Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.06.2000, Az.: 4 M 1493/00

Antrag; Bescheidung; einstweilige Anordnung; Fristsetzung; Hilfe zum Lebensunterhalt; Rechtsschutzbedürfnis; Verfahrenskosten; Widerspruch

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
06.06.2000
Aktenzeichen
4 M 1493/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 41561
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - AZ: 3 B 822/00

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses jedenfalls dann unzulässig, wenn der Antragsteller bzw. sein Prozessbevollmächtigter dem Antragsgegner (Behörde) nicht nur sein Begehren nicht deutlich unterbreitet, sondern diesem auch noch eine so kurze Frist (hier: dreieinhalb Tage) setzt, daß ihm eine angemessene Bearbeitungszeit nicht verbleibt, und schließlich den Antrag noch am letzten Tag der gesetzten Frist bei Gericht stellt. Erledigt sich das Verfahren dadurch, daß der Antragsgegner in angemessener Frist reagiert und dem Begehren des Antragstellers stattgibt, ist es deshalb gerechtfertigt, die Verfahrenskosten dem Antragsteller aufzuerlegen.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin zu 1) und ihr minderjähriger Sohn, der Antragsteller zu 2), beziehen von der Antragsgegnerin laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. In der Vergangenheit wurde dabei auch ein Mehrbedarf der Antragstellerin zu 1) als Alleinerziehende (§ 23 Abs. 2 BSHG) berücksichtigt. Diesen Mehrbedarf erkannte die Antragsgegnerin nicht mehr an, nachdem die Antragstellerin ab dem 1. September 1999 eine andere Wohnung nunmehr zusammen mit einer Frau H. bezogen hatten.

2

Aus einem Aktenvermerk der Antragsgegnerin vom 27. Januar 2000 ergibt sich, daß die Antragstellerin zu 1) offenbar an diesem Tag dort vorgesprochen, die Höhe der gewährten Sozialhilfe beanstandet und mitgeteilt habe, daß Frau H. aus der Wohnung ausgezogen sei. Sie ist aufgefordert worden, den Auszug nachzuweisen - sie hat das in der Folgezeit nicht getan -. Offenbar ist ihr bei dieser Vorsprache auch ein am selben Tag gefertigter "Berechnungsbogen für 02/00" ausgehändigt worden.

3

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 21. Februar 2000, eingegangen bei der Antragsgegnerin am 22. Februar 2000, legte die Antragstellerin zu 1) Widerspruch gegen den "Bescheid vom 27.01.2000" ein und führte zur Begründung nur aus: "Der angefochtene Bescheid ist offensichtlich rechtsfehlerhaft. Eine nähere Begründung ist daher entbehrlich. Einer Korrektur der Berechnung wird entgegengesehen bis zum 25.02.2000."

4

Mit Schreiben vom 24. Februar 2000 wies die Antragsgegnerin den Prozeßbevollmächtigten der Antragstellerin zu 1) darauf hin, daß unter dem Datum des 27. Januar kein Bescheid ergangen sei, und bat um Erläuterung des Begehrens.

5

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 24. Februar 2000, eingegangen bei dem Verwaltungsgericht am 25. Februar 2000, haben die Antragsteller die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt.

6

In einem Aktenvermerk vom 6. März 2000 hat der Sachbearbeiter der Antragsgegnerin festgehalten, daß der Widerspruch sich dagegen richte, daß kein Mehrbedarfszuschlag wegen Alleinerziehens gewährt werde und daß (nach Rücksprache mit ...) dieser rückwirkend ab Januar 2000 wieder gewährt werden solle. Ein entsprechender Bescheid erging am selben Tag. Mit Schriftsatz vom 7. März 2000 an das Verwaltungsgericht erklärte die Antragsgegnerin das Verfahren für erledigt. Der Schriftsatz ist dem Prozeßbevollmächtigten der Antragsteller am 10. März 2000 zur Kenntnis und Stellungnahme übersandt worden.

7

Mit Beschluß vom 24. März 2000, zugestellt am 4. April 2000, hat das Verwaltungsgericht die Anträge der Antragsteller auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Es hat dies damit begründet, daß der Antragsteller zu 2) ohnehin nicht Inhaber des geltend gemachten Anspruch sei und daß die Antragstellerin zu 1) ein rechtlich schützenswertes Interesse daran, den tatsächlich erledigten, von ihr aber nicht für erledigt erklärten Rechtsstreit weiterzuführen, nicht habe.

8

Mit Schriftsatz vom 6. April 2000, eingegangen bei Gericht am 7. April 2000, haben beide Antragsteller beantragt, die Beschwerde gegen den Beschluß zuzulassen und ihnen Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

9

Mit weiterem Schriftsatz vom 26. April 2000 haben sie auf gerichtlichen Hinweis "mitgeteilt, daß sich die Antragstellerin zu 1) der Erledigungserklärung der Antragsgegnerin gemäß Schriftsatz vom 07.03.2000 anschließt, soweit es um den Erlaß einer einstweiligen Anordnung gegangen ist. Des Weiteren wird mitgeteilt, daß die Zulassung der Beschwerde nur gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe beantragt wird.

II.

10

Die Schriftsätze vom 6. April 2000 und vom 26. April 2000 sind zusammen so zu verstehen, daß nur die Antragstellerin zu 1) die Zulassung der Beschwerde gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts begehrt, daß sie aber hinsichtlich des Begehrens auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zugleich das Verfahren für erledigt erklärt. Daß sie hinsichtlich der Ablehnung ihres Begehrens auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung nicht auch die Zulassung der Beschwerde beantragen, sondern nur eine Erledigungserklärung abgeben will, ist nicht anzunehmen, da dann der Beschluß des Verwaltungsgerichts insoweit in Rechtskraft erwüchse und die nach Ablauf der Rechtsmittelfrist abgegebene Erledigungserklärung gegenstandslos wäre.

11

Nachdem die Antragstellerin zu 1) und die Antragsgegnerin das Verfahren hinsichtlich des Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung nunmehr übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist es in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO hinsichtlich dieses Begehrens der Antragstellerin zu 1) einzustellen und der Beschluß des Verwaltungsgerichts insoweit für unwirksam zu erklären (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO) - hinsichtlich des Antragstellers zu 2) ist der Beschluß hinsichtlich der Begehren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechtskräftig -.

12

Gerichtskosten werden gem. § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben. Über die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der Antragstellerin zu 1) auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist gem. § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden. Hier ist es angemessen, die Verfahrenskosten der Antragstellerin zu 1) aufzuerlegen. Sie hat nämlich den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zu einem Zeitpunkt gestellt, als ein rechtlich schützenswertes Interesse an der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes noch nicht bestand, der Antrag also unzulässig war. Sie hat mit anwaltlichem Schriftsatz vom 21. Februar 2000 Widerspruch gegen den ihr am 27. Januar 2000 ausgehändigten Berechnungsbogen eingelegt, diesen Widerspruch auch nicht ansatzweise begründet, und der Antragsgegnerin - unter Berücksichtigung des Postwegs - eine Frist zur Abhilfe von weniger als vier Tagen gesetzt. Bei dieser Vorgehensweise war von der Antragsgegnerin zunächst nicht mehr zu erwarten als daß sie - wie mit Schreiben vom 24. Februar 2000 geschehen - zunächst um Klarstellung des Begehrens gebeten hat. Es wäre nunmehr an der Antragstellerin zu 1) gewesen, diese Klarstellung zu leisten. Statt dessen hat sie mit Antragsschriftsatz schon vom 24. Februar 2000 am 25. Februar 2000, also noch am Tag des Ablaufs der gesetzten Frist, bei Gericht einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Die Antragsgegnerin ihrerseits hat, nachdem sie aus dem Inhalt des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Eingang bei der Antragsgegnerin am 3. März 2000) Kenntnis von dem tatsächlichen Begehren der Antragstellerin zu 1) erhalten hat, schon unter dem 6. März 2000 reagiert und dem Begehren der Antragstellerin (unter Verzicht auf den früher angeforderten Nachweis des Auszugs der Frau H. aus der Wohnung) entsprochen. Dieses umgehende Tätigwerden spricht dafür, daß eine (sachgerechte) Begründung des Widerspruchs oder sonstige Verdeutlichung ihres Begehrens gegenüber der Antragsgegnerin genügt hätte und es nicht erforderlich war, den Erlaß einer einstweiligen Anordnung zu beantragen.

13

Der Antrag der Antragstellerin zu 1) auf Zulassung der Beschwerde gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts, soweit dieses ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hat, bleibt ohne Erfolg. Deshalb kann ihr auch für das Antragsverfahren Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

14

Ein Grund für die Zulassung der Beschwerde gemäß § 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 VwGO liegt nicht vor. Die Antragstellerin zu 1) bezeichnet selbst einen solchen Grund nicht. Der Senat hat insbesondere nicht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zumindest im Ergebnis zu Recht mangels Erfolgsaussicht des Begehrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt. Insoweit verweist der Senat auf die vorstehenden Ausführungen. Das Vorbringen der Antragstellerin zu 1) in ihrem Antrag rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht.