Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 25.01.2002, Az.: 1 B 82/02

besonders geschütztes Biotop; Biotop; Duldungsverfügung; ordnungspflichtig; Rechtsnachfolge; Zustandsstörer

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
25.01.2002
Aktenzeichen
1 B 82/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 41626
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Wiederherstellung eines besonders geschützten Biotops

Gründe

1

I. Der Antragsteller wendet sich gegen eine naturschutzrechtliche Duldungsverfügung.

2

Dem Antragsteller gehören aufgrund eines Grundstückskaufvertrag, der am 4. Januar 2001 von dem Notar K.-H. G. beurkundet wurde, die Flurstücke 13 und 14/2, Flur 47 der Gemarkung W.. Voreigentümer dieser Flächen war K. P., der Kläger des bei der Kammer anhängigen Rechtsstreits 1 A 1662/01 mit dem Antragsgegner um den Bestand einer naturschutzrechtlichen Untersagungsverfügung, die sich im wesentlichen auf die verkauften Flurstücke erstreckt.

3

Mit jener Verfügung vom 22. Mai 2000 untersagte der Antragsgegner dem Rechtsvorgänger des Antragstellers unter Anordnung der sofortigen Vollziehung, wegen erheblicher Beeinträchtigung des besonders geschützten Biotops auf dem später an den Antragsteller veräußerten Flurstück 13 und dem damals noch ungeteilten Flurstück 14 jegliche Bauarbeiten, einschließlich der Entfernung von Pflanzen- und Bodenmaterial. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Vegetation auf den bezeichneten Flächen sei durch mehrere Maßnahmen zerstört worden, im einzelnen seien Bauarbeiten zur Errichtung eines Weges mit Aufbringen von Bauschutt vorgenommen, Bäume entfernt und Teiche entschlammt worden. Die Wegtrasse war auf der später abgeteilten, in das Eigentum des Antragstellers übergegangenen Parzelle 14/2 angelegt worden. Der Widerspruch gegen die Untersagungsverfügung blieb mit zurückweisendem Bescheid der Bezirksregierung L. vom 24. Oktober 2001 erfolglos. Über die Klage (1 A 1662/01) ist noch nicht entschieden.

4

Der Antragsgegner betrieb gegen den Rechtsvorgänger des Antragstellers anschließend das Verfahren auf Wiederherstellung des mit dem Eingriff veränderten Zustandes und kündigte ihm mit Schreiben vom 10. Juli 2000 eine weitere Verfügung an, die aufgebrachten Materialien zu beseitigen und die betroffenen Bereiche für bestimmte Zeiträume der natürlichen Entwicklung (Sukzession) zu überlassen. Der beurkundende Notar des erwähnten Grundstückskaufvertrages nahm die Belange des Voreigentümers als Verfahrensbevollmächtigter gegenüber dem Antragsgegner wahr. Eine erste Restitutionsverfügung vom 6. September 2000 hob der Antragsgegner aus formellen Erwägungen auf. Er wiederholte sie unter dem Datum des 10. April 2001, änderte sie mit Bescheid vom 31. Mai 2001 ab und beschränkte das mit sofortiger Vollziehbarkeit versehene Verlangen im Hinblick auf den Eigentumsübergang an den Antragsteller darauf, die aufgebrachten Materialien schadlos zu entfernen und zu entsorgen. Das Biotop vom Typ Bruchwald sei nunmehr in das Verzeichnis gemäß § 31 des Nds. Naturschutzgesetzes - NNatG - unter der Bezeichnung GB CUX 2220/056 eingetragen worden. Die in der Untersagungsverfügung vom 22. Mai 2000 bezeichneten verändernden Eingriffe seien rechtswidrig; sie verstießen gegen das Verbot nach § 28a NNatG. Die Beseitigung sei notwendig, um die Auswirkungen des unzulässigen Eingriffs auf das geschützte Biotop zu beenden und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass dessen verlorengegangene Funktionen wieder erreicht werden könnten. Die Maßnahme wurde mit einer Zwangsgeldandrohung in Höhe von 5.000,00 DM bewehrt. Die Widersprüche dagegen liegen der Bezirksregierung L. zur Entscheidung vor.

5

Nach Anhörung nahm der Antragsgegner den Antragsteller mit Verfügung von 18. Juni 2001 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung unter anderem auf Duldung der von seinem Rechtsvorgänger verlangten Beseitigungsmaßnahmen in Anspruch und drohte ihm ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 DM an. Die Verfügung sei aus denselben Gründen, mit denen die Beseitigung der aufgebrachten Materialien gegenüber dem Rechtsvorgänger des Antragstellers angeordnet wurde, erforderlich. Dies gelte entsprechend für die Anordnung der sofortigen Vollziehung.

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Am 11. Juli 2001 erhob der Antragsteller gegen die Duldungsverfügung Widerspruch. Eine Begründung ging nicht ein. Der Vorgang wurde gleichfalls an die Bezirksregierung L. abgegeben und ist noch unbeschieden.

7

Mit dem vorliegenden Antrag, eingegangen am 21. Januar 2002, erstrebt der Antragsteller die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Verfügung vom 18. Juni 2001. Sein Rechtsvorgänger habe sich anlässlich einer Erörterung mit dem Antragsgegner am 16. Januar 2002 verpflichtet, dem Beseitigungsverlangen bis zum 15. Februar 2002 nachzukommen. Die Maßnahme greife jedoch in die Rechte des Antragstellers ein und schaffe vollendete Tatsachen. Schon an der Eilbedürftigkeit sei zu zweifeln, da der Antragsgegner nahezu zwei Jahre benötigt habe, um den Ortstermin anzuberaumen. Es reiche aus, bis zum rechtskräftigen Abschluss abzuwarten. Auch dann werde sich der Bewuchs auf der überschütteten Fläche nach Entfernung des aufgebrachten Materials wieder einstellen. Der Antragsteller sei auf den geschaffenen Weg angewiesen, um den rückwärtigen Fischteich zu erreichen. Nur deswegen habe er die Flächen erworben. Ein anderer Zugang stehe nicht zur Verfügung. Dem Voreigentümer sei die Eigenschaft des Biotops gemäß § 28a NNatG nicht bekannt gewesen. Die Eintragung in das Verzeichnis nach § 31 NNatG habe erst später stattgefunden, als der Weg nahezu vollständig angelegt gewesen sei. Das Flurstück 14/2 sei gerade als Wegefläche in die Flurkarte aufgenommen worden. Dem Antragsteller sei bei Abschluss des Kaufvertrages mitgeteilt worden, ein Verfahren vor dem Antragsgegner sei anhängig gewesen, aber ergebnislos verlaufen. Er berufe sich daher auf Vertrauensschutz. Abgesehen davon liege keine erhebliche Beeinträchtigung vor.

8

Der Antragsgegner tritt dem Antragsbegehren entgegen.

9

II. Der Antrag ist statthaft, bleibt aber ohne Erfolg.

10

Ein beachtliches überwiegendes Interesse des Antragstellers, von der sofortigen Vollziehung der im Bescheid vom 18. Juni 2001 enthaltenen Duldungsanordnung verschont zu bleiben, besteht nicht. Die Regelung des Antragsgegners, mit der unverzüglich die Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände zum Schutz des auf den betroffenen Flurstücken vorhandenen Biotops gefordert wird, ist nicht zu beanstanden.

11

Die Erwägungen des Antragsgegners, mit denen er die Anordnung der sofortigen Vollziehung seiner Entscheidung begründet, entspricht den verfahrensrechtlichen Anforderungen des § 80 Absatz 3 VwGO. Danach müssen die Gründe erkennbar sein, die nach § 80 Absatz 2 Nr. 4 VwGO zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage geführt haben. Das ist hier der Fall. Dem angefochtenen Bescheid ist zu entnehmen, dass der Antragsgegner bei einer Verzögerung der dem Rechtsvorgänger des Antragstellers auferlegten Beseitigung des Wegeuntergrundes die möglichst gleichwertige Wiederherstellung des vorherigen Zustandes an dem geschützten Biotop gefährdet sieht.

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Auch sachlich hält die Duldungsverfügung einer vorläufigen Überprüfung stand. Bei der Entscheidung der Kammer nach § 80 Absatz 5 VwGO kommt es materiell-rechtlich nicht vorrangig auf eine Abwägung der widerstreitenden Interessen an. Ausschlaggebend sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des zur Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs, hier des gegen die Verfügung vom 18. Juni 2001 eingelegten Widerspruchs. Bei erkennbarer Aussichtslosigkeit jenes Rechtsbehelfs besteht im Allgemeinen kein schützenswertes Interesse an einer Vollziehungsaussetzung. Erweist sich der Rechtsbehelf dagegen offensichtlich als begründet, überwiegt im Regelfall das Interesse des Antragstellers an der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Bleibt der Verfahrensausgang in der Hauptsache nach summarischer Überprüfung offen, kommt es auf eine Interessenabwägung an (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 4.3.1991 - 3 M 102/90 -).

13

Nach diesen Maßstäben überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Duldungsverfügung. Sie beruht auf § 63 NNatG. Nach dieser Vorschrift trifft die Naturschutzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen, die im Einzelfall erforderlich sind, um die Einhaltung der Rechtsvorschriften über Naturschutz und Landschaftspflege sicherzustellen. Sind Natur oder Landschaft rechtswidrig zerstört, beschädigt oder verändert worden, so kann die Naturschutzbehörde auch die Wiederherstellung des bisherigen Zustandes anordnen. Im Übrigen gilt für diese Maßnahmen das Niedersächsische Gefahrenabwehrgesetz. Eine Anordnung, die ein Grundstück betrifft und sich an den Eigentümer oder Nutzungsberechtigten wendet, ist auch für dessen Rechtsnachfolger verbindlich. Das Inanspruchnahme des Antragstellers nach dieser Norm ist notwendig geworden, weil er sich weigert, die seinem Rechtsvorgänger auferlegten Maßnahmen zur Beseitigung des aufgebrachten Wegebaumaterials zu gestatten. Die Duldungsverfügung ist erforderlich, um zur Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände auf den Flurstücken des Antragstellers das Vollstreckungshindernis in Gestalt dieser fehlenden Gestattung zu überwinden.

14

Das Duldungsgebot bürdet dem Antragsteller keine unzulässige Schmälerung seines Eigentums auf, sondern beschränkt sich darauf, ihn in die Schranken seiner Rechte an den Flurstücken zu verweisen. Diese Schranken ergeben sich daraus, dass auf den Flächen schon vor dem Eigentumsübergang ein rechtswidriger Eingriff in das vorhandene besonders geschützte Biotop stattgefunden hatte und die dadurch veranlasste Verpflichtung des Verkäufers, die Veränderungen rückgängig zu machen, mit der Veräußerung nicht untergegangen ist.

15

Nach den Feststellungen des Antragsgegners, an denen nicht zu zweifeln ist, steht fest, dass auf den Flurstücken des Antragstellers ein besonders geschütztes Biotop nach § 28a NNatG vorhanden ist. Die Schutzwirkungen dieser Norm treten ein, ohne dass es hierzu der Aufnahme in das Verzeichnis gemäß § 31 NNatG oder einer Mitteilung an den Eigentümer bedarf. Die Biotopeigenschaft wird unmittelbar durch das Gesetz begründet; die sich anschließenden behördlichen Maßnahmen haben demzufolge nur rein informativen bzw. deklaratorischen Charakter. Im gegebenen Fall handelt es sich um einen nach § 28a Abs. 1 Nr.3 NNatG unter Schutz gestellten Bruchwald. Der Antragsteller ist hierüber und über die Aufnahme in das Verzeichnis nach § 31 NNatG mit Schreiben vom 8. Juni 2001 besonders unterrichtet worden.

16

Die Herstellung eines Weges und weitere Eingriffe durch den Rechtsvorgänger des Antragstellers verstießen gegen § 28a Abs. 2 NNatG. Nach dieser Bestimmung sind alle Handlungen, die zu einer Zerstörung oder sonst erheblichen Beeinträchtigung des besonders geschützten Biotops führen können, verboten (S. 1); dies gilt auch, wenn der besonders geschützte Biotop noch nicht in das Verzeichnis geschützter Teile von Natur und Landschaft nach § 31 Abs. 1 NNatG eingetragen worden ist (S. 2). Die Verletzung dieses Verbots ist schon durch die Untersagungsverfügung vom 22. Mai 2000 gegenüber dem Rechtsvorgänger des Antragstellers festgestellt worden. Jene Entscheidung wirkt, obzwar noch nicht bestandskräftig, aber sofort vollziehbar, nach § 63 Satz4 NNatG zu Lasten des Antragstellers fort. Er hat deshalb mit dem Kauf der Flächen kein weitergehendes Eigentum erwerben können, als es im Zeitpunkt des notariellen Vertrages vom 4. Januar 2001 den vorgegebenen naturschutzrechtlichen Beschränkungen und der Untersagungsanordnung vom 22. Mai 2000 entsprach. Richtigerweise hat der Antragsgegner deshalb den Antragsteller mit seiner Verfügung vom 18. Juni 2001 aus dem Gesichtspunkt der Zustandshaftung nach § 7 NGefAG nicht nur verpflichtet, die Beseitigung aufgebrachter Materialien zu dulden, sondern auch den anschließend wiederhergestellten Teilbereich seiner Flächen der Sukzession zu überlassen. Da der Antragsteller selbst ordnungspflichtig ist, kommt es auf seinen Vortrag, die Flurstücke 13 und 14/2 gutgläubig als naturschutzrechtlich unbelastet erworben zu haben, nicht an. Er kann insbesondere nicht verlangen, dass die Wegebefestigung zur Nutzung mit Kraftfahrzeugen erhalten bleibt. Da der gegenwärtige Zustand auf einem rechtswidrigen Eingriff beruht, besteht nach allem auch kein beachtliches Interesse, bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit mit der Wiederherstellung des besonders geschützten Biotops abzuwarten.