Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.06.2000, Az.: 4 M 2124/00
Asyl; Asylantragsteller; Asylbewerber; Asylbewerberleistungsgesetz; Asylverfahren; Aufenthalt; Aufenthaltsort; Aufenthaltsortswechsel; Ausländer; Beschränkung; Ehe; Eheschutz; Familie; Familienschutz; Freizügigkeit; Freizügigkeitsbeschränkung; Kürzung; Leistung; Ortswechsel; räumliche Beschränkung; Schutz der Ehe; Schutz der Familie; Sozialhilfe; unabweisbar gebotene Hilfe; Zuständigkeit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 16.06.2000
- Aktenzeichen
- 4 M 2124/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 42033
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 18.05.2000 - AZ: 7 B 2172/00
Rechtsgrundlagen
- § 10a Abs 1 AsylbLG
- § 11 Abs 2 AsylbLG
- § 44 AsylVfG
- § 55 AsylVfG
- § 56 AsylVfG
- § 71 AsylVfG
- § 44 Abs 6 AuslG
- Art 6 GG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Die zur Dauer des Asylverfahrens i.S.d. § 22 Abs. 1 AsylVfG zählende aufenthaltsrechtliche Abwicklung (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.10.1988 - BVerwG 9 C 2.88 -) endet auch dann, wenn eine asylverfahrensunabhängige längerfristige oder über einen voraussichtlich längeren Zeitraum jeweils zu verlängernde, d.h. nicht nur der Abwicklung des vorausgegangenen Asylverfahrens und des dadurch bedingten Aufenthalts dienende Duldung oder Aufenthaltserlaubnis zwar nicht erteilt worden ist (vgl. zu diesem Fall NdsOVG, B. v. 11.8.1998 - 4 M 3575/98 - <V.n.b.>; OVG NRW, B. v. 18.4.1989 -. 19 B 585/89 - <NVwZ-RR 1990, 33>), aber Maßnahmen zur Beendigung des Aufenthalts seit Abschluß des Asylverfahrens nicht eingeleitet worden und auch nicht abzusehen sind, weil der Ausländer nirgendwo erfaßt worden ist und sich keine Ausländerbehörde als zuständig ansieht.
2. Ein Weiterwirken der räumlichen Beschränkung nach § 56 AsylVfG in derartigen Fällen ergibt sich aus § 44 Abs. 6 AuslG nicht. Eine analoge Anwendung des § 44 Abs. 6 AuslG kommt mangels Regelungslücke nicht in Betracht.
3. Leben eine Ausländerin und ihre minderjährigen Kinder in familiärer Gemeinschaft mit jedenfalls ihrem Schwiegervater bzw. Großvater und dessen Angehörigen und erhalten sie in diesem familiären Verbund soziale und (in dem durch den Sozialhilfebezug der anderen Familienangehörigen vorgegebenen Rahmen) wirtschaftliche Unterstützung, so muß - auch wenn die Lebensgemeinschaft mit dem Ehemann bzw. Vater der Kinder nicht mehr besteht - im Hinblick auf den nicht nur die Ehe, sondern auch die Familie schützenden Art. 6 GG die über die (räumlichen und sachlichen) Einschränkungen gem. §§ 10 a, 11 Abs. 2 AsylbLG angestrebte Unterbindung einer unerwünschten Binnenwanderung von Ausländern zurücktreten.
4. Zur örtlichen Zuständigkeit des Leistungsträgers nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in derartigen Fällen und zum Umfang der zu gewährenden Leistungen.
Tatbestand:
Die Antragsteller begehren die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihnen Leistungen nach den Asylbewerberleistungsgesetz zu bewilligen.
Die Antragstellerin zu 1) ist die Mutter der am 19. Juli 1997 geborenen Antragstellerin zu 2) und des am 12. März 1999 geborenen Antragstellers zu 3). Nach ihren Angaben wurde sie am 1. Juni 1982 geboren, ist sie irakische Staatsangehörige, gehört der kurdischen Volksgruppe an und ist Ende des Jahres 1995 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Sie wohnt seit ihrer Einreise bei der Familie (türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit), zunächst in O. (Kreis Steinfurt), dann in E., Q., B. und seit Dezember 1998 in H.. Im Jahre 1996 heiratete sie nach moslemischem Ritus Herrn (geb. 1. Januar 1979). Dieser ist der Vater der Antragsteller zu 2) und 3).
Am 10. Juni 1996 bestellte das Amtsgericht Steinfurt Herrn, den Schwiegervater der Antragstellerin zu 1), zu deren Vormund. Vertreten durch ihren Vormund beantragte die Antragstellerin im August 1996 die Gewährung politischen Asyls. Zu diesem Zeitpunkt lebte die Antragstellerin zu 1) noch in. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte den Asylantrag mit Bescheid vom 19. September 1996 ab und forderte die Antragstellerin unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise auf. Dieser Bescheid ist seit September 1999 bestandskräftig, nachdem die Antragstellerin zu 1) -- vertreten durch ihren Vormund -- die dagegen erhobene Klage zurückgenommen hat.
Die Antragstellerin zu 1) hat während des Asylverfahrens weder eine Bescheinigung über die asylrechtliche Aufenthaltsgestattung erhalten, noch ist für sie oder die Antragsteller zu 2) und 3) bis heute eine ausländerrechtliche Zuteilung oder Zuweisung ausgesprochen worden. Die Antragsteller sind nicht im Ausländerzentralregister erfasst und waren jedenfalls bis zum 24. Februar 2000 nicht ordnungsbehördlich gemeldet. Eine Klage auf Ausstellung einer Bescheinigung über eine Aufenthaltsgestattung durch den Landkreis wies das Verwaltungsgericht Osnabrück mit Urteil vom 29. Juli 1998 -- 5 A 568/97 -- ab mit der Begründung, ihr stehe gemäß §§ 55, 56 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) eine Aufenthaltsgestattung für den Landkreis Osnabrück nicht zu, sie habe sich zur Zeit der Asylantragstellung im Landkreis aufgehalten und die zuständige Aufnahmeeinrichtung sei die in O. gewesen. Einen Antrag der Antragsteller auf Umverteilung nach H. lehnte die Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerberinnen und Asylbewerber in Braunschweig mit Bescheid vom 10. September 1999 ab. Über einen Antrag vom 4. Oktober 1999, den Aufenthalt der Antragstellerin zu 1) ausländerrechtlich zu dulden, hat die Antragsgegnerin noch nicht entschieden (lt. Hausmitteilung <Beiakte A Bl. 178> vom 26.4.2000 ist eine stattgebende Entscheidung nicht beabsichtigt).
Einen Antrag auf Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für die Antragsteller lehnte die Antragsgegnerin zunächst mit Bescheid vom 17. Januar 2000 ab. Über den Widerspruch hiergegen ist nach Aktenlage noch nicht entschieden worden. Mit Beschluss vom 20. März 2000 -- 3 B 734/00 -- hat die damals zuständig gewesene 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover die Antragsgegnerin verpflichtet, den Antragstellern Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ab 15. Februar 2000 zu gewähren. Sie hat diese Verpflichtung (nur) deshalb auf den Zeitraum bis zum 30. April 2000 befristet, weil die Voraussetzungen derartiger Leistungsansprüche ständig neu überprüft werden müssten.
Mit Bescheid vom 28. April 2000 lehnte die Antragsgegnerin eine Weitergewährung der Leistungen über den 30. April 2000 hinaus ab. Auch gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden worden ist.
Am 2. Mai 2000 haben die Antragsteller erneut um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.
Sie haben vorgetragen: Sie seien auf die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz angewiesen. Sie verfügten über keinerlei weitere Einkünfte. Die Familie des Vormundes, zu der auch der Lebenspartner der Antragstellerin zu 1) gehöre, habe sie bislang unterstützt, sei nun aber nicht mehr bereit und in der Lage, für sie weiter aufzukommen. Zur Glaubhaftmachung ihrer Angaben legten sie eine eidesstattliche Versicherung des B. A. vom 15. Mai 2000 vor, derzufolge die Antragsteller nach wie vor bei ihm wohnen und er sowie andere Angehörige sie bislang mit den notdürftigsten Dingen für den täglichen Lebensbedarf unterstützt haben. Aus dieser Erklärung ergibt sich ferner, dass der Partner der Antragstellerin zu 1), Herr A., seit etwa Mitte Januar 2000 nicht mehr mit der Familie zusammenlebt und eine eigene Wohnung in Hannover bezogen hat. Unter dieser Anschrift sind nach einem Aktenvermerk vom 9. Mai 2000 seit dem 24. Februar 2000 auch die Antragsteller gemeldet.
Die inzwischen zuständige 7. Kammer des Verwaltungsgerichts hat mit dem angefochtenen Beschluss die Antragsgegnerin durch einstweilige Anordnung verpflichtet, "den Antragstellern die nach den Umständen unabweisbar gebotenen Hilfen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz vorläufig -- unter Vorbehalt der Rückforderung -- ab 02.05.2000 bis zur Wohnsitznahme im Landkreis, längstens jedoch bis zum 18.06.2000, zu gewähren". Im Übrigen hat sie den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt:
Die Antragsteller hätten Anspruch auf die nach den Umständen unabweisbar gebotene Hilfe gemäß § 11 Abs. 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Sie gehörten gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. Nr. 6 AsylbLG grundsätzlich zu den anspruchsberechtigten Personenkreis für Leistungen nach dem AsylbLG. Durch die Vorlage der eidesstattlichen Versicherung des Vormundes der Antragstellerin zu 1) hätten sie glaubhaft gemacht, dass sie sich noch im Gebiet der Antragsgegnerin aufhielten und über keine eigenen Mittel für ihren Unterhalt verfügten, sondern vom Vormund der Antragstellerin zu 1) und der Familie mit unterhalten würden.
Die Antragsteller hätten aber einen Anspruch auf eine uneingeschränkte Bewilligung von Leistungen nach dem AsylbLG nicht glaubhaft gemacht. Sie hätten nur einen Anspruch nach § 11 Abs. 2 AsylbLG auf die unabweisbar gebotene Hilfe, denn sie dürften sich nur im Kreis Steinfurt aufhalten.
Zwar werde in dem Beschluss der 3. Kammer des VG Hannover (vom 20.03.2000 -- 3 B 734/00 --) zutreffend festgestellt, dass die Antragstellerin zu 1) während ihres Asylverfahrens weder "verteilt worden" sei noch eine Zuweisung erfolgt sei. § 11 Abs. 2 AsylbLG stelle jedoch ausdrücklich darauf ab, ob sich ein Asylbewerber einer asyl- oder ausländerrechtlichen räumlichen Beschränkung zuwider an einem Ort aufhalte. Das sei hier bei der Antragstellerin zu 1) der Fall. Mit der Asylantragstellung sei der Antragstellerin zu 1) gemäß § 55 AsylVfG der Aufenthalt gestattet. Da sie gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG nicht zum Wohnen in einer Aufnahmeeinrichtung verpflichtet gewesen sei, sei ihre Aufenthaltsgestattung räumlich auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt gewesen, in dem sie sich seinerzeit aufgehalten habe (hier der Kreis Steinfurt). Denn dort habe sie bei Stellung des Asylantrags gelebt. Diese Aufenthaltsbeschränkung trete kraft Gesetzes ein und bedürfe nicht einer weiteren behördlichen Verfügung. Die räumliche Beschränkung sei während des gesamten Asylverfahrens bestehen geblieben. Während des Asylverfahrens sei eine Verpflichtung gegenüber der Antragstellerin zu 1), anderweitig den Aufenthalt zu nehmen, nicht ausgesprochen worden.
Zwar sei die Aufenthaltsgestattung der Antragstellerin nach § 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG zwischenzeitlich erloschen, nachdem der ablehnende Bescheid des Bundesamtes bestandskräftig geworden sei. Die räumliche Beschränkung gelte indes in analoger Anwendung des § 44 Abs. 6 Ausländergesetz (AuslG) weiter fort. Zwar sei im Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. März 2000 -- 3 B 734/00 -- zutreffend festgestellt worden, dass § 44 Abs. 6 AuslG seinem Wortlaut nach die Fortgeltung von Beschränkungen nur bei einem Wegfall von Aufenthaltsgenehmigungen und Duldungen regele, eine Aufenthaltsgestattung nach dem AsylVfG jedoch nach § 5 AuslG nicht vom Begriff der Aufenthaltsgenehmigung erfasst werde. Auch greife § 71 Abs. 7 AsylVfG nicht ein, weil die Antragstellerin sich nicht in einem Asylfolgeverfahren befinde. Jedoch sei in entsprechender Anwendung des § 44 Abs. 6 AuslG bei der Antragstellerin zu 1) von einem Weitergelten der räumlichen Beschränkung auszugehen. Es wäre sachwidrig, wenn das illegale Verbleiben im Bundesgebiet nach Erlöschen der Aufenthaltsgestattung die Antragstellerin zu 1) hinsichtlich der räumlichen Beschränkungen besser stellte als zuvor und als Ausländer, die sich noch im Asylverfahren befänden und sich legal in der Bundesrepublik aufhielten. Soweit es sich um die fortgeltenden Wirkungen einer ausdrücklichen Zuweisung handele, sei dies in der obergerichtlichen Rechtsprechung im Übrigen geklärt (OVG NRW, Beschl. v. 18.04.1989 -- 19 B 585/89 --, EzAR 223, Nr. 13, m.w.N.). Nach Sinn und Zweck der räumlichen Beschränkung könne aber nichts anderes gelten, wenn eine ausdrückliche Zuweisung unterblieben sei und sich die räumliche Beschränkung allein aus § 56 AsylVfG ergebe. Diese gesetzlichen Vorschriften sollten die Durchführung des Asylverfahrens erleichtern. Das Asylverfahren sei aber mit Eintritt der Unanfechtbarkeit der ablehnenden Entscheidung noch nicht abgeschlossen, denn dazu zähle auch die aufenthaltsrechtliche Abwicklung bzw. die Beendigung des Aufenthalts.
Entsprechend sei die Antragsgegnerin für Hilfen an die Antragstellerin zu 1), die über die in § 11 Abs. 2 AsylbLG genannten Leistungen hinausgingen, nach § 10 a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG auch nicht örtlich zuständig. Zwar gehe der Wortlaut dieser Vorschrift von einer gesondert ausgesprochenen Verteilung oder Zuweisung aus, dem Sinn und Zweck nach sei diese Zuständigkeitsregelung aber ebenfalls auf diejenigen Fälle anzuwenden, in denen sich -- wie hier -- die räumliche Beschränkung auf einen bestimmten Bereich unmittelbar aus dem Gesetz ergebe.
Für die Antragsteller zu 2) und 3) sei die Antragsgegnerin ebenfalls nicht die örtlich zuständige Behörde für Leistungen, die über die unabweisbar notwendige Hilfe hinaus gingen.
Zwar sei § 11 Abs. 2 AsylbLG auf diese beiden Antragsteller nicht anwendbar. Die zwei Kinder der Antragstellerin zu 1) hielten sich nicht entgegen einer asyl- oder ausländerrechtlichen räumlichen Beschränkung zuwider in H. auf. Denn die beiden Kinder der Antragstellerin zu 1) hätten sich nie in einem Asylverfahren befunden. Die Wirkungen des § 56 AsylVfG seien bei Ihnen nicht eingetreten. Auch eine anderweitige ausländerrechtliche räumliche Beschränkung oder Zuweisung sei bei ihnen nicht getroffen worden. Gleichwohl sei die Antragsgegnerin insoweit nicht die zuständige Behörde nach § 10 a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG. Denn die Antragsteller zu 2) und 3) leiteten ihren Leistungsanspruch gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG lediglich von der Antragstellerin zu 1) ab. Die örtliche Zuständigkeit für Leistungen an die beiden Antragsteller zu 2) und 3) folge deshalb der Zuständigkeit für die Antragstellerin zu 1).
Da den Antragstellern eine gewisse Zeit zuzubilligen sei, um ihre Rückkehr in den Kreis S. vorzubereiten und eine Unterkunft zu finden, habe die Antragsgegnerin insoweit die nach den Umständen gebotene Hilfe zu leisten. Dazu gehöre insbesondere die Deckung des notwendigen Bedarfs an Ernährung, Unterkunft und evtl. Kleidung. Das Gericht halte es für angemessen, die Verpflichtung der Antragsgegnerin auf maximal einen Monat zu befristen. Bis dahin müssten die Antragsteller vom Kreis Steinfurt bzw. der für diesen Kreis zuständigen Behörde -- ggf. durch Vermittlung und Unterstützung der Antragsgegnerin -- dort eine Unterkunft zugewiesen bekommen haben.
Gegen diesen Beschluss wenden sich die Antragsteller mit dem Antrag auf Zulassung der Beschwerde und -- nach Zulassung -- der Beschwerde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens sowie der beigezogenen Gerichtsakten 3 B 734/00 des Verwaltungsgerichts Hannover und des Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag der Antragsteller auf Zulassung der Beschwerde ist begründet.
Nach §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung -- VwGO -- (i.d.F. des 6. VwGO-Änderungsgesetzes vom 1. November 1996, BGBl. I S. 1626) ist die Beschwerde zuzulassen, wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen. Diese Voraussetzung liegt hier vor, wie sich aus dem Vorbringen der Antragsteller ergibt und im Folgenden (III.) ausgeführt wird. Die Beschwerde ist ferner gem. §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zuzulassen, ob in Fällen der vorliegenden Art eine analoge Anwendung des § 44 Abs. 6 AuslG in Betracht kommt.
Das Zulassungsverfahren wird als Beschwerdeverfahren fortgesetzt; der gesonderten Einlegung einer Beschwerde bedarf es nicht (§§ 146 Abs. 6 Satz 2, 124 a Abs. 2 Satz 4 VwGO).
Die Beschwerde der Antragsteller ist begründet. Sie haben gegenüber der Antragsgegnerin Anspruch auf laufende Leistungen nach dem AsylbLG.
Die Antragsteller haben gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 und 6 AsylbLG grundsätzlich Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG.
Die örtliche Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die Gewährung von Leistungen folgt aus § 10 a Abs. 1 S. 2 AsylbLG, da sich die Antragsteller in ihrem Bereich tatsächlich aufhalten. Aus § 10 a Abs. 1 S. 1 AsylbLG ergibt sich nicht eine örtliche Zuständigkeit einer anderen Behörde insbesondere für Leistungen an die Antragstellerin zu 1), denn diese hat während des inzwischen abgeschlossenen Asylverfahrens eine Zuweisungs- und Verteilungsentscheidung hinsichtlich eines bestimmten Ortes nicht erhalten. Auch die unmittelbar aus § 55 AsylVfG folgende Aufenthaltsgestattung und die mit ihr verbundene räumliche Beschränkung nach § 56 AsylVfG, die sich ihrerseits nach der -- hier fehlenden -- Unterbringungs- und Verteilungsentscheidung gem. § 44 ff. AsylVfG bestimmt, entfalten rechtliche Wirkungen nicht mehr. Denn sie werden "zur Durchführung des Asylverfahrens" (§ 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) erteilt. Daraus folgt, dass jedenfalls dann, wenn das Asylverfahren im engeren Sinn abgeschlossen ist und daran direkt anschließende Maßnahmen zur Beendigung des Aufenthalts des Ausländers nicht mehr zu erwarten sind, die Verteilungs- und Zuweisungsentscheidung ihre Wirkung verliert. Ein solcher Fall ist jedenfalls dann gegeben, wenn dem Ausländer eine vom Asylverfahren unabhängige Duldung erteilt wird und damit zu rechnen ist, dass sie für einen längeren Zeitraum (ggf. wiederholt) verlängert werden wird (ebenso OVG NRW, B. v. 18.4.1989 -- 19 B 585/89 --, NVwZ-RR 1990, 33 = NWVBl. 1989, 446 = ZAR 1989, 175 (LS) <zu § 22 AsylVfG a.F.>). Dasselbe gilt aber auch, wenn -- wie im vorliegenden Fall -- eine Duldung zwar nicht erteilt worden ist und werden soll, Maßnahmen zur Beendigung des Aufenthalts seit Abschluss des Asylverfahrens aber nicht eingeleitet worden und auch nicht abzusehen sind, weil die Ausländer nirgendwo erfasst sind und sich keine Ausländerbehörde als zuständig ansieht. Dementsprechend bestimmt sich in einem solchen Fall auch die weitere Zuständigkeit für die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG nach § 10 a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG. Ohne Erfolg verweist demgegenüber die Antragsgegnerin darauf, dass bei späterer Stellung eines Asylfolgeantrags durch den Ausländer die für die Prüfung des Antrags örtlich zuständige Stelle wiederum durch die Zuweisungs- und Verteilungsentscheidung im Erstverfahren bestimmt wird (§ 71 Abs. 2 AsylVfG) und auch die ursprüngliche räumliche Beschränkung des Aufenthalts wieder auflebt (§ 71 Abs. 7 AsylVfG). Diese Regelung beruht auf der Erwägung, dass die mit der Sache des Asylsuchenden aus dem Erstverfahren bereits vertraute Stelle auch das Folgeverfahren zweckmäßigerweise bearbeiten soll und dementsprechend die gesamte Abwicklung des Folgeverfahrens dort konzentriert werden soll. Das rechtfertigt es aber nicht, auch den Aufenthalt des Ausländers diesen Beschränkungen zu unterwerfen, dessen Asylverfahren abgeschlossen ist, dessen weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet voraussichtlich längerfristig geduldet werden wird und bei dem zudem nicht absehbar ist, ob er jemals einen Asylfolgeantrag stellen wird. Entgegen der Meinung der Antragsgegnerin werden dem abgelehnten Asylbewerber so auch nicht von vornherein "weitergehende Leistungsansprüche" als den noch im Asylverfahren stehenden Asylbewerbern zugestanden, denn das Ende der Wirksamkeit der im Asylverfahren erlassenen Zuweisungs- und Verteilungsentscheidung hat unmittelbar Wirkung nur für die Frage der örtlichen Zuständigkeit der Behörde für die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG (Senat, Beschl. v. 11.8.1998 -- 4 M 3575/98 -- (V.n.b.)).
Eine noch andauernde Wirkung der räumlichen Beschränkung nach § 56 AsylVfG ergibt sich auch nicht aus § 44 Abs. 6 AuslG. Danach bleiben räumliche oder sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem und nach anderen Gesetzen auch nach Wegfall der Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut regelt die Bestimmung die Fortgeltung von Beschränkungen nur im Zusammenhang mit (dem Wegfall) einer Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung. Gemäß der Bestimmung des Begriffs der Aufenthaltsgenehmigung in § 5 AuslG fällt die Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylVfG nicht darunter. Eine räumliche Beschränkung der Aufenthaltsgestattung nach § 56 AsylVfG gilt deshalb nicht nach § 44 Abs. 6 fort. Inwieweit eine ausdrücklich ausgesprochene Zuweisung oder Verteilung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Ort von § 44 Abs. 6 AuslG erfasst wird, kann hier offen bleiben, da eine solche Entscheidung hier nicht ergangen ist.
Eine analoge Anwendung des § 44 Abs. 6 VwGO kommt hier -- entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Beschluss -- nicht in Betracht. Eine Analogie setzt grundsätzlich eine planwidrige Regelungslücke im Gesetz voraus. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine ursprünglich lückenlose Regelung infolge von Veränderungen sozialer Verhältnisse oder gesellschaftspolitischer Anschauungen sowie durch die rechtliche Entwicklung lückenhaft werden kann. In einem solchen Fall ist es gerechtfertigt, das Gesetz auf einen Fall, auf den seine Regelung abzielt, den es aber von seinem Wortlaut her nicht (mehr) erfasst, sinngemäß -- analog -- anzuwenden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 3.4.1990 -- 1 BvR 1186/89 -- BVerfGE 82, 6 = NJW 1990, 1593 = DVBl. 1990, 690). § 44 AuslG ist eine Bestimmung innerhalb des vierten Abschnitts des AuslG (§§ 42 bis 57), der die Beendigung des Aufenthalts regelt. § 44 AuslG selbst regelt in den Absätzen 1 bis 6 das Ende der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts (infolge z.B. Erlöschen der Aufenthaltsgenehmigung). In diesem Zusammenhang regelt § 44 Abs. 6 AuslG die Fortgeltung von Beschränkungen und Auflagen. Denn es soll ausgeschlossen werden, dass ein Ausländer, dessen Aufenthalt bislang unter Auflagen oder Beschränkungen rechtmäßig war, mit der Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts und der damit eintretenden Ausreisepflicht (§ 42 AuslG) für die Zeit bis zu seiner tatsächlichen Ausreise von diesen Verpflichtungen frei wird. Insoweit enthält die Regelung Lücken nicht. Die an einen Asylbewerber ergangene Zuweisungs- oder Verteilungsentscheidung wirkt, wenn das Asylverfahren im engeren Sinn abgeschlossen ist, fort, solange daran direkt anschließende Maßnahmen zur Beendigung des Aufenthalts des Ausländers noch zu erwarten sind (vgl. oben). Wird ihm nach Abschluss des Asylverfahrens der weitere Aufenthalt durch Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung ermöglicht, greift mit Ende der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts (z.B. durch Ablauf der Geltungsdauer der Genehmigung oder Duldung) die Regelung des § 44 Abs. 6 AuslG unmittelbar ein. Dass der Fall der Antragstellerin zu 1) nicht erfasst wird, beruht nicht auf einem Mangel des Gesetzes oder einer Regelungslücke, sondern auf einem Mangel im Gesetzesvollzug, indem nämlich nach Einreise der Antragstellerin zu 1) und Stellung des Asylantrags sowie nach Abschluss des Asylverfahrens die nach dem Asyl- und Ausländerrecht gebotenen Regelungen hinsichtlich ihres Aufenthalts nicht getroffen worden sind. Ein Mangel nur im Gesetzesvollzug rechtfertigt aber nicht die analoge Anwendung des Gesetzes zum Zweck der Behebung des Mangels. Welche Folgen sich daraus hier für die Anwendung des AsylbLG ergeben, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, da dies nicht zu dem hier zu betrachtenden, allein maßgeblichen Regelungsbereich des § 44 Abs. 6 AuslG gehört.
Nach alledem bestehen an der örtlichen Zuständigkeit der Antragsgegnerin gem. § 10 a Abs. 1 S. 2 AsylbLG für die Gewährung von Leistungen Zweifel nicht. Der Umfang der zu gewährenden Leistungen bestimmt sich nach §§ 3 ff. AsylbLG. Der den Leistungsumfang einschränkende § 11 Abs. 2 AsylbLG ist hier nicht einschlägig, da sich die Antragsteller -- wie ausgeführt -- nicht "einer asyl- oder ausländerrechtlichen räumlichen Beschränkung zuwider" im Bereich der Antragsgegnerin aufhalten.
Dieses Ergebnis trägt eine weitere, selbständige Erwägung aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles:
Die Antragsteller leben im Bereich der Antragsgegnerin bei ihrer Familie. Zwar hat sich der Partner der Antragstellerin zu 1) und Vater der Antragsteller zu 2) und 3) von diesen und der übrigen Familie getrennt und eine eigene Wohnung in Hannover bezogen. Unter dessen Anschrift sind nach einem Aktenvermerk vom 9. Mai 2000 seit dem 24. Februar 2000 auch die Antragsteller gemeldet. Tatsächlich wohnen sie aber nach der eidesstattlichen Versicherung des Herrn B. A. vom 15. Mai 2000 weiterhin bei ihm und seiner Familie. Die familiäre Gemeinschaft besteht also jedenfalls fort zwischen den Antragstellern und Herrn B. A., dem Großvater der Antragsteller zu 2) und 3) und Vormund und zugleich "Schwiegervater" der Antragstellerin zu 1). In diesem familiären Verbund (mit weiteren Familienangehörigen) erhalten die Antragsteller soziale und (in dem durch den Sozialhilfebezug der Familie A. vorgegebenen engen Rahmen) wirtschaftliche Unterstützung. Den Antragstellern wäre es nicht zuzumuten, diesen schützenden sozialen Raum zu verlassen im Hinblick auf eine von der Antragsgegnerin behauptete räumliche Beschränkung des Aufenthaltsrechts der Antragstellerin zu 1) auf etwa den Bereich des Kreises Steinfurt. Als dann alleinerziehende Ausländerin mit zwei kleinen Kindern, ohne Ausbildung und ohne Einkommen wäre die Antragstellerin dort praktisch hilflos, zumal sich die dortigen Behörden auch schon im Jahr 1996 für unzuständig erklärt haben (dasselbe gilt für den Landkreis Osnabrück). Im Hinblick auf Art. 6 GG, der nicht nur die Ehe, sondern auch die Familie schützt, muss hier deshalb die über die (räumlichen und sachlichen) Einschränkungen gem. §§ 10 a, 11 Abs. 2 AsylbLG angestrebte Unterbindung einer unerwünschten Binnenwanderung von Ausländern zurücktreten (vgl. Senat, Beschl. v. 10.10.1997 -- 4 M 4424/97 -- <zu § 120 Abs. 5 BSHG>, V.n.b.).