Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 14.01.2002, Az.: 6 A 963/00

Abschiebungshindernis; Asylfolgeantrag; Kurden; minderjährig; neue Beweismittel; PKK; Sippenhaft; Türkei

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
14.01.2002
Aktenzeichen
6 A 963/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 41754
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Vater ist wegen Bestechung und Entgegennahme von gefälschtem Reisepass in der Türkei zu einer Haftstrafe von mehreren Jahren verurteilt, Vater ist angeblich PKK Sympathisant

Tatbestand:

1

Die minderjährigen Klägerinnen im Alter zwischen 12 und 15 Jahren sind türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit.

2

Die Klägerinnen zu 1) und 2) reisten mit ihren Eltern und zwei älteren Geschwistern am 22. Oktober 1987 von I. über den Flughafen F./M. in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ihre beim dortigen Grenzschutzamt gestellten Asylanträge begründeten sie damit, sie seien von der Regierung unterdrückt worden, weil diese Kurden nicht anerkenne. Sie hätten keine Rechte und könnten ihre Muttersprache nicht sprechen.

3

Diesen Asylantrag lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 02. September 1988 als offensichtlich unbegründet ab.

4

Am 29. September 1988 wurde die Klägerin zu 4) in T. geboren und erhielt den Namen Y. A..

5

Mit inhaltsgleichen Bescheiden vom 02. November 1988 forderte das Landratsamt W. - G. die Eltern der Klägerinnen zur Ausreise auf und drohte den Eltern für den Fall der Nichtbefolgung die Abschiebung an.

6

Gegen den Bescheid des Bundesamtes und gegen die Bescheide des Landratsamtes W. - G. erhoben die Eltern der Klägerinnen sowie die Klägerinnen zu 1) und 2) am 08. November 1988 Klage und suchten zugleich um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach, den das Verwaltungsgericht A. mit Beschluss vom 08. Mai 1989 versagte (AN 16 S 88.35221). Die dagegen eingelegte Beschwerde wies der Bayer. VGH mit Beschluss vom 25. Oktober 1989 als unbegründet zurück (11 CS 89.30837).

7

Am 29. Oktober 1989 wurde die Klägerin zu 4 in T. geboren, die laut Geburtsurkunde den Namen Y. A. trägt.

8

In dem Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht A. (AN 16 K 90.38586 und AN 16 K 90.38587) legte der Vater der Klägerinnen einen Haftbefehl vor, der sich nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 20. Januar 1992 als Fälschung herausstellte.

9

Nachdem die Klägerinnen T. zusammen mit ihren Eltern verlassen hatten und sich in die Nähe von B. begeben hatten, stellten die Eltern der Klägerinnen für sich und für ihre Kinder unter ihnen die Klägerinnen zu 1) - 4) einen Asylantrag unter dem Nachnamen A., den sie damit begründeten, dass sie Yeziden seien und am 14. März 1991 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist seien. Sie seien vor den Muslimen geflohen, die sie bedrängt hätten.

10

Nach Anhörung der Eltern der Klägerinnen am 25. März 1991 vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte das Bundesamt unter dem 10. Mai 1991 die Anträge der Eltern der Klägerinnen, der Klägerinnen zu 1) bis 4) sowie der Geschwister auf Anerkennung als Asylberechtigte ab und stellte zugleich fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nicht vorliegen.

11

Gegen diesen Bescheid erhoben die Eltern der Klägerinnen sowie die Klägerinnen zu 1) - 4) am 31. Mai 1991 Klage vor dem Verwaltungsgericht Stade (4 A 169/91).

12

Mit rechtskräftigem Urteil vom 27. Februar 1992 wies das Verwaltungsgericht A. die Klage der Eltern der Klägerinnen sowie der Klägerinnen unter dem Namen A. als offensichtlich unzulässig ab.

13

Die Klage der Eltern der Klägerinnen und der Klägerinnen zu 1) bis 4) vor dem Verwaltungsgericht Stade unter dem Namen A. hatte dagegen Erfolg. Die Beklagte ist mit Urteil vom 11. Juni 1992 dazu verpflichtet worden, die Eltern der Klägerinnen, die Klägerinnen zu 1) bis 4) und ihre Geschwister als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.

14

Daraufhin entschied das Bundesamt mit Bescheid vom 17. Januar 1994, dass die Eltern der Klägerinnen, die Klägerinnen zu 1) bis 4) und ihre Geschwister als Asylberechtigte anerkannt werden und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.

15

Unter dem 26. Februar 1998 teilte der Landkreis O. dem Bundesamt mit, dass durch ein Behördengutachten des Bundeskriminalamtes Hinweise bestätigt würden, dass es sich bei der Familie A. und der Familie A. um identische Personen handele. Daraufhin leitete das Bundesamt gegen die Klägerinnen und ihre Familie ein Verfahren zur Rücknahme des Bescheids vom 17. Januar 1994 ein und hörte die Klägerinnen und ihre Familie dazu an.

16

Mit Bescheid vom 01. Oktober 1998 nahm das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge für die Klägerinnen und ihre Familie die Asylanerkennung im Bescheid vom 17. Januar 1994 sowie die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, zurück. Zugleich stellte das Bundesamt fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen und ordnete die sofortige Vollziehung des Rücknahmebescheides an.

17

Hiergegen erhoben die Klägerinnen und ihre Familie am 19. Oktober 1998 Klage (4 A 1794/98) und suchten um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach. Dieser Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes blieb mit Beschluss vom 22. Oktober 1998 ohne Erfolg (4 B 1795/98). Einen dagegen gerichteten Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO lehnte das Verwaltungsgericht S. mit Beschluss vom 18. November 1998 ab (4 B 1836/98).

18

Am 02. Februar 1999 wurde der Vater der Klägerinnen in die Türkei abgeschoben. Die Klägerinnen waren kurz zuvor zu einem Onkel nach B. gebracht worden. Die Mutter der Klägerinnen sowie die Geschwister wurden am 26. Februar 1999 in die Türkei angeschoben.

19

Die Klägerinnen stellten mit anwaltlichem Schriftsatz vom 16. Mai 2000 am 22. Mai 2000 beim Bundesamt erneut einen Asylantrag. Zumindest ab diesem Zeitpunkt hielten sich die Klägerinnen bei ihrem Onkel, der zugleich ihr Vormund ist, in G. auf. Zur Begründung trugen sie vor, dass ihr Vater nach seiner Abschiebung in die Türkei festgenommen worden sei.

20

Mit Bescheid vom 13. Juni 2000 lehnte das Bundesamt die Anträge der Klägerinnen auf Durchführung von weiteren Asylverfahren sowie die Anträge auf Abänderung des Bescheides vom 01. Oktober 1998 bezüglich der Feststellung zu § 53 AuslG ab.

21

Dagegen haben die Klägerinnen mit einem am 19. Juni 2000 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz die vorliegende Klage erhoben und um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht, den das Gericht mit Beschluss vom 03. Juli 2000 versagte (4 B 965/00).

22

Zur Begründung der vorliegenden Klage tragen die Klägerinnen im Wesentlichen vor, dass ihr Vater in der Türkei festgenommen worden sei und von einem türkischen Strafgericht dafür verurteilt worden sei, dass er mit Hilfe eines gefälschten Passes und mit Hilfe von Bestechungsgeld versucht habe, aus der Türkei auszureisen und auf dem Luftweg in die Bundesrepublik zu gelangen. Zwischen den Eltern in der Türkei und den Klägerinnen bestehe kein Kontakt. Die Klägerinnen seien bei einer Rückkehr in die Türkei auf sich allein gestellt, da dort niemand sei, der sich um sie kümmern werde. Die Eltern der Klägerinnen seien in der Türkei untergetaucht und hielten sich versteckt, nachdem der Vater der Klägerinnen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei.

23

Die Klägerinnen beantragen,

24

den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 13. Juni 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerinnen als Asylberechtigte im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.

25

Die Beklagte beantragt,

26

die Klage abzuweisen.

27

Der beteiligte Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat sich nicht geäußert.

28

Am 14. Januar 2002 fand eine mündliche Verhandlung statt. Insoweit wird auf die Niederschrift vom Verhandlungstag verwiesen.

29

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten zu diesem Verfahren und zu den Verfahren 4 B 965/00, 4 A 1794/98, 4 B 1795/98, 4 B 1836/98, 4 B 1793/98 und 4 B 75/99 sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes und des Landkreises Osterholz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

30

Die Klage hat keinen Erfolg.

31

Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens mit dem Ziel ihrer Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16 a Abs.1 des Grundgesetzes - GG - bzw. der Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG gemäß § 71 Abs. 1 AsylVfG.

32

Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder - wie hier - unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrages erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes - AsylVfG - ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG - vorliegen. Danach setzt die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens materiell-rechtlich voraus, dass sich die der ablehnenden Entscheidung im Asylerstverfahren zu Grunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zu Gunsten des Asylbewerbers geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) oder neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Asylbewerber günstigere Entscheidung im Asylerstverfahren herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG), oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG).

33

Ferner ist zu prüfen, ob der Folgeantragsteller ohne grobes Verschulden im Sinne von § 51 Abs. 2 VwVfG außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch einen Rechtsbehelf, geltend zu machen.

34

Verfahrensrechtlich ist ein Folgeantrag zudem nur zulässig, wenn der Asylbewerber ihn innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis von dem Grund des Wiederaufgreifens gestellt hat (§ 51 Abs. 3 VwVfG). Bei mehreren Wiederaufgreifensgründen hat der Betroffene die Drei-Monats-Frist für jeden einzelnen Grund zu wahren (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1994 - 2 C 12.92 - BVerwGE 95, 86 ff). Dies gilt auch, wenn im gerichtlichen Verfahren (erstmals) weitere Wiederaufgreifensgründe nachgeschoben werden.

35

Soweit das Wiederaufgreifensvorbringen des Folgeantragstellers in dem den Folgeantrag betreffenden Klageverfahren die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG erfüllt, ist das Verwaltungsgericht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 10. Februar 1998 - 9 C 28.97 -) gehalten, die Sache nicht zur Entscheidung über das Asyl- bzw. Abschiebungsschutzbegehren an das Bundesamt "zurückzuverweisen", sondern es muss hierüber auch selbst entscheiden ("durchentscheiden").

36

Den Klägerinnen steht danach ein Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens mit dem Ziel ihrer Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG bzw. der Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs.1 AuslG nicht zu.

37

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG liegen nicht vor. Wiederaufnahmegründe (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG i.V.m. § 580 ZPO) machen die Klägerinnen nicht geltend; sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Ebenso wenig hat sich die Sach- oder Rechtslage zugunsten der Klägerinnen geändert (§  51 Abs.1 Nr. 1 VwVfG). Es liegen aber auch nicht neue Beweismittel im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG vor.

38

Soweit sich die Klägerinnen im gerichtlichen Verfahren darauf berufen, dass ihr Vater von einem türkischen Strafgericht mit Urteil vom 02. Juli 2001 wegen Bestechung und Entgegennahme eine gefälschten Reisepasses zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt über vier Jahren verurteilt worden ist, liegt darin eine Veränderung der Sachlage zu Gunsten der Klägerinnen nicht begründet.

39

Es ist nicht ersichtlich, inwieweit eine strafrechtliche Verurteilung des Vaters für Delikte, denen kein politischer Charakter beizumessen ist, auch nur ansatzweise die Gefahr einer politischen Verfolgung der Klägerinnen durch den türkischen Staat bei einem Aufenthalt in der Türkei nach sich ziehen würde.

40

In der Türkei gibt es keine Sippenhaft in Form strafrechtlicher Verfolgung. In der Praxis kommt es jedoch relativ häufig zu Übergriffen auf Verwandte von politischen Straftätern bzw. flüchtigen Verdächtigen (vgl. amnesty international -ai -, Auskunft vom 22. Juli 1996 an VG Stuttgart; Kaya, Gutachten vom 30. Juni 1997 an VG Hamburg und vom 11. März 1998 an VG Berlin; Oberdiek, Gutachten vom 15. November 1996 und vom 17. Februar 1997 an VG Hamburg; Rumpf, Gutachten vom 28. Juli 1997 und vom 24. Juli 1998 an VG Berlin; s. auch Auswärtiges Amt, Auskunft vom 23. Mai 2001 an VG Sigmaringen), um z.B. den Aufenthaltsort des Gesuchten zu ermitteln, Informationen über dessen politisches Umfeld zu gewinnen oder Druck auf den Gesuchten auszuüben, um ihn zu bewegen, sich zu stellen. Das erkennende Gericht folgt jedoch dem Nds. Oberverwaltungsgericht (vgl. nur Urteile vom 15. Oktober 1997 - 11 L 5801/94 -, vom 26. April 1999 - 11 L 2205/96 - und vom 12. September 2001 - 2 L 3955/99 -) in der Einschätzung, dass von derartigen Übergriffen grundsätzlich nur nahe Verwandte von Personen betroffen sind, die dem führenden Kreis der PKK oder anderen staatsfeindlichen Organisationen angehören oder in Verdacht stehen, deren Ziele aktiv zu unterstützen. Der Kreis der von sippenhaft-ähnlichen Maßnahmen betroffenen Personen ist im Allgemeinen auf nahe Angehörige - Eltern, Ehegatten, (ältere) Kinder, Geschwister - beschränkt.

41

Im vorliegenden Fall sind keine Anhaltspunkte erkennbar, dass der Vater der Klägerinnen vom türkischen Staat dem führenden Kreis der PKK oder anderen staatsfeindlichen Organisationen zugerechnet wird. Der Bruder des Vaters der Klägerinnen hat in der mündlichen Verhandlung insoweit ausgeführt, dass die türkischen Sicherheitskräfte dem Vater der Klägerinnen im Bezirk V. vorgeworfen hätten, Sympathisant der PKK zu sein. Nach einer kurzen Festnahme dort sei er frei gelassen worden. Auch nach der Abschiebung des Vaters der Klägerinnen in die Türkei sei er nach der Einreise inhaftiert und befragt worden, aber nach einem Tag frei gelassen worden. Daraus wird für das Gericht deutlich, dass der Kläger bei den türkischen Behörden nicht im Verdacht steht, zum führenden Kreis der PKK zu gehören. Zudem hat der Vater der Klägerinnen sich in seinen der Abschiebung vorangehenden Verfahren zur Begründung seines Asylbegehrens vorrangig auf seine Zugehörigkeit zur yezidischen Glaubensgemeinschaft berufen, nicht aber auf eine Unterstützertätigkeit für die PKK.

42

Wenn der türkische Staat den Vater tatsächlich der Unterstützung der PKK verdächtigt hätte, wäre der Kläger sicherlich nicht nur wegen Bestechung und der Entgegennahme eines gefälschten Reisepasses verurteilt worden, sondern noch wegen anderer Delikte. Ferner ist dem Urteil nicht zu entnehmen, dass gegen den Vater der Klägerinnen ein erhöhtes Strafmaß festgesetzt worden ist etwa wegen des Verdachts, Sympathisant der PKK zu sein. Vielmehr bewegt sich die Strafe am unteren Rand der nach dem türkischen StGB vorgesehenen Strafe (vgl. Art. 213, 350 türkisches StGB in Das türkische Strafgesetzbuch, Deutsche Übersetzung und Einführung von Silvia Tellenbach, 2. Auflage, 2001) für die vom Vater der Klägerinnen begangenen Delikte.

43

Wegen ihrer Asylantragstellung oder wegen ihres Auslandsaufenthalts droht den Klägerinnen politische Verfolgung im Sinne von § 51 Abs. 1 AuslG nicht. Schon bei erwachsenen Asylbewerbern aus der Türkei besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass die Stellung eines Asylantrages in der Bundesrepublik Deutschland für sich genommen vom türkischen Staat zum Anlass für Verfolgungsmaßnahmen genommen wird (vgl. die Lageberichte des AA v. 24. Juli 2001 und v. 07. September 1999). Die Annahme einer generellen Rückkehrgefährdung für abgelehnte - erwachsene - kurdische Asylbewerber ist nicht gerechtfertigt (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 18. Januar 2000 - 11 L 3404/99 -; Urt. v. 23. November 2000 - 11 L 1106/00 -). Dies gilt erst recht für minderjährige Asylbewerber wie die Klägerinnen.

44

Die Klägerinnen haben eine politische Verfolgung nach den vorstehenden Ausführungen weder aus individuellen Gründen noch wegen ihres kurdischen Volkstums zu befürchten.

45

Asylerhebliche Nachfluchtgründe liegen nicht vor.

46

Von einer landesweiten Gruppenverfolgung der Kurden ist weiterhin nicht auszugehen (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 18. Januar 2000 - 11 L 3404/99 -, v. 23. November 2000 - 11 L 1106/00 -, v. 22. Februar 2001 - 11 L 3879/00 - und vom 20. September 2001 - 11 L 4777/99 -).

47

Mithin bleibt festzuhalten, dass kein Anlass besteht, dass die Klägerinnen bei einer Einreise in die Türkei der Gefahr ausgesetzt sein könnten, asylerhebliche Verfolgungsmaßnahmen zu erleiden.

48

Wiederaufgreifensgründe - und zwar unmittelbar nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG - hinsichtlich der Entscheidung nach § 53 AuslG liegen ebenfalls nicht vor.

49

Zwar darf das Bundesamt das Verfahren wegen der Feststellung von Abschiebungshindernissen i. S. d. § 53 AuslG außerhalb des Rahmens des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nach Ermessen wieder aufgreifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. September 1999 - BVerwG 1 C 6.99 -). Dies hilft den Klägerinnen jedoch nicht weiter. Denn Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG liegen bei ihnen nach wie vor nicht vor. Die Klägerinnen haben mit ihrem Folgeantragsvorbringen nicht glaubhaft machen können, dass ihnen bei einem Aufenthalt in der Türkei landesweit eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit (i.S.v. § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG) droht.

50

Soweit ihr Onkel darauf hinweist, dass die Klägerinnen in der Türkei keine Aufnahme finden könnten, weil die Eltern und Geschwister in der Türkei untergetaucht seien, damit der Vater der Klägerinnen seine Haftstrafe nicht antreten muss und andere Verwandte die Klägerinnen nicht aufnehmen würden, ist damit zur Überzeugung des Gerichts eine Gefährdungslage für die Klägerinnen nicht hinreichend dargetan. Nach Auffassung des Gerichts würden die Klägerinnen zumindest bei ihrer Tante mütterlicherseits Aufnahme finden können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerinnen auch bisher von dem familiären Umfeld ausreichend versorgt wurden und daher auch zukünftig mit Unterstützungsleistungen der Familie zu rechnen ist. Da offenbar zwischen dem Onkel der Klägerinnen und dem Vater der Klägerinnen ausreichender Kontakt besteht, ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass der Vater der Klägerinnen in der Türkei eine Versorgung seiner Töchter ggf. mit Hilfe der im europäischen Ausland lebenden übrigen Verwandten wird organisieren können. Aber selbst wenn das nicht der Fall sein sollte und sich kein Verwandter zur Versorgung und Aufnahme der Klägerinnen finden sollte, stehen nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes Plätze in Waisenhäusern oder Kinderheimen (meist in Istanbul) zur Aufnahme bereit (Auswärtiges Amt Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei (Stand: Mitte Juli 2001) vom 15. Juli 2001).