Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 20.12.2023, Az.: 7 U 1742/19

Aktivlegitimation bei Weiterverkauf unter Abtretung von Ansprüchen aus Sachmängelhaftung; Tatbestandwirkung des Freigabebescheids eines Software-Updates durch das Kraftfahrtbundesamt

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
20.12.2023
Aktenzeichen
7 U 1742/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 46600
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2023:1220.7U1742.19.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 30.11.2023 - AZ: 3 O 26/19

Fundstellen

Amtlicher Leitsatz

Kein Verlust der Aktivlegitimation bei Weiterverkauf unter Abtretung von Ansprüchen aus Sachmängelhaftung; zu Fragen des Vorteilsausgleichs

  1. 1.

    Die Klausel "Ggf. noch bestehende Ansprüche gegenüber Dritten aus Sachmängelhaftung werden an den Käufer abgetreten" kann nicht als Abtretung der Ansprüche aus § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV gegen den Fahrzeughersteller an den Käufer ausgelegt werden.

  2. 2.

    Dem Freigabebescheid des Software-Updates kommt keine Tatbestandswirkung zu, aufgrund derer für das Gericht verbindlich feststünde, dass unzulässige Abschalteinrichtungen nicht (mehr) vorhanden sind. Das gilt auch für eine EU-Typgenehmigung nach den Vorgaben der Verordnung (EU) 2018/858.

  3. 3.
    1. a)

      Hat der Geschädigte sein Fahrzeug verkauft, bildet der tatsächlich vereinbarte Kaufpreis ein Indiz für den ihm auf dem in seiner konkreten Situation zugänglichen Markt erzielbaren Preis, weil davon auszugehen ist, dass niemand ohne besonderen Grund unter Wert verkauft.

    2. b)

      Beruft sich der Schädiger nicht auf eine für den Geschädigten konkrete günstigere Verwertungsmöglichkeit, sondern lediglich auf das allgemeine Marktniveau, erfordert eine Erschütterung der Indizwirkung regelmäßig den Nachweis, dass der von dem Kläger vereinbarte Preis deutlich zu niedrig war.

In dem Rechtsstreit
H. T., ..,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro J. Anwälte, ...,
Geschäftszeichen: ...
gegen
M. AG, vertreten durch den Vorstand, ...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro W., ...,
Geschäftszeichen: ...
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 30. November 2023 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 19. September 2019 geändert.

Die Beklagte hat an den Kläger 1.161 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. August 2023 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 85%, die Beklagte zu 15%.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch den jeweils anderen Teil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Mit Kaufvertrag vom 22. Mai 2015 erwarb der Kläger von einem Dritten einen von der Beklagten hergestellten Pkw Mercedes-Benz E 220 CDI 2.1 l Diesel 125 kW OM 651 Euro 5 mit einem Kilometerstand von 72.687 km zu einem Kaufpreis von 22.000 €.

Unter dem 4. Dezember 2020 veräußerte der Kläger das Fahrzeug für 8.500 € bei einem Kilometerstand von 172.139 km. In dem Kaufvertrag, ein Formularvordruck des ADAC, für dessen Einzelheiten auf die Anlage K8 (Bd. III 453) Bezug genommen wird, ist unter anderem folgende Klausel enthalten:

"Das Kraftfahrzeug wird unter Ausschluss der Sachmängelhaftung verkauft. Dieser Ausschluss gilt nicht für Schadensersatzansprüche aus Sachmängelhaftung, die auf einer grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verletzung von Pflichten des Verkäufers oder seines Erfüllungsgehilfen beruhen sowie bei der Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit. Ggf. noch bestehende Ansprüche gegenüber Dritten aus Sachmängelhaftung werden an den Käufer abgetreten."

Das Fahrzeug ist mit einem sog. "Thermofenster" ausgestattet, dessen Temperaturbereich, außerhalb dessen die Abgasrückführung reduziert wird, streitig ist. Daneben verfügt es über ein "Geregeltes Kühlmittelthermostat". Am 11. Februar 2020 ist ein von dem Kraftfahrtbundesamt freigegebenes Software-Update auf dem Fahrzeug des Klägers aufgespielt worden. Mit Bescheid vom 5. Juni 2020 ordnete das Kraftfahrtbundesamt Nebenbestimmungen wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen an.

Der Kläger hat hinsichtlich des "Thermofensters" behauptet, dass es außerhalb eines Temperaturbereichs von +15°C bis +35°C die Abgasrückführungsrate reduziere.

Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, hat die auf Zahlung von 6.600 €, Feststellung der Ersatzpflicht weiterer Schäden und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen.

Der Kläger hatte zunächst seine erstinstanzlichen Anträge mit der Berufung weiterverfolgt. Mit Schriftsatz vom 4. August 2023 beantragt er nunmehr,

unter Änderung des angefochtenen Urteils,

  1. 1.

    die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.300 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten des außergerichtlichen Vorgehens in Höhe von 413,64 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Juni 2018 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Die temperaturabhängige Steuerung der AGR-Rate erfolge im vorliegenden Fahrzeug über die Umgebungslufttemperatur. Diese Temperatur werde an einem Temperatursensor in der Fahrzeugfront gemessen. Die AGR werde bei (unter) -30 °C Außentemperatur deaktiviert. Im Übrigen sei die AGR-Rate abgestuft: Für Temperaturen unter 7 °C Außentemperatur seien andere AGR-Raten appliziert als über dieser Temperaturschwelle. Ein Unterschied zwischen den AGR-Raten über/unter 7 °C sei nicht immer gegeben. Die AGR-Raten seien teilweise gleich, teilweise unter 7 °C niedriger gewesen. Nur in wenigen Betriebsbereichen sei die AGR-Rate unter 7 °C bis zu 22 Prozentpunkte bzw. bis zu 51 % niedriger als über 7 °C. Das Fahrzeug verfüge über einen AGR-Kühler und einen sog. Bypass. Ab einer Umgebungstemperatur von 7 °C sei bei betriebswarmem Motor vom AGR-Kühler in den AGR-Kühler-Bypass-Betrieb geschaltet worden. Diese Umschaltung diene dazu, den Motor möglichst lange mit Abgasrückführung zu betreiben, ohne dabei in versottungskritische Zustände zu gelangen. Da im Bypass-Betrieb die Abgasrückführung ungekühlt erfolge, ergäben sich höhere Mischtemperaturen an der Einleitstelle ins Saugrohr / in die Ladeluftverteilerleitung. Somit sorge der Bypass-Betrieb dafür, dass versottungs- und verlackungskritische Zustände im AGR-Pfad weitgehend vermieden würden und der Motor bei bis zu zweistelligen Minusgraden mit AGR betrieben werden könne. Hierfür sei auch eine geringere AGR-Rate notwendig, da der Grad der Versottung mit steigendem AGR-Massenstrom ansteige. Für die weiteren Einzelheiten ihres Vortrags wird auf die Berufungserwiderung sowie den Schriftsatz vom 10. November 2023 Bezug genommen.

Der Senat hat Auskünfte des Kraftfahrtbundesamtes eingeholt. Danach findet die Schadstoff- und Abgasstrategie "Geregeltes Kühlmittelthermostat" im Motorwarmlauf Anwendung, die als unzulässige Abschalteinrichtung angesehen werde. Die Strategie sensiere die vorherrschenden Betriebszustände auf dem Prüfstand sicher, könne jedoch nicht erkennen, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet. Ebenfalls verfüge das Fahrzeug über ein "Thermofenster", das als zulässig erachtet werde. Für die Einzelheiten wird auf die Auskünfte vom 7. Januar (Bd. III 460 ff.), 4. April (Bd. III 466) und 30. Mai 2022 (Bd. III 470) Bezug genommen.

II.

Die Berufung hat teilweise Erfolg.

A. Der Kläger hat die Aktivlegitimation nicht durch die formularmäßige Abtretung verloren. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei der Klausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt oder, weil die Klausel nicht im Sinne von § 305 BGB gestellt worden ist, eine individuelle Vereinbarung. Denn in beiden Fällen führt die Auslegung zu demselben Ergebnis.

1. Nach §§ 133, 157 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Maßgebend ist, wie die Willenserklärung von dem Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsauffassung verstanden werden musste (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1988 - V ZR 49/87, juris Rn. 22; Urteil vom 27. Januar 2010 - XII ZR 22/07, BGHZ 184, 117 Rn. 25). Dabei sind in erster Linie der Wortlaut der Erklärung und der dem Wortlaut zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2021 - XII ZR 92/19, juris Rn. 9). In einem zweiten Auslegungsschritt sind die außerhalb des Erklärungsakts liegenden Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Vereinbarung zulassen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2000 - VIII ZR 275/98, juris Rn. 20; Beschluss vom 14. Februar 2017 - VI ZB 24/16, juris Rn. 9). Zu den Begleitumständen des Weiterverkaufs haben die Parteien jedoch keinen Vortrag gehalten.

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 - VIII ZR 152/15, juris Rn. 17 mwN). Ansatzpunkt für die bei einer Formularklausel gebotene objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie ihr Wortlaut. Nur wenn die Parteien - wie hier nicht -der Klausel übereinstimmend eine von ihrem objektiven Sinn abweichende Bedeutung beilegen, ist diese maßgeblich (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 - VIII ZR 152/15, juris Rn. 18; Urteil vom 7. Februar 2023 - VI ZR 137/22, juris Rn. 31 mwN).

2. Nach diesen Grundsätzen kann die Klausel "Ggf. noch bestehende Ansprüche gegenüber Dritten aus Sachmängelhaftung werden an den Käufer abgetreten" weder als individuelle Vereinbarung noch als Allgemeine Geschäftsbedingung als Abtretung der Ansprüche des Klägers aus § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV gegen den Fahrzeughersteller an den Käufer ausgelegt werden. An seiner in dem (unveröffentlichten) Beschluss vom 8. August 2023 - 7 U 23/23 geäußerten gegenteiligen Auffassung hält der Senat nicht fest.

a) Nach dem Wortlaut der Klausel werden lediglich Ansprüche "aus Sachmängelhaftung", also Kaufgewährleistungsrecht, an den Käufer (Zessionar) abgetreten.

aa) Die Deliktsordnung wird nicht von der Vertragsordnung verdrängt und grundsätzlich folgt jede Haftung ihren eigenen Regeln (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 2021 - VI ZR 21/20, juris Rn. 10 mwN). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind sog. Freizeichnungsklauseln als Ausnahme von der sich aus dem dispositiven Recht ergebenden Haftung grundsätzlich eng auszulegen (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2017 - VIII ZR 233/15, juris Rn. 24). Ist die Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten, gehen Zweifel an ihrer Reichweite gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 1976 - VIII ZR 137/75, juris Rn. 29; Urteil vom 5. Mai 1992 - VI ZR 188/91, juris Rn. 36).

bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind sowohl nach allgemeinem als auch juristischem Sprachgebrauch mit dem Wortlaut "aus Sachmängelhaftung" die sich bei einem Mangel aus Gewährleistungsrecht gemäß § 437 BGB ergebenden Rechte gemeint (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 10. September 2021 - 23 U 519/21, juris Rn. 49; Eggert, DAR 2015, 451, 543 ff.; Weber, Rechtwörterbuch, 31. Aufl., Stichwort: Sachmangel mit Verweis auf Gewährleistung; RWB, https://www.rechtswoerterbuch.de/lexikon/sachmaengelhaftung/, Stichwort Sachmängelhaftung; Garantie und Gewährleistung beim Gebrauchtwagen: Ihre Rechte (adac.de); Sachmängelhaftung beim Auto, https://www.autoscout24.de/informieren/ratgeber/autorecht/sachmaengelhaftung-wissenswertes/ ). Demgegenüber vermag die von der Beklagten in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 15. Dezember 2023 aufgestellte Behauptung, ein Verbraucher verstünde den Ausdruck "Sachmängelhaftung" als Synonym für jegliche Haftung, die auf Sachmängeln beruhe, nicht zu überzeugen. Sie ist als neue Tatsachenbehauptung nach Schluss der mündlichen Verhandlung nach § 296a ZPO nicht zuzulassen. Im Übrigen trifft das von der Beklagten - ohne Nachweise - angeführte Sprachverständnis nicht zu. Die von der Beklagten unterbreitete Lesart beruht vielmehr auf einer Begriffsvermischung. Der Ausdruck "Sachmängelhaftung" hat auch für die Vertragsparteien eine Bedeutung nur in dem Zusammenhang mit dem abgeschlossenen Kaufvertrag. Die aus dem Kaufvertrag resultierenden Ansprüche erfahren mit der Klausel eine Regelung. Das wird durch die Verwendung der Präposition "aus" klargestellt, die darauf verweist, dass die Ansprüche aus dem (rechtlichen) Raum des Kaufrechts stammen. Schließlich beruft sich die Beklagte zu Unrecht auf Erman/Grunewald, BGB, 17. Aufl., § 444 Rn. 9. Denn in der zitierten Stelle geht es nicht um das durch den Wortlaut nahegelegte Verständnis, sondern eine Auslegung nach den erkennbaren Interessen.

Eine Erstreckung auf deliktsrechtliche Ansprüche kommt nicht deshalb in Betracht, weil mit der Nennung von Leben, Körper und Gesundheit in der Freizeichnungsklausel - die im Zusammenhang mit der Abtretungsklausel steht, weshalb beide nicht losgelöst voneinander beurteilt werden können - deliktisch geschützte absolute Rechtsgüter aufgezählt werden. Das gilt ungeachtet dessen, ob es sich um eine individualvertragliche Vereinbarung oder eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, weil einem entsprechenden Umkehrschluss entgegensteht, dass ein Schaden wegen der Verletzung dieser Rechtsgüter infolge eines Mangels als Mangelfolgeschaden auch gemäß § 437 Nr. 3 in Verbindung mit § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB von dem Käufer ersetzt verlangt werden kann.

Im Übrigen ist zu bedenken, dass die Klausel sich in einem Formularvertrag findet und im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung darstellt. Die Herausnahme von Schadensersatzansprüchen wegen der Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit bezweckt deshalb nicht eine Ausdehnung des Haftungsausschlusses auf deliktsrechtliche Ansprüche, sondern dient dazu, die Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 7 Buchstabe a BGB zu vermeiden (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 4. Februar 2015 - VIII ZR 26/14, juris Rn. 16 mwN). Aus diesem Grund sind auch Schadensersatzansprüche, die auf einer grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Pflichtverletzung beruhen von dem Haftungsausschluss ausgenommen (siehe § 309 Nr. 7 Buchstabe b BGB), wobei zu beachten ist, dass auch hier der Wortlaut von Pflichten des "Verkäufers" spricht.

Gemäß dem oben genannten Grundsatz enger Auslegung von Freizeichnungsklauseln, kann die Klausel nicht anders verstanden werden, als dass sie gemäß ihrer Formulierung "Schadensersatzansprüche aus Sachmängelhaftung" nur die in § 437 Nr. 3 BGB genannten Ansprüche aus Kaufgewährleistungsrecht von dem Haftungsausschluss ausnimmt. Nichts anderes gilt für die Abtretungsklausel, die denselben Sprachgebrauch verwendet.

b) Eine Ausdehnung der Abtretung über den Wortlaut hinaus auf deliktische Ansprüche ist auch nicht mit Blick auf den Zweck der Klausel(n) veranlasst. Die Beschränkung der Reichweite der Klausel hinsichtlich Haftungsausschluss und Abtretung auf gewährleistungsrechtliche Ansprüche ist vielmehr interessengerecht. Insbesondere ist eine Abtretung deliktischer Ansprüche gegen den Hersteller nicht zu der Vermeidung einer Gesamtgläubigerschaft erforderlich.

aa) Allerdings hat das Oberlandesgericht Stuttgart für einen Fall, in dem der Kläger das Fahrzeug, das er weiterverkauft hat, seinerseits unmittelbar von dem Fahrzeughersteller erworben hatte, entschieden, dass nach dem Gebot rechtskonformer Auslegung nur eine einheitliche Abtretung der Ansprüche aus Vertrag und Delikt rechtlich möglich sei, weil bei einer beschränkten Abtretung die Gefahr einer unerwünschten Gesamtgläubigerschaft bestünde (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 10. September 2021 - 23 U 519/21, juris Rn. 58). In gleicher Weise hat es in dem als Anlage BB42 eingereichten Urteil vom 24. Mai 2023 - 23 U 992/21 bei einem Gebrauchtwagenkauf von einem Dritten entschieden.

(1) Bei einer Anspruchskonkurrenz ist die auf einen Anspruch beschränkte Abtretung allenfalls mit Zustimmung des Schuldners möglich. Durch eine solche beschränkte Abtretung, die nur selten dem Willen der Vertragspartner entsprechen wird, würde nämlich eine Gesamtgläubigerschaft entstehen, die zur Folge hätte, dass der Schuldner Gefahr liefe, wegen desselben Sachverhalts von verschiedenen Gläubigern verklagt zu werden. Auch Gesamtgläubigerschaft an derselben Forderung kann ohne Mitwirkung des Schuldners vertraglich nicht begründet werden (BGH, Urteil vom 9. Dezember 1998 - XII ZR 170/96, juris Rn. 21).

(2) Eine solche Gefahr droht hier jedoch nicht.

Zwar besteht zwischen dem Schadensersatzanspruch des Käufers gegen den Verkäufer aus Vertragsverletzung und demjenigen aus unerlaubter Handlung eine echte Anspruchskonkurrenz (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2004 - VIII ZR 386/02, juris Rn. 12). Hier ist der Verkäufer des Klägers aber nicht zugleich der Fahrzeughersteller. Während die Ansprüche aus dem Kaufvertrag gegen den Verkäufer geltend zu machen sind, richten sich die Ansprüche aus § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung gegen den Hersteller. Ein Fall der Anspruchskonkurrenz, der die Gefahr einer Gesamtgläubigerschaft begründet, liegt daher nach erfolgter Weiterveräußerung hinsichtlich etwaiger Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer des Geschädigten und der Ansprüche aus § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung gegen den Hersteller nicht vor, weil sie sich von vornherein gegen verschiedene Personen richten. Das übersieht das OLG Stuttgart in dem als Anlage BB42 eingereichten Urteil vom 24. Mai 2023 - 23 U 992/21.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass sich der Geschädigte den Weiterveräußerungserlös im Rahmen des Vorteilsausgleichs anrechnen lassen muss; denn weder führt die Erfüllung des Schadensersatzanspruchs aus § 826 BGB oder des Differenzschadensersatzes zum Erlöschen etwaiger mangelbedingter gewährleistungsrechtlicher Ansprüche gegen den von dem Hersteller verschiedenen Verkäufer noch umgekehrt, die Erfüllung von Gewährleistungsrechten zum Entfall des einmal entstandenen Schadens. Wie der Bundesgerichtshof bereits geklärt hat, ist der deliktisch begründete Schadensersatzanspruch im Grundsatz unabhängig von den kaufvertraglichen Rechten des Geschädigten. Der in der Belastung mit einer "ungewollten" Verpflichtung liegende Vermögensschaden entfällt nicht dadurch, dass sich der Wert oder Zustand des Vertragsgegenstandes nachträglich verändert (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 2021 - VI ZR 452/19, juris Rn. 13). Nachträgliche Veränderungen können lediglich, wenn und soweit sie ihre Grundlage in dem das Schadensersatzrechtsverhältnis begründenden Kaufvertragsschluss haben, im Wege des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigen sein, sind jedoch grundsätzlich nicht auf die Befriedigung desselben Interesses gerichtet. Denn die Rechte aus dem Kaufvertrag sind auf das positive, die deliktischen Ansprüche auf das negative Interesse gerichtet (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 1983 - VI ZR 310/79, juris Rn. 9; Urteil vom 6. Juli 2021 - VI ZR 40/20, BGHZ 230, 224 Rn. 14).

bb) Davon losgelöst gebietet der anerkannte Auslegungsgrundsatz der beiderseits interessengerechten Vertragsauslegung eine beschränkte Abtretung. Dieser Grundsatz bezweckt, die Abrede auf einen vertretbaren Sinngehalt zurückzuführen. Es geht hierbei nicht darum, dem Rechtsgeschäft zu dem Inhalt zu verhelfen, der dem Richter im Entscheidungszeitpunkt als interessengemäß erscheint. Maßgeblich ist vielmehr der Einfluss, den das Interesse der Parteien auf den objektiven Erklärungswert ihrer Äußerungen bei deren Abgabe hatte (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 2015 - IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 Rn. 21).

(1) Der Klausel liegt der Zweck zugrunde, einen Ausgleich für den vereinbarten Ausschluss der Sachmängelhaftung zu schaffen. Danach soll der Verkäufer keiner Sachmängelhaftung ausgesetzt sein; soweit solche Ansprüche aber noch bestehen, soll der Käufer sich stattdessen an früher in der Verkaufskette stehende Verkäufer wenden können (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 10. September 2021 - 23 U 519/21, juris Rn. 52). Die Abtretungsklausel begegnet der Schwierigkeit, dass ein Kaufvertrag, in dem die Sachmängelhaftung ausgeschlossen wird, im Allgemeinen nicht ergänzend in dem Sinne verstanden werden kann, dass Ansprüche gegen weiter vorne in der Verkaufskette Stehende stillschweigend abgetreten sind oder jedenfalls eine entsprechende Abtretungspflicht besteht und auch eine Drittschadensliquidation regelmäßig ausscheidet (vgl. Reinking/Eggert/Jaensch, Der Autokauf, 15. Aufl., S. 1146 ff. Rn. 98 ff.). Verwendet der Letztverkäufer eine derartige Abtretungsklausel, so spricht dies dafür, dass er derartige Lücken des Käuferschutzes nicht entstehen lassen möchte (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 10. September 2021 - 23 U 519/21, juris Rn. 53).

(2) Dem Zweck, einen Ausgleich für den Ausschluss der Sachmängelhaftung zu schaffen, ist bereits genügt, wenn der Zedent die ihm verbliebenen Ansprüche aus Gewährleistungsrecht abtritt. Eine darüber hinausgehende Abtretung auch deliktischer Ansprüche würde dem Käufer mehr Rechte verschaffen, als er ohne den Gewährleistungsschluss hätte. Das gilt erst recht, wenn die Abtretung nicht nur deliktische Ansprüche gegen den (Vor-)Verkäufer erfasste, sondern sogar gegen an dem Kaufvertrag zwischen dem Zedenten und dessen Verkäufer nicht beteiligte Dritte, wie hier den Fahrzeughersteller.

(3) Für eine Abtretung der in Rede stehenden Ansprüche aus § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ist ein berechtigtes Interesse des Zessionars nicht ersichtlich.

(a) Deliktische Verkehrspflichten haben nicht - wie etwa die Gewährleistungspflichten - zum Inhalt, auf den Erwerb einer mangelfreien Sache gerichtete Vertragserwartungen, insbesondere Nutzungs- und Werterwartungen, zu schützen (Nutzungs- und Äquivalenzinteresse). Sie sind vielmehr auf das Interesse gerichtet, das der Rechtsverkehr daran hat, durch die in Verkehr gegebene Sache nicht in Eigentum oder Besitz verletzt zu werden (Integritätsinteresse; BGH, Urteil vom 23. Februar 2021 - VI ZR 21/20, juris Rn. 11).

(b) Werden deliktisch geschützte Rechtsgüter des Zessionars aufgrund eines Mangels der Kaufsache verletzt, entstehen aus der Verletzung des Integritätsinteresses deliktische Ansprüche nur in dessen Person, nicht jedoch in der des Zedenten. Umgekehrt wird weder das Äquivalenz- noch das Integritätsinteresse des Zessionars dadurch beeinträchtigt, dass vor der Abtretung bei dem Zedenten Schäden an dessen - von der Kaufsache verschiedenen - Rechtsgütern eingetreten sind. Vernünftigerweise kann der Käufer die Abtretung solcher Ansprüche, die nur der Wiederherstellung des Integritätsinteresses des Zedenten dienen, nicht erwarten. Es ist schlechthin kein Grund ersichtlich, weshalb der Käufer hinsichtlich solcher Ansprüche berechtigt werden sollte, die allein den an fremden Rechtsgütern eingetretenen Schaden ausgleichen. Ein hinreichender und interessengerechter Ausgleich ist bereits dadurch erreicht, dass der Zessionar durch die Abtretung der gewährleistungsrechtlichen Ansprüche in die Lage versetzt wird, sein Leistungsinteresse sowie die an seinen Rechtsgütern infolge eines Mangels eintretenden Ansprüche durchsetzen zu können. Deliktische Ansprüche hinsichtlich solcher Schäden an seinen Rechtsgütern stehen ohnehin nur dem Zessionar selbst zu.

Eine individualvertragliche Abtretung ist nach dem Grundsatz der beiderseits interessengerechten Auslegung in diesem Sinne zu verstehen. Für eine Allgemeine Geschäftsbedingung gilt nach der gebotenen objektiven Auslegung nichts anderes. Sollte die Abtretungsklausel als Allgemeine Geschäftsbedingung nach der bei einer Inzidentprüfung angezeigten kundenfeindlichsten Auslegung als Abtretung auch bei dem Zedenten bereits eingetretener Schäden verstanden werden, wovon der Senat allerdings nicht ausgeht, hielte sie einer Prüfung anhand der § 305c Abs. 1, § 307 BGB mangels jeglichen nachvollziehbaren Interesses nicht stand.

(c) Um solche Schäden handelt es sich auch bei den Ansprüchen aus § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung, die nicht dem Ausgleich des Erfüllungs-, sondern des Erhaltungsinteresses dienen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2021 - VI ZR 40/20, BGHZ 230, 224 Rn. 19; Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 40). Diese Ansprüche entstehen in der Person des jeweiligen Käufers neu (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 75). Da sie nicht dem Ausgleich eines Mangelunwerts, sondern der Vermögenseinbuße des jeweiligen Käufers dienen, ist nicht zu erkennen, welches Interesse der Zedent an der Abtretung des auf die Beseitigung des nur in seinem Vermögen entstandenen Schadens gerichteten Anspruchs haben sollte noch, welches berechtigte Interesse der Zessionar haben könnte, einen solchen Anspruch an sich zu ziehen. Auch die Beklagte legt ein solches Interesse des Zessionars nicht dar.

B. Der Kläger kann von der Beklagten Ersatz des sog. Differenzschadens gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV in Höhe von 1.161 € nebst Zinsen verlangen. Ein weitergehender Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 826, 31 BGB oder auf Ersatz von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten steht ihm hingegen nicht zu.

1. Der Kläger kann Schadensersatz aus §§ 826, 31 BGB bereits dem Grunde nach nicht verlangen. Zwar kommt, wenn unter Täuschung im EG-Typgenehmigungsverfahren bewusst eine unzulässige Motorsteuerungssoftware verbaut wird, eine deliktische Haftung des Herstellers nach §§ 826, 31 BGB grundsätzlich in Betracht. Nach den eingeholten Auskünften des Kraftfahrtbundesamtes steht jedoch ein sittenwidriges Handeln der Beklagten nicht fest.

a) Ein Automobilhersteller handelt gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt. Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2021 - VII ZR 257/20, juris Rn. 20 mwN).

Das Inverkehrbringen eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüsteten Kraftfahrzeugs durch einen Fahrzeughersteller ist aber nicht schon wegen des darin liegenden Gesetzesverstoßes als sittenwidriges Verhalten gegenüber dem Käufer des Fahrzeugs anzusehen. Damit eine unzulässige Abschalteinrichtung eine Haftung des Fahrzeugherstellers wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB auslösen kann, müssen nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weitere Umstände hinzutreten, die sein Verhalten als besonders verwerflich erscheinen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2023 - III ZR 303/20, juris Rn. 11 mwN).

aa) Einen derartigen Umstand kann es darstellen, dass die Abschalteinrichtung danach unterscheidet, ob das Kraftfahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus unterzogen wird oder sich im normalen Fahrbetrieb befindet. Die Tatsache, dass eine Manipulationssoftware ausschließlich im Prüfstand die Abgasreinigung verstärkt aktiviert, indiziert eine arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2023 - III ZR 303/20, juris Rn. 12 mwN).

bb) Hiervon ist zu unterscheiden, ob die Abschalteinrichtung in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise arbeitet. Das ist der Fall, wenn unter den für den Prüfzyklus maßgebenden Bedingungen (Umgebungstemperatur, Luftfeuchtigkeit, Geschwindigkeit, Widerstand, etc., vgl. Art. 5 Abs. 3 a der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 in Verbindung mit Art. 3 Nr. 1 und 6, Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 (ABl. L 199 vom 28. Juli 2008, S. 1 ff.) in Verbindung mit Abs. 5.3.1 und Anhang 4 Abs. 5.3.1, Abs. 6.1.1 der UN/ECE-Regelung Nr. 83 (ABl. L 375 vom 27. Dezember 2006, S. 246 ff.)) die Rate der Abgasrückführung im normalen Fahrbetrieb derjenigen auf dem Prüfstand entspricht (vgl. zum "Thermofenster" BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, juris Rn. 18; Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 27). Sofern die verwendete Abschalteinrichtung auf dem Prüfstand und im normalen Fahrbetrieb im Grundsatz in gleicher Weise funktioniert, ist darauf abzustellen, ob die konkrete Ausgestaltung der Abschalteinrichtung angesichts der sonstigen Umstände die Annahme eines heimlichen und manipulativen Vorgehens oder einer Überlistung der Typgenehmigungsbehörde rechtfertigen kann. Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt in einem solchen Fall jedenfalls voraus, dass der Fahrzeughersteller bei der Entwicklung und/oder Verwendung der Abschalteinrichtung in dem Bewusstsein handelte, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahm. Fehlt es daran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 28; Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20, juris Rn. 16; Urteil vom 20. Juli 2023 - III ZR 303/20, juris Rn. 13 mwN).

cc) Die Darlegungs- und Beweislast für ein derartiges Vorstellungsbild der handelnden Personen trägt dabei nach den allgemeinen Grundsätzen der Fahrzeugkäufer als Anspruchsteller (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2022 - VI ZR 435/20, juris Rn. 18). Reichen die von einer Partei für das Vorstellungsbild der anderen Partei behaupteten Indizien nach Auffassung des Tatgerichts für eine dahingehende Überzeugungsbildung auch dann nicht aus, wenn sie sich als zutreffend erweisen, so ist das Tatgericht nicht gehalten, Feststellungen zu den behaupteten Indizien zu treffen (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2022 - VI ZR 435/20, juris Rn. 20).

b) Gemessen hieran kann die für einen Anspruch aus § 826 BGB erforderliche Verwerflichkeit des Handelns der Beklagten nicht festgestellt werden. Es fehlt an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass das Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit - den nachfolgend im Rahmen einer Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV festgestellten - unzulässigen Abschalteinrichtungen von der Beklagten in dem Bewusstsein der Unrechtmäßigkeit geschah und damit objektiv sittenwidrig war.

aa) Insbesondere kann auf ein vorhandenes Bewusstsein der Unrechtmäßigkeit nicht aus dem von dem Kraftfahrtbundesamt beanstandeten "Geregelten Kühlmittelthermostat" geschlossen werden, weil es sich hierbei nicht um eine Prüfstandserkennung handelt. Diese Abschaltstrategie funktioniert - wie das Kraftfahrtbundesamt auf die Nachfrage des Senats ausdrücklich erläutert hat - im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise wie im realen Fahrbetrieb. Zwar schaltet die vorhandene Strategie in Abhängigkeit bestimmter Parameter in einen für die Abgasrückführung weniger effektiven Modus, wobei diese Umschaltparameter insbesondere im Normalbetrieb erreicht werden. Eine optimierte Abgasrückführung in der Warmlaufphase sei aber auch im Realbetrieb nicht ausgeschlossen. Auch dem Vortrag des Klägers lassen sich über eine pauschale Behauptung hinaus keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass es sich bei dem "Geregelten Kühlmittelthermostat" entgegen der Feststellungen des Kraftfahrtbundesamtes um eine Prüfstandserkennung handeln könnte.

Gleiches gilt für das "Thermofenster". Die Steuerung der Abgasrückführung arbeitet bei dem Thermofenster - auch nach dem Vortrag des Klägers - zwar an der Umgebungstemperatur orientiert, im Grundsatz aber - bei Vorliegen der entsprechenden Bedingungen - auf dem Prüfstand und im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise.

bb) Der Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens wäre vor diesem Hintergrund nur dann gerechtfertigt, wenn zu dem Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Dafür müssten sich die betreffenden Personen bei der Entwicklung bzw. Verwendung der Abschalteinrichtungen zumindest darüber bewusst gewesen sein, unzulässige Abschalteinrichtungen zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen haben.

Greifbare Anhaltspunkte, die auf ein solches Vorstellungsbild hindeuten könnten, sind jedoch von dem Kläger weder hinreichend substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Kläger behauptet ein wissentliches bzw. vorsätzliches Handeln der Beklagten nur pauschal und macht geltend, die Wirkungsweise der Abschalteinrichtungen sei gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt gezielt verschleiert worden; hierfür hat er aber keine belastbaren Anhaltspunkte aufgezeigt.

(1) Solche Anhaltspunkte für ein wissentliches Handeln der Beklagten folgen nicht bereits daraus, dass die Beklagte - wie unten ausgeführt wird - im Rahmen einer Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV einen Verbotsirrtum nicht dargetan hat. Daraus kann nicht auf ein wissentliches Fehlverhalten der Beklagten geschlossen werden, weil es bei der Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB um die Widerlegung (zumindest) fahrlässigen Verhaltens geht, wofür die Beklagte beweisbelastet ist. Bei der Haftung aus § 826 BGB hat jedoch der Kläger ein vorsätzliches sittenwidriges Handeln der Beklagten zu beweisen, ohne dass er sich hierfür auf eine Vermutung stützen könnte.

(2) Aus der Erforderlichkeit eines Software-Updates lassen sich keine Rückschlüsse darauf ziehen, dass die Beklagte unter bewusster Hinwegsetzung über Gesetzesbestimmungen das Fahrzeug mit einer normwidrigen Steuerungssoftware für die Abgasrückführung ausgestattet hätte. Anknüpfungspunkt für ein Software-Update ist lediglich die Erforderlichkeit eines Eingriffs in die bisherigen Standards unter technischen Gesichtspunkten; ob diese Standards auf einem Verhalten beruhen, das in seinem Gesamtcharakter gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, lässt sich dagegen aus der Erforderlichkeit eines Software-Updates nicht herleiten.

(3) Aus einer etwaig unterbliebenen Offenlegung der genauen Wirkungsweise der Abschalteinrichtungen gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt folgen ebenfalls keine Anhaltspunkte, dass für die Beklagte tätige Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Nach der Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes hat es zu dem Zeitpunkt der hier relevanten Emissionsgenehmigung keine Angaben des Herstellers zu den Emissionsstrategien des Fahrzeuges im sogenannten Beschreibungsbogen gefordert. Dass die Beklagte gleichwohl erforderliche Angaben zu den Einzelheiten der Abschalteinrichtungen im Typgenehmigungsverfahren unterlassen haben sollte, hat das Kraftfahrtbundesamt nicht bekundet. Ohnehin wäre die Typgenehmigungsbehörde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG gehalten gewesen, diese zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug zu prüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2021 - VII ZR 223/20, Rn. 14).

(4) Auch eine Abweichung der Messwerte im Realbetrieb von den Messwerten nach NEFZ ist als Indiz für eine Abschalteinrichtung, und noch dazu für eine Manipulationssoftware, die die Voraussetzungen des § 826 BGB erfüllen könnte, angesichts der unstreitigen gravierenden Unterschiede der Bedingungen, unter denen die Messung erfolgt, ungeeignet (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021, VI ZR 128/20, juris Rn. 23; Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 2/21, juris Rn. 30). Auf dem Prüfstand wird eine bestimmte "ideale", nicht der Praxis entsprechende Situation vorgegeben, etwa hinsichtlich der Umgebungstemperatur, der Kraftentfaltung (Beschleunigung und Geschwindigkeit), Abschaltung der Klimaanlage usw., so dass der erzielte Wert zwar zu einer relativen Vergleichbarkeit unter den verschiedenen Fahrzeugfabrikaten und -modellen führen mag, absolut genommen aber jeweils nicht mit dem Straßenbetrieb übereinstimmt.

(5) Schließlich reicht auch die Gesamtschau aller von dem Kläger für das Vorstellungsbild der Beklagten vorgetragenen Umstände nicht aus, um dem Senat die Überzeugung eines verwerflichen Handelns der für die Beklagten verantwortlichen Personen zu erlauben oder auch nur eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu ihren internen Entscheidungsvorgängen auszulösen. Dabei ist zwar zu beachten, dass das "Geregelte Kühlmittelthermostat" zu einer verbesserten Emissionsminderung vor allem unter Prüfstandsbedingungen führt. Für die konkrete Ausgestaltung hat die Beklagte aber technische Aspekte angeführt, die zwar eine Zulässigkeit der Abschalteinrichtungen nicht zu begründen vermögen, jedoch der Beurteilung ihres Verhaltens als verwerflich entgegenstehen. Hinsichtlich des "Thermofensters" ist zu bedenken, dass das Kraftfahrtbundesamt zur damaligen Zeit - und auch in der dem Senat erteilten Auskunft - das "Thermofenster" nicht als unzulässig, sondern als Industriestandard bewertet hat ("Thermofenster" wurden von allen Autoherstellern eingesetzt; vgl. BMVI, Bericht der Untersuchungskommission Volkswagen, Stand April 2016). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat sich erstmals mit Urteil vom 17. Dezember 2020 (C-693/18, ECLI:EU:C:2020:1040, NJW 2021, 1216) mit der Auslegung der vorgenannten Ausnahmevorschrift befasst. Insoweit war ein Verstoß betreffend die Auslegung der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a VO (EG) Nr. 715/2007 auch nicht evident (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2022 - III ZR 205/20, juris Rn. 24).

2. Der Kläger hat einen Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV gegen die Beklagte. Die Beklagte hat § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV schuldhaft verletzt, indem sie eine unzutreffende Übereinstimmungsbescheinigung erteilt hat. Unzutreffend ist eine Übereinstimmungsbescheinigung, wenn das betreffende Kraftfahrzeug mit einer gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet ist, weil die Bescheinigung dann eine tatsächlich nicht gegebene Übereinstimmung des konkreten Kraftfahrzeugs mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausweist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 38). So liegt es hier.

a) Sowohl das "Geregelte Kühlmittelthermostat" als auch das "Thermofenster" sind Abschalteinrichtungen im Sinne von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 715/2007.

aa) Nach Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 kann eine Abschalteinrichtung schon dann vorliegen, wenn die Funktion nur eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems in Abhängigkeit von bestimmten Parametern verändert und die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter den Bedingungen des normalen Fahrbetriebs verringert wird. Während in Bezug auf die Funktionsänderung auf Teile des Emissionskontrollsystems abgestellt werden kann, kommt es für die Wirkung der Funktionsänderung auf das Emissionskontrollsystem in seiner Gesamtheit an, etwa auf die kombinierte Wirkung von Abgasrückführung und -reinigung. Maßstab für die Frage der Zulässigkeit einer Funktionsveränderung in Abhängigkeit von bestimmten Parametern ist nach Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht die Einhaltung des Grenzwerts, sondern die Wirksamkeit des unverändert funktionierenden Emissionskontrollsystems unter den Bedingungen des normalen Fahrbetriebs. In diesem Zusammenhang bedarf es eines Vergleichs der Wirksamkeit des unverändert funktionierenden und derjenigen des verändert funktionierenden Gesamtsystems, und zwar jeweils unter den Bedingungen des normalen Fahrbetriebs im gesamten Unionsgebiet. Ob die Grenzwerte unter den Bedingungen des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) auch bei veränderter Funktion eingehalten würden (Grenzwertkausalität), ist hingegen mit Rücksicht auf den Wortlaut des Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht von Bedeutung. Die Prüfung im NEFZ lässt nur in Bezug auf die dabei wirksamen Emissionskontrollsysteme Prognosen für den gewöhnlichen Fahrbetrieb zu und auch das nur dann, wenn die Wirksamkeit der betreffenden Systeme im gewöhnlichen Fahrbetrieb nicht verringert wird. Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 knüpft an die Verringerung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems in seiner Gesamtheit an und nicht an die Einhaltung der Grenzwerte im NEFZ. Das gilt ohne Rücksicht auf die jeweils eingesetzten Technologien (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 51).

bb) Hieran gemessen handelt es sich bei beiden Regelungen um Abschalteinrichtungen.

(1) Das "Geregelte Kühlmittelthermostat" führt unstreitig dazu, dass unter bestimmten Betriebsumständen, die Sollwerttemperatur für das Kühlmittelthermostat von 100°C auf 70°C abgesenkt wird. Dies bewirkt eine verbesserte Emissionsreduzierung durch den längeren Warmlauf und dem damit verbundenen besseren Ausgleich von Stickoxiden und Partikeln. Eine Deaktivierung der Funktion erfolgt bei Überschreiten bzw. Unterschreiten einer maximalen bzw. minimalen Außen- und Ansauglufttemperatur, Unterschreiten eines bestimmten Umgebungsdrucks, Überschreiten einer maximalen Last, einer maximalen Drehzahl, einer maximalen Motoröltemperatur und Überschreiten eines Zeitraums, der in Abhängigkeit von der Kühlmitteltemperatur bei Motorstart festgelegt wird. Die Funktion kann über jede dieser Bedingungen deaktiviert werden, wenn die jeweilige Bedingung nicht (mehr) erfüllt ist. Eine erneute Aktivierung der Funktion im laufenden Betrieb findet nicht statt. Danach kann das "Geregelte Kühlmittelthermostat" auch dann deaktiviert werden, wenn die fortgesetzte erhöhte Kühlung zu einer zusätzlichen Vermeidung von NOx-Emissionen führen würde. Ob, wie die Beklagte anführt, aus anderen (technischen) Gründen eine Deaktivierung des "Geregelten Kühlmittelthermostats" angezeigt ist oder ob die Grenzwerte auf dem Prüfstand auch ohne das "Geregelte Kühlmittelthermostat" eingehalten werden, ist nicht für das Vorliegen einer Abschalteinrichtung, sondern erst für deren Zulässigkeit von Bedeutung.

Soweit die Beklagte die Frage aufwirft, ob es sich bei der Phase des Motorwarmlaufs um normale Betriebsbedingungen handelt, so ist dies offenkundig zu bejahen, weil sich an jeden Kaltstart des Motors eine Warmlaufphase anschließt. Das wird durch Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe b Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bestätigt. Nach dieser Vorschrift ist eine Abschalteinrichtung zulässig, die nicht länger arbeitet, als zum Anlassen des Motors erforderlich ist. Dementsprechend ging der Unionsgesetzgeber davon aus, dass bereits der Motorstart zu den normalen Betriebsbedingungen gehört. Klärungsbedarf besteht für diese Frage nicht (acte clair; vgl. auch Senat, Urteil vom 22. November 2023 - 7 U 40/23, juris Rn. 17).

Das "Geregelte Kühlmittelthermostat" ist auch nicht deshalb nicht als Abschalteinrichtung anzusehen, weil ein sog. Trade-Off im Hinblick auf andere Schadstoffe zu berücksichtigen wäre. Nach der Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union sieht Art. 5 Abs. 1 VO (EG) 715/2007 vor, dass der Hersteller die Fahrzeuge so ausrüsten muss, dass die Bauteile, die sich auf das Emissionsverhalten auswirken, es erlauben, dass die Fahrzeuge unter normalen Betriebsbedingungen die in der Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen vorgesehenen Emissionsgrenzwerte einhalten (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - C-128/20, ECLI:EU:C:2022:570 Rn. 41). Aus ihren Erwägungsgründen 1 und 6 ergibt sich, dass das mit der Verordnung verfolgte Ziel darin besteht, ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen und zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte insbesondere die Stickstoffoxid (NOx)-Emissionen bei Dieselkraftfahrzeugen zu mindern (EuGH, aaO Rn. 43). Nach Erwägungsgrund 11 sollten separate Grenzwerte für die Gesamtmasse der Kohlenwasserstoffe eingeführt werden, um die Einführung von mit alternativen Treibstoffen betriebenen Fahrzeugen mit einem niedrigen Ausstoß an Stickoxiden und Partikeln zu fördern und die Existenz solcher Fahrzeuge aufrecht zu erhalten. Schließlich ist auch in Art. 3 Abs. 9 Unterabs. 2 der Verordnung (EG) 692/2008 vorgesehen, dass die Hersteller der Genehmigungsbehörde belegen, dass die Stickstoffoxid (NOx)-Nachbehandlungseinrichtung nach einem Kaltstart bei -7 Grad Celsius innerhalb von 400 Sekunden eine für das ordnungsgemäße Arbeiten ausreichend hohe Temperatur erreicht (vgl. EuGH, aaO Rn. 45). Mit diesen Regelungen und dem Ziel, insbesondere Stickoxidemissionen auch im Normalbetrieb erheblich zu verringern, wäre es jedoch unvereinbar, wollte man einen "Trade-off" mit Kohlenwasserstoffen oder anderen Schadstoffen erlauben. Im Gegenteil ging der Unionsgesetzgeber ausweislich Erwägungsgrund 6 gerade davon aus, dass diese Art von Emissionen bei Dieselfahrzeugen ohnehin niedrig ist, während es einer besonderen Anstrengung zur Vermeidung von Stickoxiden bedürfe. Ein Klärungsbedarf hinsichtlich der Auslegung der maßgeblichen Verordnung besteht nach alledem nicht (acte clair); die von dem Landgericht Duisburg in seinen Vorlagen (zB EuGH, Rechtssache C-308/23) aufgeworfenen Zweifel teilt der Senat nicht.

(2) Auch mit dem "Thermofenster" liegt eine Abschalteinrichtung vor. Der Kläger hat vorgetragen, dass die Motorsteuerung außerhalb eines Temperaturbereichs der Umgebungslufttemperatur von 17°C bis 33°C die Abgasrückführungsrate reduziert. Ein weiterer Vortrag war von dem Kläger nicht zu verlangen, hinsichtlich des Temperaturbereichs durfte er sich, weil der Vortrag fachspezifische Fragen betrifft und besondere Sachkunde erfordert, auf Vermutungen beschränken. Dem ist die Beklagte in dem Berufungsverfahren nur insoweit entgegengetreten, als die Abgasrückführung bei betriebswarmem Motor erst unterhalb von etwa +7°C und oberhalb von +32°C Umgebungslufttemperatur schrittweise reduziert werde. Das ist als Bestreiten einer Abschalteinrichtung nicht erheblich, weil auch mit diesem "Thermofenster" die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen verringert wird, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind (vgl. hierzu VG Schleswig, Urteil vom 20. Februar 2023 - 3 A 113/18, juris Rn. 274). Zu den üblichen tatsächlichen Fahrbedingungen in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gehört jedenfalls der Betrieb eines Fahrzeugs bei Umgebungstemperaturen von weniger als 7°C.

b) Die genannten Abschalteinrichtungen sind unzulässig im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Zwar hat sich die - darlegungsbelastete (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 53) - Beklagte auf Motorschutz berufen, was grundsätzlich die Verwendung einer Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a Verordnung (EG) Nr. 715/2007 rechtfertigen kann. Die Voraussetzungen hierfür lassen sich ihrem Vortrag jedoch nicht entnehmen.

aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 715/2007 dahin auszulegen, dass eine Abschalteinrichtung nur dann nach dieser Bestimmung zulässig sein kann, wenn nachgewiesen ist, dass diese Einrichtung ausschließlich notwendig ist, um die durch eine Fehlfunktion eines Bauteils des Abgasrückführungssystems verursachten unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall zu vermeiden, Risiken, die so schwer wiegen, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des mit dieser Einrichtung ausgestatteten Fahrzeugs darstellen. Die Verschmutzung und der Verschleiß des Motors können nicht als "Beschädigung" oder "Unfall" im Sinne der genannten Bestimmung angesehen werden, denn sie sind im Prinzip vorhersehbar und der normalen Funktionsweise des Fahrzeugs inhärent (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 - C-693/18, ECLI:EU:C:2020:1040 Rn. 110; Urteil vom 14. Juli 2022 - C-128/20, ECLI:EU:C:2022:570 Rn. 54). In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist zudem geklärt, dass es sich bei dem AGR-Ventil, dem AGR-Kühler und dem Dieselpartikelfilter um von dem Motor getrennte Bauteile handelt (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - C-128/20, ECLI:EU:C:2022:570 Rn. 51 f.; vgl. auch Anhang I Abs. 3.3.1.2 und 3.3.1.3 zur VO (EG) Nr. 692/2008; OLG Stuttgart, Urteil vom 19. Oktober 2023 - 24 U 103/22, juris Rn. 36). Eine Abschalteinrichtung, die unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, damit der Motor vor Beschädigung oder Unfall geschützt und der sichere Betrieb des Fahrzeugs gewährleistet ist, kann jedenfalls nicht unter die in Art. 5 Abs. 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 715/2007 vorgesehene Ausnahme fallen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - C-128/20, ECLI:EU:C:2022:570 Rn. 70)

bb) Außerdem ist eine Abschalteinrichtung nur dann "notwendig" im Sinne dieser Bestimmung, wenn zum Zeitpunkt der EG-Typgenehmigung dieser Einrichtung oder des mit ihr ausgestatteten Fahrzeugs keine andere technische Lösung unmittelbare Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall, die beim Fahren eines Fahrzeugs eine konkrete Gefahr hervorrufen, abwenden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 8. November 2022 - C-873/19, ECLI:EU:C:2022:857 Rn. 95). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hat der Unionsgesetzgeber bei der Festlegung der Grenzwerte für Schadstoffemissionen die wirtschaftlichen Interessen der Automobilhersteller und insbesondere die Kosten, die den Unternehmen durch die erforderliche Einhaltung dieser Werte auferlegt werden, berücksichtigt. Es sei Sache der Hersteller, sich anzupassen und technische Vorrichtungen anzuwenden, mit denen diese Grenzwerte eingehalten werden können, wobei der Einsatz einer bestimmten Technologie nicht vorgeschrieben sei (vgl. EuGH, Urteil vom 8. November 2022 - C-873/19, ECLI:EU:C:2022:857 Rn. 92 mwN). Das angestrebte Ziel eines hohen Umweltschutzniveaus wäre in Frage gestellt, würde eine Abschalteinrichtung allein deshalb zugelassen, weil z. B. die Kosten für die Forschung hoch sind, die technische Ausrüstung teuer ist oder für den Nutzer häufigere und kostspieligere Wartungsarbeiten am Fahrzeug anfallen (vgl. EuGH, aaO Rn. 93 mwN). Dabei hat sich der Gerichtshof explizit gegen das Argument gewandt, bei der Auslegung des Begriffs "notwendig" seien die Umweltinteressen gegen die wirtschaftlichen Interessen der Hersteller abzuwägen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - C-145/20, ECLI:EU:C:2022:572 Rn. 77).

cc) Nach der Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union setzt die Ausnahme des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a Verordnung (EG) Nr. 715/2007 voraus, dass die ausschließliche Notwendigkeit zum Motorschutz nachgewiesen wird. Es ist daher von der beklagten Fahrzeugherstellerin Vortrag zu halten, bei dessen Wahrunterstellung, ggfs. unter Heranziehung sachverständiger Hilfe, dieser Nachweis geführt wäre. Insbesondere ist auch darzulegen, dass keine andere technische Lösung zur Verfügung stand.

dd) Hieran gemessen sind das "Thermofenster" und das "Geregelte Kühlmittelthermostat" nicht für den Motorschutz notwendig.

(1) Das gilt zunächst für das "Thermofenster".

(a) Die Beklagte führt an, dass es im Zusammenhang mit der Abgasrückführung zu vielfältigen Schäden kommen könne (im Einzelnen Ss. vom 10. November 2023 Rn. 58 ff.).

(aa) So sollen Ablagerungen infolge ihrer Kumulation über mehrere Fahrten eine Gefahr für den sicheren Betrieb begründen können, weil sich bei wiederholtem Betrieb des Motors bei zu niedrigen Außentemperaturen das Abgasrückführungssystem zusetzen könne. Hierdurch entstehe Versottung, also eine klebrige Belagbildung, welche die Wirksamkeit des AGR-Kühlers mindere, Verlackung, also eine Ablagerung, die eine harte Schicht auf der Oberfläche bilde, bei niedrigen Wandtemperaturen könne Wasserdampf mit Schwefel aus dem Abgas Schwefelsäure bilden und diese könne an der Drosselklappe, die die Frischluftzufuhr regele, zu Eis werden, das zum einen einen Motornotlauf auslösen könne. Zum anderen könne, wenn das Eis schmelze, Wasser in den Brennraum gelangen und den Motor irreversibel schädigen. Diese Erscheinungen könnten in der Praxis nicht immer eindeutig getrennt werden und träten oft gleichzeitig auf. Unter welchen Umständen und insbesondere in welchen Betriebszuständen die vorgenannten Ablagerungen entstehen könnten, hänge stark vom Fahrzeug- und Motortyp und den darin verbauten Bauteilen sowie von einer Vielzahl von weiteren Einzelfaktoren ab. Dazu zählten etwa der Wasseranteil der Abgase, die Druckverhältnisse, die Luftfeuchtigkeit und die Temperaturen der Bauteile im Verlauf der Fahrt. Tests an optimierten Fahrzeugen zeigten starke Verschmutzungen nach 50.000 km in einem Niedriglast-Profil, bei einem Misch-Dauerlauf sei bei Euro-5-Fahrzeugen nach 60.000 km eine erhebliche Verengung am Einleitrohr der Abgasrückführung zu beobachten gewesen. Ohne das "Thermofenster" könnte innerhalb kurzer Fahrtstrecken ein Grad der Versottung eintreten, bei dem es zu Bauteilversagen bis hin zu Aussetzern des Motors komme.

Die Ablagerungen, insbesondere die Versottung und die Verlackung, ließen sich im Rahmen normaler Wartungsarbeiten durch mechanische Reinigung nicht zuverlässig entfernen. Erforderlich wäre hierzu eine periodisch durchzuführende Reinigung, bei der Bauteile ausgebaut werden müssten. Der damit verbundene Aufwand sei unangemessen. Damit bliebe als Maßnahme zur Vermeidung von Schäden durch Ablagerungen lediglich der regelmäßige (präventive) Austausch der gefährdeten Komponenten. Der damit verbundene Arbeitsaufwand würde mehrere Stunden oder Tage in Anspruch nehmen, ggfs. wäre der gesamte Motor aus- und wieder einzubauen. Ein regelmäßiger präventiver Bauteiltausch wäre daher nicht zu vernünftigen Konditionen realisierbar. Dabei sei auch zu bedenken, dass sie bereits vielfältige Konstruktionsmaßnahmen ergriffen gehabt habe, um das Ablagerungsrisiko zu verringern.

(bb) Auch bestehe das Risiko von Motoraussetzern. Die Abgasrückführung reduziere den Sauerstoffgehalt im Brennraum, was, wenn zu viel Abgas rückgeführt werde, zu Aussetzern führen könne. Neben der Abgasrückführungsrate beeinflussten weitere Faktoren die Neigung des Systems zu Aussetzern, wie die Temperatur der Zylinderladung, die Kühlwassertemperatur und die Ansauglufttemperatur. Ein besonderes Risiko wiesen zudem Betriebspunkte mit niedrigen Einspritzmassen auf, weil durch die kleinen Einspritzmengen eine schlechte Lufterfassung im Brennraum stattfinde und bei einem solch inhomogenen Gemisch die Zündbedingungen lokal noch ungünstiger sein könnten. Zudem werde der Zylinder weniger aufgeheizt. Aussetzer könnten neben erschwerten Bedingungen für den Fahrer, etwa beim Überholen, dazu führen, dass Abgas unverbrannten Kraftstoff aus dem Zylinder heraustrage, der sich im Diesel-Oxydationskatalysator einlagere und dort spontan entzünden könne.

(cc) Ebenfalls müsse darauf geachtet werden, dass die Abgasrückführung keine zu starke Ölverdünnung nach sich ziehe, was zu einer Reduzierung der Schmierfähigkeit führe, was seinerseits den Komponentenverschleiß erhöhe. Überschreite dieser ein kritisches Ausmaß, könne dies einen plötzlich auftretenden Defekt des Motors bewirken. Die Ölverdünnung entstehe dadurch, dass für die Regeneration des Dieselpartikelfilters in den Diesel-Oxidationskatalysator zusätzlicher Brennstoff eingespritzt werde, der von den Zylinderwänden in den Ölraum tropfen könne. Durch die Ölverdünnung werde auch die Ölmenge erhöht, ohne dass dies durch einen Ölmehrverbrauch kompensiert wäre. Dies könne ein sog. Ölwerfen verursachen, also, dass Öl infolge eines zu hohen Ölstands in den Motor angesaugt und dort verbrannt werde. Eine unkontrollierte Verbrennung von Motoröl könne durch Überschreiten der maximalen Drehzahl zu einem kapitalen Motorschaden führen. Nach entwicklungsinternen Vorgaben sei bei der Abgasrückführungs-Auslegung berücksichtigt worden, dass der maximal zulässige Kraftstoffeintrag in das Motoröl 10% nicht überschreite. Die Ölverdünnung sei zum Teil reversibel, weil die Kraftstoffbestandteile wieder verdampften. Allerdings müsse ein kritischer Grad vermieden werden. Vor allem bei häufigen Kurzstreckenfahrten könne es sein, dass die Erwärmung des Motoröls nicht ausreiche, um eine hinreichende Verdunstung des Kraftstoffeintrags sicherzustellen. Dann bestehe ein erhöhtes Risiko für kritische Ölverdünnung.

(dd) In das Motoröl könnte aufgrund der Dieselpartikelfilter-Regeneration auch vermehrt Ruß gelangen, was ebenfalls die Schmierfähigkeit verringere und schon in geringen Mengen zu einer stark erhöhten Verschleißgeschwindigkeit führen könne. Der Rußeintrag sei anders als die Ölverdünnung nicht reversibel, sondern könne nur durch einen Ölwechsel beseitigt werden. Schon eine geringe Erhöhung des Rußgehalts im Motoröl könne zu einer stark erhöhten Verschleißgeschwindigkeit, insbesondere der Steuerkette, führen. Deren Gelenke würden durch den Ruß im Öl abgeschmirgelt. Die Kette verlängere sich und wandere das Nockenwellenrad hoch, bis dieses plötzlich breche. Alternativ reiße die Steuerkette. In der Folge kollidierten Ventile und Kolben miteinander. So werde der Motor irreparabel zerstört. Da die Steuerkette tief im Motor liege, könne sie nicht im Rahmen regulärer Wartungen getauscht werden.

(ee) Zu hohe Abgasrückführungsraten könnten auch einen Brand im Dieselpartikelfilter nach sich ziehen, wenn dessen Beladungsgrenze überschritten werde. Eine erhöhte Abgasrückführung führe daher zu einer häufigeren - schadstoffintensiven - Regeneration des Dieselpartikelfilters.

(ff) Die Ablagerungen führten zu erheblichen Leistungsreduktionen des AGR-Kühlers. Außerdem führten sie zu höheren Druckverlusten durch Querschnittsverengungen, die zu geringeren AGR-Raten führen können. Dieser Effekt könne nur teilweise durch die Regelung der AGR-Raten ausgeglichen werden. Wachse der AGR-Pfad ganz zu, versage die Abgasrückführung vollständig. Leckagen im Ladedruckpfad beeinträchtigten zudem die Genauigkeit der Luftmassenmessung, die Grundlage der Berechnung der Abgasrückführungsrate sei. Eine falsch berechnete Luftmasse habe eine fehlerhaft berechnete Abgasrückführungsrate zur Folge.

(gg) Schließlich ändere rückgeführtes Abgas die Temperaturbeanspruchung aller Bauteile, die dem Abgas ausgesetzt seien. Auch häufige Regenerationen belasteten aufgrund der Hitze die Abgasanlage.

(b) Mit diesen vielfältigen Problemen ist die Notwendigkeit der Verwendung eines "Thermofensters" zum Motorschutz nicht dargetan.

(aa) Die Belagbildung selbst stellt keine "Beschädigung" oder "Unfall" im Verordnungssinne dar und vermag für sich genommen die Verwendung eines "Thermofensters" nicht zu rechtfertigen. Daran ändert sich nichts, wenn diese Belagbildung zu einem Ausfall des AGR-Ventils führt, weil es sich hierbei nicht um einen Motorbestandteil handelt. Die von der Beklagten vorgetragene gegenteilige Ansicht bietet dem Senat keinen Anlass, eine von der gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union abweichende Auslegung in Erwägung zu ziehen.

Hinsichtlich der Ölverdünnung und des Rußeintrags, die einen erhöhten Verschleiß nach sich ziehen sollen, gilt im Ergebnis nichts anderes, weil auch der Verschleiß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht als "Beschädigung" oder "Unfall" im Sinne der genannten Bestimmung angesehen werden kann.

(bb) Die Verwendung eines "Thermofensters" könnte daher nur insofern zulässig sein, als die Folgen der Belagbildung zu einer Schädigung des Motors führen und hierdurch der sichere Betrieb des Fahrzeugs gefährdet wird, wie etwa ein Brand des Dieselpartikelfilters unter ungünstigen Bedingungen zu einem Fahrzeugbrand oder der sog. Wasserschlag zu einem Verbiegen der Pleuelstange und Aussetzen des Motors während der Fahrt führen kann.

Hinsichtlich dieser Risiken behauptet die Beklagte im Ergebnis jedoch nicht, dass eine andere technische Lösung zur Vermeidung der Ablagerungsrisiken für den Motor nicht zur Verfügung gestanden hätte, sondern nur, dass der damit verbundene Aufwand unverhältnismäßig und von dem Unionsgesetzgeber nicht gewollt gewesen sein könne. Sie wendet ein, dass, wenn die Steuerung der Abgasrückführung ohne jede Rücksicht auf Ablagerungsrisiken erfolgen müsste, es schon nach kurzen Fahrtstrecken zu Bauteilversagen oder Steuerungsfehlern im Motor einschließlich Aussetzern kommen könnte, so dass offenkundig nicht von einer Behebbarkeit von Ablagerungen durch Wartung die Rede sein könne. Ein ständiger Austausch von Großteilen des Motors könne weder von der ökonomischen noch von den ökologischen Kosten her vom Unionsgesetzgeber gewollt gewesen sein, der Diesel-Fahrzeuge habe günstig halten wollen. Solche Fahrzeuge wären jedoch nicht mehr marktfähig.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat jedoch bereits entschieden, dass häufige und kostspielige Wartungsarbeiten es nicht rechtfertigen, zu Lasten des Ziels eines hohen Umweltschutzniveaus eine Abschalteinrichtung zuzulassen. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang nur, ob eine andere technische Lösung zur Verfügung stand. Ist das - wie hier - der Fall, ist die Abschalteinrichtung unzulässig. Ob die Herstellung eines solchen Fahrzeugs wirtschaftlich tragfähig ist, ist, weil eine bestimmte Technologie nicht vorgeschrieben ist, der Entscheidung des Fahrzeugherstellers überlassen (vgl. hierzu auch OLG Stuttgart, Urteil vom 19. Oktober 2023 - 24 U 103/22, juris Rn. 37; VG Schleswig, Urteil vom 20. Februar 2023 - 3 A 113/18, juris Rn. 362 ff.). Die Beklagte kann sich jedoch nicht damit rechtfertigen, dass sie es versäumt hat, die von ihr geforderte technische Anpassung vorzunehmen.

Ähnlich liegt es hinsichtlich der Ölverdünnung und des Rußeintrags, die allerdings, weil sie lediglich erhöhten Verschleiß bewirken, bereits nicht als "Beschädigung" oder "Unfall" gelten. Insoweit führt die Beklagte selbst an, dass die Ölverdünnung reversibel sei. Das sei zwar der Rußeintrag nicht, er könne aber durch einen Ölwechsel beseitigt werden. Damit stehen jedoch andere technische Lösungen zur Verfügung. Warum diese Möglichkeiten nicht ausreichend sein sollen, legt die Beklagte nicht dar.

(cc) Auch im Übrigen genügen die von der Beklagten beschriebenen mittelbaren Auswirkungen auf den Motor und die Betriebssicherheit nicht den Anforderungen der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union.

Nach der Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann eine Abschalteinrichtung nur dann ausnahmsweise zulässig sein, wenn nachgewiesen ist, dass diese Einrichtung ausschließlich notwendig ist, um die durch eine Fehlfunktion eines Bauteils des Abgasrückführungssystems verursachten unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall zu vermeiden, und diese Risiken derart schwer wiegen, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des mit dieser Einrichtung ausgestatteten Fahrzeugs darstellen.

Soweit die Beklagte gegen diese Auslegung geltend macht, dass Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a VO (EG) Nr. 715/2007 nur in dem Sinne interpretiert werden könne, wie es - nach ihrer Auffassung - der englische Wortlaut beschreibt, überzeugt dies nicht. Mit den Argumenten der Beklagten hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union der Sache nach ausführlich in seinem Urteil vom 14. Juli 2022 - C-128/20, ECLI:EU:C:2022:570 Rn. 53 ff. auseinandergesetzt, worauf der Senat Bezug nimmt. Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass die englische Fassung nichts dafür hergibt, dass eine Funktion bereits dann notwendig sei, wenn sie dem Motorschutz dient. Vielmehr ist auch nach der englischen Fassung eine Einrichtung erst dann notwendig, wenn sie zum Schutz des Motors und des sicheren Betriebs gerechtfertigt (justified; franz.: se justifie) ist.

Um die Vermeidung solcher unmittelbaren Risiken geht es bei der Verwendung des "Thermofensters" nicht. Da die Verschmutzung und der Verschleiß des Motors nicht als "Beschädigung" oder "Unfall" im Sinne der genannten Bestimmung angesehen werden können, gilt dies erst recht für eine Verschmutzung des AGR-Ventils oder des Dieselpartikelfilters. Damit dient die Verwendung des "Thermofensters" nicht dazu, ausschließlich die durch eine Fehlfunktion des AGR-Ventils oder des Dieselpartikelfilters verursachten Risiken zu vermeiden, sondern darum, deren Dauerhaltbarkeit zu sichern, was sich auch der im Auftrag des Verbandes der Automobilindustrie e. V. erstellten Kurzstudie von Prof. Dr. B., Prof. Dr. K. und Prof. Dr. R. (Anlage BB21, S. 54 letzter Absatz) entnehmen lässt; nur als Nebenfolge dient die Abschalteinrichtung der Vermeidung einer Fehlfunktion. Die Beklagte bestätigt dies indirekt, wenn sie anmerkt, dass "nach der Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union der Begriffe Beschädigung und Unfall Abschalteinrichtungen zum Schutz vor Beschädigungen praktisch nie zulässig" seien (Ss. vom 10. November 2023 Rn. 142).

Der Ausschluss allgemeiner Betriebsrisiken kann nach den oben dargelegten Grundsätzen jedenfalls nicht die primäre Aufgabe der Emissionskontrolle sein. Bliebe es den Herstellern überlassen, Bauteile des Emissionskontrollsystems durch Abschalteinrichtungen vor Verschleiß zu schützen, um so mittelbar Beschädigungen und Unfälle zu verhindern, wäre der Ausnahmecharakter der Vorschrift nicht mehr gewahrt. Ein Hersteller darf Emissionskontrollsysteme nicht so konstruieren, dass ihre Bauteile ständiger Abschalteinrichtungen bedürfen, um störungsfrei zu funktionieren (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 3. November 2023 - 8 U 104/21, juris Rn. 43; auch VG Schleswig, Urteil vom 20. Februar 2023 - 3 A 113/18, juris Rn. 348 ff., das sich ausführlich auch mit der genannten Kurzstudie auseinandersetzt).

(dd) Aber selbst, wenn das "Thermofenster" zur Vermeidung der durch eine Fehlfunktion eines Bauteils des Abgasrückführungssystems verursachten unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall notwendig wäre, diente es nicht dazu, eine konkrete Gefahr bei dem Betrieb des Fahrzeugs zu vermeiden, sondern lediglich dazu, das abstrakte, mit der Belagbildung allgemein verbundene Risiko, dass unter ungünstigen Bedingungen eine Beeinträchtigung der Betriebssicherheit eintreten kann, zu reduzieren.

(ee) Hinsichtlich eines möglichen Brandes des Dieselpartikelfilters, eventueller Berechnungsfehler und der Temperaturbeanspruchung von Bauteilen handelt es sich zum einen bereits nicht um Bestandteile des Motors (vgl. hierzu Anhang I Abs. 3.3.1.2 und 3.3.1.3 zur VO (EG) Nr. 692/2008; auch EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - C-128/20, juris Rn. 51 f.). Zum anderen droht ein unkontrollierter Abbrand des Dieselpartikelfilters, der - wie sich aus der in diesem Zusammenhang angeführten Kurzstudie von Prof. Dr. B., Prof. Dr. K. und Prof. Dr. R. (Anlage BB21) ergibt - nicht mit einem allerdings möglichen Fahrzeugbrand verwechselt werden darf, nur bei einem Überschreiten der Beladungsgrenze. Ein Überschreiten der Beladungsgrenze kann jedoch durch eine aktive Regeneration verhindert werden. Das führt zwar wiederum zu erhöhtem Öleintrag. Dieser kann jedoch, wie bereits festgestellt, durch andere technische Lösungen behoben werden.

(ff) Ähnlich liegt es hinsichtlich der Motoraussetzer, die im schlechtesten Fall einen Fahrzeugbrand auslösen könnten. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass eine Abschalteinrichtung nur zulässig ist, wenn sie erforderlich ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und - kumulativ - um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - C-128/20, juris Rn. 61 f.). Da der Diesel-Oxydationskatalysator aber kein Teil des Motors ist, erscheint diese Voraussetzung schon zweifelhaft. Dessen ungeachtet erklärt die Beklagte erneut nicht, warum eine temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung zur Vermeidung dieses Risikos notwendig sein soll. Die Beklagte gibt an, dass neben der Abgasrückführungsrate eine Vielzahl weiterer Parameter die Neigung des Systems zu Aussetzern beeinflusse und ein besonderes Risiko bei Betriebspunkten mit niedrigen Einspritzmassen bestehe. Vor diesem Hintergrund könnte, wenn überhaupt, zwar möglicherweise eine Reduzierung der Abgasrückführung in Abhängigkeit von der Temperatur zusätzlich bei niedrigen Einspritzmassen in Betracht kommen. Eine generelle und fortwährende Reduzierung der Abgasrückführung in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur unter allen Betriebszuständen - wie sie hier implementiert ist - rechtfertigt dies jedoch nicht.

(2) Das Gleiche gilt entsprechend für die Notwendigkeit des "Geregelten Kühlmittelthermostats". Auch insoweit macht die Beklagte Risiken aus Ölverdünnung, reduzierter Schmierfähigkeit infolge geringerer Ölqualität sowie Ablagerungsrisiken geltend, die - wie ausgeführt - die Verwendung der Abschalteinrichtung zum Motorschutz nicht rechtfertigen können. Ohnehin scheidet eine Rechtfertigung aus, weil das Geregelte Kühlmittelthermostat bei Temperaturen von weniger als 15°C bereits deaktiviert wird und damit die Abgasrückführung den überwiegenden Teil des Jahres reduziert.

Die Beklagte wendet ein, dass das Fahrzeug zu einer Fahrzeuggruppe gehört, die nach ihrer Ansicht die Grenzwerte auf dem Prüfstand auch ohne die Abschalteinrichtung einhielten. Die Beanstandung des Kraftfahrtbundesamtes beruhe auf einer erhöhten Nachweissicherheit, was vor den Verwaltungsgerichten zu klären sei. Das bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Selbst bei Unterstellung mangelnder "Grenzwertkausalität" wäre das "Geregelte Kühlmittelthermostat" nicht nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c VO (EG) Nr. 715/2007 zulässig.

(a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c VO (EG) Nr. 715/2007 nur dann einschlägig, wenn die Bedingungen, "unter denen die Einrichtung arbeitet", im Emissionsprüfverfahren im Wesentlichen "berücksichtigt" sind (vgl. dazu den Kommissionsentwurf vom 21. Dezember 2005, KOM [2005] 683 endg., S. 18). Die in Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c VO (EG) Nr. 715/2007 vorgesehene Privilegierung ist daher nur dann einschlägig, wenn die Abschalteinrichtung deshalb greift, weil dies durch die Prüfverfahren zur Emissionsmessung im Wesentlichen vorgegeben wird (siehe auch Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, WD 7 - 3000 - 031/16, S. 18; vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2019 - VIII ZR 225/17, juris Rn. 15). Zu der Auslegung der Ausnahme kann auch die Regelung des Art. 19 Satz 2 Buchstabe c der zum 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Verordnung 168/2013/EU herangezogen werden, wonach ein Konstruktionsteil nicht als Abschalteinrichtung gilt, wenn die Betriebsbedingungen in einem wesentlichen Umfang in die Prüfverfahren einbezogen wurden, mittels derer festgestellt wird, ob das Fahrzeug den Anforderungen dieser Verordnung und den gemäß dieser Verordnung erlassenen delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten entspricht (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2019 - VIII ZR 225/17, juris Rn. 15).

(b) Mit ihren gegen diese höchstrichterliche Auslegung in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argumenten dringt die Beklagte nicht durch. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Kontext und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (EuGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 - C-693/18, ECLI:EU:C:2020:1040 Rn. 94; Urteil vom 5. Oktober 2023 - C-296/22, ECLI:EU:C:2023:743 Rn. 26 mwN). Danach besteht kein Zweifel, dass eine Abschalteinrichtung, die wie das "Geregelte Kühlmittelthermostat" unter Prüfstandsbedingungen nicht aktiviert wird, also die Wirksamkeit der Emissionskontrolle unter diesen Bedingungen nicht vermindert, nicht nach der Ausnahme des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c VO (EG) Nr. 715/2007 zulässig ist.

(aa) Nach dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c Verordnung (EG) Nr. 715/2007 kann eine Abschalteinrichtung nach dieser Ausnahme nur dann zulässig sein, wenn ihre Aktivierungsbedingungen im Wesentlichen in den Prüfverfahren enthalten sind. Das trifft auf das "Geregelte Kühlmittelthermostat" nicht zu. Dieses vermindert die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems nur außerhalb der Prüfstandsbedingungen. Auch die Beklagte macht nicht geltend, dass das "Geregelte Kühlmittelthermostat" unter den Wortlaut von Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c VO (EG) Nr. 715/2007 fallen würde.

(bb) Das Verständnis nach dem Wortlaut wird durch den Kontext und die Ziele von Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bestätigt.

Art. 3 Nr. 6 Verordnung (EG) Nr. 692/2008 sieht vor, dass der Hersteller gewährleistet, dass die bei der Emissionsprüfung ermittelten Werte unter den in dieser Verordnung angegebenen Prüfbedingungen den geltenden Grenzwert nicht überschreiten. Die Vorgabe, dass die Aktivierungsbedingungen der Abschalteinrichtung im Wesentlichen in den Prüfverfahren enthalten sein müssen, bewirkt, dass die Zulässigkeit nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nach Durchführung der Verfahren zur Prüfung der Verdunstungsemissionen und der durchschnittlichen Auspuffemissionen abschließend beurteilt werden kann; hingegen bedarf das von der Beklagten durchgeführte "Testing Out" einer gesonderten, in dem Zulassungsverfahren nicht vorgesehenen Prüfung. Das widerspricht der Vorgabe des Art. 3 Nr. 6 Verordnung (EG) Nr. 692/2008, wonach die bei der Emissionsprüfung ermittelten Werte unter Prüfbedingungen maßgeblich sind.

Auch der Zweck, die Gewährleistung eines hohen Umweltschutzniveaus, gebietet es, nur solche Abschalteinrichtungen für zulässig zu erachten, die in dem Prüfverfahren mitgetestet wurden. Nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig. Hiervon erlaubt Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c Verordnung (EG) Nr. 715/2007 eine Ausnahme nur für die Fälle, in denen die Auswirkungen der Abschalteinrichtung auf die Emissionsminderung dadurch, dass ihre Bedingungen "im Wesentlichen" in den Verfahren zur Prüfung enthalten sind, geprüft werden konnten. Durch diese Vorgabe ist sichergestellt, dass das generelle Verbot von Abschalteinrichtungen nicht unterlaufen wird, weil die nach Buchstabe c zulässige Abschalteinrichtung außerhalb der Prüfstandsbedingungen allenfalls in nicht wesentlichen Fällen noch zu einer Minderung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems führen kann. Nur insoweit erlaubt die Prüfung im NEFZ eine Prognose über die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems. Auf eine Abschalteinrichtung, die eine Minderung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems hingegen im Wesentlichen nur außerhalb der Prüfstandsbedingungen bewirkt, trifft diese Erwägung nicht zu (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 51). Die Beklagte macht selbst in anderem Zusammenhang geltend, dass die Emissionen in unterschiedlichen Betriebszuständen nicht miteinander vergleichbar sind.

Deshalb überzeugt auch der Einwand der Beklagten nicht, dass es sinnwidrig wäre, auf eine Abschalteinrichtung zu verzichten, die zumindest eine partielle Verbesserung der Emissionsminderung unter Prüfstandsbedingungen bewirke. Das übersieht, dass Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c Verordnung (EG) Nr. 715/2007 es den Herstellern ermöglicht, eine Abschalteinrichtung zu verwenden, die ihre geringste Emissionsminderungsleistung unter Prüfstandsbedingungen erbringt, außerhalb dieser Bedingungen jedoch eine höhere Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems gewährleistet. Bei dem "Geregelten Kühlmittelthermostat" verhält es sich aber umgekehrt. Es wäre deshalb eine sinnwidrige Verkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses in sein Gegenteil, jede Abschalteinrichtung für zulässig zu erklären, nur weil sie für die Einhaltung der Grenzwerte auf dem Prüfstand nicht zwingend erforderlich ist.

Schließlich sind die Ausnahmen von dem Verbot der Verwendung von Abschalteinrichtungen eng auszulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - C-128/20, ECLI:EU:C:2022:570 Rn. 50; Urteil vom 21. März 2023 - C-100/21, ECLI:EU:C:2023:229 Rn. 61). Dieser Grundsatz steht einer Auslegung entgegen, die sich von dem Wortlaut der Vorschrift vollständig löst und die darin genannten Tatbestandsmerkmale in ihrer Gesamtheit überflüssig macht. Das wäre jedoch die Folge, würde man mit der Beklagten allein auf die Einhaltung des Grenzwerts unter Prüfbedingungen abstellen.

Aber selbst wenn die Ausnahmeregelung einer entsprechenden Anwendung zugängig wäre, lägen ihre Voraussetzungen hier nicht vor. Für die Zulässigkeit einer Abschalteinrichtung nach der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ist durch die Berücksichtigung der Abschalteinrichtungen im Prüfverfahren sichergestellt, dass sich eine Kombination von Abschalteinrichtungen (vgl. zu diesem Kriterium BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 64, 66) auch kumulativ nicht auf die Einhaltung der Grenzwerte auswirkt, weil sie - sofern sie nicht nach einer anderen Ausnahme gerechtfertigt werden können - sämtlich für eine Reduzierung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems während der Prüfung sorgen. Das schließt es aus, dass mehrere, für sich genommen nicht grenzwertkausale Abschalteinrichtungen Verwendung finden, die aber in ihrer Kombination zu einer Überschreitung der Grenzwerte führen. Nach diesen Kriterien scheidet eine Zulässigkeit des "Geregelten Kühlmittelthermostats" hier aus, weil auch das "Thermofenster", dessen Aktivierungsbedingungen im Wesentlichen ebenfalls nicht in den Prüfverfahren enthalten sind, zusätzlich zu deaktivieren wäre. Da das "Geregelte Kühlmittelthermostat" offenbar nur unter günstigen Bedingungen nicht grenzwertkausal ist, ist davon auszugehen, dass bei zusätzlich verringerter Emissionsminderung der Grenzwert nicht mehr eingehalten würde.

c) Eine Schadensersatzhaftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV setzt ein Verschulden des in Anspruch genommenen Fahrzeugherstellers voraus, wofür nach dem heranzuziehenden Maßstab des § 37 Abs. 1 EG-FGV ein fahrlässiger Verstoß genügt (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 38). Bei - wie hier - objektiv feststehender Verletzung eines Schutzgesetzes muss der das Schutzgesetz Übertretende in aller Regel Umstände darlegen und beweisen, die geeignet sind, die daraus folgende Annahme seines Verschuldens auszuräumen. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Schadensersatzanspruch - was hier nicht der Fall ist - Vorsatz voraussetzt (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2016 - II ZR 311/14, juris Rn. 16; Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 59).

aa) Die Haftung wegen Fahrlässigkeit ist nur bei einem unvermeidbaren Rechtsirrtum ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2014 - XI ZR 418/13, juris Rn. 14 allg. zu § 276 BGB; Urteil vom 30. Mai 1972 - VI ZR 6/71, juris Rn. 29; Urteil vom 12. Mai 1992 - VI ZR 257/91, juris Rn. 20 jew. zum Deliktsrecht). Der Fahrzeughersteller, der sich unter Berufung auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum entlasten will, muss sowohl den Verbotsirrtum als solchen als auch die Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums konkret darlegen und beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 63; Urteil vom 25. September 2023 - VIa ZR 1/23, juris Rn. 13). Der für die Widerlegung des Verschuldensvorwurfs maßgebliche Zeitpunkt ist der Abschluss des Kaufvertrages (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 61; Urteil vom 25. September 2023 - VIa ZR 1/23, juris Rn. 13, 15).

(1) Das setzt zunächst die Darlegung und erforderlichenfalls den Nachweis eines Rechtsirrtums seitens des Fahrzeugherstellers voraus. Der Fahrzeughersteller muss darlegen und beweisen, dass sich sämtliche seiner verfassungsmäßig berufenen Vertreter im Sinne des § 31 BGB über die Rechtmäßigkeit der von dem Käufer dargelegten und erforderlichenfalls nachgewiesenen Abschalteinrichtung mit allen für die Prüfung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bedeutsamen Einzelheiten im maßgeblichen Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses im Irrtum befanden oder im Falle einer Ressortaufteilung den damit verbundenen Pflichten genügten (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2023 - VIa ZR 1/23, juris Rn. 14).

(2) Erst im Anschluss an die Darlegung und den Nachweis dieser Umstände kann Bedeutung gewinnen, ob der Rechtsirrtum unvermeidbar war (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2023 - VIa ZR 1/23, juris Rn. 15).

(a) An das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums sind strenge Maßstäbe anzulegen, wobei der Schuldner die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich, Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten muss. Grundsätzlich trifft den Schuldner das Risiko, die Rechtslage zu verkennen. Er handelt schuldhaft, wenn er mit der Möglichkeit rechnen muss, dass das zuständige Gericht einen anderen Rechtsstandpunkt einnehmen wird (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2014 - XI ZR 418/13, juris Rn. 14 mwN). Das ist etwa der Fall, wenn sich der Hersteller mit Rücksicht auf eine nicht in seinem Sinn geklärte Rechtslage erkennbar in einem rechtlichen Grenzbereich bewegte, schon deshalb eine abweichende rechtliche Beurteilung seines Vorgehens in Betracht ziehen und von der eventuell rechtswidrigen Verwendung der Abschalteinrichtung absehen musste (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 69; Urteil vom 25. September 2023 - VIa ZR 1/23, juris Rn. 14). Die Verneinung des Schuldvorwurfs setzt voraus, dass die letztlich als unzutreffend erkannte Rechtsmeinung nicht nur vertretbar, sondern auch aufgrund sorgfältiger rechtlicher und tatsächlicher Prüfung gewonnen worden war (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2005 - III ZR 264/04, juris Rn. 19). Eine Entlastung ohne Rücksicht auf die aus den vorstehenden Erwägungen folgenden Sorgfaltspflichten, etwa mit Rücksicht auf den Umstand, dass der Verwendung von Thermofenstern ein allgemeiner Industriestandard zugrunde lag oder dass nach den Angaben des Kraftfahrtbundesamtes rechtlich von ihm so bewertete unzulässige Abschalteinrichtungen auch nach umfangreichen Untersuchungen nicht festgestellt worden seien, kommt dagegen nach dem gesetzlichen Fahrlässigkeitsmaßstab nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2023 - VIa ZR 1/23, juris Rn. 14).

(b) Daneben kann der Hersteller, der sich sorgfaltswidrig verhalten hat, zu seiner Entlastung darlegen und erforderlichenfalls nachweisen, seine Rechtsauffassung von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 wäre bei entsprechender Nachfrage von der für die EG-Typgenehmigung oder für anschließende Maßnahmen zuständigen Behörde bestätigt worden (hypothetische Genehmigung). Steht fest, dass eine ausreichende Erkundigung des einem Verbotsirrtum unterliegenden Schädigers dessen Fehlvorstellung bestätigt hätte, scheidet eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB infolge eines unvermeidbaren Verbotsirrtums auch dann aus, wenn der Schädiger eine entsprechende Erkundigung nicht eingeholt hat (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 65). Eine Entlastung auf dieser Grundlage setzt allerdings voraus, dass der Fahrzeughersteller nicht nur allgemein darlegt, dass die Behörde Abschalteinrichtungen der verwendeten Art genehmigt hätte, sondern dass ihm dies auch unter Berücksichtigung der konkret verwendeten Abschalteinrichtung in allen für die Beurteilung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 maßgebenden Einzelheiten gelingt. Haben mehrere Abschalteinrichtungen Verwendung gefunden, müssen die Einzelheiten der konkret verwendeten Kombination für die Frage einer hypothetischen Genehmigung in den Blick genommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 66). Da es bei der hypothetischen Genehmigung nicht darum geht, ob sich der Schädiger verkehrsgemäß verhalten hat - hätte er dies, käme es auf hypothetische Erwägungen nicht an -, sondern ob der sog. Vermeidbarkeitszusammenhang entfallen ist (vgl. hierzu Sternberg-Lieben/Schuster in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 17 Rn. 22), ist das Bestehen einer entsprechenden Verwaltungspraxis nicht von Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 67).

bb) Gemessen hieran hat die Beklagte ein zumindest fahrlässiges Handeln bei Abschluss des Kaufvertrages am 22. Mai 2015 nicht widerlegt. Die Beklagte unterlag bereits keinem konkreten Rechtsirrtum.

Das gilt zunächst für das "Geregelte Kühlmittelthermostat". Die Beklagte legt schon eine konkrete Fehlvorstellung ihrer Verantwortlichen nicht dar. Ungeachtet dessen war ein - unterstellter - Verbotsirrtum nicht unvermeidbar. Insbesondere kann sich die Beklagte nicht auf eine Genehmigung berufen, denn das Kraftfahrtbundesamt hat die Abgasstrategie gerade beanstandet.

Auch hinsichtlich des "Thermofensters" widerlegt die Beklagte den Fahrlässigkeitsvorwurf nicht.

(1) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Darlegung eines konkreten Irrtums weder allgemein noch bei der tatsächlichen oder hypothetischen Genehmigung entbehrlich. Diese Ansicht steht zum einen im Widerspruch zu der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Entfallen der Fahrlässigkeit infolge eines Rechtsirrtums im Allgemeinen und des Fahrzeugherstellers im Besonderen. Zum anderen ist die Auffassung der Beklagten auch mit der strafrechtlichen Dogmatik, welcher die Rechtsfigur der hypothetischen Genehmigung zu der Beurteilung der Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrtums nach § 17 StGB entlehnt ist, unvereinbar. Ein Verbotsirrtum nach § 17 Satz 1 StGB kommt nur in Betracht, wenn dem Täter die Einsicht fehlt, Unrecht zu tun. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs braucht der Täter die Rechtswidrigkeit seines Vorgehens nicht zu kennen; es genügt, dass er wusste oder hätte erkennen können, Unrecht zu tun (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 2020 - 2 StR 246/20, juris Rn. 11 mwN). Die Einsicht, Unrecht zu tun, fehlt jedoch demjenigen nicht, der sich nicht irrt. Dementsprechend ist Gegenstand des Schuldvorwurfs nicht die Unterlassung einer Erkundigung schlechthin, sondern nur eine solche, die, wenn sie eingeholt worden wäre, zum Tragen gekommen wäre, also den Irrtum beseitigt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 1990 - 1 StR 477/89, juris Rn. 32). In der strafrechtlichen Literatur und Rechtsprechung ist aber allgemein anerkannt, dass die bloße Berufung auf einen Verbotsirrtum nicht dazu nötigt, einen solchen als gegeben anzunehmen; vielmehr ist das Fehlen des Unrechtsbewusstseins als innere Tatsache dem Strengbeweis zugänglich und im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände das Vorstellungsbild des Beschuldigten festzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2012 - 1 StR 213/10, juris Rn. 63; BeckOK StGB/Heuchemer [1.8.2023], § 17 Rn. 48; MüKoStGB/Joecks/Kulhanek, 4. Aufl., § 17 Rn. 22 f.; Sternberg-Lieben/Schuster in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 17 Rn. 12c). Nichts anderes gilt im Zivilprozess, wobei die Darlegungs- und Beweislast bei dem Schädiger liegt, die Unerweislichkeit eines Verbotsirrtum also zu seinen Lasten geht.

(2) Letzteres ist hier der Fall.

(a) Die Beklagte legt weder dar, dass sich sämtliche ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter im Sinne des § 31 BGB über die Rechtmäßigkeit des "Thermofensters" mit allen für die Prüfung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bedeutsamen Einzelheiten im maßgeblichen Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses im Irrtum befanden, noch, dass diese den mit einer Ressortaufteilung verbundenen Pflichten genügten.

Die Beklagte macht lediglich geltend, dass nach ihrer Betriebsorganisation die Ausstellung der Übereinstimmungsbescheinigung im relevanten Zeitpunkt den Abteilungen "Vertriebsplanung PKW" und "Fahrzeugdokumentation" oblag und Übereinstimmungsbescheinigungen typischerweise von den Leitern dieser Abteilungen unterzeichnet wurden. Diese wären der Auffassung gewesen, eine zutreffende Übereinstimmungsbescheinigung in den Verkehr zu geben, weil das Fahrzeug mit dem genehmigten Typ übereingestimmt habe. Dass die Übereinstimmungsbescheinigung eine eigenständige Aussage über die materielle Übereinstimmung "mit allen Rechtsakten" enthalten sollte, sei für die Ausstellenden nicht ersichtlich gewesen. Eine Überprüfung der Konformität des Fahrzeugs auf das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen sei nach ihrer Auffassung nicht veranlasst gewesen.

Mit diesem Vortrag mag zwar zu Gunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, dass sie eine Ressortaufteilung vorgenommen hatte. Dazu, welche Maßnahmen ihre verfassungsmäßig berufenen Vertreter zu der Erfüllung ihrer damit verbundenen Pflichten unternahmen, äußert sie sich jedoch nicht.

Ungeachtet dessen ist hiermit eine unvermeidbare Fehlvorstellung nicht dargelegt. Die ausstellenden Personen bei der Beklagten hätten durch einfache Lektüre der für ihren Verantwortungsbereich geltenden Vorschrift wissen können, dass sie mit der Ausstellung der Übereinstimmungsbescheinigung erklären, dass das Fahrzeug bei seiner Herstellung allen Rechtsakten entspricht, weil die "Übereinstimmung mit allen Rechtsakten" in dem Wortlaut der Definition der Übereinstimmungsbescheinigung enthalten ist. Nach Art. 3 Nr. 36 Richtlinie 2007/46/EG ist die Übereinstimmungsbescheinigung legaldefiniert als das in Anhang IX wiedergegebene, vom Hersteller ausgestellte Dokument, mit dem bescheinigt wird, dass ein Fahrzeug aus der Baureihe eines nach dieser Richtlinie genehmigten Typs zum Zeitpunkt seiner Herstellung allen Rechtsakten entspricht (vgl. auch die englische Fassung: "[...] complied with all regulatory acts at the time of its production").

Aber selbst, wenn der Vortrag der Beklagten auf der Darlegungsebene noch als ausreichend zu beurteilen wäre, steht der von ihr behauptete Irrtum nicht fest, weil sie keinen Beweis anbietet.

Schließlich wäre ein solcher Irrtum angesichts des klaren Wortlauts vermeidbar, weil von einem Fahrzeughersteller erwartet werden muss, dass er die für seinen Geschäftsbereich erlassenen Vorschriften auch zur Kenntnis nimmt.

(b) Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass sie nach wie vor der Rechtsansicht sei, dass die temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung im streitgegenständlichen Fahrzeug aus Gründen des Motorschutzes zulässig sei, legt sie zwar - unter ergänzender Heranziehung ihres zum Motorschutz gehaltenen Vortrags - einen Verbotsirrtum dar. Für eine solche Fehlvorstellung ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter bietet die Beklagte aber weder Beweis an noch kann hierauf aus den Umständen geschlossen werden.

(aa) Allerdings ist die Ermittlung einer inneren Tatsache in der Weise möglich, dass Umstände festgestellt werden, die den Schluss hierauf zulassen (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2003 - VIII ZR 218/01, juris Rn. 14; Urteil vom 18. Mai 2021 - VI ZR 401/19, juris Rn. 23). Ein solcher Indizienbeweis ist überzeugungskräftig, wenn andere Schlüsse aus den Indiztatsachen ernstlich nicht in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2016 - VI ZR 163/14, juris Rn. 15). So liegt es hier aber nicht.

(bb) Die Beklagte macht geltend, dass sie dem Kraftfahrtbundesamt bereits in 2003 offengelegt habe, dass die Lufttemperatur ein Parameter bei der Steuerung der Abgasrückführung in Diesel-Fahrzeugen der Beklagten sei. Hierzu verweist sie auf beispielhafte Anlagen zu Beschreibungsbögen für ihre Motoren, die in dem Typgenehmigungsverfahren vorgelegt werden. In diesen sei die Lufttemperatur als Parameter für die Abgasrückführung genannt, was nur so verstanden werden könne, dass die für die Beklagte handelnden Personen von der rechtlichen Zulässigkeit der Steuerung der Abgasrückführung in Abhängigkeit der genannten Parameter ausgegangen seien.

Auch der europäische Normgeber habe die Temperaturabhängigkeit der Abgasrückführung nicht für unzulässig gehalten. Im Amtsblatt der Europäischen Union vom 19. Juli 2008 habe die Kommission darauf hingewiesen, dass "Dieselfahrzeuge mit Abgasrückführung und NOx-Nachbehandlung bei niedrigen Temperaturen erhöhte NOx-Emissionen verursachen können." Aus diesem Grund wolle die EU-Kommission überprüfen, ob die Niedrigtemperatur-Emissionsprüfung, die bis dahin nur für Benzin-Fahrzeuge vorgesehen war, auf "Euro-6-Dieselfahrzeuge ausgeweitet und ob in Zukunft ein Grenzwert eingeführt werden soll." Der EU-Gesetzgeber sei in der Folge jedoch untätig geblieben, was verdeutliche, dass die EU-Kommission im Jahr 2008 nicht davon ausgegangen sei, dass die Temperaturabhängigkeit der Abgasrückführung bereits nach den bestehenden Vorschriften unzulässig sei.

Schließlich habe das Kraftfahrtbundesamt erstmals mit Bescheid vom 1. November 2022 eine außentemperaturabhängige Steuerung der AGR bei betriebswarmem Motor in einem Fahrzeug der Beklagten als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandet.

(cc) Diese Aspekte genügen weder für sich noch in der Gesamtschau, um den Schluss auf einen Irrtum in allen für die Prüfung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bedeutsamen Einzelheiten zu tragen.

Es bestand keine allgemeine Genehmigungspraxis des Kraftfahrtbundesamtes, auf die sich ein Vertrauen hätte gründen und die deshalb ein tauglicher Anknüpfungspunkt für einen Rückschluss auf eine entsprechende Fehlvorstellung bei der Beklagten sein könnte. In seiner Auskunft teilt das Kraftfahrtbundesamt mit:

"Nach den zum Zeitpunkt der hier gegenständlichen Emissionsgenehmigung geltenden Genehmigungsvorschriften waren keine Angaben des Herstellers zu den Emissionsstrategien des Fahrzeuges im sogenannten Beschreibungsbogen gefordert. Die genaue Beschreibung der Emissionsstrategien wurde erst ab 16.05.2016 für neue Fahrzeugtypen mit der Verordnung (EU) 2016/646 eingeführt, also nach der Erweiterung der Typgenehmigung für das in Rede stehende Fahrzeug."

Abgesehen davon, dass danach eine tatsächliche Genehmigung im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses mangels Angaben zu der genauen Funktionsweise des "Thermofensters" ausscheidet, kann auch auf eine spätere Freigabe des "Thermofensters" im Zuge des Software-Updates die behauptete rechtliche Fehlvorstellung von der Zulässigkeit nicht gestützt werden, weil diese dem Kaufvertragsschluss erst nachfolgte. Es bestand auch keine gesicherte Rechtslage, weil der Verwendung von Thermofenstern ein allgemeiner Industriestandard zugrunde gelegen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 70), was ohnehin nur für die Technologie als solche gilt, nicht aber für die konkrete Ausgestaltung, von der die Notwendigkeit zum Motorschutz im Einzelfall abhängt. Vielmehr bezeichnet die Beklagte die Rechtslage selbst als unbestimmt. Aus dem Untätigbleiben des EU-Gesetzgebers kann in Bezug auf die Zulässigkeit des hier konkret verwendeten "Thermofensters" ebenfalls nichts abgeleitet werden. Im Gegenteil spricht der Umstand, dass ein gesonderter Grenzwert für Stickoxidemissionen bei niedrigen Temperaturen nicht festgelegt wurde dafür, dass die allgemeine Regelung auch für diesen Temperaturbereich Geltung haben sollte. Schließlich bestand schon deshalb Anlass zu Zweifeln, weil die von einer Versottung unmittelbar betroffenen Bauteile nach Anhang I Abs. 3.3.1.2 und 3.3.1.3 zur VO (EG) Nr. 692/2008 keine Bestandteile des Motors waren und Ausnahmen nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eng auszulegen sind (vgl. EuGH, Urteil vom 10. April 2014 - C-435/12, ECLI:EU:C:2014:254 Rn. 22; Urteil vom 3. September 2014 - C-201/13, ECLI:EU:C:2014:2132 Rn. 22; Urteil vom 17. Dezember 2020 - C-693/18, ECLI:EU:C:2020:1040 Rn. 111).

Auch in der Gesamtschau vermögen es die von der Beklagten angeführten Umstände nicht, einen belastbaren Schluss auf eine rechtliche Fehlvorstellung zu tragen. Zwar können die von der Beklagten angeführten Umstände auch mit ihrer Darstellung vereinbart werden; dafür dass diese richtig wäre, bieten sie aber keinen Anhalt. Es handelt sich um äußere Umstände, die in Bezug auf das Vorstellungsbild der Verantwortlichen der Beklagten indifferent sind und deshalb ebenso gut damit in Einklang stehen, dass die Verantwortlichen der Beklagten nicht der von ihr behaupteten Fehlvorstellung unterlagen.

(dd) Ohne, dass es darauf ankäme, kann sich die Beklagte auch nicht auf eine hypothetische Genehmigung des "Thermofensters" berufen. Haben mehrere Abschalteinrichtungen Verwendung gefunden, müssen die Einzelheiten der konkret verwendeten Kombination für die Frage einer hypothetischen Genehmigung in den Blick genommen werden. Die hier verwendete Kombination aus "Thermofenster" und "Geregeltem Kühlmittelthermostat" wäre aber schon deshalb nicht hypothetisch genehmigt worden, weil das Kraftfahrtbundesamt das "Geregelte Kühlmittelthermostat" als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft hat.

d) Nach Maßgabe der oben genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat der Tatrichter die Höhe des ersatzfähigen Schadens im Rahmen der vorgesehenen Bandbreite zwischen 5% und 15 % des gezahlten Kaufpreises nach § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO ohne Hinzuziehung eines Sachverständigengutachtens nach freier Überzeugung zu schätzen.

aa) Bei dieser Schätzung hat der Tatrichter bei der Bestimmung des objektiven Werts des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die mit der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung verbundenen Nachteile, insbesondere das Risiko behördlicher Anordnungen, zu berücksichtigen. Weiter hat er den Umfang in Betracht kommender Betriebsbeschränkungen und die Eintrittswahrscheinlichkeit solcher Beschränkungen mit Rücksicht auf die Einzelfallumstände in den Blick zu nehmen. Maßgebend ist dabei eine auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogene Betrachtung. Über diese originär schadensrechtlichen Gesichtspunkte hinaus hat der Tatrichter das Gewicht des der Haftung zugrundeliegenden konkreten Rechtsverstoßes für das unionsrechtliche Ziel der Einhaltung gewisser Emissionsgrenzwerte sowie den Grad des Verschuldens nach Maßgabe der Umstände des zu beurteilenden Einzelfalls zu bewerten, um so dem Gebot einer verhältnismäßigen Sanktionierung auch bezogen auf den zu würdigenden Einzelfall Rechnung zu tragen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 76 f.).

bb) Nach diesen Grundsätzen ist der dem Kläger entstandene Schaden auf 10% des von ihm gezahlten Kaufpreises (22.000 €), also 2.200 € zu bestimmen.

Der Schaden kann einerseits nicht im oberen Bereich liegen. Zwar hat die Beklagte durch die Verwendung von zwei unzulässigen Abschalteinrichtungen das Risiko eines behördlichen Eingreifens - das sich auch hinsichtlich des "Geregelten Kühlmittelthermostats" verwirklicht hat - erheblich gesteigert. Sowohl hinsichtlich des erstrebten Umweltschutzniveaus als auch des Grads des Verschuldens bleibt der Verstoß der Beklagten jedoch hinter dem einer manipulativen Prüfstandserkennung deutlich zurück. Andererseits stehen die genannten Gründe einer Schadensbestimmung im unteren Bereich entgegen. Aus der danach noch verbleibenden Spanne erscheint die Beeinträchtigung des Vorteils der jederzeitigen Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs in diesem Fall mit 10% zutreffend erfasst.

e) Der Schaden ist durch Anrechnung eines Vorteilsausgleichs teilweise aufgezehrt.

aa) Auf den Differenzschaden finden die von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe des Vorteilsausgleichs zum "kleinen" Schadensersatz Anwendung (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 80 mit Verweis auf BGH, Urteil vom 6. Juli 2021 - VI ZR 40/20, juris Rn. 23 f.; Urteil vom 24. Januar 2022 - VIa ZR 100/21, juris Rn. 17). Dies hat zur Folge, dass die Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs anspruchsmindernd im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnen sein können, soweit sie den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigen, wofür ebenfalls die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet ist. Beruft sich der Fahrzeughersteller auf die nachträgliche Verbesserung des Fahrzeugs durch ein Software-Update, kann damit eine Schadensminderung nur verbunden sein, wenn und soweit das Software-Update die Gefahr von Betriebsbeschränkungen signifikant reduziert. Das wiederum kann nur dann der Fall sein, wenn es nicht seinerseits eine unzulässige Abschalteinrichtung beinhaltet.

Die Darlegungs- und Beweislast für die Vorteilsausgleichung, welche anspruchsmindernd zu berücksichtigen ist, trägt der Schädiger (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 2021 - V ZR 272/19, juris Rn. 24; Beschluss vom 25. Juli 2022 - VIa ZR 622/21, juris Rn. 10; Urteil vom 23. März 2023 - V ZR 97/21, juris Rn. 7; Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 80). Den Gläubiger trifft jedoch eine sekundäre Darlegungslast, weil der Schädiger außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und dem Geschädigten nähere Angaben zumutbar sind. Der Gläubiger ist deswegen gehalten, die für die Berechnung des Vorteilsausgleichs durch den Schädiger erforderlichen Tatsachen vorzutragen (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2010 - II ZR 30/09, juris Rn. 26; Urteil vom 4. April 2014 - V ZR 275/12, juris Rn. 22).

Im Rahmen der Vorteilsausgleichung kommt es auf die tatsächlich gezogenen Vorteile an (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2022 - VIa ZR 409/22, juris Rn. 9). Dabei tritt bei einem Weiterverkauf der erzielte Verkaufserlös an die Stelle des Fahrzeugs (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2021 - VI ZR 533/20, juris Rn. 24). In diesem Verkaufserlös setzt sich der anzurechnende Vorteil aus dem Fahrzeugerwerb fort (ebd. Rn. 29). Für den Differenzschaden auf der Grundlage des § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV gilt nichts anderes (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2023 - VIa ZR 1687/22, juris Rn. 12). Dementsprechend steht mit dem Verkaufspreis der erzielte Restwert und damit fest, in welcher Höhe der Schaden durch den Verkauf ausgeglichen worden sein kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2009 - VI ZR 205/08, juris Rn. 12). Erachtet der Schädiger den Verkaufserlös nicht für marktgerecht, obliegt es ihm, darzulegen und zu beweisen, dass der Geschädigte mit dem Verkauf seine Pflicht zur Geringhaltung des Schadens verletzt hat (§ 254 Abs. 2 BGB; BGH, Urteil vom 13. Januar 2009 - VI ZR 205/08, juris Rn. 12; Urteil vom 13. November 2012 - XI ZR 334/11 -, juris Rn. 25 ff.). Ein Verstoß gegen diese Obliegenheit scheidet jedoch aus, wenn die Vorgehensweise des Geschädigten im konkreten Fall vernünftig und zweckmäßig erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2012 - XI ZR 334/11, juris Rn. 26).

bb) Nach diesen Grundsätzen ist der Schaden des Klägers durch anzurechnende Vorteile teilweise ausgeglichen.

(1) Allerdings hat das Fahrzeug des Klägers durch das Software-Update keine relevante Aufwertung erfahren. Ein Vorteilsausgleich durch das Software-Update setzt voraus, dass das Risiko behördlicher Maßnahmen signifikant reduziert wird, woran es fehlt, wenn die festgestellten unzulässigen Abschalteinrichtungen nicht beseitigt werden oder neue Abschalteinrichtungen implementiert werden. Die Beseitigung nur einzelner unzulässiger Abschalteinrichtungen führt zu keiner Aufwertung, weil das Risiko von Betriebsbeschränkungen fortbesteht.

(a) So liegt es aber hier. Zwar legt die Beklagte dar, dass mit dem Software-Update das "Geregelte Kühlmittelthermostat" entfernt und der Umfang des AGR-Betriebs stark ausgeweitet worden sei. Etwaig verbleibende außentemperaturabhängige Steuerungen seien jedenfalls aus Motorschutzgründen gerechtfertigt. Dieser Vortrag lässt aber nicht erkennen, dass das unzulässige "Thermofenster" tatsächlich entfernt wurde.

Das gilt auch, soweit die Beklagte meint, das Thema "Thermofenster" habe sich mit ihren Software-Updates erledigt. Das Kraftfahrtbundesamt habe einen Bericht zu den Software-Updates verschiedener Hersteller veröffentlicht, in dem die Updates bei 5°C, 10°C und 15°C Umgebungslufttemperatur vermessen wurden. In der Gesamtbetrachtung dieser Messungen bei 5°C, 10°C und 15°C Umgebungslufttemperatur ließen Fahrzeuge der Beklagten keine Zunahme der Stickoxid-Emissionen hin zu niedrigen Umgebungstemperaturen erkennen. Daraus kann allenfalls geschlossen werden, dass die untere Grenze des "Thermofensters" nicht mehr bei +7°C, sondern bei +5°C beginnt. Dass das "Thermofenster" keine unzulässige Abschalteinrichtung mehr wäre, lässt sich jedoch nicht folgern, weil auch Temperaturen unterhalb von +5°C zu den im Unionsgebiet üblichen Betriebsbedingungen zählen und die Beklagte nicht darlegt, dass bei diesen Temperaturen das "Thermofenster" die Emissionsminderung nicht verringert.

(b) Schließlich kommt dem Freigabebescheid des Software-Updates entgegen der von dem Beklagtenvertreter im Termin unterbreiteten Ansicht keine Tatbestandswirkung zu, aufgrund derer für das Gericht verbindlich feststünde, dass unzulässige Abschalteinrichtungen nicht vorhanden sind. Auch für den Freigabebescheid sind die Vorschriften über die Typgenehmigung auf Grundlage der Richtlinie 2007/46/EG maßgeblich, die gemäß Art. 88 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2018/858 erst mit Wirkung zum 1. September 2020 und damit nach der Freigabe des Software-Updates aufgehoben worden ist. Dementsprechend erfasst nach der überzeugenden Auslegung des Bundesgerichtshofs auch der Freigabebescheid, verstanden als (modifizierende) EG-Typgenehmigung (vgl. hierzu VG Schleswig, Urteil vom 20. Februar 2023 - 3 A 113/18, juris Rn. 210), nur die Rechtmäßigkeit des genehmigten Fahrzeugtyps, nicht jedoch des konkreten Fahrzeugs (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 14). Bei den Ausführungen des Kraftfahrtbundesamts, wonach vorhandene Abschalteinrichtungen zulässig seien, handelt es sich um Begründungselemente, die von dem Regelungsinhalt und damit der Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts selbst nicht erfasst werden (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 190/19, BGHZ 232, 94 Rn. 81).

Nichts anderes gilt für eine EU-Typgenehmigung nach den Vorgaben der Verordnung (EU) 2018/858, weil sich an den insoweit maßgeblichen Gesichtspunkten nichts Entscheidendes geändert hat. Nach Art. 3 Nr. 2 Verordnung (EU) 2018/858 ist "EU-Typgenehmigung" das Verfahren, nach dem eine Genehmigungsbehörde bescheinigt, dass ein Typ eines Fahrzeugs, eines Systems, eines Bauteils oder einer selbstständigen technischen Einheit den einschlägigen Verwaltungsvorschriften und technischen Anforderungen dieser Verordnung entspricht. Das entspricht bis auf redaktionelle Anpassungen dem Wortlaut der Definition der EG-Typgenehmigung in Art. 3 Nr. 5 der Richtlinie 2007/46/EG. Auch danach wird nicht ein konkretes Fahrzeug genehmigt, sondern der Fahrzeugtyp. Hinsichtlich der Wirkung der Übereinstimmungsbescheinigung ist ebenfalls keine Änderung erfolgt. Die Art. 3 Nr. 5, Art. 36 und 48 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2018/858 sind - erneut von redaktionellen Anpassungen abgesehen - inhaltlich unverändert an die Stelle von Art. 3 Nr. 36, Art. 18 und Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG getreten.

(2) Der Schaden ist jedoch bis auf 1.161 € ausgeglichen, weil die Summe aus gezogenen Nutzungen (12.339 €) und Veräußerungserlös (8.500 €) von 20.839 € den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs im Kaufzeitpunkt von 19.800 € (Kaufpreis von 22.000 € abzüglich 10%) um 1.039 € übersteigt.

(a) Bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Bemessung der anzurechnenden Vorteile ist folgende Berechnungsformel zugrunde zu legen (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2014 - VIII ZR 215/13, juris Rn. 14 mwN zum Rücktritt; Urteil vom 19. Januar 2021 - VI ZR 8/20, juris Rn. 13; Urteil vom 23. März 2021 - VI ZR 3/20, juris Rn. 10; Urteil vom 18. Mai 2021 - VI ZR 720/20, juris Rn. 6; Urteil vom 24. Oktober 2023 - VI ZR 131/20, juris Rn. 29 zur Schadenshaftung):

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Für die Berechnung der Nutzungsvorteile schätzt der Senat (§ 287 ZPO) die Gesamtlaufleistung auf 250.000 km.

Für die Prognose der Gesamtlaufleistung sind in erster Linie Fahrzeugtyp und Baujahr maßgeblich (vgl. BGH, Urteil vom 27. April 2021 - VI ZR 812/20, juris Rn. 16), wobei es nicht auf die mögliche Laufleistung des Motors an sich, sondern die Lebensdauer des (gesamten) Fahrzeugs ankommt. Da Fahrzeuge aus verschiedenen Teilen mit unterschiedlicher Lebensdauer bestehen und bei zunehmender Nutzungsdauer die Reparaturanfälligkeit steigt, werden in aller Regel bereits wirtschaftliche Erwägungen dazu führen, dass eine mögliche Lebensdauer des Motors nicht ausgeschöpft wird und daher nicht mit der maßgeblichen Gesamtnutzungsdauer des Fahrzeugs gleichzusetzen ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 2021 - VIII ZR 111/20, juris Rn. 58). Daher kommt es auf die unter gewöhnlichen Umständen zu erzielende (durchschnittliche) Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs und nicht darauf an, welche Gesamtlaufleistung das Fahrzeug unter günstigen Bedingungen im äußersten Fall erreichen kann oder in bestimmten Einzelfällen erreicht hat (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 2021 - VIII ZR 111/20, juris Rn. 59).

Die Laufleistung von 250.000 km entspricht der gewöhnlichen Lebensdauer eines - wie hier - Mittelklassefahrzeugs (wenn auch nicht der maximalen, bei entsprechend gesteigertem Erhaltungsaufwand technisch möglichen Leistungsgrenze) und wird der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Celle regelmäßig zugrunde gelegt (vgl. Senatsurteile vom 20. November 2019 - 7 U 244/18 und vom 22. Januar 2020 - 7 U 445/18; Urteil vom 11. Oktober 2023 - 7 U 794/21, juris Rn. 74; auch OLG Hamm, Urteil vom 10. September 2019 - 13 U 149/18, juris Rn. 91 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019 - 13 U 142/18, juris Rn. 114).

Ausgehend von 72.687 km bei Übergabe, 172.139 km bei Weiterverkauf und einem Kaufpreis von 22.000 € errechnet sich der Wert der gezogenen Nutzungen nach der oben genannten Formel mit 12.339 €:

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(b) Der anzurechnende Restwert entspricht dem Veräußerungserlös von 8.500 €.

Der Kläger hat seiner sekundären Darlegungslast genügt, indem er unter Vorlage des Kaufvertrages einen konkreten Verkauf des von ihm erworbenen Fahrzeugs dargelegt hat. Mehr war von ihm nicht zu verlangen.

Die Beklagte legt nicht dar, dass der Kläger gegen seine Obliegenheit zur Geringhaltung des Schadens verstoßen haben könnte. Insbesondere ist nicht festzustellen, dass der von dem Kläger erzielte Verkaufserlös nicht marktgerecht gewesen wäre. Im Ausgangspunkt geht die Beklagte zwar zutreffend davon aus, dass für die Bestimmung des Fahrzeugrestwerts zur Bemessung des Differenzschadens gemäß § 287 ZPO auf Verkaufsportale wie mobile.de oder autoscout.24 zurückgegriffen werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 16. Oktober 2023 - 7 U 346/22, juris Rn. 92). Hat der Kläger sein Fahrzeug jedoch verkauft, bildet der tatsächlich vereinbarte Kaufpreis ein Indiz für den ihm auf dem in seiner konkreten Situation zugänglichen Markt erzielbaren Preis, weil davon auszugehen ist, dass niemand ohne besonderen Grund unter Wert verkauft (vgl. zu der vergleichbaren Frage der Erforderlichkeit im Rahmen von § 249 Abs. 2 BGB, BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 - VI ZR 357/13, juris Rn. 16 sowie im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB, BGH, Urteil vom 25. Februar 2011 - V ZR 208/09, juris Rn. 13; Urteil vom 16. November 2022 - VIII ZR 436/21, juris Rn. 32 f.). Beruft sich der Schädiger - wie hier - nicht auf eine für den Geschädigten konkrete günstigere Verwertungsmöglichkeit, sondern lediglich auf das allgemeine Marktniveau, kommt eine Erschütterung der Indizwirkung regelmäßig nur in Betracht, wenn der von dem Geschädigten vereinbarte Preis deutlich zu niedrig war.

Letzteres ist hier von der Beklagten mit den aktuell erhobenen Angeboten nicht hinreichend dargelegt. Entscheidend ist die Marktsituation im Dezember 2020, als der Kläger sein Fahrzeug verkauft hat. Die erst rund drei Jahre später eingestellten Angebote besagen hierzu nichts. Nach dem in dem Termin erörterten Bericht über die Entwicklung der Gebrauchtwagenpreise sind die durchschnittlichen Gebrauchtwagenpreise von 2020 bis 2022 um mehr als ein Viertel gestiegen (https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/auto-kaufen-verkaufen/gebrauchtwagenkauf/gebrauchtwagenmarkt-dat-report/). Indiziert nach dem allgemeinen Verbraucherpreisindex (Dezember 2020: 99,8; Oktober 2023: 117,8), entspricht der von dem Kläger erzielte Kaufpreis von 8.500 € einem heutigen Wert von 10.030 €. Dieser Betrag liegt innerhalb der üblichen Schwankungsbreite zu dem von der Beklagten behaupteten heutigen Restwert von (mindestens) 11.000 € und bietet keinen Anhalt für einen nicht marktgerechten Verkaufspreis.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den auf den Verkaufsportalen eingestellten Werten um Angebotspreise handelt, die nicht notwendig mit dem tatsächlich erzielten Kaufpreis identisch sind. Dies wird durch die von dem Senat durchgeführte und in der mündlichen Verhandlung erörterte Ermittlung der aktuellen Händlerverkaufspreise auf adac.de bestätigt, die eine Bandbreite von 9.050 € bis 9.500 € für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp ergeben hat. Soweit die Beklagte in dem Schriftsatz vom 15. Dezember 2023 geltend macht, dass das Fahrzeug des Klägers einen Schaden aufgewiesen habe und er sich etwaige Versicherungsleistungen anrechnen lassen müsse, ist dies zum einen mangels konkreten Vortrags - die Beklagte führt lediglich aus, es sei denkbar, dass der Kläger solche Leistungen erhalten haben könnte - unerheblich. Zum anderen bleibt der Vortrag gemäß § 296a ZPO unberücksichtigt.

Vor diesem Hintergrund ist der Senat nicht davon überzeugt, dass der von dem Kläger erzielte Kaufpreis nicht marktgerecht gewesen wäre.

3. Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB. Der Kläger hat zwar von Anfang an einen Anspruch auf "kleinen" Schadensersatz verlangt. Erstmals mit dem Schriftsatz vom 25. August 2023, der der Beklagten am 28. August 2023 zugestellt worden ist, hat er jedoch Zinsen verlangt.

4. Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten kann der Kläger nicht verlangen. Bei Beauftragung der Prozessbevollmächtigten befand sich die Beklagte nicht in Verzug.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 92 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Der nicht nachgelassene Schriftsatz vom 15. Dezember 2023 bietet keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung hinsichtlich der Frage zu, ob der Kläger die Aktivlegitimation aufgrund der in dem Weiterveräußerungsvertrag enthaltenen Abtretung verloren hat.