Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 23.01.2002, Az.: 6 A 70/00

Fläche; Milcherzeugung; Milcherzeugungsfläche; Referenzmenge; Vermutung; Verwirkung; Übergang

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
23.01.2002
Aktenzeichen
6 A 70/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 41750
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

I. Die Beteiligten streiten um den Übergang von Referenzmengen.

2

Der Kläger bewirtschaftet einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Milchviehhaltung in L.. Mit schriftlichem Pachtvertrag vom 2. Januar 1973 verpachtete der Landwirt P. landwirtschaftliche Nutzflächen - Ackerland und Grünland - zur Gesamtgröße von 5,9307 ha für 12 Jahre - vom 1. Januar 1973 bis zum 1. Januar 1985 - an den Vater des Klägers. Gemäß § 2 des Pachtvertrages verlängerte sich das Pachtverhältnis stillschweigend um jeweils ein weiteres Jahr, falls es nicht 6 Monate vor Ablauf der Pachtzeit bzw. des Pachtjahres von einer Vertragsseite gekündigt wird.

3

Herr P. und der Vater des Klägers führten das Pachtverhältnis zunächst fort. Herr P. verstarb am 3. Dezember 1989. Mit notariellem Grundstückskaufvertrag vom 23. März 1990 verkaufte der Testamentsvollstrecker F. S. die landwirtschaftlichen Nutzflächen zur Größe von 5,9307 ha an den Vater des Beigeladenen. In § 2 Abs. 2 des Kaufvertrages heißt es:

4

"Eine Milchquote wird nicht mit verkauft; die Beteiligten sind sich darüber einig, dass eine Milchquote nicht auf dem verkauften Grundbesitz ruht."

5

In § 4 Abs. 1 des Kaufvertrages vereinbarten die Vertragsparteien, dass der Grundbesitz ab 1. Januar 1991 auf den Käufer - also auf den Vater des Beigeladenen - übergeht. Dieser wurde am 15. Januar 1991 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.

6

Mit Schreiben vom 17. April 1990 wandte sich der Testamentsvollstrecker S. an den Vater des Klägers ("Betr.: Kündigung des Pachtvertrages zum 31.12.1990") und erklärte, dass der Pachtvertrag zum Ablauf der Pachtdauer zum 31. Dezember 1990 ende; der Pachtvertrag sei hiermit fristgerecht gekündigt und werde nicht fortgesetzt.

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Ein Antrag auf Bescheinigung eines Referenzmengenüberganges aus Anlass der Pachtrückgabe wurde seinerzeit noch nicht gestellt.

8

Mit Gesellschaftsvertrag vom 15. Oktober 1990 bildeten der Kläger und sein Vater zum 1. Januar 1991 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Gemäß § 3 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages brachte der Vater des Klägers seinen landwirtschaftlichen Betrieb "mit einer Fläche von rd. 72 ha" zur Nutzung in die Gesellschaft ein. Gemäß § 3 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages brachte der Kläger seinen landwirtschaftlichen Pachtbetrieb "mit einer Fläche von 32,59 ha" zur Nutzung in die Gesellschaft ein. Gemäß § 3 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages übernahm die Gesellschaft sämtliche am 1. Januar 1991 bestehenden Verträge (z.B. Pacht- und Lieferverträge) sowie sonstige Rechte und Pflichten.

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Mit Bescheiden vom 9. Januar 1991 bescheinigte die Außenstelle O. der Beklagten der Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Wirkung vom 1. Januar 1991 sowohl den Übergang der Referenzmenge (420.515 kg), über die der Betrieb des Vaters des Klägers seinerzeit verfügte, als auch den Übergang der Referenzmenge von 241.804 kg, über die der Kläger aufgrund der Übernahme des Pachtbetriebes O. verfügte.

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Am 31. März 1999 beantragte der Beigeladene bei der Kreisstelle der Beklagten im Landkreis C. in O., ihm im Zusammenhang mit der Rückgabe der Pachtflächen zur Größe von 5,9307 ha zum 31. Dezember 1990 mit Wirkung vom 1. April 1998 einen Referenzmengenübergang zu bescheinigen.

11

Mit Bescheid vom 3. September 1999 bescheinigte die Kreisstelle O. dem Beigeladenen, dass auf ihn aus Anlass der Rückgabe der Pachtflächen (Flurstück 18, Flur 2, Gemarkung L., zur Größe von 5,9307 ha) eine Referenzmenge von 12.919 kg mit einem Referenzfettgehalt von 4,25 v.H. übergegangen sei. Die Referenzmenge des abgebenden Betriebes des Klägers vermindere sich zum vorgenannten Zeitpunkt entsprechend. In dem Bescheid führte die Kreisstelle aus, dass die Voraussetzungen des Pächterschutzes nach § 7 Abs. 4 der Milch-Garantiemengen-Verordnung - MGV - vorlägen. Daher gehe lediglich die hälftige Referenzmenge - 2.178,289 kg/ha - über.

12

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend: Die Altpachtfläche sei 1990 ohne Quote zum Kauf angeboten und schließlich gemäß § 2 des notariellen Kaufvertrages vom 23. März 1990 in Kenntnis der geltenden MGVO ohne Quote an den Vater des Beigeladenen verkauft worden. Es sei mithin davon auszugehen, dass auf dieser Fläche überhaupt keine Quote gelegen habe. Der Umstand, dass der Testamentsvollstrecker S. es damals versäumt habe, einen sog. Nullbescheid zu beantragen, könne nunmehr nicht zu Lasten des Klägers gehen. Außerdem sei der Beigeladene - richtig: der Vater des Beigeladenen - bei Beendigung des Pachtvertrages noch nicht Eigentümer der Fläche gewesen, sondern allenfalls mittelbarer Besitzer, aber nicht alleiniger Nutzungsberechtigter. Folglich sei die Pachtfläche bei Beendigung des Pachtvertrages in den Besitz der Voreigentümer, der Erbengemeinschaft P., zurückgefallen. In diesem Fall erscheine die gemeinschaftsrechtliche Übertragungsregelung von Altpachtflächen zweifelhaft, denn im Falle einer zwischenzeitlich zu gewonnenen flächenlosen Quote hätte der Kläger die Fläche ohne Rechtsgrund veredelt. Der dem Kläger daraus resultierende Nachteil müsste ihm nach den bereicherungsrechtlichen Vorschriften zurückgewährt werden. Auch sei zu Lasten des Klägers der Pächterschutz nicht berücksichtigt worden.

13

Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 1999, mittels Übergabe-Einschreibens zur Post aufgegeben am 17. Dezember 1999, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück: Pächterschutz sei bei Berechnung der Quote entgegen dem Widerspruchsvorbringen berücksichtigt worden. Auch das weitere Widerspruchsvorbringen könne nicht zur Aufhebung des Bescheides führen. Natürlich sei die Fläche in den 70-iger Jahren ohne Quote angepachtet worden. Damals habe es noch gar keine Milch-Garantiemengen-Verordnung gegeben. Diese sei aufgrund von EU-Vorschriften und der nationalen Verordnung erst am 2. April 1984 zwecks Mengenregulierung in Deutschland eingeführt worden. Fortan seien Referenzmengen flächengebunden gewesen und hätten nur mit den Flächen übertragen werden können. An dieser Rechtslage habe sich bis heute nichts geändert. Wer Milcherzeugungsflächen aus welchen Gründen auch immer an neue Bewirtschafter infolge von Kauf, Pacht oder Erbschaft übergebe, müsse mit dem Verlust anteiliger Referenzmengen bzw. mit der Übertragung rechnen. Solche Bescheinigungen könnten jederzeit nachgeholt werden. Die Verjährung betrage 30 Jahre. Aufgrund der verspäteten Antragstellung sei die Referenzmenge hier erst zum 1. April 1998 übertragen worden.

14

Daraufhin hat der Kläger am 17. Januar 2000 die vorliegende Klage erhoben.

15

Zur Begründung macht er geltend:

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Nach dem Vorlagebeschluss des OVG Schleswig vom 22. September 1999 sei fraglich, ob der bescheinigte Übergang von Referenzmengen auf den Beigeladenen mit Gemeinschaftsrecht in Einklang stehe. Weder Verpächter noch Erwerber seien Erzeuger im Sinne von Art. 7 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3950/92. Der Vater des Beigeladenen habe die Fläche nach Erwerb nicht zur Milcherzeugung genutzt, sondern habe dort im Jahre 1991 Raps angebaut. Der Beigeladene habe den väterlichen Betrieb erst im Jahre 1999 übernommen. Außerdem sei die Pachtfläche während des Pachtverhältnisses vom Vater des Klägers nicht zur Milcherzeugung genutzt worden. Seit 1980 sei die Fläche durchgehend als Ackerfläche genutzt worden. Dort sei in regelmäßig wiederkehrender Fruchtfolge Mais, Gerste, Hafer angebaut worden. Die Angaben des Vaters des Klägers in den Anträgen auf Gewährung einer Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten in den Jahre 1989 und 1990, dass es sich bei der Pachtfläche um Grünland handele, seien unzutreffend gewesen. Die Anträge seien seinem Vater handschriftlich vorbereitet von der Außenstelle O. zur Unterschrift vorgelegt worden. Schließlich habe es der Vater des Beigeladenen versäumt, bereits im Jahre 1990 einen Antrag auf Bescheinigung eines Referenzmengenüberganges zu stellen.

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Der Kläger beantragt,

18

den Bescheid der Kreisstelle der Beklagten im Landkreis Cuxhaven in O. vom 3. September 1999 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 1. Dezember 1999 aufzuheben.

19

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

21

Sie tritt den Ausführungen des Klägers im Einzelnen entgegen.

22

Der Beigeladene beantragt ebenfalls,

23

die Klage abzuweisen.

24

Er verteidigt die angefochtenen Bescheide.

25

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte 6 A 70/00 und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und des Amtes für Agrarstruktur B. Bezug genommen. Außerdem haben der Kammer die Gerichtsakten 6 A 790/00 nebst Beiakten vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Klage ist unbegründet.

27

Die angefochtenen Bescheide verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

28

Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 der Milch-Garantiemengen-Verordnung - MGV - vom 21. März 1994 (BGBl. I S. 586) i.d.F. der 33. Änderungsverordnung vom 25. März 1996 (BGBl. I S. 535) bescheinigt die Beklagte als zuständige Landesstelle nach § 1 Nr. 7 der Verordnung über die Übertragung von Aufgaben auf die Landwirtschaftskammern vom 05. März 1997 (Nds. GVBl. S. 62) im Falle des Übergangs von Referenzmengen, welche Referenzmengen, zu welchem Zeitpunkt, von welchem Milcherzeuger, mit welchem Referenzfettgehalt auf einen Milcherzeuger übergegangen sind.

29

Zwar ist die MGV inzwischen mit Wirkung vom 1. April 2000 durch die Verordnung zur Durchführung der Zusatzabgabenregelung (Zusatzabgabenverordnung) vom 12. Januar 2000 (BGBl. I S. 27) aufgehoben worden. Dies gilt jedoch gemäß § 30 der Zusatzabgabenverordnung nicht, soweit in der Zusatzabgabenverordnung die Fortgeltung einzelner Regelungen der MGV bestimmt ist. Letzteres ist nach der Übergangsregelung des § 28 a der Zusatzabgabenverordnung hier der Fall. Danach sind die bisherigen Vorschriften der MGV in der jeweils geltenden Fassung weiter anzuwenden, soweit - wie hier - Anlieferungs-Referenzmengen aufgrund anhängiger Verfahren ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit neu zu berechnen sind.

30

Maßgebend für die Beurteilung des Klagebegehrens in materieller Hinsicht sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, die Normen, die für den Zeitpunkt des streitigen Referenzmengenüberganges, für den der Wechsel des Besitzes und damit der Verfügungsbefugnis an dem zu Grunde liegenden Pachtgegenstand das entscheidende Kriterium ist, Geltung beanspruchen (BVerwG, Urteil vom 01. September 1994 - 3 C 1.92 - Buchholz 451.512 MGVO, Nr. 97 m.w.N.).

31

Im vorliegenden Fall erfolgte die Rückgabe der Pachtflächen zum 31. Dezember 1990/1. Januar 1991.

32

Von den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen ist hier unter Berücksichtigung des bezeichneten maßgeblichen Zeitpunktes des Flächenüberganges Art 7 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 857/84 vom 31. März 1984 i. d. F. des Art. 1 Nr. 4 der VO (EWG) Nr. 590/85 vom 26. Februar 1985 i. V. m. Art. 7 Nr. 2,3 der VO (EWG) Nr. 1546/88 vom 03. Juni 1988 einschlägig.

33

Für den Fall, dass nur ein Teil eines Betriebes, wie hier bei der Verpachtung von Stückländereien, übertragen wird, bestimmt Art. 7 Nr. 2 VO (EWG) Nr. 1546/88, dass die entsprechende Referenzmenge nach den für die Milcherzeugung verwendeten Flächen oder nach anderen von den Mitgliedstaaten aufgestellten "objektiven Kriterien", die der nationale Verordnungsgeber nicht getroffen hat, auf die den Betrieb übernehmenden Erzeuger aufgeteilt wird. Durch diese Vorschriften wird zwar nicht unmittelbar die Rückgewähr von Pachtflächen nach Beendigung des Pachtverhältnisses erfasst. Nach Art. 7 Nr. 3 VO (EWG) Nr. 1546/88 gelten die gleichen Bestimmungen sinngemäß für sonstige Übergangsfälle, die nach einzelstaatlichen Rechtsvorschriften vergleichbare rechtliche Folgen für den Erzeuger mit sich bringen. Das trifft nach nationalem Recht für die Rückgabe einer gepachteten Fläche, bei der der Verpächter (wieder) den Besitz an dem verpachteten Grundstück erlangt, zu (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.3.1992 - BVerwG 3 C 58.88 - , Buchholz 451.512 MGVO Nr. 54).

34

Als für die Milcherzeugung verwendete Flächen im Sinne des Art. 7 VO (EWG) Nr. 1546/88 und § 7 Abs. 2 MGV sind alle Flächen des milchviehhaltenden landwirtschaftlichen Betriebes zu berücksichtigen, die unmittelbar oder mittelbar zu dessen Milcherzeugung beitragen (EuGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 - Rs C 79/91 - AgrarR 1993, 19 f). Für die Milcherzeugung werden jedenfalls alle diejenigen landwirtschaftlichen Flächen verwendet, auf denen Futter für die Milchkühe des Betriebes gewonnen wird (BVerwG, Urteil vom 02. Dezember 1993 - 3 C  82.90 - AgrarR 1994, 232 f). Die Bewertung einer Fläche als Milcherzeugungsfläche hängt davon ab, ob sie sich im Zeitpunkt des Flächenübergangs unter Berücksichtigung des Fruchtfolgesystems als solche darstellt; nicht entscheidend ist, ob die Fläche zur Entstehung der dem Betrieb mitgeteilten Referenzmenge im Jahre 1983 beigetragen oder nur irgendwann vor der Flächenrückgabe zur Milcherzeugung gedient hat (BVerwG, Urteile vom 01. September 1994, a.a.O., und vom 23. Juni 1995 - 3 C 6.94 - AgrarR 1996, 31, 32). Als Milcherzeugungsflächen haben auch solche Flächen zu gelten, auf denen erst nach Inkrafttreten der Milchkontingentierung die Milcherzeugung aufgenommen und nicht eindeutig wieder aufgegeben worden ist (BVerwG, Urteil vom 01. September 1994, a.a.O.; Nds. OVG, Urteil vom 10. September 1998 - 3 L 3608/96 -). Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 18. September 1998 - 3 L 4165/98 - und Urteil vom 10. September 1998 - 3 L 3608/96 -) ist für die Beurteilung der Frage, ob eine Pachtfläche der Milcherzeugung gedient hat, auf die gesamte Dauer der Pachtzeit abzustellen.

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In diesem Zusammenhang geht die Kammer in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 2. Dezember 1993, a.a.O. und vom 1. September 1994, a.a.O.) und des Nieders. Oberverwaltungsgerichts (vgl. etwa das Urteil vom 23. Oktober 1995 - 3 L 3092/93 -) davon aus, dass für die Nutzung der zu einem milchviehhaltenden landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden landwirtschaftlichen Nutzflächen (Acker- und Grünland) zur Milcherzeugung eine tatsächliche Vermutung spricht. Diese widerlegliche Vermutung gilt gleichermaßen für die Eigentums- und Pachtflächen, weil praktisch jede landwirtschaftliche Nutzfläche zur Futtergewinnung für das Milchvieh genutzt werden kann und von den milchviehhaltenden Betrieben, unabhängig davon, ob es sich um eine Eigentums- oder um eine Pachtfläche handelt, in der Regel auch genutzt wird.

36

Für Ackerflächen folgt dies daraus, dass auf ihnen im Rahmen wechselnder Fruchtfolge im Hauptfutterbau oder Zusatzfutterbau (Zwischenfruchtbau) regelmäßig Futter für das Milchvieh gewonnen wird. Dafür reicht es aus, dass die Fläche während des Pachtverhältnisses im Rahmen der wechselnden Fruchtfolge in einem Jahr zur Milcherzeugung des Pächters beigetragen hat und anschließend nicht aus der die Milcherzeugung einschließenden Fruchtfolge herausgenommen worden ist, die nur durch eine signifikante Änderung der Bodennutzung dokumentiert werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1993, a.a.O.; Nds. OVG, Urteil vom 10. September 1998 - 3 L 3608/96).

37

Die hier streitige Pachtfläche zur Größe von knapp 6 ha ist danach als Milcherzeugungsfläche anzusehen.

38

Das Klagevorbringen, die Pachtfläche sei im Betrieb des Vaters des Klägers durchgehend als Ackerfläche genutzt worden, lässt sich mit den Angaben, welche der Vater des Klägers in seinen Anträgen auf Gewährung einer Ausgleichszulage gegenüber dem Amt für Agrarstruktur B. gemacht hat, nicht in Einklang bringen. Danach hat der Vater des Klägers die Pachtfläche P. stets als Dauergrünland angegeben. In dem Antrag auf Gewährung einer Ausgleichszulage für das Jahr 1989 (vom 18. Mai 1989) wird die Pachtfläche M.P. - dort angegeben mit 5 ha - unter den Grünlandflächen aufgeführt (Bl. 73 der Beiakte B). Auch in der Anlage zum Antrag auf Gewährung der Ausgleichszulage für das Jahr 1990 (Bl. 30 der Beiakte A) wird die Pachtfläche P. - nunmehr mit 5,90 ha - als Grünland angegeben und damit wiederum zu den Hauptfutterflächen des Betriebes gezählt. Es spricht deshalb eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Fläche Futter für das Milchvieh und die weibliche Nachzucht geliefert hat.

39

Abgesehen davon hat der Kläger die tatsächliche Vermutung, dass es sich bei der streitigen Pachtfläche im Betrieb seines Vaters um eine Milcherzeugungsfläche gehandelt hat, mit seinem Vorbringen auch dann nicht erschüttert, wenn man zu seinen Gunsten davon ausgeht, dass die Fläche als Ackerland genutzt worden wäre. In den im Klageverfahren vorgelegten "Aufzeichnungen", die offensichtlich nachträglich erstellt worden sind, wird für das Pachtland P. folgende Nutzung angegeben: 1982 und 1983 jeweils Gerste; 1984 Silomais; 1985 Hafer; 1986 Silomais; 1987 und 1988 Hafer; 1989 Gerste; 1990 Silomais für Bullen. Mit diesen Angaben hat der Kläger die tatsächliche Vermutung, dass sein Vater die Pachtfläche während der gesamten Pachtzeit (1. Januar 1973 bis 31. Dezember 1990/1. Januar 1991) im Rahmen wechselnder Fruchtfolge zur Milcherzeugung genutzt hat, nicht hinreichend in Zweifel gezogen. So entspricht es - und hierauf hat die Beklagte zu Recht hingewiesen - nicht der Lebenserfahrung, dass ein Landwirt Silomais für Bullen und Silomais für anderes Rindvieh auf gesonderten Flächen anbaut und räumlich getrennt einlagert. Zudem ist davon auszugehen, dass etwa von der Fläche geerntetes Getreide auch an die Milchkühe bzw. an das Jungvieh zur Ergänzung der Milchkuhherde verfüttert worden ist.

40

Einem Referenzmengenabgang zu Lasten des Vaters des Klägers auf den Vater des Beigeladenen zum 1. Januar 1991 steht die Vereinbarung in § 2 Abs. 2 des notariellen Kaufvertrages vom 23. März 1990 zwischen den Testamentsvollstrecker S. und dem Vater des Beigeladenen ("Eine Milchquote wird nicht mit verkauft; die Beteiligten sind sich darüber einig, dass eine Milchquote nicht auf dem verkauften Grundbesitz ruht.") nicht entgegen. Diese Vereinbarung war unwirksam. Der Referenzmengenübergang ist streng flächenakzessorisch und knüpft normativ an den Besitzwechsel und nicht, jedenfalls für den hier in Frage kommenden Zeitpunkt - 23. März 1990, - an behördliche Maßnahmen oder Willenserklärungen der Beteiligten an (ständige Rechtsprechung des BVerwG (z.B. Urteile vom 30. November 1989 - BVerwG 3 C 47.88 - Buchholz 451.512 MGVO Nr. 18, vom 20. Januar 1994, a.a.O., und vom 1. September 1994, a.a.O.; Beschluss vom 17. März 1999 - BVerwG 3 B 34.99 -) und des Nds. OVG (vgl. etwa das Urteil vom 7. Januar 1999 - 3 L 196/97 - )).

41

Für einen Referenzmengenabgang zu Lasten des Vaters des Klägers aus Anlass der Pachtrückgabe zum 31. Dezember 1990/1. Januar 1991 ist es unerheblich, dass der Verpächter und dessen Rechtsnachfolger nicht Milcherzeuger waren (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 1990 - BVerwG 3 C 42.88 - Buchholz 451.512 MGVO Nr. 27).

42

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass Art. 7 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 857/84 i.d.F. der VO (EWG) Nr. 590/85 sowie Art. 7 Nrn. 1, 2 und 4 der VO (EWG) Nr. 1546/88 - vorbehaltlich der den Mitgliedstaaten in Abs. 4 der erstgenannten Verordnung eingeräumten Befugnis, die Referenzmenge ganz oder zur Teil dem ausscheidenden Pächter zuzuteilen - erkennen lassen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die Referenzmenge nach Ablauf des Pachtverhältnisses grundsätzlich dem Verpächter zukommen lassen wollte, der wieder die Verfügungsgewalt über den Betrieb erlangt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1997 - 3 C 34.96 -, Buchholz 451.512 MGVO Nr. 128 = AgrarR 1998, 319 f. jeweils m.w.N.). Dem gegenüber ist die vom OVG Schleswig in dem Beschluss vom 22. September 1999 - 2 L 143/98 - zum Begriff des Erzeugers im Sinne des Art. 7 VO (EWG) Nr. 3950/92 aufgeworfene Frage hier nicht entscheidungserheblich.

43

Der in den angefochtenen Bescheiden bescheinigte Referenzmengenabgang zu Lasten des klägerischen Betriebes verletzt diesen auch der Höhe nach nicht in seinen Rechten (im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

44

Pächterschutz nach der Pächterschutzbestimmung des § 7 Abs. 3a MGV in der zum maßgeblichen Zeitpunkt der Pachtrückgabe - 31. Dezember 1990/1. Januar 1991 - Geltung beanspruchenden Fassung der 18. Änderungsverordnung vom 17. Dezember 1990 (BGBl I S. 2911), soweit sich diese als wirksam erweist (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1993 - 3 C 37.91 - AgrarR 1994, 138f ), ist dem Kläger als Rechtsnachfolger seines Vaters in dem angefochtenen Bescheid gewährt worden.

45

Auch im Übrigen lässt sich nicht feststellen, dass die berechnete Referenzmenge/ha - 4356,5779 kg/ha (hier nur zur Hälfte in Ansatz gebracht) - den Kläger in seinen Rechten verletzt.

46

Der in dem Bescheid der Kreisstelle der Beklagten in O. vom 3. September 1999 genannte Zeitpunkt des Referenzmengenabganges (1. April 1998) verletzt den Kläger gleichfalls nicht in seinen Rechten.

47

Der Kläger kann sich gegenüber der Bescheinigung eines Referenzmengenabganges zu seinen Lasten in Höhe von 12.919 kg zu dem genannten Zeitpunkt - 1. April 1998 - nicht auf den Verwirkungseinwand berufen.

48

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 09. Dezember 1998 - 3 C 1.98 - Agrarrecht 1999, S. 151), der sich die Kammer in ständiger Rechtsprechung anschließt, besteht die Möglichkeit einer Verwirkung des Rechts auf die Geltendmachung eines Referenzmengenübergangs. Im vorliegenden Fall liegen jedoch die vom Bundesverwaltungsgericht geforderten Voraussetzungen, unter denen eine Verwirkung anzunehmen ist, nicht vor. Das Rechtsinstitut der Verwirkung wird aus dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben hergeleitet (Nds. OVG, Urteil vom 23. Oktober 1995 - 3 L 3092/92 - unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 23.05.1975 - BVerwG IV C 73.73 -, BVerwGE 48,247,250). Die Ausübung eines materiell- oder verfahrensrechtlichen Rechts kann ausgeschlossen sein, wenn der Berechtigte das Recht nach seiner Entstehung oder Fälligkeit über einen längeren Zeitraum, der nach Art, Inhalt und Bedeutung des Rechts unterschiedlich zu bemessen ist, nicht geltend macht und besondere Umstände vorliegen. Beides zusammen, nämlich ein längerer Zeitablauf und besondere Umstände, müssen dazu führen, dass der Verpflichtete nach Treu und Glauben nicht mehr mit der Geltendmachung rechnen musste und das Geltendmachen des Rechts nach der jeweiligen Sachlage als rechtsmissbräuchlich, zumindest aber als illoyal anzusehen ist (vgl. Nds. OVG, a.a.O., unter Bezugnahme auf BVerwG, Beschluss vom 22.05.1990 - BVerwG 8 B 156.89 - Buchholz 310 § 81 VwGO Nr. 13). Das späte Geltendmachen eines Rechts rechtfertigt nach herrschender Auffassung nur dann den Vorwurf, verwerflich oder "unvernünftig" gehandelt zu haben, wenn sich der Betroffene seines Rechts vor dessen Geltendmachung bewusst war. Die Unkenntnis oder Verkennung der eigenen Rechtsposition schließt die Bewertung der späten Geltendmachung als treuwidrig aus (BVerwG, Urteil vom 09. Dezember 1998 - 3 C 1.98 - a. a. O.). Der Nachholung einer wegen rechtlicher Aussichtslosigkeit unterbliebenen Antragstellung bei Änderung der Erfolgsaussichten haftet regelmäßig nichts Treuwidriges an.

49

Im vorliegenden Fall fehlt es an dem nötigen Zeitablauf, jedenfalls aber an einem treuwidrigen Verhalten.

50

Dass ein Bescheinigungsantrag bei Rückgabe der Fläche Ende Dezember 1990/Anfang Januar 1991 nicht gestellt worden ist, ist darauf zurückzuführen, dass damals die durch die 2. ÄndVO vom 27. November 1984 (BGBl. I S. 1434) mit Wirkung vom 01. Oktober 1984 eingefügte 5 ha-Klausel (§ 7 Abs. 3 a S. 1 MGV a. F.) als wirksam angesehen wurde; diese ließ zum damaligen Zeitpunkt einen Bescheinigungsantrag ganz überwiegend - nämlich im Umfange von 5 ha - als rechtlich aussichtslos erscheinen.

51

Erst mit Bekannt werden des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. November 1993 - 3 C 37.91 - (AgrarR 1994, 138 f), in dem die 5-ha-Klausel für nichtig erklärt, im Übrigen aber die Pächterschutzregelung als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen wurde, im Frühjahr 1994 kann die Frist für die Beurteilung einer möglichen Verwirkung überhaupt zu laufen begonnen haben. Dabei ist jedoch zusätzlich berücksichtigen, dass es immer einer gewissen Zeit bedarf, bis ein Urteil allgemein bekannt wird und somit für den Vater des Beigeladenen die Möglichkeit bestanden hätte, sich darüber zu informieren, dass ihm eine Referenzmenge zustehen könnte. Wenn man diesem Zeitraum mit einigen Monaten Rechnung trägt, sind bis zum 31. März 1999, als der Beigeladene, der den Betrieb mit Landgutübergabevertrag vom 18. Dezember 1998 übernommen hat, den Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung über den Übergang einer Referenzmenge stellte, erst fünf Jahre vergangen. Ein solcher Zeitraum ist nach Überzeugung der Kammer noch nicht als im Rahmen einer Verwirkung zu beachtender längerer Zeitraum zu berücksichtigen.

52

Aber selbst wenn man diesen Zeitraum als für eine Verwirkung ausreichend lang bewerten würde, fehlt es doch an besonderen Umständen, die das Verhalten des Beigeladenen als illoyal oder rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen würden, zumal die Kreisstelle der Beklagten in O. den Referenzmengenabgang zu Lasten des Klägers erst mit Wirkung vom 1. April 1998 bescheinigt hat.

53

Gründe, die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.