Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.06.2000, Az.: 12 L 3349/99

Asylantragsteller; Asylbewerber; Asylbewerberleistungsgesetz; familieneinheitliche Leistungsgewährung; Familieneinheitlichkeit; Leistungsgewährung; Sozialhilfe; Verfassungsmäßigkeit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
21.06.2000
Aktenzeichen
12 L 3349/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 41997
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BVerwG - 28.09.2001 - AZ: BVerwG 5 B 94.00

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Bestimmungen des Asylbewerberleistungsgesetzes F. 1997 sind mit dem Grundgesetz und anderem höherrangigen Recht zu vereinbaren.


2. Weder dem Bundessozialgesetz noch dem Asylbewerberleistungsgesetz ist der Grundsatz familieneinheitlicher Leistungsgewährung nur nach einem dieser beiden Gesetze zu entnehmen.

Tatbestand:

1

Die Kläger begehren die Verpflichtung des Beklagten, ihnen Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz anstelle von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, zu gewähren.

2

Sie sind jugoslawische Staatsangehörige albanischer Volkszugehörigkeit. Die Klägerin zu 1. ist die Mutter der in Deutschland geborenen Kläger zu 2. und 3. und im März 1995 nach Deutschland eingereist. Der Ehemann der Klägerin zu 1. und Vater der Kläger zu 2. und 3. hat infolge des rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts Stade vom 5. November 1997 -- 2 A 2110/95 --, mit dem die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet worden ist festzustellen, dass im Falle des Klägers die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, eine Aufenthaltsbefugnis (§ 70 Abs. 1 AsylVfG) erhalten. Die Klägerin zu 1. und der Kläger zu 2., die ebenfalls Asylanträge gestellt haben, die im entscheidungserheblichen Zeitraum jedoch nicht positiv entschieden waren, blieben Inhaber einer Aufenthaltsgestattung (§ 55 Abs. 1 AsylVfG), die Klägerin zu 3., die keinen Asylantrag gestellt hat, war Inhaberin einer Duldung.

3

Die Kläger sowie der nicht am Verfahren beteiligte Ehemann und Vater der Kläger erhielten vom Beklagten bis einschließlich Januar 1998 Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz -- bis zum 31. Mai 1997 nach § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. zeitweise bereits in entsprechender Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes. Mit Bescheid vom 12. Januar 1998 bewilligte der Beklagte dem Ehemann und Vater der Kläger aufgrund des ihm zugesprochenen Bleiberechts ab 1. Februar 1998 Leistungen in unmittelbarer Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes, mit weiterem Bescheid vom 12. Januar 1998 gewährte der Beklagte den Klägern ab 1. Februar 1998 weiterhin Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

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Den gegen den letztgenannten Bescheid erhobenen Widerspruch, mit dem die Kläger für sich gleichfalls Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz erstrebten, wies die Bezirksregierung Lüneburg mit Widerspruchsbescheid vom 3. April 1998 zurück.

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Die Kläger haben Klage erhoben und geltend gemacht: Die unterschiedliche Behandlung der Kläger einerseits sowie des Ehemanns und Vaters andererseits sei im Hinblick darauf, dass auch sie -- die Kläger -- materiell unbefristet bleibeberechtigt seien (es lägen Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 4 AuslG iVm Art. 8 EMRK, Art. 6 GG vor), verfassungswidrig und verletze zudem europäisches Recht. Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz a.F. seien im ersten Jahr des Aufenthalts in Deutschland reduzierte Leistungen gewährt worden, weil die Asylbewerber in diesem Zeitraum noch nicht in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert gewesen seien. Wenn der Gesetzgeber mit dem Asylbewerberleistungsgesetz 1997 aber pauschal für einen Zeitraum von drei Jahren eine Leistungsminderung festlege, auch bei Personen, die schon weitaus länger als ein Jahr in der Bundesrepublik Deutschland lebten, sei dies eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung. Es sei diskriminierend, die Kläger den eingeschränkten Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes zu unterwerfen. Wenn eine verfassungskonforme Auslegung dieser Vorschriften nicht möglich sei, sei das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Es sei zu berücksichtigen, dass die Regelungen des Europäischen Fürsorgeabkommens den Bestimmungen des Asylbewerberleistungsgesetzes vorgingen. Daran sei geregelt, dass auch Flüchtlinge nach der Genfer Konvention wie Inländer zu behandeln seien. Diese Pflicht strahle auf die Angehörigen aus, die zur Kernfamilie des anerkannten Flüchtlings gehörten, also auch auf die Kläger.

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Die Kläger haben beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 12. Januar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Lüneburg vom 3. April 1998 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihnen Leistungen in direkter oder entsprechender Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

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Der Beklagte ist dem Vorbringen der Kläger entgegen getreten und hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 24. Juni 1999 stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, den Klägern Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. Zur Begründung hat es ausgeführt. Die Kläger hätten einen Anspruch auf Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz. Zwar fielen sie nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 AsylbLG unter dessen Anwendungsbereich, da sie eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylverfahrensgesetz besässen bzw. mit einer Duldung ausgestattet seien. Jedoch wirke sich die rechtskräftige Gewährung von Abschiebungsschutz an den Ehemann und Vater der Kläger über § 53 Abs. 4 AuslG, Art. 6 GG, Art. 8 EMRK auch auf die Kernfamilie und damit auf die Kläger aus. Das Asylbewerberleistungsgesetz ziele darauf ab, den Personenkreis von Ausländern ohne ein gesichertes Bleiberecht den einschränkenden Regelungen dieses Gesetzes zu unterwerfen. Zu diesem Personenkreis gehörten die Kläger jedoch nicht. Sie seien vielmehr trotz ihres formalen Status als Asylbewerber bzw. geduldete Ausländer wegen der insoweit vorrangigen völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Bestimmung in Art. 8 EMRK und Art. 6 GG als Personen zu behandeln, die einen unmittelbaren Anspruch auf Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz besässen. Auch ergebe sich aus der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz, dass eine einheitliche Behandlung der Kernfamilie in sozialhilferechtlicher Hinsicht geboten sei. Der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts habe nämlich in seinem Beschluss vom 16. August 1995 -- 4 M 4710/95 -- festgehalten, nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 2 Abs. 2 AsylbLG a.F. müssten sich in Bezug auf Ausreisehindernisse minderjährige Kinder das Verhalten ihrer Eltern zurechnen lassen, weil das Asylbewerberleistungsgesetz vorsehe, dass Angehörige der "Kleinfamilie" einheitlich versorgt werden sollten. Aus diesem Rechtsgedanken folge für die Kläger die Nichtzurechnung zum Personenkreis des § 1 AsylbLG. Soweit die Kläger im Übrigen geltend machten, die Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes 1997 seien verfassungswidrig, folge die Kammer dem nicht.

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Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten, die der Senat mit Beschluss vom 24. August 1999 -- 12 L 3096/99 -- mit der Maßgabe zugelassen hat, dass sie sich auf die Hilfegewährung für die Kläger in der Zeit vom 1. Februar bis 3. April 1998 (dem Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides) erstreckt.

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Der Beklagte macht zur Begründung seiner Berufung geltend: Durch das Asylbewerberleistungsgesetz sei das Leistungsrecht von Asylbewerbern und ihnen nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 AsylbLG gleichgestellten Personen aus dem Recht der Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz herausgelöst und für diese Personen bewusst ein eigenständiges Leistungsrecht geschaffen worden. Das werde auch durch § 120 Abs. 2 BSHG verdeutlicht. Zudem ergebe sich aus den Gesetzesmaterialien zum Asylbewerberleistungsgesetz, dass dieses Gesetz in erster Linie dem Asyl- und Ausländerrecht zuzuordnen sei und lediglich auch soziale Gesichtspunkte mitberücksichtige. Vor diesem Hintergrund sei es nicht zulässig, über Art. 8 EMRK und Art. 6 GG Asylbewerbern, die nach dem Wortlaut des Gesetzes gerade keine Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz erhalten sollten, dennoch solche Leistungen zuzusprechen. Die Auslegung des Verwaltungsgerichts erscheine auch deshalb nicht verständlich, weil es die Vorschriften des Asylbewerberleistungsgesetz 1997 grundsätzlich für verfassungsrechtlich unbedenklich erachte, gleichwohl aber annehme, den Familienmitgliedern müssten über deren ausländerrechtlichen Status hinaus gegen den Wortlaut des Gesetzes soziale Leistungen in dem Umfang gesichert werden, wie sie nur einem Familienmitglied zustünden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Entscheidung des 4. Senats des Oberverwaltungsgerichts vom 16. August 1995, die sich vielmehr nur auf eine einheitliche Behandlung der Kernfamilie innerhalb des Asylbewerberleistungsgesetzes beziehe.

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Der Beklagte beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.

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Die Kläger beantragen sinngemäß,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Wegen der übrigen Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung des Beklagten, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130a VwGO durch Beschluss entscheidet (eine mündliche Verhandlung hält er nicht für erforderlich, zumal es sich um die Entscheidung von Rechtsfragen handelt), ist nach der einstimmigen Überzeugung des Senats auch in der Sache erfolgreich. Die Kläger haben für den hier maßgeblichen Zeitraum vom 1. Februar bis 3. April 1998 keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz. Der Bescheid des Beklagten vom 12. Januar 1998 ist rechtmäßig, die Kläger sind dadurch in ihren Rechten nicht verletzt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist daher zu ändern und die Klage abzuweisen.

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Die Kläger unterfallen -- wie auch das Verwaltungsgericht bemerkt -- in dem für diese Entscheidung maßgeblichen Zeitraum dem Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes i.d.F. des ersten Änderungsgesetzes vom 26. Mai 1997 (BGBl. I S. 1130) das am 1. Juni 1997 in Kraft trat und zur Neufassung vom 5. August 1997 (BGBl. I S. 2022) führte -- künftig AsylbLG --. Sie hielten sich tatsächlich im Bundesgebiet auf und besaßen entweder aufgrund der laufenden Asylverfahren eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylverfahrensgesetz (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG, Kläger zu 1. und 2.) oder eine Duldung nach § 55 AuslG (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG, Klägerin zu 3.). Sie waren daher leistungsberechtigt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und erhielten aufgrund der ausdrücklichen Vorschriften der §§ 9 Abs. 1 AsylbLG, 120 Abs. 2 BSHG keine Leistungen der Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz. Die Wartezeit des § 2 Abs. 1 AsylbLG für die entsprechende Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes (Erhalt von Leistungen nach § 3 AsylbLG über eine Dauer von 36 Monaten, frühestens beginnend mit dem 1. Juni 1997) war im entscheidungserheblichen Zeitraum noch nicht abgelaufen.

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Zutreffend geht das Verwaltungsgericht auch davon aus, dass für den Anspruch auf Gewährung von Sozialleistungen des Ehemanns bzw. Vaters der Kläger nach der Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG und der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis (§ 70 Abs. 1 AsylVfG) das Bundessozialhilfegesetz einschlägig war. Unzutreffend ist jedoch die Annahme des Verwaltungsgerichts, dieses Bleiberecht müsse sich über § 53 Abs. 4 AuslG, Art. 6 GG, Art. 8 EMRK auch auf den leistungsrechtlichen Status der Kernfamilie des Ausländers auswirken, mit der Folge, dass sich nach einer am Gesetzeszweck des Asylbewerberleistungsgesetzes orientierten Auslegung einer Anspruchsberechtigung der Kläger nach dem Bundessozialhilfegesetz ergebe (S. 5 o. UA). Zwar trifft zu, dass das Asylbewerberleistungsgesetz im Grundsatz darauf abzielt, den Personenkreis von Ausländern ohne ein gesichertes Bleiberecht den einschränkenden Regelungen dieses Gesetzes zu unterwerfen, welcher ausländerrechtliche Status jedoch auf ein solches ungesichertes Bleiberecht hinweist, ist in § 1 Abs. 1 AsylbLG ausdrücklich ausformuliert worden, so dass nicht unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien der Gesetzestext selbst 'ausgehebelt' werden kann. Die Auslegung gesetzlicher Vorschriften findet dort ihre Grenze, wo sie mit dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers in Widerspruch tritt (BVerfG, Beschl. v. 19.1.1999 -- 1 BvR 2161/94 --, BVerfGE 99, 338, 358 [BVerfG 10.12.1998 - 2 BvR 1516/93]). Art. 6 GG und Art. 8 EMRK gebieten nicht, die Gewährung von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz, wenn nur ein Familienmitglied solche Leistungen berechtigterweise erhält. Der leistungsrechtliche Schutz der Familie ist bereits durch § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG gewährleistet, wonach Ehegatten oder minderjährige Kinder der in den Nrn. 1 bis 5 genannten Personen ebenfalls nach dem Asylbewerberleistungsgesetz leistungsberechtigt sind, auch wenn sie selbst die dort genannten Voraussetzungen nicht erfüllen. Solange den Klägern nicht eine Aufenthaltsgenehmigung der in § 1 Abs. 2 AsylbLG bezeichneten Art erteilt worden ist oder sie in der in § 1 Abs. 3 Nr. 2 AsylbLG bezeichneten Art als Asylberechtigte anerkannt worden sind, unterfallen sie dem Asylbewerberleistungsgesetz ungeachtet der Tatsache, dass das laufenden Asylverfahren gemäß § 11 Abs. 1 AuslG der Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung etwa in der Form der Aufenthaltsbefugnis nach § 31 AuslG entgegensteht (Kläger zu 1. und 2.). Den Klägern ist es zuzumuten, zunächst entweder ihre asylrechtlichen Ansprüche zu verfolgen oder das Asylverfahren zu beenden und eine Aufenthaltsbefugnis im ausländerrechtlichen Verfahren als Familienangehörige zu verfolgen (siehe dazu auch VGH Bad.-Württ. Beschl. v. 17.12.1999 -- 7 S 2505/99 --).

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Im Übrigen ist weder dem Asylbewerberleistungsgesetz noch dem Bundessozialhilfegesetz ein Rechtssatz derart zu entnehmen, dass der leistungsrechtliche Status einer Familie vollständig nach den Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes zu erfolgen habe, wenn nur ein Familienmitglied nach diesem Gesetz leistungsberechtigt ist. Das ergibt sich weder aus § 1 Abs. 1 Nr. 6 noch aus § 2 Abs. 3 AsylbLG (so auch VGH Bad.-Württ., a.a.O.). Insbesondere vermag der vom Verwaltungsgericht herangezogene Beschluss des 4. Senats (vom 16.8.1995 -- 4 M 4710/94 --) das angefochtene Urteil schon deshalb nicht zu bestätigen, da er sich lediglich auf die leistungsrechtliche Behandlung der "Kleinfamilie" im Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes bezieht (nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, 2 Abs. 2 AsylbLG a.F.), jedoch keinerlei Aussage über die Gewährung von einheitlichen Leistungen nach anderen Vorschriften trifft. Im Gegensatz zur Auffassung des Verwaltungsgerichts ist vielmehr auch der 4. Senat zu dem hier anzuwendenden § 2 Abs. 3 AsylbLG n.F. eindeutig der Auffassung, dass diese Vorschrift nicht zu einer "an einem Familienmitglied ausgerichteten Besserstellung aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft" im Hinblick auf die Gewährung von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz führen kann (Beschl. v. 31.5.1999 -- 4 L 1884/99 --).

22

Ein Leistungsanspruch der Kläger nach dem Bundessozialhilfegesetz ergibt sich entgegen ihrer Darstellung auch nicht aufgrund des Inländergleichbehandlungsgebots auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge durch Art. 23 der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 559) oder des Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) vom 11. Dezember 1953 (BGBl. II 1956, S. 564) iVm Art. 1 und 2 des Zusatzprotokolls zu diesem Abkommen vom 11. Dezember 1953 (BGBl. II 1956, S. 578), und zwar schon deshalb nicht, weil die Kläger im maßgeblichen Beurteilungszeitraum nicht Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention waren (vgl. §§ 2, 3 AsylVfG), sie waren lediglich Inhaber von Aufenthaltsgestattungen als Asylbewerber (Kläger zu 1. und 2.) bzw. einer Duldung (Klägerin zu 3.) und hatten keinen gesicherten Aufenthaltsstatus als anerkannte Flüchtlinge, ihr Aufenthalt war damit auch noch nicht als rechtmäßig im Sinne des Art. 23 der Genfer Flüchtlingskonvention bzw. als erlaubt im Sinne des Art. 1 EFA anzusehen (vgl. dazu: VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.9.1998 -- 7 S 1874/98 --, FEVS 49, 375 m.w.N.). Dass der Ehemann bzw. Vater der Kläger Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention war (§ 3 AsylVfG) wirkte sich auf diese im Gegensatz zu ihrer Auffassung leistungsrechtlich nicht aus. Eine leistungsrechtliche Ausstrahlungswirkung auf Mitglieder der Kernfamilie entfalten diese Abkommen nicht.

23

Das Asylbewerberleistungsgesetz verstößt auch in seiner konkreten Anwendung auf die Kläger nicht gegen die Art. 1 Abs. 1 GG und das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG. Der Umstand, dass die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG geringer ausfallen als vergleichbare Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz rechtfertigt nicht die Annahme, der Gesetzgeber gewährleiste mit den Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht das verfassungsrechtlich Gebotene. Die Kläger haben nicht dargelegt, dass ihnen die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Lebens fehlen. Nach § 6 AsylbLG können auch sonstige Leistungen insbesondere dann gewährt werden, wenn sie u.a. im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich oder zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten sind. Soweit die Kläger als Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG von den Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz ausgeschlossen sind, liegt auch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vor. Denn die in § 1 Abs. 1 AsylbLG aufgeführten Personen verfügen über kein verfestigtes Aufenthaltsrecht, bei ihnen fehlt ein sozialer Integrationsbedarf, dieses Kriterium trägt eine gruppenbezogene Differenzierung (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschl. v. 29.9.1998 -- 5 B 82.97 --, NVwZ 1999, 669 = FEVS 49, 97; Senat, Beschl. v. 27.6.1997 -- 12 L 5709/96 --, NVwZ-Beil. 1997, 95 = NdsRpfl. 1997, 269). Diese Grundsätze haben auch für die Neufassung des Asylbewerberleistungsgesetzes weiterhin Gültigkeit. Darauf, ob sich die Kläger wegen ihrer längeren Verweildauer im Bundesgebiet bereits an die Gebrauchsgewohnheiten und Lebenshaltungskosten des Standortes Deutschland angepasst hatten und es ihnen deshalb nicht zumutbar war, auf das geringere Lebenshaltungsniveau ihres Herkunftsstaates mit der Neufassung des § 2 Abs. 1 AsylbLG ab Juni 1997 'zurückgeworfen' zu werden, wie sie vortragen, kommt es nach den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.) im Hinblick auf den verfassungsrechtlich Mindestbedarf nicht an. Auch die behauptete Ungleichbehandlung gegenüber Sozialhilfeempfängern liegt im Hinblick auf die obigen Maßstäbe nicht vor.

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Der Umstand, dass infolge der Neufassung des § 2 Abs. 1 AsylbLG zum 1. Juni 1997 nunmehr manche Leistungsberechtigte bis zu vier Jahren abgesenkte Leistungen beziehen, während der neueinreisende Personenkreis lediglich eine dreijährige Reduzierung seiner Ansprüche hinnehmen muss, führt gleichfalls nicht zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Als zu vergleichende Sachverhalte sind die Lebensumstände der sich zu bestimmten Leistungszeiträumen im Bundesgebiet aufhaltenden vom Gesetz betroffenen Personengruppen zu betrachten. Eine Gegenüberstellung verschiedener Leistungszeiträume verbietet sich im Hinblick auf die dem Gesetzgeber zustehende Möglichkeit, insbesondere im Bereich der gewährenden Verwaltung künftige Ansprüche entsprechend den neuen Erkenntnissen neu zu regeln (Sächs. OVG, Beschl. v. 18.8.1997 -- 2 S 261/97 --, NVwZ-RR 1998, 232, 233).

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Eine Übergangsregelung zu treffen war schon deshalb nicht notwendig, weil der leistungsberechtigte Personenkreis nicht darauf vertrauen konnte, bis zum Wegfall der gesetzlichen Voraussetzungen Leistungen in entsprechender Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes zu erhalten. Laufende Leistungen nach den Vorschriften des Asylbewerberleistungsgesetzes dienen dazu, eine gegenwärtige Notlage des leistungsberechtigten Personenkreises zu beseitigen. Insoweit ist die Rechtslage im Sozialhilferecht vergleichbar. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Sozialhilfe keine rentengleiche wirtschaftliche Dauerleistung mit Versorgungscharakter. Sie dient vielmehr (im Regelfall) dazu, eine gegenwärtige Notlage zu beheben (BVerwG, Urt. 16.1.1986 -- 5 C 36.84 --, FEVS 36, 1, 3); das ist im Asylbewerberleistungsrecht nicht anders. Die Änderung des § 2 AsylbLG bewirkt deshalb weder eine echte Rückwirkung, denn es wird keine abgeänderte Behandlung eines in der Vergangenheit abgeschlossenen Sachverhalts geregelt, noch liegen die Voraussetzungen für eine sogenannte unechte Rückwirkung vor; denn die Änderung des § 2 AsylbLG hat nicht auf einen gegenwärtigen, noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt für die Zukunft eingewirkt und die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (vgl. Deibel, Das neue Asylbewerberleistungsrecht, ZAR 1998, 28, 33 m.w.Nachw.; im Ergebnis ebenso: Sächs. OVG, Beschl. v. 18.8.1997, a.a.O.).