Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 11.10.2023, Az.: 7 U 794/21

Dieselskandal; Vorliegen Abschalteinrichtung; Motorschutz; Grenzwertkausalität; Kein Verbotsirrtum über die Bedeutung der Übereinstimmungsbescheinigung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
11.10.2023
Aktenzeichen
7 U 794/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 40298
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2023:1011.7U794.21.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 28.06.2021 - AZ: 17 O 221/20

In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 31. August 2023 durch den Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters des Landgerichts Hannover - 17. Zivilkammer - vom 28. Juni 2021 geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.505 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Oktober 2021 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt von den Kosten des Rechtsstreits 9/10, die Beklagte 1/10.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Kläger kann von der Beklagten Ersatz des sog. Differenzschadens gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV in Höhe von 3.505 € verlangen. Ein weitergehender Anspruch aus Kaufvertrag oder auf großen Schadensersatz aus §§ 826, 31 BGB steht ihm nicht zu.

1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV gegen die Beklagte zu. Die Beklagte hat § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV schuldhaft verletzt, indem sie eine unzutreffende Übereinstimmungsbescheinigung erteilt hat. Unzutreffend ist eine Übereinstimmungsbescheinigung, wenn das betreffende Kraftfahrzeug mit einer gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet ist, weil die Bescheinigung dann eine tatsächlich nicht gegebene Übereinstimmung des konkreten Kraftfahrzeugs mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausweist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 38). So liegt es hier.

a) Sowohl die "Strategie A in vergleichbarer Ausprägung" als auch das "Thermofenster" und das "Geregelte Kühlmittelthermostat" sind Abschalteinrichtungen im Sinne von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 715/2007.

aa) Nach Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 kann eine Abschalteinrichtung schon dann vorliegen, wenn die Funktion nur eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems in Abhängigkeit von bestimmten Parametern verändert und die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter den Bedingungen des normalen Fahrbetriebs verringert wird. Während in Bezug auf die Funktionsänderung auf Teile des Emissionskontrollsystems abgestellt werden kann, kommt es für die Wirkung der Funktionsänderung auf das Emissionskontrollsystem in seiner Gesamtheit an, etwa auf die kombinierte Wirkung von Abgasrückführung und -reinigung. Maßstab für die Frage der Zulässigkeit einer Funktionsveränderung in Abhängigkeit von bestimmten Parametern ist nach Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht die Einhaltung des Grenzwerts, sondern die Wirksamkeit des unverändert funktionierenden Emissionskontrollsystems unter den Bedingungen des normalen Fahrbetriebs. In diesem Zusammenhang bedarf es eines Vergleichs der Wirksamkeit des unverändert funktionierenden und derjenigen des verändert funktionierenden Gesamtsystems, und zwar jeweils unter den Bedingungen des normalen Fahrbetriebs im gesamten Unionsgebiet. Ob die Grenzwerte unter den Bedingungen des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) auch bei veränderter Funktion eingehalten würden (Grenzwertkausalität), ist hingegen mit Rücksicht auf den Wortlaut des Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht von Bedeutung. Die Prüfung im NEFZ lässt nur in Bezug auf die dabei wirksamen Emissionskontrollsysteme Prognosen für den gewöhnlichen Fahrbetrieb zu und auch das nur dann, wenn die Wirksamkeit der betreffenden Systeme im gewöhnlichen Fahrbetrieb nicht verringert wird. Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 knüpft an die Verringerung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems in seiner Gesamtheit an und nicht an die Einhaltung der Grenzwerte im NEFZ. Das gilt ohne Rücksicht auf die jeweils eingesetzten Technologien (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 51).

bb) Hieran gemessen handelt es sich bei allen drei Regelungen um Abschalteinrichtungen.

(1) Die "Strategie A in vergleichbarer Ausprägung" reduziert nach der Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes unter normalen Betriebsbedingungen die Wirksamkeit des Emissionsminderungssystems, indem in Abhängigkeit von der SCR-Temperatur bzw. dem Roh-NOx-Massenstrom zwischen "Füllstands"- und "Online-Modus" gewechselt wird. Damit liegt eine Abschalteinrichtung vor. Soweit die Beklagte meint, der Wechsel zwischen "Füllstands"- und "Online-Modus" sei ein komplementäres Modell, weshalb von einer Verringerung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems schon begrifflich nicht gesprochen werden könne, findet diese Auffassung jedenfalls in der Begriffsbestimmung des Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 keinen Anhaltspunkt. Die "Strategie A in vergleichbarer Ausprägung" ermittelt offenbar verschiedene Parameter, um die Funktion des Emissionskontrollsystems zu verändern - hier des Einspritzverhaltens. Die Veränderung führt nach der Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes dazu, dass in dem "Online-Modus" Emissionen nicht in dem gleichen Umfang gemindert werden wie in dem "Füllstands-Modus". Die Beklagte macht auch nicht geltend, dass die infolge der Umschaltung verringerte Emissionsminderung des SCR-Katalysators durch eine erhöhte Abgasrückführungsrate oder andere Teile des Emissionskontrollsystems kompensiert wird. Im Gegenteil, sie führt aus, dass die beiden Modi grundsätzlich unterschiedliche NOx-Konvertierungsraten aufweisen und die Reinigungsleistung des SCR-Systems im "Online-Modus" nicht so hoch liegt, wie sie liegen könnte, wenn wieder in den "Füllstands-Modus" rückgeschaltet würde (Bd. IV 664). Ob, wie die Beklagte vorträgt, die Reinigungsleistung im Realbetrieb regelmäßig über dem Niveau der Reinigungsleistung in der gesetzlichen Emissionsprüfung Typ 1 liegt, oder im Betrieb auf der Straße eine absolute Reinigungsleistung von 100 mg/km unterschritten wird (Bd. IV 628), ist für das Vorliegen einer Abschalteinrichtung nach den gesetzlichen Vorgaben hingegen ohne Bedeutung.

Die zur Stützung ihrer irrigen Rechtsauffassung vorgebrachten Argumente, dass es für die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems darauf ankomme, ob das System [der Emissionskontrolle] im Durchschnitt die geforderte Reinigungsleistung aufweise, wozu die absolute Reinigungsleistung in der gesetzlichen Prüfung Typ I mit der durchschnittlichen absoluten Reinigungsleistung über die als Vergleichsreferenz herangezogene Realfahrt hinweg zu vergleichen sei, und ebenso, dass die Reinigungsleistung des SCR-Katalysators 100 mg/km betragen müsse, weil dies der Herabsetzung des Grenzwertes von EU 5 zu EU 6 entspreche, finden in den gesetzlichen Vorgaben keine Grundlage. Richtig ist zwar, dass diese nicht verlangen, dass die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems im Realbetrieb gegenüber der gesetzlichen Prüfung gesteigert wird. Eine solche Forderung erhebt aber auch niemand (sog. Strohmannargument).

Zudem übergeht die Beklagte, dass weder die Einhaltung der Grenzwerte noch die Prüfstandsbedingungen Definitionsmerkmal einer Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 sind. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist es nicht möglich, zwischen der Funktionsweise einer Einrichtung während der Phase der Zulassungstests und im Betrieb unter normalen Nutzungsbedingungen der Fahrzeuge zu unterscheiden. Im Gegenteil liefe der Einbau einer Einrichtung, die die Einhaltung der in der Verordnung Nr. 715/2007 vorgesehenen Grenzwerte nur während der Phase des Zulassungstests sicherstellen kann, obwohl diese Testphase normale Nutzungsbedingungen des Fahrzeugs nicht nachstellen kann, der Verpflichtung zuwider, bei normalen Nutzungsbedingungen des Fahrzeugs eine wirkungsvolle Begrenzung der Emissionen sicherzustellen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - C-128/20, juris Rn. 42). Richtigerweise ist daher ein Vergleich der Wirksamkeit des unverändert funktionierenden und derjenigen des verändert funktionierenden Gesamtsystems durchzuführen, und zwar jeweils unter den Bedingungen des normalen Fahrbetriebs im gesamten Unionsgebiet, und nicht unter Testbedingungen.

(2) Das "Geregelte Kühlmittelthermostat" führt unstreitig dazu, dass unter bestimmten Betriebsumständen, die Sollwerttemperatur für das Kühlmittelthermostat von 100°C auf 70°C abgesenkt wird. Dies bewirkt eine verbesserte Emissionsreduzierung durch den längeren Warmlauf und dem damit verbundenen besseren Ausgleich von Stickoxiden und Partikeln. Eine Deaktivierung der Funktion erfolgt bei Überschreiten bzw. Unterschreiten einer maximalen bzw. minimalen Außen- und Ansauglufttemperatur, Unterschreiten eines bestimmten Umgebungsdrucks, Überschreiten einer maximalen Last, einer maximalen Drehzahl, einer maximalen Motoröltemperatur und Überschreiten eines Zeitraums, der in Abhängigkeit von der Kühlmitteltemperatur bei Motorstart festgelegt wird. Die Funktion kann über jede dieser Bedingungen deaktiviert werden, wenn die jeweilige Bedingung nicht (mehr) erfüllt ist. Eine erneute Aktivierung der Funktion im laufenden Betrieb findet nicht statt. Danach kann das "Geregelte Kühlmittelthermostat" auch dann deaktiviert werden, wenn die fortgesetzte erhöhte Kühlung zu einer zusätzlichen Vermeidung von NOx-Emissionen führen würde. Ob, wie die Beklagte anführt, aus anderen (technischen) Gründen eine Deaktivierung des "Geregelten Kühlmittelthermostats" angezeigt ist, ist nicht für das Vorliegen einer Abschalteinrichtung, sondern erst für deren Zulässigkeit von Bedeutung.

Das "Geregelte Kühlmittelthermostat" ist auch nicht deshalb nicht als Abschalteinrichtung anzusehen, weil ein sog. Trade-Off im Hinblick auf andere Schadstoffe zu berücksichtigen wäre. Nach der Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union sieht Art. 5 Abs. 1 VO (EG) 715/2007 vor, dass der Hersteller die Fahrzeuge so ausrüsten muss, dass die Bauteile, die sich auf das Emissionsverhalten auswirken, es erlauben, dass die Fahrzeuge unter normalen Betriebsbedingungen die in der Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen vorgesehenen Emissionsgrenzwerte einhalten (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - C-128/20, juris Rn. 41). Aus ihren Erwägungsgründen 1 und 6 ergibt sich, dass das mit der Verordnung verfolgte Ziel darin besteht, ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen und zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte insbesondere die Stickstoffoxid (NOx)-Emissionen bei Dieselkraftfahrzeugen zu mindern (EuGH, aaO Rn. 43). Nach Erwägungsgrund 11 sollten separate Grenzwerte für die Gesamtmasse der Kohlenwasserstoffe eingeführt werden, um die Einführung von mit alternativen Treibstoffen betriebenen Fahrzeugen mit einem niedrigen Ausstoß an Stickoxiden und Partikeln zu fördern und die Existenz solcher Fahrzeuge aufrecht zu erhalten. Schließlich ist auch in Art. 3 Abs. 9 Unterabs. 2 der Verordnung (EG) 692/2008 vorgesehen, dass die Hersteller der Genehmigungsbehörde belegen, dass die Stickstoffoxid (NOx)-Nachbehandlungseinrichtung nach einem Kaltstart bei -7 Grad Celsius innerhalb von 400 Sekunden eine für das ordnungsgemäße Arbeiten ausreichend hohe Temperatur erreicht (vgl. EuGH, aaO Rn. 45). Mit diesen Regelungen und dem Ziel, insbesondere Stickoxidemissionen auch im Normalbetrieb erheblich zu verringern, wäre es jedoch unvereinbar, wollte man einen "Trade-off" mit Kohlenwasserstoffen oder anderen Schadstoffen erlauben. Im Gegenteil ging der Unionsgesetzgeber ausweislich Erwägungsgrund 6 gerade davon aus, dass diese Art von Emissionen bei Dieselfahrzeugen ohnehin niedrig ist, während es einer besonderen Anstrengung zur Vermeidung von Stickoxiden bedürfe. Ein Klärungsbedarf hinsichtlich der Auslegung der maßgeblichen Verordnung besteht nach alledem nicht (acte clair).

(3) Auch das "Thermofenster" stellt eine Abschalteinrichtung dar. Die Beklagte führt aus, dass um Probleme im Zusammenhang mit der Abgasrückführung zu vermeiden, nach Möglichkeit eine Abgastemperatur von weniger als 120°C vermieden werden müsse, weil dies zu Versottungsrisiken führe. Um dem zu begegnen komme eine Temperaturmodellierung der Gastemperatur im AGR-Pfad nach AGR-Kühler zur Anwendung. Werde eine versottungskritische Temperatur von weniger als 110°C ermittelt, werde der AGR-Kühler-Bypass geschaltet, wobei die AGR-Rate nicht reduziert werde. Eine Rückschaltung in den Betrieb mit gekühlter Abgasrückführung erfolge, wenn die modellierte Temperatur mit Kühlung 120°C überschreite. Durch diese Strategie könne die AGR bei betriebswarmem Motor im Außentemperaturbereich zwischen 0°C und 30°C ohne Reduktion der AGR-Rate aus Gründen des Schutzes gegen Versottung und Verlackung betrieben werden. Unterhalb von etwa 0°C Umgebungslufttemperatur werde die Abgasrückführung schrittweise reduziert. Die Korrektur der Abgasrückführungsrate erfolge bei warmem Motor über die Ladelufttemperatur nach Ladeluftkühler. Damit wird die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert (vgl. hierzu VG Schleswig, Urteil vom 20. Februar 2023 - 3 A 113/18, juris Rn. 274).

Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang anführt, dass der von dem Verwaltungsgericht Schleswig angenommene Bereich von -15°C bis +40°C keine Bedingungen seien, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten seien, bedarf dies hier keiner abschließenden Entscheidung. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat bereits entschieden, dass der Begriff "normaler Fahrzeugbetrieb" auf die Verwendung des Fahrzeugs unter tatsächlichen Fahrbedingungen, wie sie im Unionsgebiet üblich sind, und nicht nur auf die Verwendung eines Fahrzeugs unter den Bedingungen für den NEFZ verweist (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - C-128/20, juris Rn. 40). Zur Auslegung des Begriffs der üblichen Fahrbedingungen hat der Gerichtshof unter anderem Art. 3 Abs. 9 Unterabs. 2 VO (EG) Nr. 692/2008 herangezogen, der vorsieht, dass die Hersteller der Genehmigungsbehörde belegen, dass die Stickstoffoxid (NOx)-Nachbehandlungseinrichtung nach einem Kaltstart bei -7 Grad Celsius innerhalb von 400 Sekunden eine für das ordnungsgemäße Arbeiten ausreichend hohe Temperatur erreicht. Daraus ist zu folgern, dass zu den üblichen tatsächlichen Fahrbedingungen in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union jedenfalls der Betrieb eines Fahrzeugs bei Umgebungstemperaturen von weniger als 0°C gehört, der in den Wintermonaten auch regelmäßig in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union erreicht wird.

Mit der Begriffsbestimmung des Art. 3 Nr. 10 VO (EG) Nr. 715/2007 und der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union offensichtlich unvereinbar ist die von der Beklagten unterbreitete Auffassung, durch die parameterabhängige Steuerung der Abgasrückführung werde die Wirkung der Emissionskontrolle definiert, weshalb eine Verringerung ihrer Wirksamkeit begrifflich ausscheide. Das von der Beklagten vorgeschlagene Verständnis hätte die absurde Konsequenz, dass nicht einmal eine manipulative Prüfstandserkennung eine Abschalteinrichtung darstellte, weil auch diese die Wirkung der Emissionskontrolle erst definiert. Im Übrigen ist es auch unzutreffend, wenn die Beklagte meint, jeder Vergleich von Emissionen unter Betriebsbedingungen x mit den Emissionen unter Betriebsbedingungen y gehe fehl. Die für die Bestimmung einer Abschalteinrichtung wesentlichen Betriebsbedingungen sind nicht willkürlich gewählt, sondern richten sich nach den von dem Hersteller festgelegten Parametern, in deren Abhängigkeit der Eingriff in das Emissionskontrollsystem erfolgt. Ein Vergleich verschiedener, möglicherweise inkomparabler Betriebszustände erfolgt nicht, weil lediglich die Wirksamkeit des unverändert funktionierenden und derjenigen des verändert funktionierenden Gesamtsystems unter im Übrigen unveränderten Bedingungen zu vergleichen ist.

b) Die genannten Abschalteinrichtungen sind unzulässig im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 715/2007. Zwar hat sich die - darlegungsbelastete (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 53) - Beklagte auf Motorschutz berufen, was grundsätzlich die Verwendung einer Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a VO (EG) Nr. 715/2007 rechtfertigen kann, sowie hinsichtlich des "Geregelten Kühlmittelthermostats" auch auf die Ausnahme nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c VO (EG) Nr. 715/2007. Die Voraussetzungen hierfür lassen sich ihrem Vortrag jedoch nicht entnehmen.

aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kommt der Aspekt des Motorschutzes im Grunde nur in Betracht, wenn während einer Fahrt Gefahr für den sicheren Betrieb eintreten würde. Die Verschmutzung und der Verschleiß des Motors können nicht als "Beschädigung" oder "Unfall" im Sinne der genannten Bestimmung angesehen werden, denn sie sind im Prinzip vorhersehbar und der normalen Funktionsweise des Fahrzeugs inhärent (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 - C-693/18, ECLI:EU:C:2020:1040 Rn. 110; Urteil vom 14. Juli 2022 - C-128/20, ECLI:EU:C:2022:570 Rn. 54). Infolgedessen sind nur unmittelbare Beschädigungsrisiken, die zu einer konkreten Gefahr während des Betriebs des Fahrzeugs führen, geeignet, die Nutzung einer Abschalteinrichtung zu rechtfertigen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - C-128/20, ECLI:EU:C:2022:570 Rn 56). Notwendig im Sinne der Verordnung ist eine Abschalteinrichtung daher nur dann, wenn zum Zeitpunkt der EG-Typgenehmigung dieser Einrichtung oder des mit ihr ausgestatteten Fahrzeugs keine andere technische Lösung unmittelbare Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall, die beim Fahren eines Fahrzeugs eine konkrete Gefahr hervorrufen, abwenden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 8. November 2022 - C-873/19, juris Rn. 95). Ablagerungen, die erst durch ihre Kumulation über mehrere Fahrten eine Gefahr für den sicheren Betrieb begründen, genügen nicht, wenn und soweit sie durch Wartungsarbeiten beseitigt werden könnten.

bb) Darauf, ob dies möglicherweise unwirtschaftlich wäre oder Kunden an einem solch wartungsintensiven Fahrzeug kein Interesse haben könnten, kommt es nicht an (vgl. hierzu auch VG Schleswig, Urteil vom 20. Februar 2023 - 3 A 113/18, juris Rn. 362 ff.). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hat der Unionsgesetzgeber bei der Festlegung der Grenzwerte für Schadstoffemissionen die wirtschaftlichen Interessen der Automobilhersteller und insbesondere die Kosten, die den Unternehmen durch die erforderliche Einhaltung dieser Werte auferlegt werden, berücksichtigt. Es sei Sache der Hersteller, sich anzupassen und technische Vorrichtungen anzuwenden, mit denen diese Grenzwerte eingehalten werden können, wobei der Einsatz einer bestimmten Technologie nicht vorgeschrieben sei (vgl. EuGH, Urteil vom 8. November 2022 - C-873/19, Rn. 92 mwN). Das angestrebte Ziel eines hohen Umweltschutzniveaus wäre in Frage gestellt, würde eine Abschalteinrichtung allein deshalb zugelassen, weil z. B. die Kosten für die Forschung hoch sind, die technische Ausrüstung teuer ist oder für den Nutzer häufigere und kostspieligere Wartungsarbeiten am Fahrzeug anfallen (vgl. EuGH, aaO Rn. 93 mwN). Dabei hat sich der Gerichtshof explizit gegen das Argument gewandt, bei der Auslegung des Begriffs "notwendig" seien die Umweltinteressen gegen die wirtschaftlichen Interessen der Hersteller abzuwägen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - C-145/20, juris Rn. 77).

cc) Hieran gemessen sind das "Thermofenster", das "Geregelte Kühlmittelthermostat" und "Strategie A (in vergleichbarer Ausprägung)" nicht für den Motorschutz notwendig.

(1) Das gilt zunächst für das "Thermofenster".

(a) Die Beklagte führt an, dass es im Zusammenhang mit der Abgasrückführung zu vielfältigen Schäden kommen könne.

(aa) Die Beklagte macht geltend, dass Ablagerungen infolge ihrer Kumulation über mehrere Fahrten eine Gefahr für den sicheren Betrieb begründen können, weil sich bei wiederholtem Betrieb des Motors bei zu niedrigen Außentemperaturen das Abgasrückführungssystem zusetzen könne. So entstehe Versottung, also eine Belagbildung, welche die Wirksamkeit des AGR-Kühlers mindere, Verlackung, also eine Ablagerung, die eine harte Schicht auf der Oberfläche bilde, bei niedrigen Wandtemperaturen könne Wasserdampf mit Schwefel aus dem Abgas Schwefelsäure bilden und diese könne an der Drosselklappe, die die Frischluftzufuhr regele, zu Eis werden, das zum einen einen Motornotlauf auslösen könne. Zum anderen könne, wenn das Eis schmelze, Wasser in den Brennraum gelangen und den Motor irreversibel schädigen. Tests an optimierten Fahrzeugen zeigten starke Verschmutzungen nach 50.000 km in einem Niedriglast-Profil, bei einem Misch-Dauerlauf sei bei Euro-5-Fahrzeugen nach 60.000 km eine erhebliche Verengung am Einleitrohr der Abgasrückführung zu beobachten gewesen. Ohne das "Thermofenster" könnte innerhalb kurzer Fahrtstrecken ein Grad der Versottung eintreten, bei dem es zu Bauteilversagen bis hin zu Aussetzern des Motors komme.

Die Ablagerungen, insbesondere die Versottung und die Verlackung, ließen sich im Rahmen normaler Wartungsarbeiten durch mechanische Reinigung nicht zuverlässig entfernen. Erforderlich wäre hierzu eine periodisch durchzuführende Reinigung, bei der Bauteile ausgebaut werden müssten. Der damit verbundene Aufwand sei unangemessen. Damit bliebe als Maßnahme zur Vermeidung von Schäden durch Ablagerungen lediglich der regelmäßige (präventive) Austausch der gefährdeten Komponenten. Der damit verbundene Arbeitsaufwand würde mehrere Stunden oder Tage in Anspruch nehmen, ggfs. wäre der gesamte Motor aus- und wieder einzubauen. Ein regelmäßiger präventiver Bauteiltausch wäre daher nicht zu vernünftigen Konditionen realisierbar. Dabei sei auch zu bedenken, dass sie bereits vielfältige Konstruktionsmaßnahmen ergriffen gehabt habe, um das Ablagerungsrisiko zu verringern.

(bb) Auch bestehe das Risiko von Motoraussetzern. Die Abgasrückführung reduziere den Sauerstoffgehalt im Brennraum, was, wenn zu viel Abgas rückgeführt werde, zu Aussetzern führen könne. Neben der Abgasrückführungsrate beeinflussten weitere Faktoren die Neigung des Systems zu Aussetzern, wie die Temperatur der Zylinderladung, die Kühlwassertemperatur und die Ansauglufttemperatur. Ein besonderes Risiko wiesen zudem Betriebspunkte mit niedrigen Einspritzmassen auf. Aussetzer könnten neben erschwerten Bedingungen für den Fahrer, etwa beim Überholen, dazu führen, dass Abgas unverbrannten Kraftstoff aus dem Zylinder heraustrage, sich im Diesel-Oxydationskatalysator einlagere und dort spontan entzünden könne.

(cc) Ebenfalls müsse darauf geachtet werden, dass die Abgasrückführung keine zu starke Ölverdünnung nach sich ziehe, was zu einer Reduzierung der Schmierfähigkeit führe, was seinerseits den Komponentenverschleiß erhöhe. Überschreite dieser ein kritisches Ausmaß, könne dies einen plötzlich auftretenden Defekt des Motors bewirken. Die Ölverdünnung entstehe dadurch, dass für die Regeneration des Dieselpartikelfilters in den Diesel-Oxidationskatalysator zusätzlicher Brennstoff eingespritzt werde, der von den Zylinderwänden in den Ölraum tropfen könne. Durch die Ölverdünnung werde auch die Ölmenge erhöht, ohne dass dies durch einen Ölmehrverbrauch kompensiert wäre. Dies könne ein sog. Ölwerfen verursachen, also dass Öl infolge eines zu hohen Ölstands in den Motor angesaugt und dort verbrannt werde. Eine unkontrollierte Verbrennung von Motoröl könne durch Überschreiten der maximalen Drehzahl zu einem kapitalen Motorschaden führen. Nach entwicklungsinternen Vorgaben sei bei der Abgasrückführungs-Auslegung berücksichtigt worden, dass der maximal zulässige Kraftstoffeintrag in das Motoröl 10% nicht überschreite.

(dd) In das Motoröl könnte aufgrund der Dieselpartikelfilter-Regeneration auch vermehrt Ruß gelangen, was ebenfalls die Schmierfähigkeit verringere und schon in geringen Mengen zu einer stark erhöhten Verschleißgeschwindigkeit führen könne. Der Rußeintrag sei anders als die Ölverdünnung nicht reversibel, sondern könne nur durch einen Ölwechsel beseitigt werden.

(ee) Zu hohe Abgasrückführungsraten könnten auch einen Brand im Dieselpartikelfilter nach sich ziehen, wenn dessen Beladungsgrenze überschritten werde. Eine erhöhte Abgasrückführung führe daher zu einer häufigeren - schadstoffintensiven - Regeneration des Dieselpartikelfilters.

(ff) Leckagen im Ladedruckpfad beeinträchtigten die Genauigkeit der Luftmassenmessung, die Grundlage der Berechnung der Abgasrückführungsrate sei. Eine falsch berechnete Luftmasse habe eine fehlerhaft berechnete Abgasrückführungsrate zur Folge.

(gg) Schließlich ändere rückgeführtes Abgas die Temperaturbeanspruchung aller Bauteile, die dem Abgas ausgesetzt seien. Auch häufige Regenerationen belasteten aufgrund der Hitze die Abgasanlage.

(b) Mit diesen vielfältigen Problemen ist die Notwendigkeit der Verwendung eines "Thermofensters" zum Motorschutz nicht dargetan.

(aa) Hinsichtlich der Ablagerungen behauptet die Beklagte im Ergebnis nicht, dass eine andere technische Lösung zur Vermeidung der Ablagerungsrisiken für den Motor nicht zur Verfügung gestanden hätte, sondern nur, dass der damit verbundene Aufwand unverhältnismäßig sei. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat jedoch bereits entschieden, dass häufige und kostspielige Wartungsarbeiten es nicht rechtfertigen, zu Lasten des Ziels eines hohen Umweltschutzniveaus eine Abschalteinrichtung zuzulassen. Die Beklagte kann sich danach nicht damit rechtfertigen, dass sie es versäumt hat, die von ihr geforderte technische Anpassung vorzunehmen.

(bb) Ähnlich liegt es hinsichtlich der Ölverdünnung und des Rußeintrags, die einen erhöhten Verschleiß nach sich ziehen sollen. Insoweit führt die Beklagte selbst an, dass die Ölverdünnung reversibel sei. Das sei zwar der Rußeintrag nicht, er könne aber durch einen Ölwechsel beseitigt werden. Damit stehen jedoch andere technische Lösungen zur Verfügung. Warum diese Möglichkeiten nicht ausreichend sein sollen, legt die Beklagte nicht dar.

(cc) Hinsichtlich eines möglichen Brandes des Dieselpartikelfilters, eventueller Berechnungsfehler und der Temperaturbeanspruchung von Bauteilen handelt es sich zum einen bereits nicht um Bestandteile des Motors (vgl. hierzu Anhang I Abs. 3.3.1.2 und 3.3.1.3 zur VO (EG) Nr. 692/2008; auch EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - C-128/20, juris Rn. 51 f.). Zum anderen bleibt nach dem Vortrag der Beklagten aber offen, in welchem Zusammenhang hiermit die Verwendung eines "Thermofensters" stehen soll, warum also die Abgasrückführungsrate in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur reduziert werden müsste.

(dd) Ähnlich liegt es hinsichtlich der Motoraussetzer, die im schlechtesten Fall einen Fahrzeugbrand auslösen könnten. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass eine Abschalteinrichtung nur zulässig ist, wenn sie erforderlich ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und - kumulativ - um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - C-128/20, juris Rn. 61 f.). Da der Diesel-Oxydationskatalysator aber kein Teil des Motors ist, erscheint diese Voraussetzung schon zweifelhaft. Dessen ungeachtet erklärt die Beklagte erneut nicht, warum eine temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung zur Vermeidung dieses Risikos notwendig sein soll. Die Beklagte gibt an, dass neben der Abgasrückführungsrate eine Vielzahl weiterer Parameter die Neigung des Systems zu Aussetzern beeinflusse und ein besonderes Risiko bei Betriebspunkten mit niedrigen Einspritzmassen bestehe. In welchem Zusammenhang hiermit die Lade- oder Umgebungslufttemperatur stehen soll, bleibt offen.

(2) Das Gleiche gilt entsprechend für die Notwendigkeit des "Geregelten Kühlmittelthermostats". Auch insoweit macht die Beklagte Risiken aus Ölverdünnung, reduzierter Schmierfähigkeit infolge geringerer Ölqualität sowie Ablagerungsrisiken geltend, die - wie ausgeführt - die Verwendung der Abschalteinrichtung zum Motorschutz nicht rechtfertigen können.

Das "Geregelte Kühlmittelthermostat" ist auch nicht mangels "Grenzwertkausalität" nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c VO (EG) Nr. 715/2007 zulässig.

(a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c VO (EG) Nr. 715/2007 nur dann einschlägig, wenn die Bedingungen, "unter denen die Einrichtung arbeitet", im Emissionsprüfverfahren im Wesentlichen "berücksichtigt" sind (vgl. dazu den Kommissionsentwurf vom 21. Dezember 2005, KOM [2005] 683 endg., S. 18). Die in Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c VO (EG) Nr. 715/2007 vorgesehene Privilegierung ist daher nur dann einschlägig, wenn die Abschalteinrichtung deshalb greift, weil dies durch die Prüfverfahren zur Emissionsmessung im Wesentlichen vorgegeben wird (siehe auch Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, WD 7 - 3000 - 031/16, S. 18; vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2019 - VIII ZR 225/17, juris Rn. 15). Zu der Auslegung der Ausnahme kann auch die Regelung des Art. 19 Satz 2 Buchstabe c der zum 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Verordnung 168/2013/EU herangezogen werden, wonach ein Konstruktionsteil nicht als Abschalteinrichtung gilt, wenn die Betriebsbedingungen in einem wesentlichen Umfang in die Prüfverfahren einbezogen wurden, mittels derer festgestellt wird, ob das Fahrzeug den Anforderungen dieser Verordnung und den gemäß dieser Verordnung erlassenen delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten entspricht (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2019 - VIII ZR 225/17, juris Rn. 15).

(b) Mit ihren gegen diese höchstrichterliche Auslegung vorgebrachten Argumenten dringt die Beklagte nicht durch. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Kontext und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (EuGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 - C-693/18, ECLI:EU:C:2020:1040 Rn. 94; Urteil vom 5. Oktober 2023 - C-296/22, ECLI:EU:C:2023:743 Rn. 26 mwN). Die von der Beklagten vorgeschlagene Interpretation widerspricht sowohl dem Wortlaut der Vorschrift als auch Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung.

(aa) Die Beklagte gesteht zu, dass nach dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c VO (EG) Nr. 715/2007 eine Abschalteinrichtung nur dann zulässig sein kann, wenn ihre Aktivierungsbedingungen im Wesentlichen in den Prüfverfahren enthalten sind. Das trifft auf das "Geregelte Kühlmittelthermostat" nicht zu, das die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems auf dem Prüfstand nicht vermindert. Die Beklagte erläutert nicht, wieso eine solche Abschalteinrichtung, die unter Prüfstandsbedingungen nicht aktiviert wird, die Wirksamkeit der Emissionskontrolle also unter diesen Bedingungen nicht vermindert, gleichwohl unter den Wortlaut von Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c VO (EG) Nr. 715/2007 fallen sollte.

(bb) Die Beklagte kann sich auch nicht auf Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung berufen.

Die Vorgabe, dass die Aktivierungsbedingungen der Abschalteinrichtung im Wesentlichen in den Prüfverfahren enthalten sein müssen, bewirkt, dass die Zulässigkeit nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c VO (EG) Nr. 715/2007 nach Durchführung der Verfahren zur Prüfung der Verdunstungsemissionen und der durchschnittlichen Auspuffemissionen abschließend beurteilt werden kann; hingegen bedarf das von der Beklagten durchgeführte "Testing Out" einer gesonderten, in dem Zulassungsverfahren nicht vorgesehenen Prüfung.

Auch der Zweck der Vorschrift liegt nicht darin, in Verkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses jede Abschalteinrichtung für zulässig zu erklären, die für die Einhaltung der Grenzwerte auf dem Prüfstand nicht benötigt wird. Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c VO (EG) Nr. 715/2007 statuiert eine Ausnahme von dem generellen Verbot von Abschalteinrichtungen nur für die Fälle, in denen die Auswirkungen der Abschalteinrichtung auf die Emissionsminderung dadurch, dass ihre Bedingungen "im Wesentlichen" in den Verfahren zur Prüfung enthalten sind, geprüft werden konnten. Durch diese Vorgabe ist sichergestellt, dass das generelle Verbot von Abschalteinrichtungen nicht unterlaufen wird, weil die nach Buchstabe c zulässige Abschalteinrichtung außerhalb der Prüfstandsbedingungen allenfalls in nicht wesentlichen Fällen noch zu einer Minderung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems führen kann. Nur insoweit erlaubt die Prüfung im NEFZ eine Prognose über die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems. Auf eine Abschalteinrichtung, die eine Minderung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems hingegen im Wesentlichen nur außerhalb der Prüfstandsbedingungen bewirkt, trifft diese Erwägung nicht zu (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 51). Die Beklagte macht selbst in anderem Zusammenhang geltend, dass die Emissionen in unterschiedlichen Betriebszuständen nicht miteinander vergleichbar sind.

Schließlich sind die Ausnahmen von dem Verbot der Verwendung von Abschalteinrichtungen eng auszulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - C-128/20, ECLI:EU:C:2022:570 Rn. 50; Urteil vom 21. März 2023 - C-100/21, ECLI:EU:C:2023:229 Rn. 61). Dieser Grundsatz steht einer Auslegung entgegen, die sich von dem Wortlaut der Vorschrift vollständig löst und die darin genannten Tatbestandsmerkmale in ihrer Gesamtheit überflüssig macht. Das wäre jedoch die Folge, würde man mit der Beklagten allein auf die Einhaltung des Grenzwerts unter Prüfbedingungen abstellen.

(c) Danach ist das "Geregelte Kühlmittelthermostat" nicht nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c VO (EG) Nr. 715/2007 zulässig. Das "Geregelte Kühlmittelthermostat" reduziert unter Prüfstandsbedingungen nicht die Abgasreinigung, wird also nicht als Abschalteinrichtung aktiv. Zu einer Deaktivierung, und damit einer verminderten Wirksamkeit der Emissionskontrolle, kommt es nur unter Bedingungen, die auf dem Prüfstand nicht auftreten. Die Bedingungen des "Geregelten Kühlmittelthermostats" sind mithin nicht in den Verfahren zur Prüfung der Verdunstungsemissionen und der durchschnittlichen Auspuffemissionen im Wesentlichen enthalten. Ob die Emissionsgrenzwerte auf dem Prüfstand eingehalten werden, wenn die Abschalteinrichtung künstlich ausgelöst wird, ist nach den oben genannten Grundsätzen ohne Bedeutung.

(3) Schließlich macht die Beklagte für die konkrete Ausgestaltung des SCR-Systems keine Ausnahme nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) Nr. 715/2007 geltend. Zwar weist sie darauf hin, dass bei zu niedrigen Temperaturen im SCR-Katalysator Ablagerungen entstehen können. Diese Ablagerungen ließen sich aber durch Regeneration des Dieselpartikelfilters beseitigen. In erster Linie beruft sie sich darauf, dass es gelte, einen sog. Ammoniak-Schlupf zu vermeiden, also dass Ammoniak bei Übersättigung des Katalysators entweicht. Wie die Beklagte aber selbst darlegt, bestand für Ammoniak-Emissionen kein einzuhaltender Grenzwert, der im Rahmen eines Zielkonfliktes hätte aufgelöst werden müssen. Schließlich fallen die aufgrund des Ammoniak-Schlupfes vorgetragenen Fehldiagnosen im Zusammenhang mit einer Kreuzsensitivität der Stickoxid-Sensoren des OBD-Systems nicht unter die Ausnahmen des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) Nr. 715/2007.

c) Eine Schadensersatzhaftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV setzt ein Verschulden des in Anspruch genommenen Fahrzeugherstellers voraus, wofür nach dem heranzuziehenden Maßstab des § 37 Abs. 1 EG-FGV ein fahrlässiger Verstoß genügt (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 38). Bei - wie hier - objektiv feststehender Verletzung eines Schutzgesetzes muss der das Schutzgesetz Übertretende in aller Regel Umstände darlegen und beweisen, die geeignet sind, die daraus folgende Annahme seines Verschuldens auszuräumen. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Schadensersatzanspruch - was hier nicht der Fall ist - Vorsatz voraussetzt (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2016 - II ZR 311/14, juris Rn. 16; Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 59).

aa) Die Haftung wegen Fahrlässigkeit ist nur bei einem unvermeidbaren Rechtsirrtum ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2014 - XI ZR 418/13, juris Rn. 14 allg. zu § 276 BGB; Urteil vom 30. Mai 1972 - VI ZR 6/71, juris Rn. 29; Urteil vom 12. Mai 1992 - VI ZR 257/91, juris Rn. 20 jew. zum Deliktsrecht). Der Fahrzeughersteller, der sich unter Berufung auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum entlasten will, muss sowohl den Verbotsirrtum als solchen als auch die Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums konkret darlegen und beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 63). An das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums sind strenge Maßstäbe anzulegen, wobei der Schuldner die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich, Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten muss. Grundsätzlich trifft den Schuldner das Risiko, die Rechtslage zu verkennen. Er handelt schuldhaft, wenn er mit der Möglichkeit rechnen muss, dass das zuständige Gericht einen anderen Rechtsstandpunkt einnehmen wird (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2014 - XI ZR 418/13, juris Rn. 14 mwN). Das ist etwa der Fall, wenn sich der Hersteller mit Rücksicht auf eine nicht in seinem Sinn geklärte Rechtslage erkennbar in einem rechtlichen Grenzbereich bewegte, schon deshalb eine abweichende rechtliche Beurteilung seines Vorgehens in Betracht ziehen und von der eventuell rechtswidrigen Verwendung der Abschalteinrichtung absehen musste (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 69). Die Verneinung des Schuldvorwurfs setzt voraus, dass die letztlich als unzutreffend erkannte Rechtsmeinung nicht nur vertretbar, sondern auch aufgrund sorgfältiger rechtlicher und tatsächlicher Prüfung gewonnen worden war (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2005 - III ZR 264/04, juris Rn. 19).

bb) Daneben kann der Hersteller, der sich sorgfaltswidrig verhalten hat, zu seiner Entlastung darlegen und erforderlichenfalls nachweisen, seine Rechtsauffassung von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 wäre bei entsprechender Nachfrage von der für die EG-Typgenehmigung oder für anschließende Maßnahmen zuständigen Behörde bestätigt worden (hypothetische Genehmigung). Steht fest, dass eine ausreichende Erkundigung des einem Verbotsirrtum unterliegenden Schädigers dessen Fehlvorstellung bestätigt hätte, scheidet eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB infolge eines unvermeidbaren Verbotsirrtums auch dann aus, wenn der Schädiger eine entsprechende Erkundigung nicht eingeholt hat (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 65). Eine Entlastung auf dieser Grundlage setzt allerdings voraus, dass der Fahrzeughersteller nicht nur allgemein darlegt, dass die Behörde Abschalteinrichtungen der verwendeten Art genehmigt hätte, sondern dass ihm dies auch unter Berücksichtigung der konkret verwendeten Abschalteinrichtung in allen für die Beurteilung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 maßgebenden Einzelheiten gelingt. Haben mehrere Abschalteinrichtungen Verwendung gefunden, müssen die Einzelheiten der konkret verwendeten Kombination für die Frage einer hypothetischen Genehmigung in den Blick genommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 66). Da es bei der hypothetischen Genehmigung nicht darum geht, ob sich der Schädiger verkehrsgemäß verhalten hat - hätte er dies, käme es auf hypothetische Erwägungen nicht an -, sondern ob der sog. Vermeidbarkeitszusammenhang entfallen ist (vgl. hierzu Sternberg-Lieben/Schuster in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 17 Rn. 22), kommt es auf das Bestehen einer entsprechenden Verwaltungspraxis nicht an (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 67).

cc) Gemessen hieran hat die Beklagte ein zumindest fahrlässiges Handeln bei Abschluss des Kaufvertrages (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 61) nicht widerlegt. Die Beklagte unterlag bereits keinem konkreten Rechtsirrtum.

(1) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Darlegung eines konkreten Irrtums weder allgemein noch bei der tatsächlichen oder hypothetischen Genehmigung entbehrlich. Diese Ansicht steht zum einen im Widerspruch zu der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Entfallen der Fahrlässigkeit infolge eines Rechtsirrtums im Allgemeinen und des Fahrzeugherstellers im Besonderen. Zum anderen ist die Auffassung der Beklagten auch mit der strafrechtlichen Dogmatik, welcher die Rechtsfigur der hypothetischen Genehmigung zu der Beurteilung der Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrtums nach § 17 StGB entlehnt ist, unvereinbar. In der strafrechtlichen Literatur und Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass die bloße Berufung auf einen Verbotsirrtum nicht dazu nötigt, einen solchen als gegeben anzunehmen; vielmehr ist das Fehlen des Unrechtsbewusstseins als innere Tatsache dem Strengbeweis zugänglich und im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände das Vorstellungsbild des Beschuldigten festzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2012 - 1 StR 213/10, juris Rn. 63; BeckOK StGB/Heuchemer [1.8.2023], § 17 Rn. 48; MüKoStGB/Joecks/Kulhanek, 4. Aufl., § 17 Rn. 22 f.; Sternberg-Lieben/Schuster in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 17 Rn. 12c). Nichts anderes gilt im Zivilprozess, wobei die Darlegungs- und Beweislast bei dem Schädiger liegt, die Unerweislichkeit eines Verbotsirrtum also zu seinen Lasten geht.

(2) Es ist bereits zweifelhaft, ob die Beklagte einen Irrtum darüber, dass die Übereinstimmungsbescheinigung die Übereinstimmung mit allen Rechtsakten enthält, schlüssig darlegt oder lediglich eine unbeachtliche Behauptung ins Blaue hinein aufstellt. Die Beklagte behauptet lediglich pauschal, dass die Ausstellenden der Auffassung gewesen seien, eine zutreffende Übereinstimmungsbescheinigung in den Verkehr gegeben zu haben, weil das Fahrzeug mit dem genehmigten Typ übereingestimmt habe. Dass neben der EG-Typgenehmigung auch die Übereinstimmungsbescheinigung eine eigenständige Aussage über die materielle Übereinstimmung "mit allen Rechtsakten" enthalten sollte, sei für diese nicht ersichtlich gewesen.

Damit ist zwar eine rechtliche Fehlvorstellung bezeichnet, jedoch ohne jeglichen Anhaltspunkt dafür, dass diese zutreffen könnte. Nach Art. 3 Nr. 36 Richtlinie 2007/46/EG ist die Übereinstimmungsbescheinigung das in Anhang IX wiedergegebene, vom Hersteller ausgestellte Dokument, mit dem bescheinigt wird, dass ein Fahrzeug aus der Baureihe eines nach dieser Richtlinie genehmigten Typs zum Zeitpunkt seiner Herstellung allen Rechtsakten entspricht. Da die "Übereinstimmung mit allen Rechtsakten" im Wortlaut der Definition der Übereinstimmungsbescheinigung enthalten ist (vgl. auch die englische Fassung: "[...] complied with all regulatory acts at the time of its production"), entbehrt die Behauptung, dieses sei für die verantwortlichen Personen bei der Beklagten nicht ersichtlich gewesen, jeglicher Plausibilität.

Hierauf kommt es aber nicht entscheidend an. Selbst, wenn der Vortrag der Beklagten auf der Darlegungsebene noch als ausreichend zu beurteilen wäre, steht der von ihr behauptete Irrtum nicht fest, weil sie keinen Beweis anbietet.

Schließlich wäre ein solcher Irrtum angesichts des klaren Wortlauts vermeidbar, weil von einem Fahrzeughersteller erwartet werden muss, dass er die für seinen Geschäftsbereich erlassenen Vorschriften auch zur Kenntnis nimmt.

(3) Die Beklagte legt einen Verbotsirrtum auch in Bezug auf das "Thermofenster" unter Berufung auf ein angeblich einhelliges Rechtsverständnis im Kaufzeitpunkt nicht dar.

Hierzu behauptet sie zwar zum einen, dass "Thermofenster" als zulässige Abschalteinrichtungen angesehen worden seien, weil es sich dabei nicht um eine manipulative Prüfstandserkennung handele, zum anderen, dass die Ausnahme des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a VO (EG) Nr. 715/2007 weit ausgelegt worden sei. Die Behauptung eines eigenen Irrtums ist hiermit jedoch nicht verbunden. Die Beklagte führt insoweit unter Bezugnahme auf den Bericht des 5. Untersuchungsausschusses des 18. Deutschen Bundestages aus, dass die Kommission den Wortlaut für eindeutig befand und eine strenge Auslegung verlangte. Dies sei zwar für den Mitarbeiter des Kraftfahrtbundesamtes überraschend gewesen. Über das Vorstellungsbild der bei ihr Verantwortlichen äußert sie sich jedoch nicht.

Einem solchen Rechtsirrtum der Beklagten steht zudem entgegen, dass die von ihr behaupteten Fehlvorstellungen sich gegenseitig ausschließen. Wenn unter einer Abschalteinrichtung nur eine manipulative Prüfstandserkennung verstanden worden wäre, könnten sich auch die Ausnahmen des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) Nr. 715/2007 nur darauf beziehen. Ein "Thermofenster" wäre nach dieser Ansicht bereits keine Abschalteinrichtung, so dass sich Fragen der Zulässigkeit nicht stellen könnten. Ein Bedürfnis für eine weite Auslegung der Ausnahmevorschriften hätte überhaupt nur bestanden, wenn - zumindest auch - ein Verständnis des Begriffs der Abschalteinrichtung vertreten wurde, dass sich nicht auf manipulative Prüfstandserkennungen beschränkte. Dann bestand aber kein einhelliges Rechtsverständnis, wie die Beklagte behauptet, sondern allenfalls eine Ergebnisübereinstimmung.

Auch unter Berücksichtigung der von der Beklagten im Verfahren unterbreiteten Rechtsauffassung kann nicht zu ihren Gunsten angenommen werden, dass sie eine entsprechende doppelte Fehlvorstellung bei ihren Mitarbeitern behaupten wollte. Zwar hatte die Beklagte in der Berufungserwiderung geltend gemacht, das "Thermofenster" sei begrifflich keine Abschalteinrichtung, weil hierunter nur manipulative Prüfstandserkennungen fielen. Abgesehen davon, dass danach unklar bleibt, warum sich ausgehend von einem solchen Verständnis bei der Beklagten ein weites Verständnis der Ausnahmevorschriften gebildet haben sollte, hat die Beklagte diese Auffassung im weiteren Verfahren fallen gelassen. Sie vertritt nunmehr - wie oben dargestellt - die Ansicht, das "Thermofenster" sei begrifflich keine Abschalteinrichtung, weil durch die Ausgestaltung der Abgasrückführung die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems definiert werde. Dabei ist schließlich auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte der Meinung ist, der Darlegung eines Irrtums bedürfe es ohnehin nicht. Dieser ausdrücklich geäußerten Rechtsauffassung liefe die Annahme eines konkludent behaupteten Irrtums jedoch zuwider.

Ungeachtet dessen bleibt die Beklagte mangels Beweisangebotes beweisfällig.

Schließlich ist nicht zu erkennen, dass ein entsprechender Irrtum unvermeidbar gewesen wäre. Der Begriff der Abschalteinrichtung wird in Art. 3 Nr. 10 VO (EG) Nr. 715/2007 legaldefiniert. Ein etwaiges umgangssprachliches Verständnis, etwa des in der englischen Fassung verwendeten Ausdrucks "defeat device", ist danach nicht maßgeblich.

(4) Das Gleiche gilt hinsichtlich des "Geregelten Kühlmittelthermostats". Soweit die Beklagte zudem eine tatsächliche Genehmigung darin erblicken will, dass das Kraftfahrtbundesamt dieses System in dem Fahrzeug des Klägers nicht als unzulässig einstufe, geht dies fehl. Das Kraftfahrtbundesamt hat in der Auskunft vom 20. Juni 2022 mitgeteilt, dass es das "Geregelte Kühlmittelthermostat" nicht getestet habe. Eine Genehmigung liegt hierin nicht. Darüber hinaus ist der Fahrlässigkeitsvorwurf zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses zu widerlegen, der hier in 2015 erfolgte. Die zeitlich nachfolgende Freigabe des Software-Updates ist hierfür ohne Bedeutung.

(5) Einen Rechtsirrtum in Bezug auf die "Strategie A in vergleichbarer Ausprägung" behauptet die Beklagte nicht einmal. Darauf, dass eine hypothetische Genehmigung aufgrund der Beanstandung durch das Kraftfahrtbundesamt ausscheidet, kommt es daher nicht mehr an.

d) Nach Maßgabe der oben genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat der Tatrichter die Höhe des ersatzfähigen Schadens im Rahmen der vorgesehenen Bandbreite zwischen 5% und 15 % des gezahlten Kaufpreises nach § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO ohne Hinzuziehung eines Sachverständigengutachtens nach freier Überzeugung schätzen. Da der Kläger das Fahrzeug als Unternehmer erworben hat, entspricht der gezahlte Kaufpreis dem Nettokaufpreis.

aa) Bei dieser Schätzung hat der Tatrichter bei der Bestimmung des objektiven Werts des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die mit der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung verbundenen Nachteile, insbesondere das Risiko behördlicher Anordnungen, zu berücksichtigen. Weiter hat er den Umfang in Betracht kommender Betriebsbeschränkungen und die Eintrittswahrscheinlichkeit solcher Beschränkungen mit Rücksicht auf die Einzelfallumstände in den Blick zu nehmen. Maßgebend ist dabei eine auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogene Betrachtung. Über diese originär schadensrechtlichen Gesichtspunkte hinaus hat der Tatrichter das Gewicht des der Haftung zugrundeliegenden konkreten Rechtsverstoßes für das unionsrechtliche Ziel der Einhaltung gewisser Emissionsgrenzwerte sowie den Grad des Verschuldens nach Maßgabe der Umstände des zu beurteilenden Einzelfalls zu bewerten, um so dem Gebot einer verhältnismäßigen Sanktionierung auch bezogen auf den zu würdigenden Einzelfall Rechnung zu tragen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 76 f.).

bb) Nach diesen Grundsätzen ist der dem Kläger entstandene Schaden auf 10% des von ihm gezahlten Kaufpreises, also 3.505 € zu bestimmen.

Der Schaden kann einerseits nicht im oberen Bereich liegen. Zwar hat die Beklagte durch die Verwendung von gleich drei unzulässigen Abschalteinrichtungen das Risiko eines behördlichen Eingreifens - das sich letztlich auch hinsichtlich der "Strategie A" verwirklicht hat - erheblich gesteigert und ist jedenfalls die "Strategie A" grenzwertrelevant, weshalb das mit dem Verbot unzulässiger Abschalteinrichtungen angestrebte hohe Umweltschutzniveau vereitelt wird. Schließlich befand sich die Beklagte auch nicht in einem Rechtsirrtum. Sowohl hinsichtlich des erstrebten Umweltschutzniveaus als auch des Grads des Verschuldens bleibt der Verstoß der Beklagten jedoch hinter dem einer manipulativen Prüfstandserkennung zurück. Andererseits stehen die genannten Gründe einer Schadensbestimmung im unteren Bereich entgegen. Aus der danach noch verbleibenden Spanne erscheint die Beeinträchtigung des Vorteils der jederzeitigen Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs in diesem Fall mit 10% zutreffend erfasst.

e) Der Schaden ist nicht durch Anrechnung eines Vorteilsausgleichs aufgezehrt.

aa) Auf den Differenzschaden finden die von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe des Vorteilsausgleichs zum "kleinen" Schadensersatz Anwendung (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 80 mit Verweis auf BGH, Urteil vom 6. Juli 2021 - VI ZR 40/20, juris Rn. 23 f.; Urteil vom 24. Januar 2022 - VIa ZR 100/21, juris Rn. 17). Dies hat zur Folge, dass die Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs anspruchsmindernd im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnen sein können, soweit sie den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigen, wofür ebenfalls die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet ist. Beruft sich der Fahrzeughersteller auf die nachträgliche Verbesserung des Fahrzeugs durch ein Software-Update, kann damit eine Schadensminderung nur verbunden sein, wenn und soweit das Software-Update die Gefahr von Betriebsbeschränkungen signifikant reduziert. Das wiederum kann nur dann der Fall sein, wenn es nicht seinerseits eine unzulässige Abschalteinrichtung beinhaltet.

bb) Nach diesen Grundsätzen ist ein Vorteilsausgleich zu verneinen.

(1) Das Fahrzeug des Klägers hat durch das in der Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes genannte Software-Update keine Aufwertung erfahren. Insoweit legt die Beklagte lediglich dar, dass es mit dem Update ermöglicht wird, trotz Kreuzsensitivität der Stickoxidsensoren anhand der jeweils ermittelten Stromstärke Ammoniak und Stickoxid besser zu unterscheiden. Dass sie mit dem Software-Update die Programmierung so geändert habe, dass anhand der Stickoxidmasse und anderer Parameter im normalen Fahrbetrieb keine Änderung des Einspritzverhaltens mehr vorgenommen wird, die mit einer Wirksamkeitsreduzierung einhergeht, ist dem nicht zu entnehmen.

Das gilt auch, soweit ihren Ausführungen entnommen werden kann, dass das Kraftfahrtbundesamt von der Beklagten ein Update verlangt, damit ohne Neustart ein Wechsel von dem "Online-Modus" zurück in den "Füllstands-Modus" möglich ist. Dies ist indes nicht maßgeblich, weil auch mit einer solchen Funktion ein Wechsel von dem effektiveren "Füllstands-Modus" in den "Online-Modus" unter normalen Betriebsbedingungen erfolgt, so dass eine Abschalteinrichtung vorliegt. Warum diese Konstruktion im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 715/2007 zulässig sein sollte, legt die Beklagte nicht dar.

(2) Der Schaden ist auch im Übrigen nicht ausgeglichen, weil die Summe aus Nutzungen und Restwert den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs von 31.545 € (Kaufpreis abzüglich 10%) im Kaufzeitpunkt nicht übersteigt.

(a) An gezogenen Nutzungen sind die von dem Kläger gefahrenen 71.000 km zugrunde zu legen.

Beläuft sich der Schaden (infolge Vorsteuerabzugsberechtigung) auf den aufgewendeten Nettokaufpreis abzüglich gezogener Nutzungsvorteile, kann für die Bemessung der anzurechnenden Vorteile von folgender Formel gemäß § 287 ZPO ausgegangen werden:

Nutzungsvorteil = Nettokaufpreis x gefahrene Strecke (seit Erwerb) / erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt (vgl. BGH, Urteil vom 23. März 2021 - VI ZR 3/20, juris Rn. 7 ff.).

Für die Berechnung der Nutzungsvorteile schätzt der Senat (§ 287 ZPO) die Gesamtlaufleistung auf 250.000 km (so auch OLG Hamm, Urteil vom 10. September 2019 - 13 U 149/18, juris Rn. 91 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019 - 13 U 142/18, juris Rn. 114). Diese Laufleistung entspricht der gewöhnlichen Lebensdauer eines - wie hier - Mittelklassefahrzeugs (wenn auch nicht der maximalen, bei entsprechend gesteigertem Erhaltungsaufwand technisch möglichen Leistungsgrenze) und wird der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Celle regelmäßig zugrunde gelegt (vgl. Senatsurteile vom 20. November 2019 - 7 U 244/18 und vom 22. Januar 2020 - 7 U 445/18).

Der Kläger erwarb das Fahrzeug als Neufahrzeug, bei Weiterverkauf hatte es eine Laufleistung von 71.000 km. Der Netto-Kaufpreis belief sich auf 35.050 €. Daraus errechnet sich ein Nutzungsvorteil von 9.954,20 € (35.050 € x 71.000 km / 250.000km).

(b) Hinsichtlich des Restwertes kann dahinstehen, ob der von dem Kläger tatsächlich erzielte Nettoerlös von 13.500 € oder der von der Beklagten unter Vorlage einer Internetannonce in der Verhandlung vorgetragene Wert von 21.500 € (brutto) in die Berechnung einzustellen ist.

(aa) Grundsätzlich tritt im Fall des Weiterverkaufs im Rahmen der Vorteilsausgleichung der erzielte Verkaufserlös an die Stelle des Fahrzeugs (BGH, Urteil vom 20. Juli 2021 - VI ZR 533/20, juris Rn. 24). In diesem Verkaufserlös setzt sich der anzurechnende Vorteil aus dem Fahrzeugerwerb fort (ebd. Rn. 29). Mit dem Verkaufspreis steht der erzielte Restwert und damit fest, in welcher Höhe der Schaden durch den Verkauf ausgeglichen worden ist. In diesem Fall obliegt es dem Schädiger darzulegen und zu beweisen, dass der Geschädigte mit dem Verkauf seine Pflicht zur Geringhaltung des Schadens verletzt hat (§ 254 Abs. 2 BGB; BGH, Urteil vom 13. Januar 2009 - VI ZR 205/08, juris Rn. 12).

Verkauft ein umsatzsteuerpflichtiger Unternehmer ein im Betriebsvermögen befindliches Fahrzeug, handelt es sich um eine der Umsatzsteuer unterliegende Leistung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Dafür kommt es nicht darauf an, ob die Veräußerung des Fahrzeugs zur Haupttätigkeit des Unternehmens gehört oder es sich um eine bloß gelegentlich ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit handelt. Eine Veräußerung des zu dem Betriebsvermögen gehörenden Fahrzeugs ohne Umsatzsteuerpflicht ist nur möglich, wenn das Fahrzeug aus dem Unternehmen entnommen und anschließend privat veräußert wird, was jedoch nur dann möglich ist, wenn das Fahrzeug ohne Vorsteuerabzug erworben wurde. Ist das - wie hier - nicht der Fall, muss der geschädigte Unternehmer bei einem Verkauf des Fahrzeugs von dem erzielten Kaufpreis Umsatzsteuer abführen (vgl. auch OLG München, Urteil vom 23. Februar 2022 - 7 U 5748/21, juris Rn. 36).

Da der Kläger das Fahrzeug am 30. September 2021 für 13.500 € netto verkauft hat, wäre im Grundsatz dieser Betrag als Restwert zugrunde zu legen. Zusammen mit dem Nutzungsersatz von 9.954,20 € überschreitet die Summe aus Restwert und Nutzungsersatz von 23.454,20 € nicht den tatsächlichen Wert in Höhe von 31.545 € im Kaufzeitpunkt.

(bb) Allerdings hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass ihr der Weiterverkaufserlös zu niedrig erscheine, ohne dass der Kläger dem in der eingeräumten Schriftsatzfrist entgegen getreten wäre, und unter Berufung auf eine Internetannonce vorgetragen, dass der Kläger mindestens 21.500 € hätte erzielen können. Ob damit lediglich (als unbestritten) feststeht, dass der Veräußerungserlös nicht markgerecht war, oder auch, dass der Kläger gegen seine Pflicht zur Geringhaltung des Schadens verstoßen hat, kann hier auf sich beruhen, weil die Summe aus Nutzungsentschädigung (9.954,20 €) und Restwert (21.500 €) 31.454,20 € beträgt und damit ebenfalls den tatsächlichen Wert von 31.545 € nicht übersteigt.

e) Der Anspruch des Klägers ist nicht verjährt.

aa) In Fällen der vorliegenden Art genügt für den Verjährungsbeginn gemäß § 199 Abs. 1 BGB, dass der geschädigte Fahrzeugkäufer Kenntnis vom "Diesel-" bzw. "Abgasskandal" im Allgemeinen, von der konkreten Betroffenheit seines Fahrzeugs und von der Relevanz dieser Betroffenheit für seine Kaufentscheidung hat, wobei letztere Kenntnis nicht gesondert festgestellt werden muss, sondern naturgemäß beim Geschädigten vorhanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 - VI ZR 739/20, juris Rn. 20 ff.; Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 294/20, juris Rn. 6; Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 8/21, juris Rn. 36). Dies gilt auch für einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV bzw. Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 715/2007, der an dasselbe Verhalten der Beklagten anknüpft (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 2022 - VIa ZR 680/21, juris Rn. 26; Beschluss vom 27. Februar 2023 - VIa ZR 1421/22; Beschluss vom 6. März 2023 - VIa ZR 1428/22).

bb) Die Darlegungs- und Beweislast für Beginn und Ablauf der Verjährung und damit für die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB trägt der Schuldner. Soweit es um Umstände aus der Sphäre des Gläubigers geht, hat dieser aber an der Sachaufklärung mitzuwirken und erforderlichenfalls darzulegen, was er zur Ermittlung der Voraussetzungen seiner Ansprüche und der Person des Schuldners getan hat (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - VI ZR 1118/20, juris Rn. 17 mwN).

cc) Diesen Anforderungen wird der Vortrag der Beklagten nicht gerecht. Sie verweist lediglich auf Maßnahmen der Volkswagen AG und einzelne Presseberichte in 2016, nach denen "Thermofenster" bei der Beklagten Verwendung fänden. Damit ist eine Kenntnis des Klägers oder seine grob fahrlässige Unkenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeuges nicht dargetan, zumal - worauf die Beklagte an anderer Stelle hinweist - das Kraftfahrtbundesamt "Thermofenster" lange Zeit für zulässig erachtet haben soll.

f) Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB. Zwar befand sich die Beklagte aufgrund der ursprünglichen Zuvielforderung nicht in Verzug. Der Kläger kann jedoch Rechtshängigkeitszinsen verlangen, nachdem er seine Klage mit dem Schriftsatz vom 13. Oktober 2021, der der Beklagten am 14. Oktober 2021 zugestellt worden ist, von einer Zug-um-Zug-Leistung auf eine reine Zahlungsklage umgestellt hatte.

2. Über den Differenzschaden hinausgehende Ansprüche aus dem Kaufvertrag stehen dem Kläger nicht zu, weil kaufgewährleistungsrechtliche Ansprüche verjährt sind. Gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB in der bis zu dem 31. Januar 2021 geltenden Fassung verjähren die in § 437 Nr. 1 und 3 BGB bezeichneten Ansprüche in zwei Jahren von der Übergabe der Kaufsache an (§ 438 Abs. 2 BGB). Das Fahrzeug ist dem Kläger am 8. Juni 2015 übergeben worden. Im Zeitpunkt des Eingangs der Klageschrift am 30. November 2020 war die Verjährungsfrist bereits abgelaufen. Nichts anderes gilt gemäß § 438 Abs. 4 BGB für das Rücktrittsrecht, das der Kläger mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 29. Juli 2019 erst nach Ablauf der Verjährungsfrist ausgeübt hat.

Etwas anderes ergäbe sich nur, wenn im Streitfall gemäß § 438 Abs. 3 BGB die regelmäßige Verjährung der §§ 195, 199 BGB zum Tragen käme, was aber ein arglistiges Verschweigen des Mangels durch die Beklagte erforderte. Damit ist letztlich derselbe Maßstab wie im Zusammenhang mit einer Forderung wegen vorsätzlicher, sittenwidriger Schädigung anzulegen. Ein solches Verhalten der Beklagten ist nicht festzustellen. Insoweit wird auf die nachfolgenden Ausführungen unter 3. Bezug genommen.

3. Ein Anspruch auf "großen Schadensersatz" aus §§ 826, 31 BGB besteht nicht. Zwar kommt, wenn unter Täuschung im EG-Typgenehmigungsverfahren bewusst eine unzulässige Motorsteuerungssoftware verbaut wird, eine deliktische Haftung des Herstellers nach §§ 826, 31 BGB grundsätzlich in Betracht. Nach der Einholung der Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes vom 20. Juni 2022 steht jedoch ein sittenwidriges Handeln der Beklagten nicht fest.

a) Ein Automobilhersteller handelt gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt. Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2021 - VII ZR 257/20, juris Rn. 20 mwN).

Das Inverkehrbringen eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüsteten Kraftfahrzeugs durch einen Fahrzeughersteller ist aber nicht schon wegen des darin liegenden Gesetzesverstoßes als sittenwidriges Verhalten gegenüber dem Käufer des Fahrzeugs anzusehen. Damit eine unzulässige Abschalteinrichtung eine Haftung des Fahrzeugherstellers wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB auslösen kann, müssen nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weitere Umstände hinzutreten, die sein Verhalten als besonders verwerflich erscheinen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2023 - III ZR 303/20, juris Rn. 11 mwN).

aa) Einen derartigen Umstand kann es darstellen, dass die Abschalteinrichtung danach unterscheidet, ob das Kraftfahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus unterzogen wird oder sich im normalen Fahrbetrieb befindet. Die Tatsache, dass eine Manipulationssoftware ausschließlich im Prüfstand die Abgasreinigung verstärkt aktiviert, indiziert eine arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2023 - III ZR 303/20, juris Rn. 12 mwN).

bb) Hiervon ist zu unterscheiden, ob die Abschalteinrichtung in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise arbeitet. Das ist der Fall, wenn unter den für den Prüfzyklus maßgebenden Bedingungen (Umgebungstemperatur, Luftfeuchtigkeit, Geschwindigkeit, Widerstand, etc., vgl. Art. 5 Abs. 3 a der Verordnung 715/2007/EG i.V.m. Art. 3 Nr. 1 und 6, Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung 715/2007/EG (ABl. L 199 vom 28. Juli 2008, S. 1 ff.) in Verbindung mit Abs. 5.3.1 und Anhang 4 Abs. 5.3.1, Abs. 6.1.1 der UN/ECE-Regelung Nr. 83 (ABl. L 375 vom 27. Dezember 2006, S. 246 ff.)) die Rate der Abgasrückführung im normalen Fahrbetrieb derjenigen auf dem Prüfstand entspricht (vgl. zum "Thermofenster" BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, juris Rn. 18; Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 27). Sofern die verwendete Abschalteinrichtung auf dem Prüfstand und im normalen Fahrbetrieb im Grundsatz in gleicher Weise funktioniert, ist darauf abzustellen, ob die konkrete Ausgestaltung der Abschalteinrichtung angesichts der sonstigen Umstände die Annahme eines heimlichen und manipulativen Vorgehens oder einer Überlistung der Typgenehmigungsbehörde rechtfertigen kann. Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt in einem solchen Fall jedenfalls voraus, dass der Fahrzeughersteller bei der Entwicklung und/oder Verwendung der Abschalteinrichtung in dem Bewusstsein handelte, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahm. Fehlt es daran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 28; Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20, juris Rn. 16; Urteil vom 20. Juli 2023 - III ZR 303/20, juris Rn. 13 mwN).

cc) Die Darlegungs- und Beweislast für ein derartiges Vorstellungsbild der handelnden Personen trägt dabei nach den allgemeinen Grundsätzen der Fahrzeugkäufer als Anspruchsteller (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2022 - VI ZR 435/20, juris Rn. 18). Reichen die von einer Partei für das Vorstellungsbild der anderen Partei behaupteten Indizien nach Auffassung des Tatgerichts für eine dahingehende Überzeugungsbildung auch dann nicht aus, wenn sie sich als zutreffend erweisen, so ist das Tatgericht nicht gehalten, Feststellungen zu den behaupteten Indizien zu treffen (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2022 - VI ZR 435/20, juris Rn. 20).

b) Gemessen hieran kann die für einen Anspruch aus § 826 BGB erforderliche Verwerflichkeit des Handelns der Beklagten nicht festgestellt werden. Es fehlt an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass das Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit den oben festgestellten unzulässigen Abschalteinrichtungen von der Beklagten in dem Bewusstsein der Unrechtmäßigkeit geschah und damit objektiv sittenwidrig war.

aa) Insbesondere kann auf ein vorhandenes Bewusstsein der Unzulässigkeit nicht aus der von dem Kraftfahrtbundesamt beanstandeten "Strategie A in vergleichbarer Ausprägung" geschlossen werden, weil es sich hierbei nicht um eine Prüfstandserkennung handelt. Diese Abschaltstrategie funktioniert im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise wie im realen Fahrbetrieb. Zwar schaltet die vorhandene Strategie in Abhängigkeit bestimmter Parameter - so u.a. der (berechneten) Masse des ausgestoßenen Stickoxids - in einen für die Abgasnachbehandlung weniger effektiven Modus, wobei diese Umschaltparameter insbesondere im Normalbetrieb erreicht werden. Nach der Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes funktioniert die "Strategie A" aber nicht ausschließlich auf dem Prüfstand, sondern ist bei Vorliegen der Typprüfbedingungen auch im Straßenbetrieb aktiv.

Gleiches gilt für das "Thermofenster". Die Steuerung der Abgasrückführung arbeitet bei dem Thermofenster - auch nach dem Vortrag des Klägers - zwar an der Umgebungstemperatur orientiert, im Grundsatz aber - bei Vorliegen der entsprechenden Bedingungen - auf dem Prüfstand und im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise.

Nicht anders verhält es sich bei dem "Geregelten Kühlmittelthermostat". Nach der Auskunft hat das Kraftfahrtbundesamt das "Geregelte Kühlmittelthermostat" zwar nicht mitgetestet. Dieses ist dem Kraftfahrtbundesamt jedoch bekannt und von ihm bei anderen Fahrzeugtypen der Beklagten auch als unzulässige Abschalteinrichtung, nicht jedoch als Prüfstandserkennung gewertet worden. Auch dem Vortrag des Klägers lassen sich über eine pauschale Behauptung hinaus keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass es sich bei dem "Geregelten Kühlmittelthermostat" um eine Prüfstandserkennung handeln könnte.

bb) Der Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens wäre vor diesem Hintergrund nur dann gerechtfertigt, wenn zu dem Verstoß gegen die Verordnung 715/2007/EG weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Dafür müssten sich die betreffenden Personen bei der Entwicklung bzw. Verwendung der Abschalteinrichtungen zumindest darüber bewusst gewesen sein, unzulässige Abschalteinrichtungen zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen haben.

Greifbare Anhaltspunkte, die auf ein solches Vorstellungsbild hindeuten könnten, sind jedoch von dem Kläger weder hinreichend substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Kläger behauptet ein wissentliches bzw. vorsätzliches Handeln der Beklagten nur pauschal und macht geltend, die Wirkungsweise der Abschalteinrichtungen sei gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt gezielt verschleiert worden; hierfür hat er aber keine belastbaren Anhaltspunkte aufgezeigt.

(1) Solche Anhaltspunkte für ein wissentliches Handeln der Beklagten folgen nicht bereits daraus, dass die Beklagte im Rahmen einer Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV einen Verbotsirrtum nicht dargelegt hat. Daraus kann nicht auf ein wissentliches Fehlverhalten der Beklagten geschlossen werden, weil es bei der Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB um die Widerlegung (zumindest) fahrlässigen Verhaltens ging, wofür die Beklagte beweisbelastet ist. Bei der Haftung aus § 826 BGB hat jedoch der Kläger ein vorsätzliches sittenwidriges Handeln der Beklagten zu beweisen, ohne dass er sich hierfür auf eine Vermutung stützen könnte.

(2) Aus der Erforderlichkeit eines Software-Updates lassen sich keine Rückschlüsse darauf ziehen, dass die Beklagte unter bewusster Hinwegsetzung über Gesetzesbestimmungen das Fahrzeug mit einer normwidrigen Steuerungssoftware für die Abgasrückführung ausgestattet hätte. Anknüpfungspunkt für ein Software-Update ist lediglich die Erforderlichkeit eines Eingriffs in die bisherigen Standards unter technischen Gesichtspunkten; ob diese Standards auf einem Verhalten beruhen, das in seinem Gesamtcharakter gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, lässt sich dagegen aus der Erforderlichkeit eines Software-Updates nicht herleiten.

(3) Aus einer etwaig unterbliebenen Offenlegung der genauen Wirkungsweise der Abschalteinrichtungen gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt folgen ebenfalls keine Anhaltspunkte, dass für die Beklagte tätige Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Nach der Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes vom 20. Juni 2022 hat es zu dem Zeitpunkt der hier relevanten Emissionsgenehmigung keine Angaben des Herstellers zu den Emissionsstrategien des Fahrzeuges im sogenannten Beschreibungsbogen gefordert. Dass die Beklagte gleichwohl erforderliche Angaben zu den Einzelheiten der Abschalteinrichtungen im Typgenehmigungsverfahren unterlassen haben sollte, hat das Kraftfahrtbundesamt nicht bekundet. Ohnehin wäre die Typgenehmigungsbehörde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG gehalten gewesen, diese zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug zu prüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2021 - VII ZR 223/20, Rn. 14).

(4) Auch eine Abweichung der Messwerte im Realbetrieb von den Messwerten nach NEFZ ist als Indiz für eine Abschalteinrichtung, und noch dazu für eine Manipulationssoftware, die die Voraussetzungen des § 826 BGB erfüllen könnte, angesichts der unstreitigen gravierenden Unterschiede der Bedingungen, unter denen die Messung erfolgt, ungeeignet (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021, VI ZR 128/20, juris Rn. 23; Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 2/21, juris Rn. 30). Auf dem Prüfstand wird eine bestimmte "ideale", nicht der Praxis entsprechende Situation vorgegeben, etwa hinsichtlich der Umgebungstemperatur, der Kraftentfaltung (Beschleunigung und Geschwindigkeit), Abschaltung der Klimaanlage usw., so dass der erzielte Wert zwar zu einer relativen Vergleichbarkeit unter den verschiedenen Fahrzeugfabrikaten und -modellen führen mag, absolut genommen aber jeweils nicht mit dem Straßenbetrieb übereinstimmt.

(5) Ein entsprechendes Indiz für die Verschleierung des Vorhandenseins unzulässiger Abschalteinrichtungen begründet sich auch nicht aus der von dem Kläger behaupteten Manipulation des OBD-Systems. Es ist nicht Aufgabe des OBD-Systems, zwischen einer rechtlich zulässigen und einer rechtlich unzulässigen Abschalteinrichtung zu unterscheiden. Arbeitet eine Abschalteinrichtung - sei sie rechtlich zulässig oder unzulässig -technisch so, wie sie programmiert ist, liegt eine Fehlfunktion nicht vor, so dass die Anzeige einer Fehlfunktion nicht veranlasst ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 190/19, juris Rn. 91).

(6) Schließlich reicht auch die Gesamtschau aller von dem Kläger für das Vorstellungsbild der Beklagten vorgetragenen Umstände nicht aus, um dem Senat die Überzeugung eines verwerflichen Handelns der für die Beklagten verantwortlichen Personen zu erlauben oder auch nur eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu ihren internen Entscheidungsvorgängen auszulösen. Dabei ist zwar zu beachten, dass die "Strategie A" und das "Geregelte Kühlmittelthermostat" zu einer verbesserten Emissionsminderung vor allem unter Prüfstandsbedingungen führen. Für die konkrete Ausgestaltung hat die Beklagte aber eine Vielzahl von technischen Aspekten angeführt, die zwar eine Zulässigkeit der Abschalteinrichtungen nicht zu begründen vermögen, jedoch der Beurteilung ihres Verhaltens als verwerflich entgegenstehen. Hinsichtlich des "Thermofensters" ist zu bedenken, dass das Kraftfahrtbundesamt zur damaligen Zeit - und auch in der dem Senat erteilten Auskunft - das "Thermofenster" nicht als unzulässig, sondern als Industriestandard bewertet hat ("Thermofenster" wurden von allen Autoherstellern eingesetzt; vgl. BMVI, Bericht der Untersuchungskommission Volkswagen, Stand April 2016). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat sich erstmals mit Urteil vom 17. Dezember 2020 (C-693/18, NJW 2021, 1216) mit der Auslegung der vorgenannten Ausnahmevorschrift befasst. Insoweit war ein Verstoß betreffend die Auslegung der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a VO (EG) Nr. 715/2007 auch nicht evident (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2022 - III ZR 205/20, juris Rn. 24).

4. Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten kann der Kläger nicht verlangen. Mit dem außergerichtlichen Aufforderungsschreiben hat er die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs verlangt. Ein solcher Anspruch auf großen Schadensersatz stand ihm jedoch nicht zu.

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 92 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.