über den Wiederholungsantrag befunden; der für die Entscheidung nach der Prüfungsordnung zuständige Prüfungsausschuss habe die hier umstrittene Entscheidungskompetenz auf seinen Vorsitzenden übertragen dürfen und von dieser Möglichkeit auch rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht. In der Sache sei die Ablehnung, den Kläger zu einer weiteren Wiederholungsprüfung zuzulassen, ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Notenbild, das er aufgrund der Erst- sowie der Wiederholungsprüfung offenbart habe, sei derart negativ, dass die vom Vorsitzenden des Prüfungsausschusses getroffene und für den Kläger ungünstige Prognose plausibel und nachvollziehbar sei.

12

Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts führt der Kläger Berufung, die der Senat mit Beschluss vom 17. Januar 2000 zugelassen hat und zu deren Begründung der Kläger ausführt: Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Prüfungsausschuss die Entscheidungsbefugnis über den Wiederholungsantrag fehlerfrei auf seinen Vorsitzenden übertragen habe, könne nicht gefolgt werden. Soweit die Vorinstanz davon ausgegangen sei, dass die Übertragung durch einen rechtmäßigen Beschluss des Gremiums erfolgt sei, stehe dem bereits entgegen, dass es an der nach der Diplomprüfungsordnung gebotenen Protokollierung des Beschlusses fehle. Außerdem könne von einem Beschluss in der Sache ebenso wenig die Rede sein, wie von einer nach der Prüfungsordnung gebotenen widerruflichen Kompetenzübertragung. Das Vorbringen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht lasse vielmehr darauf schließen, dass dem Ausschussvorsitzenden die Entscheidungsbefugnis auf Dauer übertragen worden sei. Nach den Erläuterungen der Beklagten sei bereits in der vorangegangenen Wahlperiode des Prüfungsausschusses eine entsprechende Praxis festzustellen gewesen, und im Rahmen der konstituierenden Sitzung für die hier maßgebliche Wahlperiode habe der Prüfungsausschussvorsitzende lediglich danach gefragt, ob es bei der bisherigen Verfahrensweise verbleiben solle. Hieraus könne weder auf einen Übertragungs-beschluss noch auf eine nur befristete Kompetenzverlagerung geschlossen werden. Schließlich sei eine isolierte Übertragung von Entscheidungsbefugnissen allein auf den Vorsitzenden des Prüfungsausschusses nicht statthaft, da die Diplomprüfungsordnung davon spreche, dass Befugnisse auf den Vorsitzenden des Prüfungsausschusses und seinen Stellvertreter, also auf zwei das Gremium vertretende Mitglieder übertragen werden dürften.

13

Der Kläger beantragt,

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das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.

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Die Beklagte tritt der Auffassung des Klägers entgegen, verteidigt das angefochtene Urteil und die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide und beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18

Die Berufung des Klägers ist zulässig und hat im Hinblick auf den Hilfsantrag seiner Klage auch in der Sache Erfolg.

19

Soweit der Kläger mit dem Hauptantrag seiner Klage weiterhin die Verpflichtung der Beklagten verfolgt, ihn zu zweiten Wiederholungsprüfungen in den Fächern Volkswirtschaftslehre, Markt und Konsum, Unternehmensführung und Organisation sowie Wirtschaftsinformatik zuzulassen, kann wie das Verwaltungsgericht auch der Senat seinem Begehren nicht entsprechen. Zutreffend ist die Vorinstanz insoweit davon ausgegangen, dass die Beantwortung der für die Zulassung zu einer weiteren Wiederholungsprüfung entscheidenden Frage, ob die übrigen Leistungen des Studenten erkennen lassen, dass eine zweite Wiederholung das Erreichen des Studienzieles wahrscheinlich erscheinen lässt (§ 22 Abs. 3 der Diplomprüfungsordnung für den Studiengang Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hannover, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Juni 1982 -- DPO -- (NdsMBl. 1982, 799)), eine prognostische Einschätzung der Prüfungsbehörde erfordert, die das zuständige Prüfungsgremium anzustellen hat und vom Gericht nicht zu ersetzen ist (ebenso Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 2, 3. Aufl., Rdn. 304, Zitat 694; a.A. OVG Bremen, Urt. v. 6.5.1986 -- OVG 1 BA 5/85 -- SPE 980 Nr. 28; Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, Rdn. 34).

20

Dagegen hat der Hilfsantrag Erfolg. Die Ablehnung des Antrages auf Wiederholung der ohne Erfolg erbrachten Prüfungsleistungen ist verfahrensfehlerhaft zustande gekommen und damit rechtswidrig; auch verletzt sie den Kläger in seinen Rechten mit der Folge, dass ihn die Beklagte über sein Wiederholungsbegehren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden hat.

21

Den Verfahrensfehler sieht der Senat darin begründet, dass über den Antrag, dem Kläger eine zweite Wiederholungsprüfung zu gestatten, mit dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses ein nicht zuständiges Gremium befunden hat. Nach § 22 Abs. 3 Satz 2 DPO ist der Antrag auf eine zweite Wiederholung der nicht bestandenen Prüfungen an den Prüfungsausschuss zu richten; dieser entscheidet hierüber nach Anhörung des Studierenden. Soweit § 4 Abs. 6 DPO darüber hinaus bestimmt, dass der Prüfungsausschuss widerruflich Befugnisse auf seinen Vorsitzenden oder den stellvertretenden Vorsitzenden übertragen kann, leidet die Übertragung der in § 22 Abs. 3 DPO geregelten Entscheidungskompetenz auf den Vorsitzenden des Prüfungsausschusses an Rechtsfehlern.

22

Diese ergeben sich entgegen der Auffassung des Klägers noch nicht daraus, dass der Prüfungsausschuss die ihm zustehenden Befugnisse nur zur gemeinsamen Ausübung durch seinen Vorsitzenden und dessen Stellvertreter auf diese übertragen dürfte. § 4 Abs. 6 DPO ermächtigt den Prüfungsausschuss, seine Befugnisse auf einzelne seiner Mitglieder zu übertragen und benennt diese Mitglieder mit dem Vorsitzenden des Ausschusses und seinem Stellvertreter. Darüber, dass diese beiden Mitglieder die ihnen übertragenen Befugnisse nur gemeinsam ausüben dürfen, besagt die Vorschrift nichts. Eine solche Annahme wäre auch mit dem Sinngehalt der Norm nicht vereinbar. Mit der Ermächtigung zur Kompetenzübertragung bezweckt § 4 Abs. 6 DPO erkennbar eine Entlastung des Prüfungsausschusses der Art, dass diesem grundsätzlich obliegende Aufgaben nicht stets vom gesamten Gremium wahrgenommen werden müssen, sondern auf je eines der beiden genannten Mitglieder zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung delegiert werden dürfen.

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§ 4 Abs. 6 DPO besagt des Weiteren nur, dass Befugnisse des Prüfungsausschusses widerruflich auf seinen Vorsitzenden übertragen werden können. Eine Einschränkung über Art und Umfang der auf ihn zu übertragenden Kompetenzen enthält die genannte Vorschrift nicht, so dass daraus zu schließen ist, dass der Ausschuss die ihm nach der DPO zustehenden Befugnisse auf seinen Vorsitzenden übertragen darf, solange anders lautende Bestimmungen nicht entgegenstehen oder sich auch nicht aus höherrangigem Recht ergeben. Die Befugnisse, die die DPO dem Prüfungsausschuss verleiht, sind vielschichtig und reichen von organisatorischen Entscheidungen (§ 4 Abs. 1 DPO) wie der Bestellung der Prüfer (§§ 5, 20 Abs. 2 DPO), der Festlegung von Prüfungsterminen (§ 8 Abs. 4 DPO), der Entgegennahme der Diplomarbeit (§ 20 Abs. 1 DPO) über die Entgegennahme von Rücktrittsgründen (§ 7 Abs. 2 DPO) bis zu Zulassungs-, Anrechnungs- und Anerkennungsentscheidungen (§§ 6 Abs. 2 und 5, 9 Abs. 5, 16 Abs. 3, 5 und 6, 18 Abs. 1, 22 Abs. 3 DPO), zu Entscheidungen mithin, die wie die zuletzt genannten den Abschluss der Ausbildung sowie der sich anschließenden Prüfung unmittelbar berühren und sich dementsprechend an den allgemeinen prüfungsrechtlichen Grundsätzen, namentlich soweit sie aus den Grundrechten der Art. 3 und 12 GG hergeleitet werden, zu orientieren haben.

24

Im Hinblick auf die Übertragung der dem Ausschuss nach § 22 Abs. 3 DPO zustehenden Befugnis, über Zulassungsanträge von Zweitwiederholern zu befinden, ergeben sich entgegen der Annahme des Klägers Einschränkungen auch nicht aus den übergeordneten Bestimmungen des NHG. § 16 Abs. 4 NHG schreibt die Beurteilungspflicht durch grundsätzlich zwei Prüfer nur für die Bewertung von Prüfungsleistungen selbst, nicht aber wie hier für Zulassungsentscheidungen vor. § 84 Abs. 3 NHG enthält Übertragungsregelungen für Kommissionen und Ausschüsse, die von den Kollegialorganen zur Entscheidungsvorbereitung eingesetzt werden, und ist für das vorliegend streitbefangene Prüfungsverfahren ebenfalls nicht anwendbar.

25

Der Senat kann es weiter auf sich beruhen lassen, ob der Prüfungsausschuss des Fachbereiches Wirtschaftswissenschaften der Beklagten die Befugnis, über die Anträge von Zweitwiederholern zu befinden, formell ordnungsgemäß auf seinen Vorsitzenden übertragen hat. Allerdings spricht Überwiegendes für die Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, eine entsprechende Willensbildung sei in dem Verhalten der Ausschussmitglieder zu sehen, das sie anlässlich des erstmaligen Zusammenkommens des neu konstituierten Prüfungsausschusses zum Ausdruck gebracht haben und das darauf ausgerichtet war, es bei der bisherigen Handhabung der Zweitwiederholungsanträge, nämlich der Regelentscheidung durch den Vorsitzenden zu belassen. Ebenso erweist es sich als nicht entscheidungserheblich, ob dieser Übertragungsakt als Beschluss nach § 4 Abs. 5 DPO in einer Sitzungsniederschrift hätte festgehalten werden müssen und welche Folgen an dieses offensichtliche Unterlassen zu knüpfen sind, namentlich ob ein Verstoß gegen die Protokollierungspflicht die materielle Wirksamkeit des Übertragungsaktes berührt oder nur beweisrechtlichen Charakter hat (zur Protokollierung von Prüfungsabläufen und Protokollmängeln BVerwG, Beschl. v. 23.12.1993 -- 6 B 19/93 --, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 326; Beschl. v. 31.3.1994 -- 6 B 65/93 --, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 332; Niehues, a.a.O., Rdn. 248 bis 250).

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Selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgeht, dass der Prüfungsausschuss ihres Fachbereiches Wirtschaftswissenschaften seine Befugnis, über Zweitwiederholungsanträge zu entscheiden, grundsätzlich auf seinen Vorsitzenden übertragen durfte, so halten doch die Umsetzung und Ausgestaltung dieser Ermächtigung einer rechtlichen Überprüfung an den Maßstäben der Chancengleichheit (Art. 3 GG) und des Grundrechts aus Art. 12 GG nicht stand. Von der Beachtung dieser Maßstäbe war die Beklagte nicht etwa deshalb befreit, weil sie -- wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat -- von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht gehalten ist, ihren Studierenden die Möglichkeit einer zweiten Wiederholungsprüfung einzuräumen. Eröffnet eine Prüfungsordnung indes eine solche Ausnahmeregelung, muss sich das Prüfungsverfahren auch insoweit an mit den Grundrechten aus Art. 3 und 12 GG zu vereinbarenden Maßstäben messen lassen (Niehues, a.a.O., Rdn. 304, Fn. 694).

27

Den wesentlichen Inhalt der dem Ausschussvorsitzenden vom Prüfungsausschuss eingeräumten Befugnis, über Zweitwiederholungsanträge zu befinden, hat das Verwaltungs-gericht in Würdigung des Sachvortrages der Beklagten dahin umschrieben, dass der Vorsitzende über eingehende Anträge im Regelfall selbst entscheidet, während er Wiederholungsanträge, die von besonderen Umständen gekennzeichnet sind, dem Prüfungsausschuss zur Entscheidung vorlegt. Damit ist zum einen gesagt, dass sich der Prüfungsausschuss über bestimmte Anträge, nämlich solche, die Besonderheiten aufweisen, die Entscheidung vorbehalten und seinen Vorsitzenden zu einer entsprechenden Bescheidung nicht ermächtigt hat; zum anderen erschließt sich aus der verfahrensmäßigen Handhabung der Zweitwiederholungsanträge, dass der Vorsitzende des Prüfungsausschusses darüber befindet, welcher Wiederholungsfall als normal oder einfach gelagert einzustufen ist beziehungsweise welcher von Besonderheiten gekennzeichnet und der Entscheidung des Prüfungsausschusses vorbehalten ist. Das bedeutet mit anderen Worten, dass der Ausschussvorsitzende letztlich darüber die verbindliche Entscheidung trifft, welche Wiederholungsanträge er dem Ausschuss vorlegt und welche nicht. Eine solche Verfahrensweise widerspricht indes der in § 22 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 6 DPO getroffenen Regelung, nach der grundsätzlich der Ausschuss Anträge auf Zweitwiederholungen entgegenzunehmen, zu würdigen und dann zu bescheiden hat. Ist der Prüfungsausschuss der Auffassung, dass ein Wiederholungsantrag geeignet ist, allein durch den Vorsitzenden geprüft und beschieden zu werden, so mag er die entsprechende Befugnis auf seinen Vorsitzenden nach § 4 Abs. 6 DPO übertragen. Die Zuständigkeitsregelung des § 22 Abs. 3 DPO macht es schon unter dem Gesichtspunkt des prüfungsrechtlichen Gebotes der Chancengleichheit unabdingbar, dass sich das zur Kompetenzübertragung ermächtigte Gremium darüber bewusst ist, zu welcher Befugnis es seinen Vorsitzenden ermächtigt, und kann diese Entscheidung nicht in Form einer Auswahlregelung dem zu ermächtigenden Ausschussvorsitzenden selbst überlassen. Hieran ändert auch der Einwand der Beklagten nichts, dass der Prüfungsausschuss, sollte er selbst über die Annahme eines einfach gelagerten oder durch Besonderheiten geprägten Falles entscheiden, über den Zweitwiederholungsantrag ebenfalls von vornherein selbst befinden könnte. Abgesehen davon, dass dies ohnehin dem Grundgedanken der DPO entspräche, ist es angesichts der Tragweite, die die Zulassung zu einer zweiten Wiederholungsprüfung ebenso wie die Ablehnung eines entsprechenden Antrages für einen um seinen Studienabschluss bemühten Auszubildenden entfaltet, unabdingbar, dass sich Kompetenzverlagerungen an eindeutig vorhersehbaren Maßstäben orientieren und sich namentlich das seine Befugnis übertragende Gremium selbst bewusst ist, zu welcher Entscheidung es einen Dritten ermächtigt.

28

Die fehlerhafte Übertragung der Entscheidungskompetenz und die dadurch bewirkte Entscheidung durch ein nicht zuständiges Prüfungsgremium stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der die die Zulassung zur Wiederholungsprüfung ablehnende Entscheidung rechtswidrig macht. Angesichts des oben erwähnten Erfordernisses einer prognostischen Einschätzung des Prüfungsgremiums lässt sich nicht von vornherein ausschließen, dass bei Beteiligung der übrigen Mitglieder des Prüfungsausschusses ein anderes Ergebnis hätte erreicht werden können. Der Prüfungsausschuss des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der Beklagten wird daher den Antrag des Klägers auf eine Zweitwiederholung nach dessen vorangegangener Anhörung erneut zu bescheiden haben.

29

Beschluss

30

Der Streitwert wird für das erstinstanzliche sowie für das Berufungsverfahren auf jeweils 20.000,-- DM festgesetzt (§§ 14 Abs. 1 und 3, 13 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 3.5.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung 1996, NVwZ 1996, 563, 566).