Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 12.10.2023, Az.: 5 U 116/19

Abweisung der Schadensersatzklage des Dienstherrn eines Polizeibeamten mangels Feststellung einer durch Widerstandshandlungen des Beklagten verursachten posttraumatischen Belastungsstörung oder sonstigen psychischen Erkrankung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
12.10.2023
Aktenzeichen
5 U 116/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 40551
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - AZ: 6 O 59/19

In dem Rechtsstreit
des Herrn G. K. B., ...,
Beklagten und Berufungsklägers,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...,
gegen
das Land Niedersachsen, ...,
Kläger und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...,
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 27. September 2023 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Amtsgericht Dr. ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 5. Juli 2019 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer/ Einzelrichter des Landgerichts Stade abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit nicht das angefochtene Urteil infolge des Urteils des Senats vom 12. Dezember 2019 hinsichtlich der nachstehenden Tenorierung in Rechtskraft erwachsen ist:

"Der Beklagte wird verurteilt, an das klagende Land 4.389,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. Januar 2018 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht."

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens hat das klagende Land zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem klagenden Land bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das weitere Berufungsverfahren wird festgesetzt auf bis 110.000 Euro.

Gründe

I.

Das klagende Land (nachfolgend: Kläger) nimmt den Beklagten auf Schadensersatz und Feststellung nach der Verletzung eines Polizeibeamten während der Ausübung seines Dienstes in Anspruch.

Gegenstand des Rechtsstreits ist eine tätliche Auseinandersetzung vom 22.11.2015 unter Beteiligung des seinerzeit stark alkoholisierten und aggressiv um sich schlagenden Beklagten, der dem zum Vorfallsort hinzugerufenen Polizeibeamten N. im Rahmen von Widerstandshandlungen eine Verletzung des rechten Daumens zufügte, namentlich eine Distorsion, eine Zerrung des ulnaren Seitenbandes sowie eine Partialruptur des Kapselapparates am Daumengrundgelenk (vgl. Arztbericht des Dr. W. vom 22.11.2015, Anlage K2, MRT Untersuchungsbefund vom 02.12.2015, Anlage K3). Der Polizeibeamte N. war aufgrund dieser Verletzungen bis zum 20.12.2015 als arbeitsunfähig krankgeschrieben. Im Anschluss daran versah er zunächst Innendienst, bis er wegen einer diagnostizierten posttraumatischen Belastungsstörung in den Zeiträumen vom 15.02.2016 bis zum 19.03.2016 und vom 11.04.2016 bis zum 24.11.2017 erneut als arbeitsunfähig krankgeschrieben war.

Der Kläger behauptet unter Bezugnahme auf das von ihm eingeholte psychiatrisches Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr. G. vom 15.05.2017 (Anlage K4, Anlagenhefter), bei dem Polizeibeamten liege aufgrund des streitgegenständlichen Vorfalls eine posttraumatische Belastungsstörung nach Dienstunfall (F 43.1) als Traumafolge-Störung vor, die eine durchgehende Dienstunfähigkeit zur Folge habe. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die von ihm weitergezahlten Dienstbezüge sowie Heilbehandlungskosten in Höhe von insgesamt 105.242,27 Euro gemäß seiner Aufstellung in der Anlage zum Schreiben vom 22.12.2012 (Anlagenkonvolut K6, Anlagenhefter) ersetzt verlangt, auf die zur näheren Darstellung Bezug genommen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme in vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Zeuge N. leide zwar nicht an einer posttraumatischen Belastungsstörung, aber an einer spezifischen Phobie, die es ihm unmöglich mache, den Polizeidienst auszuüben.

Mit seiner Berufung begehrt der Beklagte unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die Abweisung der Klage. Hierzu trägt er vor, das von dem Landgericht eingeholte Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr. B. sei fehlerhaft und eine erneute Begutachtung des Polizeibeamten N. angezeigt, da der Sachverständige zu der fachlich nicht nachvollziehbaren Einschätzung gekommen sei, der Polizeibeamte N. habe infolge des streitgegenständlichen Ereignisses eine spezifische Phobie (F40.2) erlitten, aufgrund derer er seitdem dienstunfähig sei. Tatsächlich sei bei dem Polizeibeamten N. eine psychische Erkrankung nicht gegeben. Hierzu nimmt der Beklagte auf die von ihm vorgelegten sachverständigen Stellungnahmen des Sachverständigen Prof. Dr. S. vom 19.04.2018 (Bl. 34 d. A.), vom 26.06.2018 (Bl. 87 d. A.), vom 18.02.2019 (Bl. 132 d. A.) und vom 17.06.2019 (Bl. 174 d. A.) sowie auf das Gutachten des Sachverständigen PD Dr. St. vom 20.08.2019 (Aktendeckel) Bezug.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Stade vom 5. Juli 2019 abzuändern, soweit es nicht in Rechtskraft erwachsen ist, und die weitergehende Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung, soweit über sie noch zu entscheiden ist, zurückzuweisen.

Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung, ergänzt und vertieft seinen Vortrag.

Der Senat hat mit seinem Urteil vom 12.12.2019 das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit es den Beklagten über die Erstattung unstreitig infolge der Kapselverletzung an der Hand entstandenen Heilbehandlungskosten in Höhe von 4.389,80 Euro hinaus verurteilt hat. Zur Begründung hat er ausgeführt, die von dem klagenden Land weiterhin vorgetragene psychische Erkrankung und darauf beruhende Dienstunfähigkeit des Zeugen N. sei bei wertender Betrachtung nicht auf die Verletzungshandlung des Beklagten zurückzuführen. Auf die Revision des Beklagten hat der Bundesgerichtshof mit dem am 08.12.2020 verkündeten Urteil das Urteil des Senats aufgehoben, soweit dieser die Klage abgewiesen hat, und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an den Senat zurückverwiesen.

Der Senat hat aufgrund des Auflagen- und Beweisbeschlusses vom 19.08.2021 (Bl. 283 d. A.) Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. T.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf dessen Gutachten vom 14.04.2023 (Aktendeckel) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

Dem Kläger stehen aufgrund des Vorfalls vom 22.11.2015, soweit nicht der Senat den Beklagten mit Urteil vom 12.12.2019 zum Ersatz der die Kapselverletzung betreffenden Heilbehandlungskosten und Dienstbezüge verurteilt hat, keine weiteren Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten zu.

Der Kläger kann insbesondere nicht gemäß § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 113 Abs. 1, 223 Abs. 1 StGB i. V. m. § 52 Satz 1 NBG die ihm infolge einer vorgetragenen psychischen Erkrankung und damit einhergehenden Dienstunfähigkeit des Polizeibeamten N. entstandenen Vermögenseinbußen ersetzt verlangen. Das nach diesen Vorschriften vorauszusetzende Vorliegen einer als Primärschaden zu bewertenden psychischen Erkrankung bei dem Polizeibeamten N. kann von dem Senat nicht festgestellt werden.

Der Bundesgerichtshof hat mit dem am 08.12.2020 verkündeten Urteil ausgeführt, ein Zurechnungszusammenhang zwischen den Handlungen des Beklagten und der geltend gemachten Gesundheitsverletzung sei ungeachtet des sich bei dem in Rede stehenden Ereignis mitverwirklichten berufsspezifischen Risikos und der in der Polizeiausbildung zu erwartenden Vorbereitung auf derartige Belastungssituationen unter den Voraussetzungen gegeben, dass die vorgetragene Beeinträchtigung selbst Krankheitswert besitze, der Schädiger dem Geschädigten die Rolle eines unmittelbar (Unfall-) Beteiligten aufgezwungen hat und das Ereignis im Allgemeinen und nicht unter besonders eigenartigen und unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet war, einen Erfolg dieser Art herbeizuführen. Im Interesse einer angemessenen Begrenzung der Haftung habe sich ferner der Verschuldensvorwurf auf den gesamten haftungsbegründenden Tatbestand einschließlich der haftungsbegründenden Kausalität zu erstrecken. Insoweit gelte das strenge Beweismaß des § 286 ZPO.

Ausgehend von diesem Maßstab ist aufgrund der Beweisaufnahme nicht festzustellen, dass der Polizeibeamte N. unter einer psychischen Beeinträchtigung mit Krankheitswert leidet. Die erstinstanzliche Beweisaufnahme war zu wiederholen (hierzu 1.), auf der Grundlage des neu eingeholten Gutachtens vermochte sich der Senat nicht die sichere Überzeugung zu verschaffen, dass der Beamte N. überhaupt eine psychische Gesundheitsschädigung erlitten hat (hierzu 2.).

1.

Zwar hat das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO seiner Verhandlung und Entscheidung die von dem Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Das Landgericht hat aufgrund seiner Beweisaufnahme und des von ihm eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Dr. B. vom 14.01.2019 festgestellt, dass der Geschädigte ereigniskausal unter einer spezifischen Phobie und damit einhergehenden Dienstunfähigkeit leide. Allerdings bestehen hinsichtlich dieser Feststellung aufgrund konkreter Anhaltspunkte Zweifel an deren Richtigkeit, die dem Senat Veranlassung zur Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens gegeben haben.

Konkrete Anhaltspunkte im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sind alle objektivierbaren rechtlichen oder tatsächlichen Einwände gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Derartige konkrete Anhaltspunkte können sich unter anderem aus dem Vortrag der Parteien ergeben, vorbehaltlich der Anwendung von Präklusionsvorschriften auch aus dem Vortrag der Parteien in der Berufungsinstanz. Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen schon dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (BGH, Beschluss vom 04.09.2019, VII ZR 69/17, Rn. 11, zit. nach juris).

In dem vorliegenden Sachverhalt bestanden in Anbetracht des erstinstanzlich unter Bezugnahme auf mehrere gutachterliche Stellungnahmen der Sachverständigen Prof. Dr. S. und PD Dr. St. gehaltenen Sachvortrags des Beklagten konkrete Anhaltspunkte dahingehend, dass die Annahme des Sachverständigen Dr. B., der Polizeibeamte N. leide ereignisbedingt unter einer spezifischen Phobie, unzutreffend ist und eine erneute Beweiserhebung insoweit zu einer abweichenden Feststellung führen würde.

Den Parteigutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S. ist zu entnehmen, der Sachverständige Dr. B. habe neben methodischen Fehlern durch Verwendung ungeeigneter bzw. veralteter Anamneseverfahren und fehlerhaften Rückschlüssen insbesondere nicht begründet, weshalb und in welcher Hinsicht der Geschädigte an einer Phobie im Sinne einer objektiv irrationalen Furcht leide. Die Phobie könne gegenüber bestimmten Objekten oder Situationen bestehen und physische Angstsymptome auslösen, aber nicht generell gegenüber der Polizei bestehen. Ferner habe der Sachverständige Dr. B. unterlassen, bei dem Geschädigten etwaig auftretende Angstsymptome zu überprüfen und konkret festzustellen und die Ursachen der mutmaßlichen Phobie zu benennen, welche im Übrigen anlagebedingt aufträten und niemals auf die Exposition gegenüber bestimmten Geschehnissen zurückzuführen seien (vgl. 2. Gutachterliche Stellungnahme vom 18.02.2019, S. 11 - 12; 3. Gutachterliche Stellungnahme vom 17.06.2019, S. 8 - 10). Der von dem Beklagten weiterhin mit einer Stellungnahme beauftrage Sachverständige PD Dr. St. hat - neben zahlreichen weiteren Kritikpunkten - unter anderem ausgeführt, das Gutachten des Sachverständigen Dr. B. erfülle bereits nicht die Qualitätskriterien neurowissenschaftlicher Begutachtung, indem dieser die Befunde und subjektiven Angaben des Probanden miteinander vermische, dabei den Konjunktiv nicht verwende, und unterlassen, eine inhaltlich nachvollziehbare Auseinandersetzung mit der Validität der angegebenen Beschwerden vorzunehmen und dabei zu prüfen, ob eine Diskrepanz zwischen der subjektiven Beschwerdeschilderung und dem Verhalten des Probanden in der Untersuchungssituation besteht, beispielsweise soweit dieser zunächst noch weiter seiner Tätigkeit als Polizeibeamter nachgegangen sei und nachfolgend als Lkw-Fahrer tätig gewesen sei, was der Sachverständige nicht mittels spezifischer Nachfragen hinterfragt habe. Dessen ungeachtet könne eine spezifische Phobie nur in Bezug auf bestimmte Situationen in Betracht kommen, beispielsweise den Einsatz im Außendienst, nicht hingegen generalisiert gegenüber jedem Polizeidienst, beispielsweise im Innendienst (vgl. Gutachten vom 20.08.2019, S. 11 - 15, 21, 34).

Auch dem Senat erscheinen die Schlussfolgerungen des Sachverständigen Dr. B. nicht plausibel, soweit er zwar ausführlich die von ihm festgestellte Anamnese und unternommene Untersuchungen des Zeugen N. einschließlich bei ihm durchgeführter Tests erläutert (vgl. Gutachten vom 14.01.2019, S. 4 - 26 f.), die hieraus getroffene Schlussfolgerung, das ereignisbedingte Vorliegen einer spezifischen Phobie (F40.2) mit damit einhergehender Dienstunfähigkeit, hinsichtlich seiner Voraussetzungen und Ausgestaltung jedoch nicht konkretisiert (vgl. Gutachten vom 14.01.2019, S. 27 f., 36). Insofern ist nicht nachzuvollziehen, unter welchen Voraussetzungen die Diagnose einer spezifischen Phobie im Allgemeinen anzunehmen ist, ob diese in dem vorliegenden Sachverhalt vollständig erfüllt sind und inwiefern die Erkrankung im Fall ihres Vorliegens eine umfassende Dienstunfähigkeit des Polizeibeamten N. zu begründen vermag, und zwar auch in Bezug auf eine etwaige Tätigkeit im Innendienst. Eine konsistente und plausible Begründung der von dem Sachverständigen Dr. B. konstatierten Dienstunfähigkeit ist allerdings entscheidend für die von dem Senat zu treffende Feststellung der Ursächlichkeit der von dem Kläger vorgetragenen Vermögenseinbußen, die in dem vorliegenden Sachverhalt - dem Sachverständigen anhand seiner Anamnese und der Aktenlage bekannt - besonders vor dem Hintergrund zu hinterfragen war, dass der Polizeibeamte N. nach dem streitgegenständlichen Vorfall in Zeiträumen vom 21.12.2015 bis zum 14.02.2016 und vom 20.03.2016 bis zum 10.04.2016 noch im Innendienst tätig war, bevor er beginnend ab dem 11.04.2016 durchgehend krankgeschrieben war, und er in der Folgezeit insbesondere als Disponent sowie mehrjährig als Lkw-Fahrer arbeitete. Diese Unklarheiten hat der Sachverständige im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens im Termin vom 24.05.2019 (Protokoll vom 24. Mai 2019, Bl. 163 d. A.) nicht auszuräumen vermocht. Im Gegenteil hat er in sich widersprüchlich ausgeführt, ein erneuter Arbeitsversuch des Geschädigten im Innendienst sei aufgrund seines zwanghaften Verhaltens bzw. der phobischen Störung gescheitert, eine ICDE-Zwangsstörung habe jedoch nicht vorgelegen, der Geschädigte schaffe vielmehr für sich Ordnung (Protokoll vom 24.05.2019, S. 2). Soweit der Sachverständige im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens die diagnostizierte Phobie allein dahingehend konkretisiert hat, es gehe um Gewalt im Polizeieinsatz (Protokoll vom 24.05.2019, S. 3), erschließt sich dem Senat nicht, inwiefern eine insofern unterstellte Angst jedweder Tätigkeit im Innendienst der Polizei entgegenstehen soll.

2.

Eine psychische Erkrankung des Polizeibeamten N. hat der Senat aufgrund seiner Beweisaufnahme nicht feststellen können.

Soweit der Kläger vorträgt, der Polizeibeamte N. habe aufgrund der Verletzungshandlung des Beklagten eine posttraumatische Belastungsstörung bzw. eine spezifische Phobie erlitten, hat der Senat dieses aufgrund seiner Beweisaufnahme und der ihm insoweit nach § 286 Abs. 1 ZPO zustehenden freien Beweiswürdigung nicht mit der für die Entscheidung erforderlichen Überzeugung festzustellen vermocht. Nach dieser Vorschrift und diesbezüglich ständiger Rechtsprechung ist eine Behauptung bewiesen, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme von der Richtigkeit der Tatsachenbehauptung mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln zu schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen, überzeugt ist (BGHZ 53, 245, 256, Rn. 72, zit. nach juris). Dies ist hinsichtlich der vorgenannten Tatsachenbehauptungen nicht der Fall.

So hat der Sachverständige Prof. Dr. T. - für den Senat inhaltlich ohne weiteres nachvollziehbar - ausgeführt, eine psychische Erkrankung von Krankheitswert sei nicht festzustellen, insbesondere keine posttraumatische Belastungsstörung (im Folgenden: PTBS). Die Entstehung der PTBS ergebe sich nicht aufgrund eines monokausalen Ereignisses, sondern sei als multikausaler Prozess wechselseitiger Beeinflussung anzusehen. Biographische oder genetische Risikofaktoren bei dem Probanden seien im Rahmen der Anamnese nicht festzustellen gewesen, ebenso wenig das Auftreten eines schweren Traumas bzw. einer außergewöhnlichen Bedrohung oder eines Kontrollverlustes in der betreffenden Situation, was für die Diagnostizierung einer PTBS jedoch vorauszusetzen sei. (Gutachten vom 14.04.2023, S. 26 f., 28, 30). Der Proband habe ferner nicht von einem typischen PTBS-Beschwerden wie Flashbacks, partiellen Amnesien oder dissoziativen Erleben berichtet, deren Vorliegen im Fall einer PTBS sehr wahrscheinlich sei, ebenso wenig von oft zu beobachtenden Schuldzuweisungen gegenüber der eigenen Person. Darüber hinaus zeige er kein umfassendes Vermeiden von Umständen, die der erlebten Belastung ähneln oder mit ihr im Zusammenhang stehen, indem ihm eine uneingeschränkte Nebentätigkeit als Lkw-Fahrer und Sicherheitsdienstmitarbeiter möglich sei (Gutachten vom 14.04.2023, S. 31 - 32). Soweit der Sachverständige allein ein Kriterium der PTBS als erfüllt ansieht, namentlich das Auftreten einer erhöhten psychischen Sensitivität im Sinne von Schlafstörungen, vermehrter Reizbarkeit und erhöhter Schreckhaftigkeit innerhalb der ersten sechs Monate (Gutachten vom 14.04.2023, S. 31), ist dieses nicht geeignet, seine Dienstunfähigkeit und damit die haftungsausfüllende Kausalität für die von dem Kläger geltend gemachten Vermögenseinbußen zu begründen.

Der Sachverständige hat weiterhin ausgeführt, auch eine spezifische Phobie (F40.2) sei bei dem Polizeibeamten nicht gegeben, da er nicht von einer extremen und irrationalen Angst in Bezug auf bestimmte Objekte oder streng begrenzten Situationen berichte und sich die Situation "Polizeiarbeit" der gebotenen Zuordnung zu den in der Literatur beschrieben Subtypen der spezifischen Phobie entziehe, zumal eine Unterscheidung zwischen polizeilichem Außendienst und einer Arbeit im Innendienst angezeigt sei (Gutachten vom 14.04.2023, S. 34). Ebenso wenig berichte der Proband von den Symptomen einer Neurasthenie (F48.0), indem er eine übermäßige bzw. quälende Erschöpfung nach geistiger Anstrengung verneine (Gutachten vom 14.04.2023, S. 37). Die Beweisaufnahme ist mithin negativ ergiebig; Einwendungen gegenüber dem Gutachten hat der Kläger nicht erhoben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert ist auch nach Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht und Teilrechtskraft des angefochtenen Urteils gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 43, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO auf bis 110.000 Euro festzusetzen.