Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 18.01.2002, Az.: 3 A 973/00

Beihilfefähigkeit; Operationsmaterial

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
18.01.2002
Aktenzeichen
3 A 973/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 41755
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Bei der zahnärztlichen Behandlung einmalig zu verwendende Gegenstände (hier: OP-Set, OP-Kleidung und Infusionsbesteck) sind nur im Rahmen des § 4 Abs. 3 S. 1 GOZ beihilfefähig.

Gründe

1

1. Bei den in Rechnung gestellten Kosten handelt es sich nicht um beihilfefähige Aufwendungen im Sinne von § 5 Abs. 1 BhV.

2

Gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 BhV sind Aufwendungen für ärztliche Leistungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind. Nach Maßgabe des § 5 Abs. 1 S. 2 BhV beurteilt sich die Angemessenheit der Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen dabei ausschließlich nach dem Gebührenrahmen der Gebührenordnung für Zahnärzte. Diese sieht in § 4 Abs. 3 S. 1 GOZ vor, dass die Praxiskosten einschließlich der Kosten für Füllungsmaterial und den Sprechstundenbedarf sowie für die Anwendung von Instrumenten und Apparaten mit den Gebühren abgegolten sind, soweit nicht im Gebührenverzeichnis etwas anderes bestimmt ist. Damit ist bereits dem Wortlaut nach die gesonderte Abrechnung von Materialkosten wie den hier in Rechnung gestellten Operationsmaterialien nur möglich, wenn, was hier nicht der Fall ist, das Gebührenverzeichnis die Abrechnung dieser Kosten ausdrücklich vorsieht. Diese Auslegung ist gerechtfertigt, weil der Begriff der Praxiskosten, wie die anschließende Aufzählung einzelner Kostenarten zeigt, als Oberbegriff anzusehen ist, der sämtliche anlässlich des Betriebs der Praxis anfallenden Kosten umfasst.

3

Diese Auslegung deckt sich auch mit der Rechtsprechung. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat in seiner Entscheidung vom 15. April 1999 (Az: 12 A 4527/97, in DÖD 2000, 61-62 )ausgeführt:

4

Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 GOZ sind mit den Gebühren die Praxiskosten einschließlich der Kosten für Füllungsmaterial, für den Sprechstundenbedarf sowie für die Anwendung von Instrumenten und Apparaten abgegolten, soweit nicht im Gebührenverzeichnis etwas anderes bestimmt ist. Die hier verwendeten Begriffe der Praxiskosten sowie des Sprechstundenbedarfs sind in der GOZ nicht definiert. Zu ihrer Interpretation ist daher auf das allgemeine Sprachverständnis zurückzugreifen. Während Praxiskosten nach allgemeinem Verständnis die laufenden Kosten sind, die zum Betrieb einer Praxis aufgewendet werden müssen, ist Sprechstundenbedarf ein allgemeiner Sammelbegriff für alle Arten von Materialien, Hilfsmitteln, Gegenständen, Medikamenten und Stoffen, die im Verlauf der Sprechstunde am Patienten, beim Zahnarzt, beim Hilfspersonal oder sonst zum Praxisbetrieb anfallen.

5

Vgl. z.B. Meurer, Gebührenordnung für Zahnärzte, 2. Aufl. 1991, Erläuterungen zu § 4 Anm. 6.

6

Dabei kann der auch vom Kläger vertretenen Auffassung des VGH Bad.-Württ. z.B. in dessen Urteil vom 21.5.1992 - 4 S 1082/91 - nicht gefolgt werden, Kosten, die allein aus Anlaß der Behandlung entstünden, fielen nicht unter den Begriff der Sprechstundenkosten. Denn es sei nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zwischen der Sprechstunde einerseits, die der Beratung und Diagnose diene, und der Behandlung (Therapie) andererseits zu unterscheiden. Diese vom VGH Bad.-Württ. vorgenommene Differenzierung und Einengung des Begriffs der Sprechstunde auf Beratung und Diagnose entspricht nicht der Wirklichkeit. Im Arztbereich selbst wird eine solche Differenzierung und Begriffseinschränkung nicht vorgenommen. Nach dem dortigen Verständnis stellt der Arzt in der Sprechstunde nicht nur die Diagnose, sondern führt auch die Behandlung durch. Dementsprechend ist z.B. in § 20 Satz 1 der (Muster-)Berufsordnung für die deutschen Ärzte in der Fassung der Beschlüsse des 98. Deutschen Ärztetages 1995 festgelegt, in seiner Sprechstunde darf der Arzt jeden Patienten "behandeln".

7

Auch die Ansicht der Zahnärztekammer Nordrhein in der von dem Kläger überreichten Patienteninformation zur GOZ, Auslagen für Materialien, die für die spezielle Behandlung eines bestimmten Patienten anfielen und bei diesem verblieben, fielen nicht unter die Regelung in § 4 Abs. 3 GOZ, vermag hinsichtlich der in dem vorliegenden Verfahren in Rede stehenden Nahtmaterialien und Anästhetika  nicht zu überzeugen. § 4 Abs. 3 GOZ normiert nach der Begründung in dem Verordnungsentwurf der  Bundesregierung (vgl. Meurer, a.a.O. S. 31) generell den Grundsatz der Kostenabgeltung mit den Gebühren. Ausgenommen von dem Grundsatz der Kostenabgeltung sind lediglich Kosten, deren gesonderte Berechnungsfähigkeit neben den Gebühren nach den Vorschriften des Gebührenverzeichnisses ausdrücklich zugelassen wird. Denn die Gebühren enthalten neben dem Anteil für die Leistung des Zahnarztes kalkulatorische Anteile für Kosten der verschiedensten Art. Bereits diese dienen u.a. zur Deckung der Praxiskosten, zu denen auch der Sprechstundenbedarf gehört.

8

Der obige Hinweis auf eine abweichende Rechtssprechung des VGH Baden-Württemberg dürfte überholt sein, denn der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat am 19. April 1999 ( Az: 4 S 3178/98 in DÖD 2000, 33, zitiert nach juris) entschieden:

9

Mit den dem Zahnarzt zustehenden Gebühren dürften die Kosten für die Anwendung von Instrumenten auch dann abgegolten sein, wenn die angewandten Instrumente nur einmal verwendet werden können.

10

Damit dürfte die frühere Rechtsprechung gegenstandslos geworden sein, auch wenn in der jüngeren Entscheidung ( Berufungszulassungsbeschluss ) sehr zurückhaltend formuliert wird. Anzumerken ist allerdings, dass das Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht am 21. April 1995 ( Az: 11 A 251/94, in IÖD 1995, 234 ) mit der nicht näher begründeten Auffassung, Materialkosten fielen nicht unter den Oberbegriff Praxiskosten, die Beihilfefähigkeit für einmalige zahnärztliche Implantatwerkzeug bejaht hat.

11

Ungeachtet dieser Rechtsprechung spricht ein weiteres Argument dafür, die Beihilfefähigkeit der hier streitigen Aufwendungen nur anzuerkennen, wenn die GOZ dies ausdrücklich vorsieht. Dem Verordnungsgeber ist nämlich, wie § 10 GOÄ zeigt, die Frage des Ersatzes für Auslagen durchaus bekannt. Dennoch ist eine dem § 10 GOÄ entsprechende Regelung nicht in die GOZ übernommen worden, was ebenfalls für die dargestellte Auslegung spricht.