Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 16.10.2023, Az.: 10 WF 171/23
Aufhebung einer Nichtabhilfeentscheidung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 16.10.2023
- Aktenzeichen
- 10 WF 171/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 52565
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 04.10.2023 - AZ: 637 F 2109/23
Rechtsgrundlage
- § 572 Abs. 1 S. 1 ZPO
Fundstellen
- FamRZ 2024, 456
- FuR 2024, 103-104
- JurBüro 2024, 43-44
- NZFam 2024, 521
Amtlicher Leitsatz
Ein ordnungsgemäßes Abhilfeverfahren i. S. v. § 572 Abs. 1 S. 1 ZPO setzt voraus, dass der/die erstinstanzliche Richter/in das das Vorbringen des/der Beschwerdeführers/-führerin zur Kenntnis nimmt und sich damit auseinandersetzt. Geschieht dies nicht, begründet dies einen schwerwiegenden Verfahrensfehler und führt zur Aufhebung des Abhilfebeschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
Werden im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren vom Gericht erforderte Belege für geltend gemachte Belastungen nicht vorgelegt, führt dies lediglich dazu, dass die nicht belegten Belastungen bei der Berechnung des für die Verfahrenskostenhilfe einzusetzenden Einkommens nicht zu berücksichtigen sind.
In der Familiensache
betreffend den Umgang mit dem beteiligten Kind
pp.
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... am 16. Oktober 2023 beschlossen:
Tenor:
Der Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover sowie die Vorlageverfügung vom 4. Oktober 2023 werden aufgehoben.
Die Sache wird zur ordnungsgemäßen Durchführung des Abhilfeverfahrens an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Zu entscheiden ist über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe (VKH).
Die Antragstellerin hat um VKH für das vorliegende Umgangseilverfahren nachgesucht. Insoweit hat das Amtsgericht unter dem 28. Juni 2023 um die Übersendung von konkreten Belegen, nämlich der letzten Gehaltsbescheinigung sowie der Versicherungsscheine für die in Abzug gebrachten Versicherungskosten, für die KFZ-Steuer um Übersendung des entsprechenden Steuerbescheids und um Einreichung einer Abschlagsrechnung des Energieversorgers gebeten.
Durch Beschluss vom 16. August 2023 hat das Amtsgericht den VKH-Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen mit der Begründung, die Antragstellerin habe trotz gerichtlicher Aufforderung die Angaben in der "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse"(JV 205) nicht vollständig glaubhaft gemacht und nicht vollständig belegt.
Mit ihrer dagegen gerichteten, form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde hat die Antragstellerin ihre Verdienstabrechnungen für Juni und Juli 2023 sowie Beitragsrechnungen der ... Versicherung AG für eine Hausrats-, Privathaftplicht- und KFZ-Versicherung eingereicht und im Übrigen mitgeteilt, für die KFZ-Steuer erhalte sie seit Jahren keine Rechnung. Der Betrag werde abgebucht.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 4. Oktober 2023 ohne Begründung nicht abgeholfen und die Übersendung der Akte an den Senat verfügt.
II.
Die Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts kann keinen Bestand haben.
Ein ordnungsgemäßes Abhilfeverfahren i. S. v. § 572 Abs. 1 S. 1 ZPO setzt voraus, dass der/die erstinstanzliche Richter/in das das Vorbringen des/der Beschwerdeführers/-führerin zur Kenntnis nimmt und sich damit auseinandersetzt. Andernfalls wird der Zweck des Abhilfeverfahrens, Beschwerden möglichst einfach im Wege der Selbstabhilfe zu erledigen, verfehlt (vgl. OLG Nürnberg MDR 2004, 169f; OLG Köln BeckRS 2018, 27286; OLG Brandenburg FamRZ 2020 186; MüKoZPO/Hamdorf, 6. Aufl. 2020, ZPO § 572 Rnn 4ff; BeckOK ZPO/Wulf, 50. Ed. 1.9.2023, ZPO § 572 Rnn 2ff).
Vorliegend hat sich das Amtsgericht mit den von ihm selbst angeforderten und von der Antragstellerin mit der Beschwerde vorgelegten Belegen in keinster Weise auseinandergesetzt. Dies begründet einen schwerwiegenden Verfahrensfehler und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht (vgl. OLG Nürnberg MDR 2004, 169f; OLG Köln BeckRS 2018, 27286; OLG Brandenburg FamRZ 2020 186; MüKoZPO/Hamdorf, 6. Aufl. 2020, ZPO § 572 Rnn 4ff; BeckOK ZPO/Wulf, 50. Ed. 1.9.2023, ZPO § 572 Rnn 2ff). Dieses wird nunmehr zu prüfen haben, ob bzw. inwieweit die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin die Bewilligung von VKH und damit ggf. eine Abhilfe rechtfertigen. Es wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass fehlende Belege für geltend gemachte Belastungen nicht ohne weiteres die Zurückweisung des VKH-Antrags begründen, sondern lediglich dazu führen, dass diese Belastungen bei der Berechnung des für die VKH einzusetzenden Einkommens nicht zu berücksichtigen sind (vgl. Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl., § 117 Rn 28, § 118 Rn 20 m. w. N.).