Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 23.10.2023, Az.: 6 W 116/23

Kein quotenloser Erbschein bei eindeutigen und zweifelsfreien Bestimmungen des Erblassers zu den Erbquoten

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
23.10.2023
Aktenzeichen
6 W 116/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 40297
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2023:1023.6W116.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
AG Winsen (Luhe) - AZ: 13 VI 296/23

Fundstellen

  • ErbR 2024, 205-206
  • FGPrax 2024, 24-25
  • NJW-RR 2023, 1569-1570
  • NJW-Spezial 2023, 711
  • RNotZ 2024, 208
  • ZAP EN-Nr. 667/2023
  • ZEV 2024, 22-23
  • ZEV 2024, 42-43
  • ZErb 2024, 56-57

Amtlicher Leitsatz

Die Ausnahmevorschrift des § 352a Abs. 2 Satz 2 FamFG, wonach "die Angabe der Erbteile ... nicht erforderlich (ist), wenn alle Antragsteller in dem Antrag auf die Aufnahme der Erbteile in den Erbschein verzichten", findet nach ihrem Sinn und Zweck keine Anwendung, wenn der Erblasser eindeutige und zweifelsfreie Bestimmungen zu den Erbquoten getroffen hat, die ohne weiteres in den Erbscheinsantrag übernommen werden können, und kein Grund vorliegt, von der Angabe der Erbquote abzusehen.

In der Nachlasssache
betreffend die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins
pp.
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Beschwerde des Beteiligten zu 11 vom 18. August 2023 gegen den Beschluss des Rechtspflegers des Amtsgerichts Winsen (Luhe) vom 20. Juli 2023 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht D., den Richter am Oberlandesgericht V. und die Richterin am Oberlandesgericht S. am 23. Oktober 2023 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 5.000,00 €.

Gründe

A.

Der Beteiligte zu 11 erstrebt einen quotenlosen Erbschein, der die Beteiligten zu 1 - 10 als Miterben ausweist.

Der am 25. Dezember 1926 geborene und am 3. Januar 2021 verstorbene Erblasser war seit dem 27. Dezember 2016 verwitwet. Er hatte keine Kinder und hinterließ zwei Verfügungen von Todes wegen:

1. Mit eigenhändig geschriebener und unterschriebener Erklärung vom 4. Juni 1959 (Bl. 5 der Testamentsakten 13 IV 669/19 Amtsgericht Winsen) setzte der Erblasser seine Ehefrau als Alleinerbin ein.

Auf demselben Blatt setzte mit eigenhändig geschriebener und unterschriebener Erklärung vom 15. Dezember 1959 seine Ehefrau ihn als Alleinerben ein.

2. Mit notariellem Testament vom 13. August 2019 (Bl. 24 - 28 der Testamentsakten) bestimmte der Erblasser:

"... II. Erbeinsetzung

Zu meinen Erben setze ich folgende Personen und Vereine ein:

1. (Die Beteiligte zu 1) soll einen Erbanteil von € 80.000,00 erhalten.

2. (Die Beteiligte zu 2) soll einen Erbanteil von € 50.000,00 erhalten.

3. (Die Beteiligte zu 3) soll einen Erbanteil von € 50.000,00 erhalten.

4. (Die Beteiligte zu 4) soll einen Erbanteil von € 50.000,00 erhalten.

5. (Die Beteiligte zu 5) soll einen Erbanteil von € 20.000,00 erhalten.

Sollte einer der unter den Nrn. 1 - 5 benannten Erben vorversterben, so erhalten die übrigen vier Erben diesen Anteil jeweils in gleicher Höhe.

6. (Die Beteiligte zu 6) soll einen Erbanteil von € 6.000,00 erhalten.

7. (Der Beteiligte zu 7) soll einen Erbanteil von € 6.000,00 erhalten.

Für den Fall des Vorversterbens eines der unter 6. und 7. aufgeführten Ehepartner fällt der Anteil des vorverstorbenen auf den überlebenden Ehepartner.

8. (Der Beteiligte zu 8) soll einen Erbanteil von € 3.000,00 erhalten

9. (Der Beteiligte zu 9) soll einen Erbanteil von € 3.000,00 erhalten.

10. (Der Beteiligte zu 10) soll einen Erbanteil von € 2.000,00 erhalten.

Der Testamentsvollstrecker soll für die ordnungsgemäße Aufteilung dieses Vermögens Sorge tragen.

III. Vermächtnisse

Nach Abzug der Kosten für Gebühren und Honorare soll der verbleibende Restbetrag jeweils zu 1/3 als Vermächtnis an folgende Institutionen fließen, wobei auch das Testamentsvollstreckerhonorar zuvor in Abzug zu bringen ist:

1. ...

2. ...

3. ...

Diese Vermächtnisse setzen sich im Wesentlichen aus dem Wert des Verkaufs des Hauses zusammen, soweit der Erlös nicht anderweitig benötigt wird.

IV. Testamentsvollstreckung

Ich ordne Testamentsvollstreckung an.

Zum Testamentsvollstrecker ernenne ich den Nachlasspfleger und Nachlassverwalter (Beteiligten zu 11) ... Die Vergütung des Testamentsvollstreckers soll auf der Grundlage der "Neuen Rheinischen Tabelle" erfolgen. ..."

Das Amtsgericht erteilte dem Beteiligten zu 11 das Testamentsvollstreckerzeugnis vom 7. September 2021 zu 13 VI 155/21 (Bl. 8 d. A.).

Mit notarieller Urkunde vom 23. Dezember 2021 (Bl. 3 d. A.) hat der Beteiligte zu 11 zunächst die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der die drei Vermächtnisnehmer als Miterben zu je 1/3 ausweist. Diesen Antrag hat das Amtsgericht mit der Begründung zurückgewiesen, der Erblasser habe eindeutig zwischen Erbeinsetzungen und Vermächtnissen unterschieden und es sei kein Wille erkennbar, dass die Vermächtnisnehmer Erben sein sollten (Bl. 9, 24 d. A.). Die dagegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 11 verwarf der Senat mit Beschluss vom 13. Oktober 2022 zu 6 W 123/22 (Bl. 49 f. d. A.) als unzulässig mit der Begründung, die einmonatige Beschwerdefrist sei bei Eingang der Beschwerdeschrift bereits abgelaufen gewesen.

Der Beteiligte zu 11 hat mit notarieller Urkunde vom 21. März 2023 (Bl. 65 ff. d. A.) die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der die Beteiligten zu 1 - 10 quotenlos als Miterben ausweist. Das Amtsgericht hat den Antrag mit Verweis auf die Entscheidungen des OLG Bremen zu 5 W 15/20 und des OLG Frankfurt am Main zu 21 W 175/21 sowie der Begründung zurückgewiesen, es fehle die erforderliche Zustimmung aller Miterben (Beschluss vom 20. Juli 2023, Bl. 69, 71 d. A.).

Mit der Beschwerde wendet der Beteiligte zu 11 ein, die Zustimmung aller Miterben sei zur Erteilung eines quotenlosen Erbscheins nicht erforderlich, weil § 352a Abs. 2 Satz 2 FamFG nur verlange, dass der Antragsteller auf die Aufnahme der Erbquoten in den Erbschein verzichte (Beschluss des OLG Hamm vom 27. Juli 2022 zu 10 W 12/22).

B.

Die Beschwerde ist unbegründet.

I.

Es sind nicht die Tatsachen für festgestellt zu erachten (§ 352e Abs. 1 Satz 1 FamFG), die erforderlich sind, dem Beteiligten zu 11 den mit notarieller Urkunde vom 21. März 2023 beantragten Erbschein zu erteilen, der die Beteiligten zu 1 - 10 ohne Angabe von Erbquoten als Miterben ausweist.

1. Der Gesetzgeber hat die Ausnahmevorschrift des § 352a Abs. 2 Satz 2 FamFG, wonach "die Angabe der Erbteile ... nicht erforderlich (ist), wenn alle Antragsteller in dem Antrag auf die Aufnahme der Erbteile in den Erbschein verzichten", geschaffen, um eine einfache Erteilung eines Erbscheins zu ermöglichen, wenn die Bestimmung der Erbquoten mit weiterem Aufwand verbunden ist.

2. Diese Regelung findet nach ihrem Sinn und Zweck keine Anwendung, wenn der Erblasser eindeutige und zweifelsfreie Bestimmungen zu den Erbquoten getroffen hat, die ohne weiteres in den Erbscheinsantrag übernommen werden können, und kein Grund vorliegt, von der Angabe der Erbquote abzusehen.

3. Im vorliegenden Fall hat der notariell beratene Erblasser ausdrücklich nach Erben und Vermächtnisnehmern unterschieden und für seine 10 Erben eindeutige Erbquoten bestimmt. Zweifelsfrei ist er beerbt worden

von der Beteiligten zu 1 zu 80/270,

von der Beteiligten zu 2 zu 50/270,

von der Beteiligten zu 3 zu 50/270,

von der Beteiligten zu 4 zu 50/270

von der Beteiligten zu 5 zu 20/270,

von der Beteiligten zu 6 zu 6/270,

von dem Beteiligten zu 7 zu 6/270,

von dem Beteiligten zu 8 zu 3/270

von dem Beteiligten zu 9 zu 3/270 und

von der Beteiligten zu 10 zu 2/270,

insgesamt also zu 270/270, indem er insgesamt 270.000 € in diesem Verhältnis auf seine 10 Erben verteilt hat.

4. Die in Prozentzahlen angegebenen Erbquoten im notariellen Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 11 vom 27. September 2022 (Bl. 38 d. A.) waren unzutreffend, weil rechnerisch unnötige Rundungen vorgenommen worden sind, die bei Übernahme der vom Erblasser gewählten Bruchteile nicht erforderlich sind.

5. Es ist kein Grund vorgetragen oder ersichtlich, der der Angabe dieser Erbquoten im Antrag entgegensteht. Ihre Nennung im Erbschein ändert nichts daran, dass nach dem letzten Willen des Erblassers die Beteiligten zu 1 - 10 nur die Geldbeträge aus dem Nachlass erhalten sollen, die der Erblasser jeweils benannt hat, und der "nach Abzug der Kosten für Gebühren und Honorare ... verbleibende Restbetrag" gemäß der Anordnung des Erblassers unter Ziffer III des notariellen Testaments jeweils zu 1/3 als Vermächtnis an die drei benannten Vermächtnisnehmer auszuzahlen ist. Diese Verteilung gilt auch für den Fall, dass der Wert der Vermächtnisse den Wert der Zahlungen an die 10 Erben deutlich übersteigt.

II.

Im Beschwerdeverfahren ist daher keine Entscheidung zu der Streitfrage zu treffen, wessen Zustimmungen für die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins erforderlich sind.

III.

Eine Kostenentscheidung war entbehrlich.

Die Pflicht, die Gerichtskosten für das erfolglose Beschwerdeverfahren zu tragen, folgt aus dem Gesetz. Eine Kostenerstattung war nicht anzuordnen, weil am Beschwerdeverfahren nur der Beteiligte zu 11 als Beschwerdeführer, aber niemand im entgegengesetzten Sinn teilgenommen hat.

Der Beschwerdewert wurde gemäß § 36 Abs. 3 GNotKG auf 5.000 € festgesetzt, weil die Zurückweisung der Beschwerde nicht darauf beruhte, dass der Beteiligte zu 11 die 10 Miterben falsch bezeichnet hat, sondern nur darauf, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins nicht vorliegen.