Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 14.01.2002, Az.: 6 A 903/00

Milcherzeugungsfläche; Pächterschutz; Referenzmenge; Vermutung; Widerlegung der Vermutung; Übergang

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
14.01.2002
Aktenzeichen
6 A 903/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 41839
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

bei lebensnaher Betrachtung ist getrennte Lagerung und Verfütterung von Heu an Bullen und weibliche Tiere bei vielen Flächen über langen Zeitraum hinweg nicht überzeugend, Rückgabezeitpunkt der Flächen: 01.11.1990, Verwirkung

Tatbestand:

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Übertragung einer Anlieferungsreferenzmenge auf den Beigeladenen zu 1) zu ihren Lasten.

2

Am 01. April 1979 pachtete der Bruder des Ehemannes der Klägerin Herr E. R. von der Beigeladenen zu 2) u. a. die Grünlandflächen zur Größe von 5,600 ha, die im Rahmen des auf seinen Namen laufenden landwirtschaftlichen Betriebes in den folgenden Jahren bewirtschaftet wurden.

3

Insgesamt pachtete der Bruder des Ehemannes der Klägerin von der Beigeladenen zu 2) eine Gesamtfläche zur Größe von 24,44 ha.

4

Auf dem landwirtschaftlichen Betrieb wurden in der Zeit zwischen 1980 und 1990 neben 20 bis 22 Milchkühen, 20 bis 22 Ammenkühen und Bullen durchschnittlich 80 Schafe und zwischen 16 und 20 Pferde gehalten.

5

Im Wirtschaftsjahr 1982/1983 übernahm der Ehemann der Klägerin den landwirtschaftlichen Betrieb seines Bruders. Die Anlieferungsreferenzmenge des Betriebes belief sich im Jahr 1984 auf 111.891 kg.

6

Am 18. Mai 1990 verstarb der Bruder des Ehemannes der Klägerin.

7

Der Ehemann der Klägerin gab die angepachtete Fläche zur Größe von 5,600 ha am 01. November 1990 zusammen mit den anderen Pachtflächen - insgesamt 24,44 ha - an die Beigeladene zu 2) zurück.

8

Mit Wirkung vom 01. Oktober 1998 übernahm die Klägerin den landwirtschaftlichen Betrieb von ihrem Ehemann. Ab dem 01. April 1999 verfügte sie über eine Anlieferungsreferenzmenge in Höhe von 100.023 kg.

9

Am 13. Januar 2000 beantragte die Beigeladene zu 2), die die Flächen zur Größe von 5,600 ha an den Beigeladenen zu 1) weiter verpachtet hatte, bei der Kreisstelle der Beklagten im Landkreis C. in O. die Übertragung der auf dieser Fläche befindlichen Anlieferungsreferenzmenge zu Lasten der Klägerin auf sich. Die Fläche habe ihrer Auffassung nach der Milcherzeugung gedient.

10

Mit Bescheid vom 16. Januar 2000 bescheinigte die Kreisstelle der Beklagten im Landkreis C. in O. dem Beigeladenen zu 1), dass auf ihn zum 13. Januar 2000 zu Lasten der Klägerin eine Anlieferungsreferenzmenge in Höhe von 4.371 kg - 780,4591 kg je ha - übergegangen sei.

11

Gegen diese Übertragung einer Referenzmenge wandte sich die Klägerin mit Widerspruch vom 18. Februar 2000, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. April 2000 - beim Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 08. Mai 2000 eingegangen - zurückwies.

12

Dagegen hat die Klägerin mit einem am 08. Juni 2000 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben, mit der sie im Wesentlichen geltend macht, dass die Pachtflächen nicht der Milcherzeugung gedient hätten. Auf dieser Fläche hätten nie Kühe oder Jungtiere bzw. Kälber gegrast. Von dieser Fläche sei auch nie Heu geborgen worden, das an Kühe, Kälber oder Jungtiere verfüttert worden sei. Vielmehr sei das Heu von dieser Fläche ausschließlich an Pferde, Bullen und Schafe verfüttert worden. Auf dieser Fläche seien zwei Heuschnitte durchgeführt worden und anschließend seien Ammenkühe zum Grasen auf die Fläche getrieben worden. Bei den Ammenkühen hätten sich ausschließlich Bullenkälber befunden. Auf der restlichen Ackerfläche von 1 ha sei Hafer und Gerste angebaut worden. Das erzielte Getreide und das Stroh von dieser Fläche sei für die Fütterung der Pferde und Schafe verwendet worden.

13

Heu für die Milchkühe und das Jungvieh sei von anderen Pachtflächen geborgen worden. Das Heu für die Milchkühe, Mutterkühe und das Jungvieh, die in der Scheune aufgestallt gewesen seien, sei auf dem Scheunenboden gelagert worden. Dagegen seien die Vorräte für die Pferde, Schafe und Bullen auf dem Boden eines gesonderten Gebäudes, in dem die Tiere untergebracht waren, gelagert worden.

14

Die Kühe und die weiblichen Jungtiere hätten auf anderen Flächen geweidet. Auch das Heu für diese Tiere sei auf anderen Flurstücken gewonnen worden.

15

Die Klägerin beantragt,

16

den Bescheid der Kreisstelle der Beklagten in O. vom 16. Januar 2000 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 28. April 2000 aufzuheben.

17

Die Beklagte beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Sie ist der Auffassung, dass grundsätzlich in einem Milchviehbetrieb eine tatsächliche Vermutung dafür spreche, dass alle in diesem Betrieb bewirtschafteten Flächen auch der Milcherzeugung dienen. Diese Vermutung sei durch denjenigen , der geltend mache, es handele sich nicht um eine Milcherzeugungsfläche, zu entkräften oder zu widerlegen. Die Ausführungen der Klägerin seien nicht hinreichend substantiiert, um diese tatsächliche Vermutung zu entkräften.

20

Insbesondere habe sie nicht dargelegt, aus welchem Grund das von der betroffenen Fläche gewonnene Heu von einer schlechteren Qualität gewesen sein soll als das von anderen Flächen gewonnene Heu und wie sich diese Qualitätsunterschiede bemerkbar gemacht hätten, so dass nur an die Pferde, Schafe und Bullen verfüttert worden sei. Zudem habe die Klägerin nicht ausgeführt, weshalb ausschließlich Bullenkälber mit den Ammenkühen gemeinsam geweidet haben sollen. Ferner habe die Klägerin nicht erklärt, wie die weiblichen Kälber in dem Betrieb gehalten worden seien.

21

Es sei unmöglich, über Jahre hinweg die Ernte und Futtergewinnung in der Weise zu organisieren, dass für bestimmte Tiere in einem Betrieb Futter nur von ganz bestimmten Flächen gewonnen und anschließend auch separat gelagert werde, so dass es zu keiner Vermischung komme.

22

Die Klägerin habe auch keine Erklärung dafür geliefert, warum auf den fraglichen Weideflächen nur Ammenkühe, Bullenkälber, Pferde und Schafe gegrast haben sollen.

23

Für den Fall, dass in dem Betrieb der Klägerin die Ammenkühe auch zur Aufzucht der weiblichen Tiere gedient hätten, welche die Milchviehherde ergänzt und vergrößert hätten, stelle sich die Frage, ob die Weideflächen der Ammenkühe nicht auch mittelbar der Milcherzeugung gedient hätten.

24

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

25

Nach Auffassung der Beigeladenen zu 2) ist es bei lebensnaher Betrachtung unrealistisch, Heu oder Silage für weibliche Tiere und männliche Tiere getrennt zu lagern und getrennt zu verfüttern.

26

Am 23. Januar 2002 fand eine mündliche Verhandlung statt. Insoweit wird auf die Niederschrift vom Verhandlungstag verwiesen.

27

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten zu diesem Verfahren und zu den Verfahren 6 A 902/00 und 6 A 904/00 sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

28

Die Klage hat keinen Erfolg.

29

Der Bescheid der Kreisstelle der Beklagten in O. vom 16. Januar 2000 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 28. April 2000 verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

30

Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 der Milch-Garantiemengen-Verordnung - MGV - vom 21. März 1994 (BGBl. I S. 586) i. d. F. der 33. Änderungsverordnung vom 25. März 1996 (BGBl. I S. 535) bescheinigt die Beklagte als zuständige Landesstelle nach § 1 Nr. 7 der Verordnung über die Übertragung von Aufgaben auf die Landwirtschaftskammern vom 05. März 1997 (Nds. GVBl. S. 62) im Falle des Übergangs von Referenzmengen, welche Referenzmengen, zu welchem Zeitpunkt, von welchem Milcherzeuger, mit welchem Referenzfettgehalt auf einen Milcherzeuger übergegangen sind.

31

Zwar ist die MGV inzwischen mit Wirkung vom 1. April 2000 durch die Verordnung zur Durchführung der Zusatzabgabenregelung (Zusatzabgabenverordnung) vom 1. Januar 2000 (BGBl. I S. 27) aufgehoben worden. Dies gilt jedoch gemäß § 30 der Zusatzabgabenverordnung nicht, soweit in der Zusatzabgabenverordnung die Fortgeltung einzelner Regelungen der MGV bestimmt ist. Letzteres ist nach der Übergangsregelung des § 28 a der Zusatzabgabenverordnung hier der Fall. Danach sind die bisherigen Vorschriften der MGV in der jeweils geltenden Fassung weiter anzuwenden, soweit - wie hier - Anlieferungs-Referenzmengen aufgrund anhängiger Verfahren ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit neu zu berechnen sind.

32

Maßgebend für die Beurteilung des Klagebegehrens in materieller Hinsicht sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, die Normen, die für den Zeitpunkt des streitigen Referenzmengenüberganges, für den der Wechsel des Besitzes und damit der Verfügungsbefugnis an dem zu Grunde liegenden Pachtgegenstand das entscheidende Kriterium ist, Geltung beanspruchen (BVerwG, Urteil vom 01. September 1994 - 3 C 1.92 - Buchholz 451.512 MGVO Nr. 97 m. w. N.).

33

Im vorliegenden Fall erfolgte die Rückgabe der Pachtflächen durch den Ehemann der Klägerin an die Beigeladene zu 2) zum 1. November 1990.

34

Von den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen ist hier unter Berücksichtigung des bezeichneten maßgeblichen Zeitpunktes des Flächenüberganges Art. 7 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 857/84 vom 31. März 1984 i. d. F. des Art. 1 Nr. 4 der VO (EWG) Nr. 590/85 vom 26. Februar 1985 i. V. m. Art. 7 Nr. 2,3 der VO (EWG) Nr. 1546/88 vom 03. Juni 1988 einschlägig.

35

Für den Fall, dass nur ein Teil eines Betriebes, wie hier bei der Verpachtung von Stückländereien, übertragen wird, bestimmt Art. 7 Nr. 2 VO (EWG) Nr. 1546/88, dass die ent-sprechende Referenzmenge nach den für die Milcherzeugung verwendeten Flächen oder nach anderen von den Mitgliedstaaten aufgestellten "objektiven Kriterien", die der nationale Verordnungsgeber nicht getroffen hat, auf die den Betrieb übernehmenden Erzeuger aufgeteilt wird. Durch diese Vorschriften wird zwar nicht unmittelbar die Rückgewähr von Pachtflächen nach Beendigung des Pachtverhältnisses erfasst. Nach Art. 7 Nr. 3 VO (EWG) Nr. 1546/88 gelten die gleichen Bestimmungen sinngemäß für sonstige Übergangsfälle, die nach einzelstaatlichen Rechtsvorschriften vergleichbare rechtliche Folgen für den Erzeuger mit sich bringen. Das trifft nach nationalem Recht für die Rückgabe einer gepachteten Fläche, bei der der Verpächter (wieder) den Besitz an dem verpachteten Grundstück erlangt, zu (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.3.1992 - BVerwG 3 C 58.88 - , Buchholz 451.512 MGVO Nr. 54).

36

Als Milcherzeugungsflächen im Sinne des Art. 7 VO (EWG) Nr. 1546/88 und § 7 Abs. 2 MGV sind alle Flächen des milchviehhaltenden landwirtschaftlichen Betriebes zu berücksichtigen, die unmittelbar oder mittelbar zu dessen Milcherzeugung beitragen (EuGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 - Rs C 79/91 - AgrarR 1993, 19 f). Für die Milcherzeugung werden jedenfalls alle diejenigen landwirtschaftlichen Flächen verwendet, auf denen Futter für die Milchkühe des Betriebes gewonnen wird (BVerwG, Urteil vom 02. Dezember 1993 - 3 C  82.90 - AgrarR 1994, 232 f). Die Bewertung einer Fläche als Milcherzeugungsfläche hängt davon ab, ob sie sich im Zeitpunkt des Flächenübergangs unter Berücksichtigung des Fruchtfolgesystems als solche darstellt; nicht entscheidend ist, ob die Fläche zur Entstehung der dem Betrieb mitgeteilten Referenzmenge im Jahre 1983 beigetragen oder nur irgendwann vor der Flächenrückgabe zur Milcherzeugung gedient hat (BVerwG, Urteile vom 01. September 1994, a.a.O., und vom 23. Juni 1995 - 3 C 6.94 - AgrarR 1996, 31, 32). Als Milcherzeugungsflächen haben auch solche Flächen zu gelten, auf denen erst nach Inkrafttreten der Milchkontingentierung die Milcherzeugung aufgenommen und nicht eindeutig wieder aufgegeben worden ist (BVerwG, Urteil vom 01. September 1994, a.a.O.; Nds. OVG, Urteil vom 10. September 1998 - 3 L 3608/96 -).

37

Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 10. September 1998 - 3 L 3608/96 -) ist für die Beurteilung der Frage, ob eine Pachtfläche der Milcherzeugung gedient hat, auf die gesamte Dauer der Pachtzeit abzustellen. Landwirtschaftliche Flächen, auf denen Futter für die Milchkühe des Betriebes gewonnen wird, dienen zumindest mittelbar auch in denjenigen Jahren der Milcherzeugung, in denen auf ihnen im Zuge der bodenbedingten Fruchtfolge Produkte für andere Zwecke angebaut werden. Ein solcher Fruchtwechsel dient nämlich - zumindest auch - der Wiederherstellung der Bodeneignung für die Zwecke der Milchproduktion und kommt der späteren un-mittelbaren Wiederverwendung der Fläche für die Milcherzeugung zugute (BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1993, a.a.O.).

38

In diesem Zusammenhang geht die Kammer in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 2. Dezember 1993, a.a.O. und vom 1. September 1994, a.a.O.) und des Nieders. Oberverwaltungsgerichts (vgl. etwa das Urteil vom 23. Oktober 1995 - 3 L 3092/93 -) davon aus, dass für die Nutzung der zu einem milch-viehhaltenden landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden landwirtschaftlichen Nutzflächen (Acker- und Grünland) zur Milcherzeugung eine tatsächliche Vermutung spricht. Diese widerlegliche Vermutung gilt gleichermaßen für die Eigentums- und Pachtflächen, weil praktisch jede landwirtschaftliche Nutzfläche zur Futtergewinnung für das Milchvieh genutzt werden kann und von den milchviehhaltenden Betrieben, unabhängig davon, ob es sich um eine Eigentums- oder um eine Pachtfläche handelt, in der Regel auch genutzt wird. Für Ackerflächen folgt dies daraus, dass auf ihnen im Rahmen wechselnder Fruchtfolge im Hauptfutterbau oder Zusatzfutterbau (Zwischenfruchtbau) regelmäßig Futter für das Milchvieh gewonnen wird. Dafür reicht es aus, dass die Fläche während des Pachtverhältnisses im Rahmen der wechselnden Fruchtfolge in einem Jahr zur Milcherzeugung des Pächters beigetragen hat und anschließend nicht aus der die Milcherzeugung ein-schließenden Fruchtfolge herausgenommen worden ist, die nur durch eine signifikante Änderung der Bodennutzung dokumentiert werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1993, a.a.O.; Nds. OVG, Urteil vom 10. September 1998 - 3 L 3608/96 -).

39

Die Pachtfläche zur Größe von 5,600 ha ist danach als Milcherzeugungsfläche anzusehen.

40

Die Klägerin hat die Vermutung nicht in überzeugender Weise entkräften können, dass die Pachtfläche zur Größe von 5,600 ha bis zur Rückgabe der Fläche an die Beigeladene zu 2) der Milcherzeugung diente.

41

Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass das Vorbringen der Klägerin zur Nutzung des Heus und der auf der Fläche gewonnenen Silage realitätsfern ist und den tatsächlichen Gegebenheiten auf einem landwirtschaftlichen Betrieb nicht gerecht wird. Im Regelfall ist es auf landwirtschaftlichen Betrieben üblich, dass Heuerträge und Grassilage auf alle Tiere gleichmäßig verteilt werden, ohne dass darauf geachtet wird, dass etwa männliche Tiere nur Heu von einer ganz bestimmten Fläche erhalten und nicht in den Genuss von Heu und Grassilage von anderen Flächen kommen. Dabei ist insbesondere auch von Bedeutung, dass im Zeitraum 1979 - 1990 die Frage der Verwendung von Heu und Silage einer bestimmten Fläche für bestimmte Tiere im Bewusstsein der Landwirte noch keine Rolle spielte und die Verwendung des Heus sich allein an betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten orientierte.

42

Die mangelnde Aussagekraft des klägerischen Vorbringens ist ferner darin begründet, dass die Klägerin detailliert Wirtschaftsvorgänge beschreibt, die sich auf dem landwirtschaftlichen Betrieb ihres Ehemannes vor über 11 Jahren zugetragen haben sollen. Angesichts des langen Zeitablaufs ist es unwahrscheinlich, dass etwa die Verwendung des Heus einer bestimmten Pachtfläche im Nachhinein verlässlich ausnahmslos der Verwendung für Pferde, Schafe und Bullen zugeordnet werden kann.

43

Einen plausiblen Grund für diese angebliche strikte Trennung der Silage für Bullen, Kühe und weitere Tiere hat die Klägerin nicht angegeben. Aus der von der Klägerin im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Zeichnung ergeben sich allein zwei Silagelagerplätze, zum Einen für Bullen und zum Anderen für Kühe.

44

Dass die von der Klägerin vorgebrachte Trennung der Silage- und Heufütterung über einen derart langen Zeitraum tatsächlich auch streng durchgehalten worden ist, ist bei lebensnaher Betrachtung nicht überzeugend.

45

Auch bleibt unerfindlich, weshalb auf der Fläche nach dem zweiten Grasschnitt Ammenkühe ausschließlich mit Bullenkälbern gegrast haben sollen und nicht auch weibliche Kälber, obwohl zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen ist, dass in dem Betrieb auch weibliche Kälber gehalten wurden.

46

Die als Ackerfläche genutzte Teilfläche ist nach Auffassung des Gerichts ebenfalls als Milcherzeugungsfläche anzusehen, denn der Klägerin ist es nicht gelungen, substantiiert und glaubhaft dazulegen, dass die über den Zeitraum von 1979 bis 1990 auf dieser Teilfläche geernteten Erzeugnisse nicht auch zur Fütterung der Milchkühe bzw. des weiblichen Jungviehs eingesetzt wurden.

47

Gegen die Argumentation der Klägerin spricht weiter, dass es tatsächlich nahezu als unmöglich anzusehen ist, dass der Ehemann der Klägerin über einen Zeitraum von 1983 bis 1990 organisatorisch und tatsächlich dafür gesorgt hat, dass die Erzeugnisse der gepachteten und zurück gegebenen Flächen zur Gesamtgröße von 18,4911 ha (7,2201 ha Schwanke + 5,6710 ha Bohn + 5,600 ha Dieckmann) nicht dem Milchvieh bzw. weiblichen Jungvieh zugute kommen. Bei einer derart großen Fläche und über einen Zeitraum von sieben Jahren ist es vielmehr bei lebensnaher Betrachtungsweise in höchstem Maße wahrscheinlich, dass in dieser Zeit auch Milchvieh bzw. weibliches Jungvieh von den auf diesen Flächen erzielten Erzeugnissen profitiert hat.

48

Nach alledem ist die Pachtfläche zur Größe von 5,600 ha als Milcherzeugungsfläche anzusehen.

49

Einem Abgang der gesamten auf der Pachtfläche zur Größe von 5,6710 ha ruhenden Milchreferenzmenge zu Lasten der Klägerin steht nicht die Pächterschutzbestimmung in § 7 Abs. 3 a MGV (in der zum maßgeblichen Zeitpunkt der Pachtrückgabe - 31. Oktober /1. November 1990 - Geltung beanspruchenden Fassung der 17. Änderungsverordnung vom 10. August 1990, BGBl. I S. 1726), soweit diese sich als wirksam erweist, entgegen.

50

Nach § 7 Abs. 3a galt: Bei Teilen eines Betriebes, die für die Milcherzeugung genutzt werden und aufgrund eines auslaufenden Pachtvertrages, der vor dem 02. April 1984 abgeschlossen worden ist, nach dem 30. September 1984 an den Verpächter zurückgegeben werden, geht in Höhe von 5 ha überlassener Fläche keine Referenzmenge über; die der über 5 ha hinausgehenden Fläche entsprechende Referenzmenge geht zur Hälfte, höchstens jedoch in Höhe von 2500 kg je Hektar, auf den Verpächter über.

51

§ 7 Abs. 3 a MGV ist jedoch, soweit er die Pächter vor der Abgabe der anteiligen Referenzmenge schützen will, teilweise wegen seiner Unvereinbarkeit mit dem höherrangigen Recht der Europäischen Gemeinschaften und dem nationalen Verfassungsrecht nichtig und daher nur eingeschränkt anzuwenden. Soweit § 7 Abs. 3a MGV - unter den dort genannten Voraussetzungen - vorsieht, dass bei der Rückgabe von Pachtflächen in Höhe von jeweils 5 ha überlassener Fläche überhaupt keine Referenzmenge übergehen soll, verstößt diese Bestimmung bereits in einer den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzenden Weise gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1993 - 3 C 37.91 - AgrarR 1994, 138 f.).

52

Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 11. November 1993, a.a.O.) aber die Pächterschutzregelung als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen. Am Schluss des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts (aa0) heißt es:

53

"Aus der Nichtigkeit der Fünf-Hektar-Klausel folgt keine Gesamtnichtigkeit der damaligen deutschen Pächterschutzregelung. Es sind keine Anzeichen dafür vorhanden, daß der Normgeber die in § 7 Abs. 3 a Satz 1 MVGO vorgesehene hälftige Aufteilung der auf die zurückgewährte Milcherzeugungsfläche entfallenden Referenzmenge zwischen Pächter und Verpächter wie auch die Höchstmengenbegrenzung nicht angewandt wissen wollte, wenn die Nichtigkeit der Fünf-Hektar-Klausel erkannt worden wäre. Im Gegenteil: § 7 Abs. 3 a MGVO zeigt deutlich, dass ein Pächterschutz - soweit nur möglich - gewollt war. Aus diesem Grunde ist der als gültig anzusehende Teil des § 7 Abs. 3 a Satz 1 MGVO dahin auszulegen, dass er auch die auf die ersten fünf Hektar entfallende Referenzmenge erfasst, die nach dem Wortlaut der Fünf-Hektar-Klausel vom Referenzmengenübergang logischerweise ausgenommen war."

54

Dieser als gültig anzusehende Teil der Pächterschutzregelung in § 7 Abs. 3 a MGV - also die hälftige Aufteilung der Referenzmenge und die Höchstmengenbegrenzung - kommt der Klägerin nicht zugute.

55

Die Formulierung in § 7 Abs. 3 a MGV bezüglich des Pächterschutzes geht auf Art. 7 Abs. 4 der VO (EWG) Nr. 857/84 i.d.F. der VO (EWG) Nr. 590/85 zurück. Diese erlaubt den Mitgliedstaaten die Gewährung von Pächterschutz nur "für auslaufende Pachtverträge, bei denen der Pächter keinen Anspruch auf Vertragsverlängerung unter entsprechenden Bedingungen hat". Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht zuerst im Urteil vom 20. Februar 1992 (- BVerwG 3 C 51.88 -, BVerwGE 19,18 [BVerwG 11.06.1964 - BVerwG VIII C 155.63]) aus dem Merkmal, es müsse ein "aus-laufender Pachtvertrag" vorliegen, geschlossen, dass Pächterschutz nur insoweit gemeinschaftsrechtskonform gewährt werden könne, als der Pächter die Milcherzeugungsflächen gegen seinen Willen an der Verpächter herausgeben müsse. Auch in der Folgezeit hat das Bundesverwaltungsgericht stets daran festgehalten, für die Gewährung von Pächterschutz sei Raum nicht, wenn der Verpächter verpflichtet oder bereit sei, den Vertrag fortzusetzen (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. April 1993 - 3 C 3.91 -, vom 10. Dezember 1993 - 3 C 57.91 -, Buchholz 451.512 MGVO Nr. 86 und vom 24. Januar 1994 - 3 C 8.92 -).

56

Hiernach verliert ein Pächter den Pächterschutz auch dann, wenn er sich mit dem Verpächter letztlich über die Rückgabe einigt, obwohl er zur Rückgabe noch nicht verpflichtet ist (Nds. OVG, Urt. vom 19. Dezember 1996 - 3 L 1130/95 - AgrarR 1998,134). Die Beantwortung dieser Frage wie auch jener, welche rechtlichen Möglichkeiten der Pächter zu einer Vertragsverlängerung ausschöpfen muss, um in den Genuss des Pächterschutzes zu gelangen, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab (BVerwG, Beschluss vom 23. August 1993 - BVerwG 3 B 52.93 -, Buchholz 451.512 MGV Nr. 77).

57

Nach diesen Maßstäben steht der Klägerin Pächterschutz nicht zu. Der Ehemann der Klägerin hat die Flächen nach eigener Einlassung der Klägerin freiwillig an die Beigeladene zu 1) herausgegeben, weil er sie für seinen Milchviehbetrieb nicht mehr benötigte. Anhaltspunkte dafür, dass der Ehemann der Klägerin die Flächen gegen seinen Willen herausgegeben hat, sind nicht ersichtlich.

58

Die Voraussetzungen für eine Verwirkung (vgl. BVerwG, Urteil vom 09. Dezember 1998 - 3 C 1.98 - Agrarrecht 1999, S. 151) liegen nicht vor, zumal der Referenzmengenübergang erst mit Wirkung vom 1. Januar 2000 bescheinigt worden ist.