Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 14.01.2002, Az.: 6 A 437/98
Kind; Krankheit; Nierenerkrankung; Türkei; yesil kart
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 14.01.2002
- Aktenzeichen
- 6 A 437/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 43450
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 53 Abs 6 S 1 AuslG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Fünfjähriges türkisches Kind leidet an einem rezidivierenden nephrotischen Syndrom (Nierenerkrankung), tägliche Medikamenteneinnahme erforderlich.
Tatbestand:
Der am 16. November 1996 in S. geborene Kläger zu 1) und die am 25. August 1996 geborene Klägerin zu 2) sind türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit.
Die Eltern der Kläger reisten nach ihren Angaben zusammen mit den drei älteren Geschwistern der Kläger am 5. August 1995 über Istanbul auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und begehrten in der Bundesrepublik Deutschland ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Ihren Asylantrag lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 20. November 1995 ab und verneinte zugleich das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1, 53 AuslG. Ferner wurden die Eltern und Geschwister der Kläger zur Ausreise aufgefordert und für den Fall der Nichtbefolgung wurde ihnen die Abschiebung in die Türkei angedroht.
Die dagegen erhobene Klage blieb mit rechtskräftigem Urteil des Verwaltungsgerichts Stade vom 20. Mai 1999 ohne Erfolg (4 A 2281/95).
Am 30. Dezember 1997 beantragte der Vater der Kläger bei der Samtgemeinde B. L., die Kläger in sein Asylverfahren bzw. das seiner Ehefrau mit aufzunehmen.
Mit Bescheid vom 25. Februar 1998 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Antrag der Kläger auf Anerkennung als Asylberechtigte ab und stellte zugleich fest, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG noch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen. Ferner wurden die Kläger zur Ausreise aufgefordert und für den Fall der Nichtbefolgung wurde ihnen die Abschiebung in die Türkei angedroht.
Gegen diesen am 02. März 1998 zugestellten Bescheid haben die Kläger mit einem am 12. März 1998 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben.
Im März 1999 erkrankte die Klägerin an einem rezidivierenden nephrotischen Syndrom, das vom 31. März bis 26. April 1999 in der Kinderklinik S. und in drei stationären Aufenthalten in der Universitätsklinik E., zuletzt vom 06. Juli bis 07. August 1999, behandelt wurde.
Die Kläger tragen zur Begründung ihrer Klage vor, dass die Erkrankung der Klägerin einer intensiven und spezialisierten Behandlung in einer dafür geeigneten Fachklinik bedürfe. Die Krankheit sei für die Klägerin jedenfalls bei Behandlungsunterbrechung aufgrund der Gefahr eines drohenden Nierenversagens lebensbedrohlich. Die erforderliche Behandlung mit Immunsupressiva sei in der Türkei aufgrund der dortigen Nichtverfügbarkeit solcher Medikamente nicht möglich, so dass für die Klägerin bei einer Abschiebung in ihre Heimat eine konkrete Lebensgefahr bestehe.
Ferner seien die Kläger wie ihre Eltern yezidische Religionszugehörige.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 25. Februar 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Kläger als Asylberechtigte im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der beteiligte Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat sich nicht geäußert.
Am 14. Januar 2002 fand eine mündliche Verhandlung statt. Insoweit wird auf die Niederschrift vom Verhandlungstag verwiesen.
Dem Gericht hat der Bericht der Universitätsklinik H. E. vom 22. Januar 2002 vorgelegen.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes und des Landkreises C. ergänzend Bezug genommen. Ferner hat dem Gericht die Gerichtsakte zum Verfahren 4 A 2281/95 vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Den Klägern steht ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16 a Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - nicht zu.
Nach Art. 16 a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht; sie werden nach Maßgabe der §§ 1 ff. AsylVfG als Asylberechtigte anerkannt. Eine Verfolgung ist dann eine politische, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale, d.h. aus Gründen, die allein in seiner politischen Überzeugung, seiner religiösen Grundentscheidung oder in für ihn unverfügbaren Merkmalen liegen, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschl. vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502 u.a./86 -, BVerfGE 80, 315, 334). Die fragliche Maßnahme muss dem Betroffenen gezielt Rechtsverletzungen zufügen. Daran fehlt es bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Heimatstaat zu erleiden hat, wie Hunger, Naturkatastrophen aber auch bei den allgemeinen Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen (BVerfG a.a.o., S. 335). Das Asylgrundrecht des Art. 16 a GG beruht auf dem Zufluchtgedanken und setzt von seinem Tatbestand her grundsätzlich einen kausalen Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht voraus (BVerfG a.a.O., S. 334, BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1987 - 9 C 184.86 - , BVerwGE 77, 258, 260). Deshalb ist es von wesentlicher Bedeutung, ob der Asylsuchende verfolgt oder unverfolgt ausgereist ist. Im ersten Fall ist er als Asylberechtigter anzuerkennen, sofern die fluchtbegründenden Umstände im maßgebenden Zeitpunkt fortbestehen. Er ist weiter anzuerkennen, wenn diese zwar entfallen sind, aber an seiner Sicherheit vor abermals einsetzender Verfolgung bei einer Rückkehr in den Heimatstaat ernsthafte Zweifel bestehen, wenn also Anhaltspunkte vorliegen, die die Möglichkeit abermals einsetzender Verfolgung als nicht ganz entfernt erscheinen lassen (BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1990 - 9 C 60.89 - ). Wer hingegen unverfolgt ausgereist ist, hat nur dann einen Asylanspruch, wenn ihm aufgrund eines asylerheblichen Nachfluchttatbestandes politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1990 - 9 C 60.89 - ).
Gemessen an diesen Grundsätzen können die Kläger ihre Anerkennung als Asylberechtigte i.S.v. Art. 16 a Abs. 1 GG nicht verlangen.
Auf Vorfluchtgründe können sich die Kläger nicht berufen, weil sie seit ihrer Geburt im Bundesgebiet leben.
Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Kläger bei einem Aufenthalt in der Türkei angesichts ihres Alters von vier und fünf Jahren von politischer Verfolgung betroffen sein könnten.
Auf die (individuellen) Asylgründe ihrer Eltern können sich die Kläger schon deshalb nicht berufen, weil keine hinreichenden Erkenntnisse dafür vorliegen, dass Kinder ihres Alters in eine politische Verfolgung von nahen Angehörigen einbezogen werden (vgl. VG Stade Urteil vom 23. Juli 1999 - 4 A 144/98 -).
Auch wegen ihrer Volkszugehörigkeit brauchen die Kläger in der Türkei nicht mit politischer Verfolgung zu rechnen. Zum Einen steht schon ihr Alter der Annahme einer politischen Verfolgung entgegen. Zum Anderen unterliegt die kurdische Volksgruppe nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Gerichts, die mit derjenigen des Nds. Oberverwaltungsgerichts und aller anderen Oberverwaltungsgerichte übereinstimmt, keiner vom türkischen Staat ausgehenden oder diesem zuzurechnenden landesweiten Gruppenverfolgung. Das Gericht schließt zwar nicht aus, dass die im Südosten der Türkei ansässige kurdische Bevölkerung einer regionalen Gruppenverfolgung/Einzelverfolgung wegen Gruppenzugehörigkeit ausgesetzt ist. Es geht jedoch davon aus, dass für den betroffenen Personenkreis im Westen der Türkei, vor allem in den dortigen Großstädten, eine inländische Fluchtalternative besteht. Besondere, in der Person der Kläger liegende Umstände, die eine andere Bewertung rechtfertigen könnten, sind nicht gegeben. Zwar sind die Kläger aufgrund ihres Alters nicht in der Lage, auf sich gestellt zu überleben. Im Rahmen der Gefährdungsprognose ist jedoch davon auszugehen, dass sie im Familienverband in die Türkei zurückkehren, ihre Betreuung mithin durch ihre Eltern gewährleistet ist.
Die Kläger sind bei einem Aufenthalt in der Türkei nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr ausgesetzt, Opfer von politischen Verfolgungsmaßnahmen in Anknüpfung an die von ihnen geltend gemachte yezidische Religionszugehörigkeit zu werden, denn das Gericht hält die yezidische Glaubenszugehörigkeit der Kläger in Übereinstimmung mit dem im Asylverfahren der Eltern ergangenen Urteil 20. Mai 1999 (4 A 2281/95), auf das verwiesen wird, für nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
Die Voraussetzungen für die Gewährung von Familienasyl (§ 26 AsylVfG) sind ebenfalls nicht gegeben, denn den Eltern der Kläger ist ein Asylanspruch nach Art. 16 a Abs. 1 GG nicht zuerkannt worden.
Ohne Erfolg bleibt die Klage auch, soweit sie auf die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG gerichtet ist.
Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG liegen nicht vor, denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass das Leben oder die Freiheit der Kläger bei einem Aufenthalt in der Türkei aus einem der in der Vorschrift genannten Gründe gegenwärtig oder in absehbarer Zeit bedroht ist.
Schließlich liegen bei den Klägern auch die Voraussetzungen für ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nicht vor. Zur Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG reichen allgemeine Gefahren nicht aus (Amtliche Begründung, BT-Drs. 11/6321, S. 75). Es setzt vielmehr eine sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles ergebende erhebliche individuell-konkrete Gefahr voraus (BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -).
Nach der Rechtsprechung des BVerwG kann die Gefahr, dass sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Heimatstaat verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind, ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG begründen (BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 - BVerwG 9 C 58.96 - BVerwGE 105,383 = Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 10 - NVwZ 1998,524 = DVBl. 1998,284). Das BVerwG hat in dem bezeichneten Urteil - unter Verweisung auf seine Rechtsprechung zu den "zielstaatsbezogenen" Abschiebungshindernissen - aus-geführt, dass § 53 AuslG ausschließlich Gefahren erfasst, die dem Ausländer im Zielland der Abschiebung drohen und dass dies auch dann gilt, wenn die im Abschiebezielstaat zu erwartende Rechtsgutsbeeinträchtigung in der Verschlimmerung einer Krankheit besteht, unter welcher der Ausländer bereits in Deutschland leidet. Darauf, ob die Gefahr der Verschlechterung der Gesundheit durch die individuelle Konstitution des Ausländers bedingt oder mitbedingt ist, kommt es nicht an. Aus welchen Gründen derartige Gesundheitsgefahren den in § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG angesprochenen Gefahren zuzuordnen sind, über deren Vorliegen das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu entscheiden hat, ist dort im einzelnen ausgeführt.
Die befürchtete Verschlimmerung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin zu 2) könnte als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten in der Türkei und damit im Zielland eintreten, so dass es sich dabei um ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis handeln könnte.
§ 53 Abs.6 S. 1 AuslG setzt ferner voraus, dass die der Klägerin zu 2) drohende Gesundheitsbeeinträchtigung erheblich ist, also eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist.
Das wäre der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand der Klägerin zu 2) wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde (vgl. BVerwG vom 29.07.1999 - 9 C 2.99 - ). Konkret wäre die Gefahr, wenn diese Verschlechterung alsbald nach Beginn des Aufenthalts in der Türkei einträte, weil sie auf dort unzureichende Möglichkeiten zur Behandlung ihrer Leiden angewiesen wäre und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte.
Ein solches zielstaatbezogenes Abschiebungshindernis liegt bei der Klägerin zu 2) jedoch nicht vor.
In der Türkei garantiert das staatliche Gesundheitssystem eine medizinische Grundversorgung; daneben gibt es mehr und mehr leistungsfähige private Gesundheitseinrichtungen (vgl. hierzu und zum folgenden den Lagebericht des Auswärtigen Amtes - AA - vom 15. Juli 2001). Das türkische Gesundheitsministerium unterhält im ganzen Lande ein Netz staatlicher Krankenhäuser. Die Behandlung in diesen Krankenhäusern ist für die bei der staatlichen Krankenversicherung Versicherten unentgeltlich. Die Kosten mancher Medikamente werden teilweise von den Versicherten getragen. In der staatlichen Krankenversicherung sind Erwerbstätige und ihre Familienangehörigen versichert. Die Behandlung in den staatlichen Zentren für Mutter und Kind sowie Familienplanung ist generell unentgeltlich (AA, wie vor).
Bedürftige haben das Recht, sich von der Gesundheitsverwaltung eine "Grüne Karte (yesil kart) ausstellen zu lassen. Die Voraussetzungen, unter denen mittellose Personen in der Türkei die Grüne Karte erhalten, ergeben sich aus dem Gesetz Nr. 3816 vom 18. Juni 1992 (AA, wie vor; siehe auch das Gutachten von S. Kaya an das VG Bremen vom 10. Februar 2001). Diese Karte berechtigt zu einer kostenlosen medizinischen Versorgung. Sie kann beantragt werden, wenn ein Wohnsitz in der Türkei besteht. Die Zeit, die zwischen Antragstellung und Erteilung der Karte verstreicht, beträgt normalerweise etwa 6 bis 8 Wochen (AA, wie vor). Das türkische Gesundheitsministerium hat dem Auswärtigen Amt bestätigt, dass bei akut erkrankten Personen eine Sofortbehandlung möglich ist (vgl. auch dazu den Lagebericht vom 15. Juli 2001).
Die yesil kart-Inhaber können sich bezüglich der Behandlungskosten, die nicht vom Staat getragen werden, an die Stiftung für Sozialhilfe und Solidarität wenden. In § 11 des Gesetzes Nr. 3816 ist festgelegt, dass die yesil kart-Inhaber die Honorare und Aufwendungen für Gesundheitsdienste, die nicht unter dieses Gesetz fallen, vom Fonds für Sozialhilfe und Solidarität finanziert erhalten (vgl. Kaya, a.a.O.). Die Stiftung für Sozialhilfe und Solidarität ist in jeder Provinz und jedem Kreis unter dem Vorsitz des jeweiligen Regierungsvertreters (Gouverneur bzw. Landrat) vertreten. Die Ausgaben und Zahlungen dieser Stiftungen werden vom Fonds für Sozialhilfe und Solidarität geleistet, der gemäß Gesetz Nr. 3294 - Gesetz für die Förderung sozialer Hilfe und Solidarität - eingerichtet wurde (Kaya, a.a.O.). Der Inhaber der yesil kart muss dort für nicht bezahlte Gesundheitsdienste sowie Rezepte für Medikamente und Orthoprothesen den ärztlichen Bericht und das Rezept sowie eine Rechnung vorlegen. Wie ein Mitarbeiter der Stiftung mitteilte, bleibt die Unterstützung eines yesil kart-Inhabers zwar dem Ermessen vorbehalten, und es werden auch nicht alle Kosten übernommen. Seinen Angaben zufolge trägt die Stiftung für Sozialhilfe und Solidarität jedoch den Großteil der Kosten für chronisch Kranke, die regelmäßig Medikamente einnehmen und regelmäßig kontrolliert werden müssen (Kaya, a.a.O.).
Dabei ist in den großen Städten und für Personen mit den erforderlichen Mitteln in der Türkei eine medizinische Versorgung im Allgemeinen auf demselben Niveau möglich wie in Deutschland (AA, wie vor). Im Osten des Landes, außerhalb der Städte und/oder für mittellose Personen dagegen liegt das Versorgungsniveau unter dem deutschen (AA, wie vor). Deshalb ist bei der Frage, ob ein Abgeschobener nach seiner Ankunft in der Türkei adäquat medizinisch versorgt sein wird, nicht nur zu klären, welcher Versorgungsstandard zugrunde gelegt wird, sondern auch, an welchen Ort oder in welcher Region in der Türkei der Betroffene zurückkehren wird (AA, wie vor).
Hier ist im Rahmen der anzustellenden Prognose davon auszugehen, dass die Klägerin zu 2) nicht allein, sondern vielmehr zusammen mit ihren Eltern, deren Asylanträge rechtskräftig abgelehnt worden sind, in die Türkei einreisen wird. Die Eltern der Klägerin sind dabei nicht gezwungen, wieder in die Osttürkei zurückzukehren. Vielmehr steht ihnen, die Möglichkeit offen, sich in der Westtürkei - etwa in den Großstädten Ankara oder Istanbul - niederzulassen.
Unter diesen Voraussetzungen ist es nicht ersichtlich, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin zu 2) bei einem Aufenthalt in der Türkei wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Ausweislich der Stellungnahme der Universitätsklinik E. vom 22. Januar 2002 konnte der Zustand der Klägerin zu 2) unter täglicher Medikamentengabe von Sandimmun optoral derart stabilisiert werden, dass seit dem 07. August 1999 ein stationärer Aufenthalt nicht mehr erforderlich war. Nach Auskunft des Universitätsklinikums E. steht bei einer Unterbrechung der Therapie zu befürchten, dass die Klägerin zu 2) einen schweren Rückfall erleiden wird. Bei akuter Beendigung der Therapie sei mit Sicherheit von einem Rezidiv der Grunderkrankung (rezidivierendes Nephrotisches Syndrom) mit erneutem schweren Einweißverlust auszugehen, was sicher eine erneute stationäre Behandlung erforderlich machen würde.
Daraus leitet das Gericht die Überzeugung ab, dass die therapeutische Behandlung der Klägerin derzeit fortzusetzen ist, um zu verhindern, dass die Klägerin erneut eine intensive Gesundheitsbeeinträchtigung erleiden muss. Eine Fortsetzung der im Bericht der Universitätsklinik vom 22. Januar 2002 erwähnten Therapie einhergehend mit regelmäßigen Nachuntersuchungen ist nach Überzeugung des Gerichts unter Beachtung der medizinischen Behandlungsmöglichkeiten, die in Teilen der Türkei bundesdeutsches Niveau erreichen, auch in der Türkei möglich. Es ist nicht erkennbar, weshalb die Familie der Kläger nicht in der Lage sein soll, dort zu leben, wo die Klägerin zu 2) Zugang zu den nötigen medizinischen Einrichtungen erhalten kann.
Auch ist nach Auffassung des Gerichts die Therapie der Klägerin zu 2) nicht aus wirtschaftlichen Gründen bei einem Aufenthalt in der Türkei gefährdet.
Dabei geht das Gericht bei lebensnaher Betrachtung davon aus, dass der Klägerin zu 2) bei Beginn eines Aufenthalts in der Türkei für einen gewissen Zeitraum die nötigen Medikamente noch aus Beständen zur Verfügung stehen, die ihr hier in der Bundesrepublik Deutschland verschrieben wurden. Von daher ist die medikamentöse Versorgung für die erste Übergangszeit in der Türkei gewährleistet.
Für die Zeit danach ist es der Familie zuzumuten, sich bereits bei Ankunft in der Türkei um die erforderlichen Formalien zu kümmern, um über den Erhalt einer "yesil kart" oder über den Fonds für Sozialhilfe und Solidarität eine weitere Versorgung der Klägerin zu 2) mit Medikamenten rechtzeitig sicherzustellen. Im Hinblick auf die erforderlichen Nachuntersuchungen, die in einem Zeitraum von vier bis sechs Wochen stattfinden, ist es den Eltern der Klägerin zu 2) weiter zumutbar, sich ggf. bereits im Vorfeld einer Rückkehr in die Türkei danach zu erkundigen, wo in der Türkei etwa in den Universitätskrankenhäusern der Großstädte entsprechende Behandlungsmöglichkeiten bestehen.
Für Yesil - Kart - Inhaber führt etwa das staatliche Krankenhaus in Malatya auch ohne stationäre Behandlung bei Nierenkranken die erforderlichen Nachuntersuchungen kostenlos durch (Kaya an VG Bremen vom 10. Februar 2001).
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass sich bei konsequenter Inanspruchnahme der therapeutischen Möglichkeiten und der wirtschaftlichen Hilfen für eine Sicherstellung der Therapie für die Klägerin zu 2) nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit feststellen lässt, dass sie bei einem Aufenthalt in der Türkei wesentliche gesundheitliche Beeinträchtigungen hinnehmen muss, die ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 AuslG begründen könnten.
Auch die gegen die Kläger gerichtete Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung des Bundesamtes in dem angefochtenen Bescheid sind rechtlich nicht zu beanstanden. Sie finden ihre Rechtsgrundlage in den §§ 34, 36 Abs. 1 AsylVfG; 50 AuslG.