Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 23.01.2002, Az.: 6 A 790/00

Bescheinigung; Milcherzeuger; Milcherzeugungsflächen; Pächterschutz; Referenzmenge; Verwirkung; Übergang

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
23.01.2002
Aktenzeichen
6 A 790/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 41753
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

I. Die Beteiligten streiten um Milchreferenzmengen.

2

Der Kläger bewirtschaftet einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Milchviehhaltung in L.. Mit schriftlichem Pachtvertrag vom 8. Dezember 1982 verpachteten die Eltern des Beigeladenen an den Vater des Klägers landwirtschaftliche Nutzflächen, Flurstücke 116/1 - Grünland, Moorland - und 107/108 (Teilfläche aus obigen Parzellen) - Im Dorfe und Moorland - mit einer im Pachtvertrag angegebenen Größe von 7,5 ha und zu einem jährlichen Pachtzins von 3.000,00 DM. Gemäß § 2 des Pachtvertrages beginnt die Pachtzeit "sofort und endet mit dem 31.10.1992, umfasst also 10 Wirtschaftsjahre." Das Pachtjahr läuft vom 1. November bis zum 31. Oktober jeden Jahres. Das Pachtverhältnis verlängert sich stillschweigend um jeweils ein weiteres Jahr, falls es nicht 6 Monate vor Ablauf der Pachtzeit bzw. des Pachtjahres von einer Vertragsseite gekündigt wird.

3

Mit Schreiben vom 8. März 1989 wandte sich die Mutter des Beigeladenen an den Vater des Klägers: Wie bereits mündlich mit ihm abgesprochen, kündige sie hiermit den Pachtvertrag vom 8. Dezember 1982 zum "30.10.1989." Sie bitte den Vater des Klägers, ihr auf der beigefügten Kopie zu bestätigen, dass er mit der Kündigung einverstanden sei. Der Vater des Klägers bestätigte unter dem 9. März 1989 den Empfang und den Inhalt des Schreibens vom 8. März 1989.

4

Der Vater des Klägers gab die Pachtflächen Ende Oktober 1989 zurück. Mit Pachtvertrag vom 20. September 1989 verpachtete die Mutter des Beigeladenen die landwirtschaftlichen Nutzflächen - angegeben mit einer Größe von 7,5 ha - wiederum zu einem jährlichen Pachtzins von 3.000,00 DM an den Landwirt ..... in ...... Ein Antrag auf Bescheinigung eines Referenzmengenüberganges wurde seinerzeit nicht gestellt.

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Mit Gesellschaftsvertrag vom 15. Oktober 1990 vereinbarten der Vater des Klägers und der Kläger mit Wirkung vom 1. Januar 1991 zur gemeinsamen Bewirtschaftung ihrer landwirtschaftlichen Betriebe eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. In diese Gesellschaft brachte der Vater des Klägers seinen landwirtschaftlichen Betrieb - im Vertrag angegeben mit einer Fläche von rd. 72 ha - zur Nutzung ein. Der Kläger brachte seinen landwirtschaftlichen Pachtbetrieb - O. - (im Vertrag angegeben mit einer Fläche von 32,59 ha) zur Nutzung in die Gesellschaft ein. Mit Bescheiden vom 9. Januar 1991 bescheinigte die Außenstelle ........ der Beklagten jeweils mit Wirkung vom 1. Januar 1991 sowohl den Übergang der Referenzmenge, über die der Betrieb des Vaters des Klägers seinerzeit verfügte (420.515 kg), als auch den Übergang der Referenzmenge des Pachtbetriebs des Klägers (241.804 kg).

6

Das mit Pachtvertrag vom 20. September 1989 zwischen der Mutter des Beigeladenen und dem Landwirt M. zum 1. November 1989 begründete Pachtverhältnis wurde zum 31. März 1999 beendet. Aufgrund einer mündlichen Vereinbarung zwischen der Mutter des Beigeladenen und dem Kläger nutzte dieser die Pachtflächen ab 1. April 1999. Dabei handelte es sich aufgrund veränderter Flurstücksbezeichnungen um folgende Flächen: Flurstück 108/1, Flur 3, Gemarkung L., Gesamtgröße 2,3926 ha, mit einer Teilfläche von 2,1156 ha - die Flurstücke 108/1 und 108/2 sind im Jahre 1996 aus dem früheren Flurstück 207/108 entstanden; Eigentümer des Flurstücks 108/1 ist im Laufe des Jahres 1997 der Beigeladene geworden -; Flurstück 116/2, Flur 1, Gemarkung L., zur vollen Größe (3,4787 ha); Flurstück 116/4, Flur 1, Gemarkung L., Gesamtgröße 3,1587 ha, mit einer Teilfläche von 3,0174 ha. Eigentümerin der Flurstücke 116/2 und 116/4, die im Jahre 1992 aus dem früheren Flurstück 116/1 hervorgegangen sind, ist nach wie vor die Mutter des Beigeladenen - (Gesamtgröße der landwirtschaftlichen Nutzflächen: 8,6117 ha).

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Der Kläger führte die Flächen mit der Gesamtgröße von 8,6117 ha in dem Gesamtflächen- und Nutzungsnachweis seines Agrarförderungsantrages 1999 auf. Er gab die Flächen im Herbst 1999 aus der Bewirtschaftung zurück.

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Mit Pachtvertrag vom 19. November 1999 verpachtete der Beigeladene die Teilfläche des Flurstücks 108/1 zur Größe von 2,1156 ha ab 1. November 1999 für 10 Jahre (bis zum 31. Oktober 2009) an den Landwirt ............. in H.. Mit weiterem Pachtvertrag vom gleichen Tage verpachtete die Mutter des Beigeladenen die noch in ihrem Eigentum stehenden landwirtschaftlichen Nutzflächen - Flurstücke 116/2 und 116/4 - in einer Größe von 6,6374 ha ebenfalls ab 1. November 1999 für 10 Jahre an den Landwirt J..

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Am 5. November 1999 beantragte der Beigeladene bei der Kreisstelle der Beklagten in O., ihm aus Anlass der Rückgabe der Flächen durch den Kläger zum 1. November 1999 den Übergang einer Referenzmenge zu bescheinigen. Hierzu erklärte er: Der Kläger habe ihn am 21. Oktober 1999 aufgesucht und ihm mitgeteilt, dass er die Flächen nicht weiter bewirtschaften möchte. Daraufhin hätten sie sich darauf geeinigt, dass der Kläger die Flächen mit der darauf liegenden Milchquote zum 31. Oktober 1999 zurück gibt und der Beigeladene die Fläche mit Quote zum 1. November 1999 neu verpachten kann. Als er dem Kläger am 1. November 1999 mitgeteilt habe, dass er einen neuen Pächter für die Flächen habe, habe der Kläger ihm gesagt, dass er die Milchquote nicht mit zurück geben würde. In einem weiteren Gespräch am 2. November 1999 habe er den Kläger nochmals gefragt, ob dieser die Flächen abgeben wolle. Daraufhin habe der Kläger ihm gesagt, dass er die Flächen auf keinen Fall weiter bewirtschaften werde und er, der Beigeladene, die Flächen zum 1. November 1999 neu verpachten könne.

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Mit Bescheid vom 6. November 1999 bescheinigte die Kreisstelle der Beklagten in O. dem Beigeladenen, dass vom Kläger auf ihn aus Anlass der Rückgabe der Flächen zur Gesamtgröße von 8,6117 ha durch den Kläger am 31. Oktober 1999 eine Referenzmenge von 18.759 kg (2.178,2889 kg x 8,6117 ha) mit einem Referenzfettgehalt von 4,25 v.H. übergegangen sei. Dem liegt eine von der Kreisstelle ermittelte Referenzmenge von 4.356,5779 kg/ha zugrunde. Hiervon ging nach Auffassung der Kreisstelle die Hälfte - 2.178,2889 kg/ha - vom Kläger auf den Verpächter über. Dem Kläger sei Pächterschutz nach § 7 Abs. 4 der Milch-Garantiemengen-Verordnung - MGV - zu gewähren, da die Mutter des Beigeladenen das Pachtverhältnis einseitig zum 30. Oktober 1989 gekündigt und die Fläche aus der Verpachtung zurückgenommen habe. Eine Milchreferenzmengenübertragung sei zur damaligen Pachtbeendigung nicht erfolgt; wäre sie erfolgt, hätte der Pächterschutz zur Anwendung kommen müssen. Insofern sei nach erneuter Bewirtschaftung der Fläche durch den Kläger und nach der jetzigen Pachtrückgabe zum 31. Oktober 1999 der Pächterschutz zu gewähren.

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Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigte Widerspruch: Der Verpächter sei im Zeitpunkt der Rückgabe der Fläche selbst kein Milcherzeuger mehr gewesen. Er habe auch die Wiederaufnahme der Milchvermarktung nicht beabsichtigt, sondern die Fläche auf Dritte übertragen wollen. Es sei fraglich, ob der Verpächter bei einer solchen Fallgestaltung Anspruch auf die anteilige Altpachtquote habe. In Anbetracht des Vorlagebeschlusses des OVG Schleswig werde beantragt, das Verfahren in dieser Sache bis zur Entscheidung des EuGH ruhen zu lassen.

12

Mit Schreiben vom 24. November 1999 legte auch der Beigeladene - zugleich im Namen seiner Mutter, für die er eine Vollmacht vorlegte - Widerspruch gegen den Bescheid vom 6. November 1999 ein: Seine Mutter habe den Pachtvertrag im gegenseitigen Einvernehmen mit dem Vater des Klägers gekündigt. Herr M. habe den Vater des Klägers gefragt, ob er die Flächen übernehmen könnte. Damit sei der Vater des Klägers einverstanden gewesen. Er habe die Mutter des Beigeladenen daraufhin gebeten, ihm die Flächen zu kündigen. Wenn der Vater des Klägers mit der Kündigung nicht einverstanden gewesen wäre, hätte er dieser widersprechen können. Dann hätte der Vertrag frühestens 1992 gekündigt werden können.

13

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2000 gab die Beklagte dem Widerspruch des Beigeladenen statt und bescheinigte diesem den Übergang einer Referenzmenge von 37.512 kg (4.356 kg/ha x 8,6117 ha) zum 31. Oktober 1999. Die Voraussetzungen für eine Anwendung der Pächterschutzregelung lägen nicht vor. Der Vater des Klägers habe den Pachtvertrag durch eine freiwillige Vereinbarung vorzeitig aufgelöst. Durch dieses Verhalten habe er den Pächterschutz verwirkt. Daher sei die gesamte auf der Fläche ruhende Referenzmenge zu übertragen.

14

Mit gesondertem Widerspruchsbescheid vom 20. April 2000 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück: Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. November 1990 sei es unerheblich, ob der Übernehmer Milcherzeuger sei oder nicht.

15

Mit weiterem Bescheid vom 26. April 2000 übersandte die Beklagte der Prozessbevollmächtigten des Klägers ihren stattgebenden Widerspruchsbescheid an den Beigeladenen.

16

Am 15. Mai 2000 hat der Kläger daraufhin die vorliegende Klage erhoben.

17

Zur Begründung macht er geltend:

18

Nach dem Vorlagebeschluss des OVG Schleswig vom 22. September 1999 sei fraglich, ob der bescheinigte Referenzmengenübergang mit Gemeinschaftsrecht in Einklang stehe. Weder Verpächter noch Erwerber seien Erzeuger im Sinne von Art. 7 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3950/92. Es werde angeregt, das Verfahren bis zum Vorliegen der Entscheidung des EuGH auszusetzen. Die zurückgegebene Fläche habe laut Pachtvertrag lediglich eine Größe von 7,5 ha. Entgegen der Auffassung der Beklagten könne sich der Kläger auf Pächterschutz berufen. Sein Vater habe nach der Kündigung der Verpächterin vom 8. März 1989 zum 31. Oktober 1989, also zum Schluss des laufenden Pachtjahres, keinen Anspruch auf Vertragsverlängerung gehabt. Die Kündigung habe auf § 10 des Pachtvertrages beruht. Die Kündigungsfrist von mindestens 6 Monaten sei eingehalten worden. Entgegen dem Vortrag des Beigeladenen sei der Pachtvertrag nicht einvernehmlich aufgehoben worden. Im Übrigen habe die Mutter des Beigeladenen seinerzeit einen Antrag auf Bescheinigung eines Referenzmengenüberganges nicht gestellt. Dieses Versäumnis könne nunmehr nicht zu seinen Lasten gehen.

19

Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Kreisstelle der Beklagten im Landkreis ... vom 6. November 1999 in der Fassung des an den Beigeladenen gerichteten Widerspruchsbescheides der Beklagten (und der ihm beigefügten Bescheinigung) vom 20. April 2000, den an den Kläger gerichteten Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 20. April 2000 und den an ihn gerichteten Bescheid vom 26. April 2000 aufzuheben.

21

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

23

Sie tritt den Ausführungen des Klägers im Einzelnen entgegen.

24

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

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Er verteidigt die angefochtenen Bescheide.

26

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte 6 A 790/00 und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und des Amtes für Agrarstruktur Bremerhaven Bezug genommen. Außerdem haben der Kammer die Gerichtsakten 6 A 70/00 nebst Beiakten vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Klage ist unbegründet.

28

Die angefochtenen Bescheide verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

29

Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 der Milch-Garantiemengen-Verordnung - MGV - vom 21. März 1994 (BGBl. I S. 586) i.d.F. der 33. Änderungsverordnung vom 25. März 1996 (BGBl. I S. 535) bescheinigt die Beklagte als zuständige Landesstelle nach § 1 Nr. 7 der Verordnung über die Übertragung von Aufgaben auf die Landwirtschaftskammern vom 05. März 1997 (Nds. GVBl. S. 62) im Falle des Übergangs von Referenzmengen, welche Referenzmengen, zu welchem Zeitpunkt, von welchem Milcherzeuger, mit welchem Referenzfettgehalt auf einen Milcherzeuger übergegangen sind.

30

Zwar ist die MGV inzwischen mit Wirkung vom 1. April 2000 durch die Verordnung zur Durchführung der Zusatzabgabenregelung (Zusatzabgabenverordnung) vom 12. Januar 2000 (BGBl. I S. 27) aufgehoben worden. Dies gilt jedoch gemäß § 30 der Zusatzabgabenverordnung nicht, soweit in der Zusatzabgabenverordnung die Fortgeltung einzelner Regelungen der MGV bestimmt ist. Letzteres ist nach der Übergangsregelung des § 28 a der Zusatzabgabenverordnung hier der Fall. Danach sind die bisherigen Vorschriften der MGV in der jeweils geltenden Fassung weiter anzuwenden, soweit - wie hier - Anlieferungs-Referenzmengen aufgrund anhängiger Verfahren ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit neu zu berechnen sind.

31

Maßgebend für die Beurteilung des Klagebegehrens in materieller Hinsicht sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, die Normen, die für den Zeitpunkt des streitigen Referenzmengenüberganges, für den der Wechsel des Besitzes und damit der Verfügungsbefugnis an dem zu Grunde liegenden Pachtgegenstand das entscheidende Kriterium ist, Geltung beanspruchen (BVerwG, Urteil vom 01. September 1994 - 3 C 1.92 - Buchholz 451.512 MGVO, Nr. 97 m.w.N.).

32

Im vorliegenden Fall sind zwei Flächenübergänge zu beurteilen, nämlich zunächst die Rückgabe der Pachtflächen durch den Vater des Klägers zum 31. Oktober 1989 und sodann die spätere Rückgewähr der Flächen durch den Kläger an den Beigeladenen bzw. dessen Mutter zum 31. Oktober 1999.

33

Von den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen ist hier, soweit es um die Rückgabe der Pachtflächen zum 31. Oktober 1989 geht, unter Berücksichtigung des bezeichneten maßgeblichen Zeitpunktes des Flächenüberganges Art 7 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 857/84 vom 31. März 1984 i. d. F. des Art. 1 Nr. 4 der VO (EWG) Nr. 590/85 vom 26. Februar 1985 i. V. m. Art. 7 Nr. 2,3 der VO (EWG) Nr. 1546/88 vom 03. Juni 1988 einschlägig.

34

Für den Fall, dass nur ein Teil eines Betriebes, wie hier bei der Verpachtung von Stückländereien, übertragen wird, bestimmt Art. 7 Nr. 2 VO (EWG) Nr. 1546/88, dass die entsprechende Referenzmenge nach den für die Milcherzeugung verwendeten Flächen oder nach anderen von den Mitgliedstaaten aufgestellten "objektiven Kriterien", die der nationale Verordnungsgeber nicht getroffen hat, auf die den Betrieb übernehmenden Erzeuger aufgeteilt wird. Durch diese Vorschriften wird zwar nicht unmittelbar die Rückgewähr von Pachtflächen nach Beendigung des Pachtverhältnisses erfasst. Nach Art. 7 Nr. 3 VO (EWG) Nr. 1546/88 gelten die gleichen Bestimmungen sinngemäß für sonstige Übergangsfälle, die nach einzelstaatlichen Rechtsvorschriften vergleichbare rechtliche Folgen für den Erzeuger mit sich bringen. Das trifft nach nationalem Recht für die Rückgabe einer gepachteten Fläche, bei der der Verpächter (wieder) den Besitz an dem verpachteten Grundstück erlangt, zu (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.3.1992 - BVerwG 3 C 58.88 - , Buchholz 451.512 MGVO Nr. 54).

35

Als für die Milcherzeugung verwendete Flächen im Sinne des Art. 7 VO (EWG) Nr. 1546/88 und § 7 Abs. 2 MGV sind alle Flächen des milchviehhaltenden landwirtschaftlichen Betriebes zu berücksichtigen, die unmittelbar oder mittelbar zu dessen Milcherzeugung beitragen (EuGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 - Rs C 79/91 - AgrarR 1993, 19 f). Für die Milcherzeugung werden jedenfalls alle diejenigen landwirtschaftlichen Flächen verwendet, auf denen Futter für die Milchkühe des Betriebes gewonnen wird (BVerwG, Urteil vom 02. Dezember 1993 - 3 C  82.90 - AgrarR 1994, 232 f). Die Bewertung einer Fläche als Milcherzeugungsfläche hängt davon ab, ob sie sich im Zeitpunkt des Flächenübergangs unter Berücksichtigung des Fruchtfolgesystems als solche darstellt; nicht entscheidend ist, ob die Fläche zur Entstehung der dem Betrieb mitgeteilten Referenzmenge im Jahre 1983 beigetragen oder nur irgendwann vor der Flächenrückgabe zur Milcherzeugung gedient hat (BVerwG, Urteile vom 01. September 1994, a.a.O., und vom 23. Juni 1995 - 3 C 6.94 - AgrarR 1996, 31, 32). Als Milcherzeugungsflächen haben auch solche Flächen zu gelten, auf denen erst nach Inkrafttreten der Milchkontingentierung die Milcherzeugung aufgenommen und nicht eindeutig wieder aufgegeben worden ist (BVerwG, Urteil vom 01. September 1994, a.a.O.; Nds. OVG, Urteil vom 10. September 1998 - 3 L 3608/96 -). Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 18. September 1998 - 3 L 4165/98 - und Urteil vom 10. September 1998 - 3 L 3608/96 -) ist für die Beurteilung der Frage, ob eine Pachtfläche der Milcherzeugung gedient hat, auf die gesamte Dauer der Pachtzeit abzustellen.

36

In diesem Zusammenhang geht die Kammer in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 2. Dezember 1993, a.a.O. und vom 1. September 1994, a.a.O.) und des Nieders. Oberverwaltungsgerichts (vgl. etwa das Urteil vom 23. Oktober 1995 - 3 L 3092/93 -) davon aus, dass für die Nutzung der zu einem milchviehhaltenden landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden landwirtschaftlichen Nutzflächen (Acker- und Grünland) zur Milcherzeugung eine tatsächliche Vermutung spricht. Diese widerlegliche Vermutung gilt gleichermaßen für die Eigentums- und Pachtflächen, weil praktisch jede landwirtschaftliche Nutzfläche zur Futtergewinnung für das Milchvieh genutzt werden kann und von den milchviehhaltenden Betrieben, unabhängig davon, ob es sich um eine Eigentums- oder um eine Pachtfläche handelt, in der Regel auch genutzt wird.

37

Für Ackerflächen folgt dies daraus, dass auf ihnen im Rahmen wechselnder Fruchtfolge im Hauptfutterbau oder Zusatzfutterbau (Zwischenfruchtbau) regelmäßig Futter für das Milchvieh gewonnen wird. Dafür reicht es aus, dass die Fläche während des Pachtverhältnisses im Rahmen der wechselnden Fruchtfolge in einem Jahr zur Milcherzeugung des Pächters beigetragen hat und anschließend nicht aus der die Milcherzeugung einschließenden Fruchtfolge herausgenommen worden ist, die nur durch eine signifikante Änderung der Bodennutzung dokumentiert werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1993, a.a.O.; Nds. OVG, Urteil vom 10. September 1998 - 3 L 3608/96).

38

Die hier streitige Pachtfläche war danach im Betrieb des Vaters des Klägers zum Zeitpunkt des Flächenüberganges auf die Mutter des Beigeladenen bzw. auf den Landwirt M. am 1. November 1989 als Milcherzeugungsfläche anzusehen. Dies stellt der Kläger zu Recht nicht in Abrede.

39

Für einen Referenzmengenabgang zu Lasten des Vaters des Klägers aus Anlass der Pachtrückgabe zum 31. Oktober 1989/1. November 1989 ist es unerheblich, dass der Verpächter (bzw. dessen Rechtsnachfolger) nicht Milcherzeuger war (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 1990 - BVerwG 3 C 42.88 - Buchholz 451.512 MGVO Nr. 27).

40

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass Art. 7 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 857/84 i.d.F. der VO (EWG) Nr. 590/85 sowie Art. 7 Nrn. 1, 2 und 4 der VO (EWG) Nr. 1546/88 - vorbehaltlich der den Mitgliedstaaten in Abs. 4 der erstgenannten Verordnung eingeräumten Befugnis, die Referenzmenge ganz oder zur Teil dem ausscheidenden Pächter zuzuteilen - erkennen lassen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die Referenzmenge nach Ablauf des Pachtverhältnisses grundsätzlich dem Verpächter zukommen lassen wollte, der wieder die Verfügungsgewalt über den Betrieb erlangt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1997 - 3 C 34.96 -, Buchholz 451.512 MGVO Nr. 128 = AgrarR 1998, 319 f. jeweils m.w.N.). Dem gegenüber ist die vom OVG Schleswig in dem Beschluss vom 22. September 1999 - 2 L 143/98 - zum Begriff des Erzeugers im Sinne des Art. 7 VO (EWG) Nr. 3950/92 aufgeworfene Frage hier nicht entscheidungserheblich.

41

Im Übrigen sind die streitigen Flächen unmittelbar nach der Pachtrückgewähr an einen Milcherzeuger weitergegeben worden. Der Beigeladene hat unwidersprochen vorgetragen, dass der Nachfolgepächter M. Milcherzeuger war und die aktive Landwirtschaft erst zum 30. April 1999 aufgegeben hat.

42

Auch die Einwände des Klägers gegen die Größe der Pachtfläche greifen nicht durch. Zwar ist die Pachtfläche sowohl in dem Pachtvertrag vom 8. Dezember 1982 zwischen den Eltern des Beigeladenen und dem Vater des Klägers als auch in dem Pachtvertrag vom 20. September 1989 zwischen der Mutter des Beigeladenen und Herrn M. jeweils mit 7,5 ha angegeben worden. Die Angaben zur Größe der Pachtobjekte sind jedoch gerade in älteren Pachtverträgen erfahrungsgemäß des öfteren ungenau, zumal wenn es sich dabei um Teilflächen von Flurstücken handelt. Der Beigeladene hat substantiiert dargelegt und belegt, auf welche heutigen Flurstücke sich die damaligen Pachtflächen im Einzelnen verteilen und dass die Pachtflächen eine Gesamtgröße von 8,6117 ha haben. Diese Gesamtfläche hat auch der Kläger in dem Gesamtflächen- und Nutzungsnachweis, den er mit seinem Agrarförderungsantrag 1999 vorgelegt hat, angegeben.

43

Einem Abgang der gesamten auf der Pachtfläche zur Größe von 8,6117 ha ruhenden Milchreferenzmenge zu Lasten des Vaters des Klägers stand nicht die Pächterschutzbestimmung in § 7 Abs. 3 a MGV (in der zum maßgeblichen Zeitpunkt der damaligen Pachtrückgabe - 31. Oktober /1. November 1989 - Geltung beanspruchenden Fassung der 12. Änderungsverordnung vom 19. Juli 1989, BGBl. I S. 1509, - vgl. auch die Bekanntmachung der Neufassung vom 30. August 1989, BGBl. I S. 1654 -), soweit diese sich als wirksam erweist, entgegen.

44

Nach § 7 Abs. 3a galt: Bei Teilen eines Betriebes, die für die Milcherzeugung genutzt werden und aufgrund eines auslaufenden Pachtvertrages, der vor dem 02. April 1984 abgeschlossen worden ist, nach dem 30. September 1984 an den Verpächter zurückgegeben werden, geht in Höhe von 5 ha überlassener Fläche keine Referenzmenge über; die der über 5 ha hinausgehenden Fläche entsprechende Referenzmenge geht zur Hälfte, höchstens jedoch in Höhe von 2500 kg je Hektar, auf den Verpächter über.

45

§ 7 Abs. 3 a MGV ist jedoch, soweit er die Pächter vor der Abgabe der anteiligen Referenzmenge schützen will, teilweise wegen seiner Unvereinbarkeit mit dem höherrangigen Recht der Europäischen Gemeinschaften und dem nationalen Verfassungsrecht nichtig und daher nur eingeschränkt anzuwenden. Soweit § 7 Abs. 3a MGV - unter den dort genannten Voraussetzungen - vorsieht, dass bei der Rückgabe von Pachtflächen in Höhe von jeweils 5 ha überlassener Fläche überhaupt keine Referenzmenge übergehen soll, verstößt diese Bestimmung bereits in einer den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzenden Weise gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1993 - 3 C 37.91 - AgrarR 1994, 138 f.).

46

Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 11. November 1993, a.a.O.) aber die Pächterschutzregelung als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen. Am Schluss des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts (aa0) heißt es:

47

"Aus der Nichtigkeit der Fünf-Hektar-Klausel folgt keine Gesamtnichtigkeit der damaligen deutschen Pächterschutzregelung. Es sind keine Anzeichen dafür vorhanden, daß der Normgeber die in § 7 Abs. 3 a Satz 1 MVGO vorgesehene hälftige Aufteilung der auf die zurückgewährte Milcherzeugungsfläche entfallenden Referenzmenge zwischen Pächter und Verpächter wie auch die Höchstmengenbegrenzung nicht angewandt wissen wollte, wenn die Nichtigkeit der Fünf-Hektar-Klausel erkannt worden wäre. Im Gegenteil: § 7 Abs. 3 a MGVO zeigt deutlich, dass ein Pächterschutz - soweit nur möglich - gewollt war. Aus diesem Grunde ist der als gültig anzusehende Teil des § 7 Abs. 3 a Satz 1 MGVO dahin auszulegen, dass er auch die auf die ersten fünf Hektar entfallende Referenzmenge erfasst, die nach dem Wortlaut der Fünf-Hektar-Klausel vom Referenzmengenübergang logischerweise ausgenommen war."

48

Dieser als gültig anzusehende Teil der Pächterschutzregelung in § 7 Abs. 3 a MGV - also die hälftige Aufteilung der Referenzmenge und die Höchstmengenbegrenzung - kommt dem Vater des Klägers jedoch nicht zugute.

49

Die Formulierung in § 7 Abs. 3 a MGV bezüglich des Pächterschutzes geht auf Art. 7 Abs. 4 der VO (EWG) Nr. 857/84 i.d.F. der VO (EWG) Nr. 590/85 zurück. Diese erlaubt den Mitgliedstaaten die Gewährung von Pächterschutz nur "für auslaufende Pachtverträge, bei denen der Pächter keinen Anspruch auf Vertragsverlängerung unter entsprechenden Bedingungen hat". Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht zuerst im Urteil vom 20. Februar 1992 (- BVerwG 3 C 51.88 -, BVerwGE 19,18 [BVerwG 11.06.1964 - BVerwG VIII C 155.63]) aus dem Merkmal, es müsse ein "auslaufender Pachtvertrag" vorliegen, geschlossen, dass Pächterschutz nur insoweit gemeinschaftsrechtskonform gewährt werden könne, als der Pächter die Milcherzeugungsflächen gegen seinen Willen an der Verpächter herausgeben müsse. Auch in der Folgezeit hat das Bundesverwaltungsgericht stets daran festgehalten, für die Gewährung von Pächterschutz sei Raum nicht, wenn der Verpächter verpflichtet oder bereit sei, den Vertrag fortzusetzen (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. April 1993 - 3 C 3.91 -, vom 10. Dezember 1993 - 3 C 57.91 -, Buchholz 451.512 MGVO Nr. 86 und vom 24. Januar 1994 - 3 C 8.92 -).

50

Hiernach verliert ein Pächter den Pächterschutz auch dann, wenn er sich mit dem Verpächter letztlich über die Rückgabe einigt, obwohl er zur Rückgabe noch nicht verpflichtet ist (Nds. OVG, Urt. vom 19. Dezember 1996 - 3 L 1130/95 - AgrarR 1998,134). Die Beantwortung dieser Frage wie auch jener, welche rechtlichen Möglichkeiten der Pächter zu einer Vertragsverlängerung ausschöpfen muss, um in den Genuss des Pächterschutzes zu gelangen, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab (BVerwG, Beschluss vom 23. August 1993 - BVerwG 3 B 52.93 -, Buchholz 451.512 MGV Nr. 77).

51

Nach diesen Maßstäben stand dem Vater des Klägers Pächterschutz nicht zu.

52

Nach § 2 des Pachtvertrages vom 8. Dezember 1982 endete die vereinbarte Pachtzeit - 10 Wirtschaftsjahre - erst am 31. Oktober 1992. Für eine "Kündigung" nach § 2 Satz 3 des Pachtvertrages war im Jahre 1989 noch kein Raum. Danach verlängert sich das Pachtverhältnis stillschweigend um jeweils ein weiteres Jahr, falls es nicht 6 Monate vor Ablauf der Pachtzeit bzw. des Pachtjahres von einer Vertragsseite gekündigt wird. Eine solche "Kündigung" hätte erstmals - und zwar spätestens im März 1992 - mit Wirkung zum 31. Oktober 1992 ausgesprochen werden können und das Pachtverhältnis dann zum 31. Oktober 1992 auslaufen lassen. Gründe, die eine vorzeitige Kündigung nach § 10 des Pachtvertrages gerechtfertigt hätten, lagen im März 1989 nicht vor. Insbesondere war auch der im letzten Absatz des § 10 des Pachtvertrages genannte Kündigungsgrund nicht gegeben. Danach kann der Verpächter den Pachtvertrag auch zum Schluss des laufenden Pachtjahres kündigen, wenn er das betreffende Grundstück oder Teile davon veräußert oder vertauscht. In diesem Falle muss eine Kündigungsfrist von mindestens 6 Monaten eingehalten werden. Ein solcher Sachverhalt lag im März 1989 nicht vor. Hierauf hat die Beklagte zu Recht hingewiesen.

53

Die "Kündigung" des Pachtverhältnisses durch die Mutter des Beigeladenen beruht vielmehr, wie schon das Schreiben vom 8. März 1989 deutlich macht und was der Vater des Klägers durch seine Unterschrift bestätigt hat, auf einer mündlichen Absprache.

54

Mithin hat sich der Vater des Klägers mit der Mutter des Beigeladenen als Verpächterin letztlich über die Rückgabe geeinigt, obgleich er zur Rückgabe im Herbst 1989 noch nicht verpflichtet war. Damit aber lag ein auslaufender Pachtvertrag, der einen Pächterschutz hätte begründen können, nicht vor.

55

Die somit der Mutter des Beigeladenen mit der Rückgabe der Pachtfläche durch den Vater des Klägers zustehende Referenzmenge ist in der Folgezeit auf der Pachtfläche ruhend mit dem Bewirtschafterwechsel zunächst auf den neuen Pächter M. übergegangen, ohne dass Herr M. eine Bescheinigung über den Referenzmengenübergang bei der Beklagten beantragt hätte. Mit der Übernahme der Bewirtschaftung der Flächen durch den Kläger im Frühjahr 1999 ist die darauf ruhende Referenzmenge auf diesen übergegangen. Mit der abermaligen Rückgabe der Pachtflächen an den Beigeladenen bzw. dessen Mutter Ende Oktober 1999 ist die auf den Flächen ruhende Referenzmenge wiederum übergegangen.

56

Diesem Referenzmengenabgang zu Lasten des Klägers steht § 7 Abs. 5 MGV nicht entgegen.

57

Nach dieser Vorschrift (in der Fassung der 33. Änderungsordnung vom 25. März 1996) geht, wenn Teile eines Betriebes aufgrund eines Pachtvertrages, der nach dem 1. April 1984 abgeschlossen worden ist, nach dem 30. Juni 1986 an den Verpächter zurückgewährt werden, die Referenzmenge, deren Übergang bei der Überlassung der Pachtsache nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 MGV bescheinigt worden ist, über, soweit sie nicht vor der Rückgewähr der Pachtsache stillgelegt oder gegen die Gewährung einer Vergütung für die endgültige Aufgabe der Milcherzeugung freigesetzt worden ist; höchstens geht jedoch die dem Pächter vor Rückgewähr noch zustehende Referenzmenge über.

58

Aus dieser Vorschrift folgt nicht, dass ein Referenzmengenabgang zu Lasten des Klägers aus Anlass der Rückgabe der Pachtflächen im Herbst 1999 deshalb nicht bescheinigt werden kann, weil eine Bescheinigung über den Übergang der Referenzmenge bei der Überlassung der Flächen an den Kläger im Frühjahr 1999 nicht ausgestellt worden ist.

59

Hinsichtlich des Referenzmengenübergangs besteht zwischen Altpacht- und Neupachtverträgen kein grundsätzlicher Unterschied (BVerwG, Urteil vom 6. September 1995 - BVerwG 3 C 1.94 -). Auch bei Neupachtverträgen folgt die Referenzmenge grundsätzlich der für die Milcherzeugung verwendeten Fläche. Die Flächenbindung bestimmt die rechtliche Zuordnung einer Referenzmenge. § 7 Abs. 5 MGV regelt bei Neupachtverträgen im Rahmen der Aufteilung von Referenzmengen auf verschiedene Flächen den Umfang der einer bestimmten Fläche zuzuordnenden Referenzmenge (BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1994 - 3 C 29.91 - AgrarR 1994, 360 f; Schäfermeyer, RdL 1997, S. 141 ff). Regelungszweck des § 7 Abs. 5 MGV ist es, den Parteien des Neupachtvertrages die Gewähr zu geben, dass die bei Überlassung der Pachtsache übergegangene und bescheinigte Referenzmenge auch im Falle der Rückgabe an den Verpächter maßgebend ist (BVerwG, Urteil vom 20. Mai 1999 - BVerwG 3 C 3.98 - Buchholz 451.512 MGVO Nr. 134). Neupachtflächen unterliegen nach § 7 Abs. 5 MGV insoweit einem "Sonderregiment", dass die auf ihnen ruhende Referenzmenge durch die bei Vertragsbeginn ausgestellte Bescheinigung festgeschrieben wird (BVerwG, Urteil vom 20. Mai 1999 a.a.O.). Eine solche Garantie liegt primär im Interesse des Verpächters, für den die Geltung des gemeinschaftsrechtlichen Verteilungsprinzips mit erheblichen Risiken verbunden gewesen wäre (BVerwG, Urteil vom 20. Mai 1999, a.a.O.). Ohne eine solche Garantie wäre mit schweren Marktstörungen zu rechnen gewesen, weil Verpächter von Milcherzeugungsflächen befürchten müssten, am Ende der Pachtzeit infolge von Umdispositionen des Pächters Flächen ohne oder mit verringerter Referenzmenge zurückzuerhalten (BVerwG, Urteil vom 20. Mai 1999, a.a.O.).

60

Zur Anwendung des § 7 Abs. 5 MGV ist mithin die Bescheinigung einer Referenzmenge beim Überlassen der Pachtsache erforderlich. An einer solchen Bescheinigung fehlt es hier jedoch. Die fehlende Bescheinigung führt aber nicht zu einem Verlust der auf der Fläche ruhenden Referenzmenge.

61

Für einen Referenzmengenabgang zu Lasten des Klägers aus Anlass der Rückgabe der Pachtflächen im Herbst 1999 ist es im Ergebnis ebenfalls unerheblich, dass die Verpächter - der Beigeladene und dessen Mutter - nicht Milcherzeuger waren.

62

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist - wie bereits erwähnt - geklärt, dass Art. 7 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 857/84 i.d.F. der VO (EWG) Nr. 590/85 sowie Art. 7 Nrn. 1, 2 und 4 der VO (EWG) Nr. 1546/88 - vorbehaltlich der den Mitgliedstaaten in Abs. 4 der erstgenannten Verordnung eingeräumten Befugnis, die Referenzmenge ganz oder zum Teil dem ausscheidenden Pächter zuzuteilen - erkennen lassen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die Referenzmenge nach Ablauf des Pachtverhältnisses grundsätzlich dem Verpächter zukommen lassen wollte, der wieder die Verfügungsgewalt über den Betrieb erlangt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1997 - 3 C 34.96 -, Buchholz 451.512 MGVO Nr. 128 = AgrarR 1998, 319 f. jeweils m.w.N.). Daran hat sich nach dem Vorspruch zu der hier einschlägigen VO (EWG) Nr. 3950/92 nichts geändert. Denn dort wird ausgeführt, es sei unangebracht, die 1984 getroffene Entscheidung zu ändern, dass die einem Betrieb entsprechende Referenzmenge im Falle des Verkaufs, der Verpachtung oder der Vererbung auf den Käufer, den Pächter bzw. Erben übertragen werde (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 22. September 1999 - 2 L 143/98 -). Auf dieser Grundlage wäre die Übertragung der Referenzmenge von dem Kläger auf den Beigeladenen - bzw. dessen Mutter - möglich (vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 15. Februar 2000 - 12 A 3311/99 -).

63

Selbst wenn sich hier im Hinblick auf die Bezeichnung des die Referenzmenge Übernehmenden als "Erzeuger" in Art. 7 Abs. 1 eine Besonderheit daraus ergeben sollte, dass Art. 9 Buchst. c der VO (EWG) Nr. 3950/92 bestimmt, Erzeuger sei der Betriebsinhaber - eine natürliche oder juristische Person oder eine Vereinigung natürlicher oder juristischer Personen -, der einen Betrieb im geographischem Gebiet der Gemeinschaft bewirtschaftet und der Milch oder Milcherzeugnisse direkt an den Verbraucher verkauft bzw. an den Abnehmer liefert, folgt daraus im Ergebnis nichts anderes. Das Oberverwaltungsgericht Schleswig hat in dem bezeichneten Beschluss vom 22. September 1999 (- 2 L 143/98 -) ausgeführt: Die Normstruktur des Art. 7 VO (EWG) Nr. 3950/92 spreche dafür, dass der Begriff des Erzeugers in dieser Vorschrift im Sinne der Legaldefinition des Art. 9 Buchst. c verwendet werde. Denn in Art. 7 Abs. 1 3. Unterabsatz, in dem es um die Übertragung einer landwirtschaftlichen Fläche an die öffentliche Hand oder die Übertragung zu nicht landwirtschaftlichen Zwecken gehe, werde der Begriff des Erzeugers lediglich bezüglich des ausscheidenden Beteiligten verwendet. Der Wortlaut des Art. 9 Buchst. c VO (EWG) Nr. 3950/92 sei hinsichtlich der Voraussetzungen klar, die jemand erfüllen müsse, um als Erzeuger gelten zu können. Die am Wortlaut orientierte Auslegung habe deshalb zur Folge, dass ein Übergang von Referenzmengen nach Art. 7 VO (EWG) Nr. 3950/92 nur stattfinden könne, wenn der übernehmende Nutzungsberechtigte im Zeitpunkt des Übergangs bereits Erzeuger sei bzw. jedenfalls mit diesem Zeitpunkt Erzeuger werde. Die Tatbestände des Art. 7 VO (EWG) Nr. 3950/92 dürften hingegen nicht erfüllt sein, wenn Teile eines Betriebes, auf die an sich Referenzmengen entfielen, durch Rückgabe von Pachtflächen auf eine Person übergingen, die nicht Erzeuger sei und nicht die Absicht habe, eine Milcherzeugung aufzunehmen oder aber die Flächen an Dritte zu diesem Zweck weiterzugeben. Für die Rückgabe von Pachtflächen gelte gemäß Art. 7 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3950/92 Entsprechendes. Die in dieser Vorschrift zugelassene Vereinbarung zwischen den Beteiligten dürfte für Neupachtverträge so zu verstehen sein, dass die bei Verpachtung übertragene Referenzmenge, gegebenenfalls von besonderen Abzügen abgesehen, wieder an den Verpächter zurückfalle, auch wenn dieser nicht selbst Erzeuger sei. Für die Rückgabe von Betriebsteilen sei dies in § 7 Abs. 5 MGV geregelt. Auf Altpachtverträge, die vor dem 2. April 1984 abgeschlossen worden seien, sei das nicht zu übertragen. Bei Abschluss dieser Verträge existierte die Referenzmenge noch nicht und sei somit für die Vereinbarung der Beteiligten ohne Bedeutung gewesen. - Das Oberverwaltungsgericht Schleswig hat deshalb dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung unter anderem die Frage vorgelegt, ob Art. 7 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3950/92 so zu verstehen sei, dass bei Beendigung landwirtschaftlicher Pachtverträge die verfügbaren Referenzmengen der betreffenden Betriebe nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten oder festzulegenden Bestimmungen unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beteiligten nur dann ganz oder teilweise übertragen werden könnten, wenn die Verpächter zum Zeitpunkt der Rückgabe Erzeuger im Sinne des Art. 9 Buchst. c VO (EWG) Nr. 3950/92 seien.

64

Diese Frage kann hier aber deshalb offen gelassen werden, weil die streitigen Flächen unmittelbar nach der Pachtrückgewähr durch den Kläger zum 31. Oktober 1999 an einen Milcherzeuger weitergegeben worden sind. Denn der Beigeladene und dessen Mutter haben die hier streitigen Pachtflächen ab 1. November 1999 an den Landwirt J., einen Milcherzeuger, verpachtet.

65

Der in den angefochtenen Bescheiden bescheinigte Referenzmengenabgang zu Lasten des klägerischen Betriebes verletzt diesen auch der Höhe nach nicht in seinen Rechten (im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

66

Der in den angefochtenen Bescheiden genannte Zeitpunkt des Referenzmengenabganges - 31. Oktober 1999 - verletzt Rechte des Klägers gleichfalls nicht.

67

Durch die Bezeichnung des Beigeladenen als Empfänger der Referenzmenge wird der Kläger nicht beschwert. Zwar ist dieser Verpächter lediglich, soweit es um die Teilfläche des Flurstücks 108/1 geht. Für die übrigen Pachtflächen ist die Mutter des Beigeladenen nach wie vor Verpächterin. Diese fehlerhafte Bestimmung des Empfängers verletzt den Kläger aber nicht in eigenen Rechten, weil jedenfalls zutreffend ist, dass die Referenzmenge aus seinem Betrieb abgeflossen ist.

68

Der Kläger kann sich gegenüber der Bescheinigung eines Referenzmengenabganges zu seinen Lasten in Höhe von 37.512 kg zu dem genannten Zeitpunkt - 31. Oktober 1999 - auch nicht auf den Verwirkungseinwand berufen.

69

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 09. Dezember 1998 - 3 C 1.98 - Agrarrecht 1999, S. 151), der sich die Kammer in ständiger Rechtsprechung anschließt, besteht die Möglichkeit einer Verwirkung des Rechts auf die Geltendmachung eines Referenzmengenübergangs. Im vorliegenden Fall liegen die vom Bundesverwaltungsgericht geforderten Voraussetzungen, unter denen eine Verwirkung anzunehmen ist, nicht vor. Das Rechtsinstitut der Verwirkung wird aus dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben hergeleitet (Nds. OVG, Urteil vom 23. Oktober 1995 - 3 L 3092/92 - unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 23.05.1975 - BVerwG IV C 73.73 -, BVerwGE 48,247,250). Die Ausübung eines materiell- oder verfahrensrechtlichen Rechts kann ausgeschlossen sein, wenn der Berechtigte das Recht nach seiner Entstehung oder Fälligkeit über einen längeren Zeitraum, der nach Art, Inhalt und Bedeutung des Rechts unterschiedlich zu bemessen ist, nicht geltend macht und besondere Umstände vorliegen. Beides zusammen, nämlich ein längerer Zeitablauf und besondere Umstände, müssen dazu führen, dass der Verpflichtete nach Treu und Glauben nicht mehr mit der Geltendmachung rechnen musste und das Geltendmachen des Rechts nach der jeweiligen Sachlage als rechtsmissbräuchlich, zumindest aber als illoyal anzusehen ist (vgl. Nds. OVG, a.a.O., unter Bezugnahme auf BVerwG, Beschluss vom 22.05.1990 - BVerwG 8 B 156.89 - Buchholz 310 § 81 VwGO Nr. 13). Das späte Geltendmachen eines Rechts rechtfertigt nach herrschender Auffassung nur dann den Vorwurf, verwerflich oder "unvernünftig" gehandelt zu haben, wenn sich der Betroffene seines Rechts vor dessen Geltendmachung bewusst war. Die Unkenntnis oder Verkennung der eigenen Rechtsposition schließt die Bewertung der späten Geltendmachung als treuwidrig aus (BVerwG, Urteil vom 09. Dezember 1998 - 3 C 1.98 - a. a. O.). Der Nachholung einer wegen rechtlicher Aussichtslosigkeit unterbliebenen Antragstellung bei Änderung der Erfolgsaussichten haftet regelmäßig nichts Treuwidriges an.

70

Im vorliegenden Fall fehlt es an dem nötigen Zeitablauf, jedenfalls aber an einem treuwidrigen Verhalten.

71

Dass ein Bescheinigungsantrag bei Rückgabe der Fläche Ende Oktober 1989/Anfang November 1989 nicht gestellt worden ist, ist darauf zurückzuführen, dass damals die durch die 2. ÄndVO vom 27. November 1984 /BGBl. I S. 1434) mit Wirkung vom 01. Oktober 1984 eingefügte 5 ha-Klausel (§ 7 Abs. 3 a S. 1 MGV a. F.) als wirksam angesehen wurde. Diese ließ zum damaligen Zeitpunkt einen Bescheinigungsantrag überwiegend - nämlich im Umfange von 5 ha - als rechtlich aussichtslos erscheinen. Pächterschutz wurde nach der damaligen Praxis auch bei einvernehmlicher Beendigung des Pachtverhältnisses gewährt.

72

Erst mit Bekanntwerden des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. November 1993 - 3 C 37.91 - (AgrarR 1994, 138 f), in dem die 5-ha-Klausel für nichtig erklärt, im Übrigen aber die Pächterschutzregelung als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen wurde, im Frühjahr 1994 kann die Frist für die Beurteilung einer möglichen Verwirkung überhaupt zu laufen begonnen haben. Dabei ist jedoch zusätzlich berücksichtigen, dass es immer einer gewissen Zeit bedarf, bis ein Urteil allgemein bekannt wird und somit für die Mutter des Beigeladenen die Möglichkeit bestanden hätte, sich darüber zu informieren, dass ihr eine Referenzmenge zustehen könnte. Wenn man diesem Zeitraum mit einigen Monaten Rechnung trägt, sind bis zum 5. November 1999, als der Beigeladene den Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung über den Übergang einer Referenzmenge stellte, erst 5 1/2  Jahre vergangen. Ein solcher Zeitraum ist nach Überzeugung der Kammer noch nicht als im Rahmen einer Verwirkung zu beachtender längerer Zeitraum zu berücksichtigen.

73

Aber selbst wenn man diesen Zeitraum als für eine Verwirkung ausreichend lang bewerten würde, fehlt es doch an besonderen Umständen, die das Verhalten des Beigeladenen als illoyal oder rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen würden, zumal die Kreisstelle der Beklagten in O. den Referenzmengenabgang zu Lasten des Klägers erst mit Wirkung vom 31. Oktober 1999 bescheinigt hat. Zudem bestand Anfang November 1999 deshalb für den Beigeladenen bzw. seine Mutter besonderer Anlass, einen Antrag auf Bescheinigung eines Referenzmengenüberganges zu stellen, weil es zuvor zu einer erneuten Bewirtschaftung der Flächen durch den Kläger gekommen war.

74

Gründe, die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.